TE OGH 1991/12/18 1Ob39/91

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Veröffentlicht am 18.12.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Fritz Schuler, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagten Parteien 1.) Josef L***** Kommanditgesellschaft, ***** 2.) Heinrich F*****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann, Dr. Heimo Modelhart, Rechtsanwälte in Linz, Nebenintervenientin auf seiten der beklagten Parteien: Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 1„737.968,71 samt Anhang infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 3.Juli 1991, GZ 3 R 160/91-48, womit infolge Berufungen der klagenden und der beklagten Parteien das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 15. März 1991, GZ 8 Cg 172/90-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Für die klagende Partei ist am Grundstück 226/1 in EZ 858 KG R*****, die im Eigentum einer Baggergesellschaft mbH steht, unter anderem die Dienstbarkeit der Ölleitung einverleibt. Die von der klagenden Partei verlegte Ölleitung verläuft in der Nähe eines über dieses Grundstück führenden Strandweges.

In Vorarlberg wurden zur flächenhaften Grundwasserqualitätsüberwachung Wasserbeobachtungsrohre gesetzt. Die erstbeklagte Partei gab dafür ein Anbot ab, sie war Bestbieter. Mit Schreiben des Landeswasserbauamtes Bregenz vom 4.9.1989 wurde der erstbeklagten Partei mitgeteilt, daß ihr die Arbeiten für insgesamt 30 Bohrungen mit anschließendem Einbau von Grundwasserbeobachtungsrohren übertragen werden. Eventuell vorhandene unterirdische Einbauten seien von ihr zu erheben, allenfalls auftretende Schäden gingen zu ihren Lasten. Die Lage der Sonden werde im Zuge einer Begehung vom Sachbearbeiter Ing. Heinz G***** bekanntgegeben werden. Mit den Bohrarbeiten sei sofort zu beginnen, sie seien bis Ende November 1989 abzuschließen. Die erstbeklagte Partei sandte die Gleichschrift dieses Schreibens mit dem Bemerken, sie erkläre sich vollinhaltlich und rechtsverbindlich mit dem Auftragsschreiben einverstanden, an das Landeswasserbauamt Bregenz zurück. Der Zweitbeklagte, ein Brunnenmacher, war Partieführer bei den der erstbeklagten Partei übertragenen Arbeiten. Er ist seit 22 Jahren bei der erstbeklagten Partei beschäftigt. Bei einer Bohrstelle in Klaus teilte Ing. Heinz G***** dem Zweitbeklagten mit, er habe auf unterirdische Einbauten zu achten. Der Zweitbeklagte ließ Suchschlitze händisch ausheben. Zu einer Beschädigung der Einbauten bei der anschließenden Bohrung kam es nicht.

Auf dem Grundstück 226/1 KG R***** sollte das 20.Bohrloch angelegt werden. Über Ersuchen der Geschäftsführerin des Grundeigentümers wurde von Ing. Heinz G***** die Stelle, an der die Sonde zu errichten war, von der Mitte des Grundstückes an dessen Grenze verlegt. Am 20.10.1989, einem Freitag, fuhr Ing. Heinz G***** mit dem Zweitbeklagten auf das Grundstück und zeigte ihm, in welchem Bereich die Sonde zu errichten war. Die Arbeiten wurden am 23.10.1989 aufgenommen. Ohne einen Suchschlitz anzulegen, wurde mit den Bohrarbeiten begonnen. Da sich in ca. 90 cm Tiefe eine härtere Schichte befand, ließ der Zweitbeklagte abwechselnd beide Bohrlöcher um je 10 cm vertiefen. In einer Tiefe von 1,4 m stieß er mit dem Bohrer auf die parallel zum Strandweg verlaufende Ölpipeline G*****, die im Eigentum der klagenden Partei steht. Die ca. 20 cm im Durchmesser betragende Bohrkrone bohrte sich in das Ölleitungsrohr. Dadurch gelangte Öl in die nächste Umgebung des Bohrloches. Der Zweitbeklagte stellte sofort eine kleine Rauchwolke fest, es strömte etwa 20 bis 30 Liter Rohöl aus dem Bohrloch. Er verständigte sofort Ing. Heinz G*****, der in der Folge die notwendigen Maßnahmen einleitete. Wären Suchschlitze angelegt worden, wäre die Beschädigung der Ölleitung unterblieben. Die klagende Partei reparierte in der Folge die Ölleitung und sanierte das durch das ausgetretene Öl geschädigte Leitungsumfeld.

