Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Dezember 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Westermayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ewald K***** wegen des Vergehens der versuchten Nötigung zur Unzucht nach §§ 15, 204 Abs. 1 StGB (aF) über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 16.Mai 1991, GZ 14 Vr 221/90-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Kodek, des Angeklagten Ewald K***** und des Verteidigers Dr. Kitzler zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 1 (ein) Jahr herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 7.April 1960 geborene Ewald K***** wurde des Vergehens der versuchten Nötigung zur Unzucht nach §§ 15, 204 Abs. 1 StGB (in der Fassung vor der Strafgesetznovelle 1989) schuldig erkannt. Darnach hat er am 20.April 1989 in Dietmanns getrachtet, Ilona E***** mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zur Unzucht, nämlich zur Durchführung eines Mundverkehrs, zu nötigen, indem er sie während einer Autofahrt vom Beifahrersitz zu sich zog und sagte "Du Hure, jetzt zeig, was du kannst, blas ihn mir, denn es ist wahrscheinlich das letzte Mal!", sie gegen ihre Gegenwehr so zu sich zog, daß er ihr Teile ihrer Kleidung zerriß, seinen Befehl wiederholte und sie an Körper, Kleidung und Haaren immer wieder in Richtung seines Schoßes zog, wobei er ihr auch drohte "Du Drecksau, komm jetzt her, ich mach dich fertig", und Ilona E***** ihm schließlich nur entkommen konnte, indem sie aus dem langsam fahrenden Auto sprang.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs. 1 Z 4, 9 lit. a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Angeklagte durch die Abweisung der von ihm in der Hauptverhandlung vom 16.Mai 1991 gestellten Beweisanträge in seinen Verteidigungsrechten nicht geschmälert. Denn angesichts dessen, daß - wie das Schöffengericht zutreffend erkannte (S 142, 152, 153) - weder die Fahrlinie des vom Angeklagten gelenkten Kraftwagens noch dessen Geschwindigkeit, aber auch nicht die Art und Weise, in welcher Ilona E***** das Fahrzeug verließ, objektiviert werden konnten, stand von vornherein fest, daß es an jenem notwendigen Sachverhaltssubstrat mangelte, welches die vom Angeklagten beantragten Experten (siehe S 141) benötigt hätten, um den von der Zeugin E***** geschilderten Geschehensablauf als aus technischen und/oder medizinischen Gründen unmöglich erscheinen zu lassen.
Ebensowenig begründet wie die Verfahrensrüge sind aber auch die Rechtsrügen (Z 9 lit. a und 10) des Angeklagten.
Denn mit der Behauptung, dem Urteil seien Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht zu entnehmen, stellt der Beschwerdeführer nicht auf den Urteilsinhalt ab, wonach der Angeklagte bewußt Gewalt und (gefährliche) Drohung einsetzte, um (S 152; selbst bedingter Vorsatz genügte; Leukauf-Steininger2 RN 5 zu § 204 StGB) Ilona E***** zur Durchführung eines Mundverkehrs zu nötigen (S 145 f, 148, 152 und 154). Insoweit ist mithin die eine der Rechtsrügen (Z 9 lit. a) nicht zu einer gesetzmäßigen Darstellung gelangt.
Es versagt aber auch die Subsumtionsrüge (Z 10), mit der der Beschwerdeführer eine Verurteilung bloß wegen Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB "gegebenenfalls in Realkonkurrenz mit (dem Vergehen der gefährlichen Drohung nach) § 107 StGB" anstrebt. Denn die von ihm vertretene Rechtsansicht, daß Sittlichkeitsdelikte nicht "zum Schutze einer Prostituierten konzipiert" seien, die Geschlechtssphäre der Prostituierten daher nicht geschützt sei, findet im Gesetz keine Deckung. Vielmehr pönalisieren die §§ 203 und 204 StGB in der Fassung vor der Strafgesetznovelle 1989 über die Strafbarkeit des Zwanges und der Nötigung zur Unzucht gleich jenen der §§ 201, 202 und 205 StGB (aF) über die Strafbarkeit des Zwanges und der Nötigung zum außerehelichen Beischlaf bzw. der Schändung Verletzungen der Sexualfreiheit (siehe Pallin im WK Rz 1 zu § 201 StGB aF). Dieses zu den Persönlichkeitsrechten zählende Selbstverfügungsrecht ist unverwirkbar und in seinem Bestehen unabhängig von der Art und Weise seiner Ausübung. Beeinträchtigungen dieses Rechtes durch im Sinne des § 204 StGB (aF) tatbildliche Verhaltensweisen sind daher auch dann nach dieser Bestimmung zu ahnden, wenn es sich bei dem Opfer um eine sich gegen den Sexualakt wehrende Prostituierte handelt. Daß sie sich gegen Bezahlung zu den objektiv als unzüchtig zu beurteilenden Handlungen bereitgefunden hätte (SSt. 56/1; vgl. Pallin aaO; EvBl. 1978/133), kann hiebei außer Betracht bleiben, weil dem Motiv ihrer Weigerung keine Bedeutung zukommt.
Aus der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung EvBl. 1978/216 ist für ihn deshalb nichts zu gewinnen, weil (auch nach dem Inhalt dieser Entscheidung) auf Handlungen zwischen Ehegatten in Ansehung der Bestimmungen der §§ 203, 204 StGB (aF) der Begriff der Unzucht nicht anwendbar war, nicht aber, weil bestimmte Personengruppen vom Schutz ihrer sexuellen Selbstbestimmung ausgeschlossen werden sollten (siehe Pallin aaO, Rz 4 zu § 203 StGB aF).
Die im ganzen unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 204 Abs. 1 StGB (aF) eine gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten. Erschwerend war dabei, daß das Opfer nahezu in hilfloser Lage war, weil der Angeklagte eine für die Frau völlig unbekannte Gegend aufsuchte und die Tat zur Nachtzeit geschah, mildernd dagegen der bisherige ordentliche Lebenswandel des Angeklagten sowie der Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist.
Die Berufung des Angeklagten, mit der er Strafherabsetzung anstrebt, ist begründet.
Denn obschon die tatrichterlichen Strafzumessungsgründe keiner nennenswerten Korrektur bedürfen, erscheint die geschöpfte Unrechtsfolge unter den gegebenen Umständen und namentlich unter Berücksichtigung dessen, daß es beim Versuch geblieben ist, als etwas überhöht, weshalb die Strafe in Stattgebung der Berufung auf das aus dem Spruch ersichtliche tatschuldadäquate Maß zu reduzieren war.
Anmerkung
E26978European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0120OS00139.91.1219.000Dokumentnummer
JJT_19911219_OGH0002_0120OS00139_9100000_000