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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde der EP in Wien, vertreten durch Dr. Bernhard Eigner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 13/1/5, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 19. August 2005, Zl. MA 65 - 196/2005, betreffend Ausweis gemäß § 29b StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (MA 15) vom 16. September 2004 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 29b Abs. 1 letzter Satz StVO aufgefordert, den ihr am 16. Juli 1999 ausgestellten Ausweis über dauernd starke Gehbehinderung (im Sinne des Abs. 1 erster Satz) binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides abzuliefern.
Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 19. August 2005 mit der Maßgabe keine Folge, dass dieser Ausweis binnen zwei Wochen ab Zustellung des Berufungsbescheides bei der Behörde erster Instanz abzuliefern sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
§ 29b Abs. 4 letzter Satz StVO hatte vor der 20. StVO-Novelle folgenden Wortlaut:
"Bei Wegfall der dauernd starken Gehbehinderung ist der Ausweis vom Antragsteller der ausstellenden Behörde unverzüglich abzuliefern."
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 10. Juli 1998, Zl. 96/02/0546, (vgl. auch die darauf Bezug nehmenden hg. Erkenntnisse vom 3. November 2000, Zl. 98/02/0266, und vom 23. November 2001, Zl. 98/02/0130, alle die auch jetzt belangte Behörde betreffend) die Rechtsansicht vertreten, es sei weder dem Gesetz zu entnehmen, dass es zulässig wäre, den Ausweis "als ungültig" zu erklären, noch enthalte das Gesetz eine Ermächtigung zur Erlassung eines Leistungsbescheides bei Wegfall der für die Ausstellung eines solchen Ausweises maßgebenden Voraussetzungen; ein Verfahren für die "Entziehung" dieses Ausweises sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen.
Durch die 20. StVO-Novelle (BGBl. I Nr. 92/1998) wurde § 29b StVO abgeändert. Der zitierte Abs. 4 letzter Satz (vor dieser Novelle) findet sich - in abgeänderter Form - nunmehr im Abs. 1 letzter Satz und hat folgenden Wortlaut:
"Bei Wegfall der dauernd starken Gehbehinderung ist der Ausweis vom Inhaber der ausstellenden Behörde unverzüglich abzuliefern; kommt der Inhaber dieser Verpflichtung nicht nach, so hat die Behörde den Ausweis zu entziehen."
Damit hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen (anders als es vor der 20. StVO-Novelle im Sinne der oben zitierten hg. Rechtsprechung möglich war), den Ausweis "zu entziehen" und damit die rechtliche Grundlage zu schaffen, die Ablieferung des Ausweises "bescheidmäßig aufzuerlegen" (vgl. dazu Dittrich-Stolzlechner, Österreichisches Straßenverkehrsrecht, I. Teil:
Straßenverkehrsordnung 1960, 3. Auflage, Rz 4 zu § 29b).
Im vorliegenden Beschwerdefall lag aber eine solche "Entziehung" (die - zur Klarstellung sei es gesagt - durchaus "uno actu" ausgesprochen werden könnte) nicht vor; vielmehr hat die belangte Behörde ohne diese rechtliche Grundlage "die Ablieferung" des Ausweises verfügt. Von daher gesehen hat die belangte Behörde eine rechtliche Situation geschaffen, die jener vor der 20. StVO-Novelle entspricht, nämlich dass für einen "Leistungsbescheid" - ohne dass ein Verfahren zur "Entziehung" vorgesehen war - kein Raum bleibt.
Da die belangte Behörde sohin die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass in das Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren an Umsatzsteuer für den Schriftsatzaufwand war im Hinblick auf dessen Pauschalierung abzuweisen.
Wien, am 24. Jänner 2006
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere RechtsgebieteAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005020256.X00Im RIS seit
03.03.2006Zuletzt aktualisiert am
09.11.2011