Die klagende Partei begehrt an Reparaturkosten und Verdienstentgang als Folgeschaden den Betrag von S 1,737.968,71 samt Anhang. Die beklagten Parteien hätten Erhebungen in der Richtung unterlassen, ob sich unter dem Grundstück 226/1 KG R***** unterirdische Einbauten befänden. Ein Suchschlitz sei ungeachtet einer Anweisung von Ing. Heinz G***** nicht ausgehoben worden. Die Bohrung sei vielmehr ohne Sorgfalts- und Vorsichtsmaßnahmen durchgeführt worden. Die erstbeklagte Partei hafte auf Grund der Verletzung der vertraglichen Nebenpflicht, die Ölleitung der klagenden Partei vor Beschädigungen zu bewahren, der Zweitbeklagte sei sich der Gefährlichkeit des Bohrens ohne Planunterlagen und ohne Anlegung eines Suchschlitzes sowie ohne Erhebung unterirdischer Einbauten bewußt gewesen. Er hätte zumindest sach- und weisungsgemäß unter händischer Anlegung eines Suchschlitzes die Bohrung so vorsichtig ausführen müssen, daß der Schade an der Ölleitung der klagenden Partei vermieden worden wäre. Der Zweitbeklagte sei sich der Gefahr wohl bewußt gewesen, er habe im Vertrauen darauf, es werde schon nichts passieren, unsachgemäß und grob fahrlässig die Bohrung durchgeführt.

Die beklagten Parteien wendeten ein, der klagenden Partei stünden wenn überhaupt nur Amtshaftungansprüche zu. Eine vertragliche Haftung des Zweitbeklagten sei nicht gegeben, deliktisch hafte er deshalb nicht, weil er weder Schutzgesetze noch Verkehrssicherungspflichten übertreten habe, ihn habe auch keine Ingerenzpflicht getroffen. Vereinbarungsgemäß habe Ing. Heinz G***** die Lage der Sonden bekanntzugeben gehabt. Die Bohrung sei in freier unverbauter Naturlandschaft ausgeführt worden. In der Nähe hätten sich keine Anlagen oder Einrichtungen befunden, aus deren Umständen Anhaltspunkte hervorgegangen wären, daß an der Bohrstelle unterirdische Einrichtungen eingebaut seien. Ing. Heinz G***** habe die beklagten Parteien nicht im geringsten auf mögliche unterirdische Einbauten aufmerksam gemacht. Suchschlitze anzulegen seien die beklagten Parteien nicht verpflichtet gewesen. Nur einmal habe Ing. Heinz G***** den Zweitbeklagten auf die Möglichkeit eines Drainagerohres aufmerksam gemacht. Damals habe der Zweitbeklagte einen Suchschlitz angelegt. Wäre den beklagten Parteien die auf Grund der Umstände völlig überraschende Existenz einer Erdölleitung bekannt gewesen, hätten sie selbstverständlich und ohne zu zögern, einen Suchschlitz angelegt. Das Landeswasserbauamt Bregenz sei selbst verpflichtet gewesen, den beklagten Parteien unaufgefordert die Lage der Erdölleitung, zumindest aber deren grundsätzliche Existenz im Bohrbereich bekanntzugeben.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß die Klagsforderung den beklagten Parteien gegenüber dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es stellte fest, Ing. Heinz G***** habe anläßlich der Bohrung auf dem Grundstück 226/1 KG R***** dem Zweitbeklagten die Anweisung gegeben, händisch einen Suchschlitz anzulegen, um allfällige unterirdische Einbauten feststellen zu können.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Durchführung der Bohrungen keine hoheitliche Aufgabe gewesen sei. Es läge ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vor. Diese könnten selbst ihren Schaden aus dem Vertrag geltend machen. Die erstbeklagte Partei habe die notwendigen Erhebungen über unterirdische Einbauten nicht durchgeführt, der Zweitbeklagte sei nicht der ausdrücklichen Anweisung von Ing. Heinz G***** gefolgt, er habe es unterlassen, händisch einen Suchschlitz anzulegen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien nicht Folge. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig. Es übernahm die oben wiedergegebene Feststellung des Erstgerichtes. Das Verfahren vor dem Erstgericht sei auch mängelfrei geblieben. Die beklagten Parteien hätten nicht in Vollziehung der Gesetze gehandelt. Die Haftung der erstbeklagten Partei als Geschäftsherr nach § 1313 a ABGB für die vom Zweitbeklagten verursachten Schäden schließe eine eigene Haftung des Gehilfen gegenüber dem Geschädigten nicht aus. Es sei allerdings zu beachten, daß in den Fällen des § 1313 a ABGB die Pflichten aus dem Schuldverhältnis nur dem Geschäftsherrn, nicht jedoch dem Gehilfen oblägen. Eine Haftung des Gehilfen dem Geschädigten gegenüber komme daher nur in Betracht, wenn sein Verhalten unabhängig von den Pflichten aus dem Schuldverhältnis, etwa wegen Verletzung eines absoluten Rechtes des Geschädigten rechtswidrig gewesen sei. Der Geschäftsherr hafte also vertraglich, der Gehilfe nur deliktisch. Im vorliegenden Fall habe der Zweitbeklagte auch bei Ausklammerung des vertraglichen Bandes durch seinen Verstoß gegen die ihm persönlich erteilte Weisung, einen Suchschlitz anzulegen, um Einbauten festzustellen, sorglos gehandelt und das absolute Eigentumsrecht der klagenden Partei verletzt. Er habe daher auch für den Schaden der klagenden Partei einzustehen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Parteien ist nicht berechtigt. Mit der Mängelrüge bekämpfen sie in Wahrheit die irrevisible Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen. Das Berufungsgericht hat die Beweiswürdigung des Erstgerichtes mit nachvollziehbaren Überlegungen geprüft und diese auch im Urteil festgehalten (EFSlg.52.234, 41.798, 34.489 uva, zuletzt 3 Ob 628/89). Selbst eine von den beklagten Parteien behauptete mangelhafte Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht erfüllte diesen Revisionsgrund nicht (SSV-NF 1/49).

