TE OGH 1991/12/18 13Os118/91 (13Os119/91, 13Os120/91)

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Veröffentlicht am 18.12.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Dezember 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Aigner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ale K***** wegen des Vergehens der Erschleichung einer Leistung nach dem § 149 Abs. 1 StGB und anderer Delikte über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 6. Dezember 1991, GZ 7 E Vr 737/90-36, sowie die Verfügung vom 2. Juni 1987 (womit der gegen Ale K***** am 16.September 1971 erlassene Haftbefehl und die Ausschreibung aufrecht blieben) und den Beschluß vom 23.November 1991 (über die Verhängung der Untersuchungshaft) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 7 E Vr 737/90 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis wurde das Gesetz in der Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z 3 des Bundesgesetzes vom 9.Mai 1985 (Amnestie 1985), BGBl. 1985/204, verletzt, und zwar durch

1./ die gerichtliche Verfügung vom 2.Juni 1987, womit der gegen Ale K***** am 16.September 1971 erlassene Haftbefehl und die Ausschreibung des Genannten zur Verhaftung aufrecht blieben;

2./ den Beschluß vom 23.November 1990, womit über Ale K***** gemäß dem § 180 Abs. 2 Z 1 StPO die Untersuchungshaft verhängt wurde;

3./ das Urteil vom 6.Dezember 1990, GZ 7 E Vr 737/90-36, soweit damit Ale K***** der Vergehen der "Prellerei" (richtig: der Erschleichung einer Leistung) nach dem § 149 Abs. 1 StGB, der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs. 1 StGB und der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Dieses Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, wird in seinem Schuldspruch und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird das Strafverfahren insoweit gemäß dem § 1 Abs. 1 Z 3 des Bundesgesetzes vom 9.Mai 1985, BGBl. 204 (Amnestie 1985) eingestellt.

Text

Gründe:

In dem seit Juni 1971 anhängig gewesenen und zuletzt unter der AZ 7 E Vr 737/90 geführten Strafverfahren des Kreisgerichtes Ried im Innkreis lagen dem am 12.Juni 1950 geborenen jugoslawischen Staatsangehörigen Ale K***** (ua) Straftaten nach den §§ 149 Abs. 1, 99 Abs. 1 und 83 Abs. 1 StGB zur Last, die am 6.März 1971 und am 31.August 1971 begangen worden waren. Da Ale K***** nach seiner Entlassung aus der seinerzeitigen Untersuchungshaft unbekannten Aufenthaltes war, wurde am 7. und am 16. September 1971 neuerlich gegen ihn ein Haftbefehl erlassen (ON 5 und ON 6 in ON 26), seine Ausschreibung zur Verhaftung veranlaßt und das Verfahren gemäß dem § 412 StPO abgebrochen.

Am 2.Juni 1987 verfügte das Kreisgericht Ried im Innkreis aus Anlaß einer Mitteilung der EDV-Zentrale des Bundesministeriums für Inneres, daß der Haftbefehl und die Ausschreibung des Ale K***** zur Verhaftung weiterhin aufrecht zu bleiben hätten (AS 1 f). Am 22.November 1990 wurde Ale K***** bei seiner Einreise nach Österreich festgenommen, worauf das Kreisgericht Ried im Innkreis mit Beschluß vom 23.November 1990 über ihn die Untersuchungshaft aus dem Grunde der Fluchtgefahr nach dem § 180 Abs. 2 Z 1 StPO verhängte (AS 1 h und verso dA). Nach Einbringung eines Strafantrages durch den öffentlichen Ankläger (ON 29 a dA) wurde Ale K***** schließlich mit dem - auch einen Teilfreispruch gemäß dem § 259 Z 3 StPO enthaltenden - Urteil des Einzelrichters des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 6.Dezember 1990, GZ 7 E Vr 737/90-36, der Vergehen der "Prellerei" (gemeint: der Erschleichung einer Leistung) nach dem § 149 Abs. 1 StGB (I./1./), der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs. 1 StGB (I./2./) und der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB (I./3./) schuldig erkannt und hiefür zu einer gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt. Sogleich nach der Urteilsverkündung wurde Ale K***** enthaftet (AS 123). Dieses Urteil ist seit 6. Dezember 1990 rechtskräftig.

Rechtliche Beurteilung

Die am 2.Juni 1987 verfügte Aufrechterhaltung des Haftbefehls und der Ausschreibung des Ale K***** zur Verhaftung, die Verhängung der Untersuchungshaft über Ale K***** mit Beschluß vom 23. November 1990 und das vorerwähnte Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 6.Dezember 1990, GZ 7 E Vr 737/90-36, stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach dem § 1 Abs. 1 Z 3 des Bundesgesetzes vom 9.Mai 1985 "über eine Amnestie aus Anlaß der vierzigsten Wiederkehr des Tages, an dem die Unabhängigkeit Österreichs wiederhergestellt wurde, und der dreißigsten Wiederkehr des Tages, an dem der österreichische Staatsvertrag unterzeichnet wurde" (Amnestie 1985), BGBl. Nr. 1985/204, das mit Ausnahme einer hier nicht aktuellen Bestimmung bereits am 15.Mai 1985 in Kraft trat, ist nämlich ua ein Strafverfahren wegen eines Offizialdeliktes nicht einzuleiten und ein bereits eingeleitetes Strafverfahren in jeder Lage des Verfahrens einzustellen, wenn die strafbare Handlung vor dem 15. Mai 1975 begangen wurde und keine strengere Strafe als drei Jahre Freiheitsstrafe angedroht ist. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall im Hinblick auf die jeweils festgestellten Tatzeiten (6.März und 31.August 1971: vgl. S 118 dA) und angesichts der für die vom Schuldspruch erfaßten Straftaten vorgesehenen Sanktionen (das hier am strengsten pönalisierte Vergehen der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs. 1 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht) erfüllt. Da die Amnestie 1985 die amtswegige Verfahrenseinstellung ua auch für den (hier gegebenen) Fall anordnet, daß über den Beschuldigten die Untersuchungshaft verhängt oder ein Strafantrag eingebracht werden müßte (§ 4 Abs. 2 Z 1 und Z 2 der Amnestie 1985), war bereits die weitere Aufrechterhaltung des Haftbefehls sowie der Ausschreibung zur Verhaftung am 2.Juni 1987 verfehlt. Vielmehr wäre das Strafverfahren gegen Ale K***** sogleich nach dem Inkrafttreten der Amnestie 1985 von Amts wegen einzustellen gewesen.

Die durch die Verfügung vom 2.Juni 1987 sowie durch die Verhängung der Untersuchungshaft am 23.November 1990 begründeten Gesetzesverletzungen sind demnach festzustellen. Darüber hinaus war das eingangs erwähnte Urteil vom 6.Dezember 1990 im Schuldspruch aufzuheben und das danach noch offene Strafverfahren gegen Ale K***** sogleich einzustellen.

Anmerkung

E27875

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0130OS00118.91.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19911218_OGH0002_0130OS00118_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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