Auch die Rechtsrüge versagt.

Hoheitliches Handeln der beklagten Parteien lag nicht vor. Es entspricht zwar ständiger Rechtsprechung, daß dann, wenn eine Aufgabe hoheitlicher Natur ist, alle damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt angesehen werden, wenn sie nur einen hinreichend engen Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe haben, so wenn sie zB vorbereitender oder abschließender Natur sind (ecolex 1990, 607; SZ 62/40; SZ 60/156, SZ 59/212 ua; Schragel, AHG2 68). Ein solcher Zusammenhang besteht aber, wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung SZ 62/40 ausführte, dann nicht, wenn auf vertraglicher Grundlage eine Anlage errichtet wird, deren Betrieb allenfalls im Rahmen der Hoheitsverwaltung erfolgen soll. Selbst die von den Revisionswerbern angeführte Entscheidung SZ 51/126 betraf nicht einen Fall, in dem eine solche Anlage hergestellt wurde, es handelte sich dort vielmehr um Schäden anläßlich der Durchführung einer Ersatzvornahme zur Vollstreckung eines baubehördlichen Abbruchbescheides, bei der der Unternehmer als Erfüllungsgehilfe der Behörde tätig wurde.

Die Revisionswerber bekämpfen nicht die zutreffende Ansicht der Vorinstanzen, es liege ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vor. Verletzen der Unternehmer oder seine Leute, für die er gemäß § 1313 a ABGB einzustehen hat, solche zugunsten Dritter bestehende Schutz- und Sorgfaltspflichten, so kann der in den Schutzkreis des Vertrages aufgenommene Dritte direkt gegen den auch für seine Erfüllungsgehilfen haftenden Unternehmer Schadenersatzansprüche geltend machen (JBl.1991, 453 mwN). Die beklagten Parteien gestehen nunmehr zu, daß die erstbeklagte Partei jedenfalls dann vertraglich verpflichtet war, Suchschlitze anzulegen oder Erhebungen anzustellen, wenn Anhaltspunkte für das Vorhandensein unterirdischer Einbauten gegeben waren. Ein solcher Sachverhalt liegt aber hier vor, hat doch der zuständige Beamte des Landeswasserbauamtes Bregenz beim Bohrloch 20 ausdrücklich die Anlegung eines Suchschlitzes angeordnet. Da Suchschlitze nur bei Verdacht unterirdischer Einbauten anzulegen sind, bedurfte es dann aber nicht weiterer konkreter Ausführungen, welcher Art diese Einbauten sein könnten.

Der Zweitbeklagte war Erfüllungsgehilfe der erstbeklagten Partei. Der Erfüllungsgehilfe haftet dann mit dem vertraglich gebundenen Geschäftsherrn aus dem Rechtsgrund des Deliktes solidarisch, wenn sein Verhalten unabhängig von der Existenz des Schuldverhältnisses, in das er nicht einbezogen war, rechtswidrig und schuldhaft war (SZ 62/173; SZ 62/138; RdW 1987, 52 uva; Holeschofsky in WBl.1988, 326 f; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 II 349 f; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 14 zu § 1313 a; Koziol-Welser8 I 451). Rechtswidrig war das Verhalten des Zweitbeklagten deshalb, weil er in absolute Rechte (Eigentum, Dienstbarkeit) der klagenden Partei eingegriffen hatte, schuldhaft aber, weil er der Anweisung des Auftraggebers, einen Suchschlitz anzulegen, nicht nachgekommen war. Der Schädiger, der in absolut geschützte Rechte eingriff, ist auch für die weiteren darauf zurückzuführenden Vermögensnachteile ersatzpflichtig (SZ 52/93; vgl. SZ 55/173; SZ 40/2 ua; Koziol aaO 21 und I 156 f).

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 393 Abs.4, 52 Abs.2 ZPO.

Anmerkung

E27976

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00039.91.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19911218_OGH0002_0010OB00039_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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