Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** WARENHANDEL AG, ***** vertreten durch Dr. Hans Perner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Richard G*****, vertreten durch Dr. Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, und
2.) S***** ÖSTERREICHISCHE WARENHANDELS-AG, ***** vertreten durch Dr. Peter Raits ua Rechtsanwälte in Salzburg, wegen
S 1,112.535,98 sA (Revisionsinteresse der klagenden Partei
S 612.535,98, Revisionsinteresse der beklagten Partei
S 500.000,--) infolge Revision aller Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 18. Juni 1991, GZ 6 R 299/90-29, womit infolge Berufung der klagenden und der erstbeklagten Parteie das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 27. September 1990, GZ 4 Cg 13/89-18, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Den Revisionen der beklagten Parteien, nicht aber der Revision der klagenden Partei, wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes hinsichtlich seines Zuspruches von S 500.000,-- sA an die klagenden Partei dahin abgeändert, sodaß es in seiner Gesamtheit zu lauten hat:
"Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei S 1,112.535,98 sA zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit S 151.400,01 (darin S 25.233,33 Ust) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz, die mit S 67.465,10 (darin S 7.629,52 Ust und S 21.688,-- Barauslagen) und die mit S 52.308,64 (darin S 7.051,44 Ust und S 10.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Die klagende Partei ist weiters schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit S 152.850,80 (darin S 25.475,13 Ust) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz, die mit S 51.823,80 (darin S 8.637,30 Ust) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 52.308,64 (darin S 7.051,44 Ust und S 10.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Erstbeklagte war Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 109 der KG J*****. Diese Liegenschaft war mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten seiner Eltern belastet. Aufgrund seiner Verschuldung mit rund 5 Mill. S sah sich der Erstbeklagte gezwungen, diese Liegenschaft bzw. Teile davon zu veräußern. Seine Eltern waren damit einverstanden, wenn er durch den Verkauf völlig schuldenfrei wird. Dies teilten sie auch gegenüber dem Prokuristen der klagenden Partei namens K***** beim ersten Verkaufsgespräch, Ende 1985 oder Anfang 1986 mit. Nachdem die klagende Partei vom Bürgermeister der Stadt J***** erfuhr, daß ein Umwidmung der Liegenschaft in Bauland möglich wäre, und mit dem Erstbeklagten eine grundsätzliche Einigung erzielt werden konnte, schlossen die Klägerin und der Erstbeklagte im Jänner oder Februar 1986 einen Vorvertrag samt einem im Entwurf angeschlossenen Kaufvertrag über ein ca. 4.200 m2 großes, grob abgetrenntes Liegenschaftsstück des Erstbeklagten ab, wobei ein Kaufpreis von S 1.400,-- pro m2 vereinbart wurde. Im Punkt II des Vorvertrages verpflichtete sich der Erstbeklagte als Verkäufer zur Abgabe aller Erklärungen, die für die Erlangung der bau- und gewerbebehördlichen Bewilligungen für die Errichtung eines Verkaufsgeschäftes erforderlich sein sollten. Im Punkt IV wurde vereinbart, daß der Hauptvertrag abgeschlossen werden sollte, sobald die Bewilligungen rechtskräftig vorliegen würden, spätestens jedoch bis 31. März 1987. Für den Fall, daß bis zu diesem Zeitpunkt der Abschluß des Hauptvertrages nicht erfolgen könne, weil die hiefür erforderlichen Zustimmungserklärungen und Baubewilligungen nicht vorliegen, wurde festgelegt, daß der Hauptvertrag nicht abgeschlossen werde. Im Punkt IX wurde festgehalten, daß mündliche Nebenabreden nicht bestehen und Änderungen sowie Ergänzungen des Vorvertrages zu ihrer Gültigkeit der Schriftform bedürfen, insbesondere auch eine Vereinbarung, daß mündliche Nebenabreden gelten sollten. Bei Abschluß des Vorvertrages gingen beide Vertragsteile davon aus, daß sämtliche erforderlichen behördlichen Genehmigungen und Bewilligungen bis zum 31. März 1987 erlangt werden können. Die mit dem verwaltungsbehördlichen Verfahren verbundenen Kosten sollte die Klägerin allein tragen. In der Folge leistete der Erstbeklagte alle von der Klägerin geforderten Unterschriften. Mit Schreiben vom 23. Juni 1986 suchte er auch bei der Stadtgemeinde J***** um eine Änderung der Widmung seiner Liegenschaft in Bauland an. Die klagende Partei machte die Leistung einer vom Erstbeklagten begehrten Anzahlung von der Erstellung einer Bankgarantie durch ihn abhängig, die er aber nicht erhielt. Trotzdem erklärte der Erstbeklagte sich mit einer Verlängerung der Abschlußfrist für den Hauptvertrag bis zum 31. Juli 1987 schriftlich einverstanden. Die klagende Partei stellte in Aussicht, daß sie bis zu diesem Termin alle Bewilligungen erlangen werde, sodaß der Kaufvertrag abgeschlossen werden könne; andernfalls müßte die Angelegenheit neuerlich besprochen werden. Der am 22. April 1987 dem Erstbeklagten zugesandte Kaufvertragsentwurf war nach Meinung der klagenden Partei ergänzungsbedürftig, weil noch kein Teilungsplan vorlag. Dieser Kaufvertragsentwurf sah als Kaufobjekt eine Grundstücksfläche von nur 3.100 m2 und dementsprechend einen Kaufpreis von nur 4,4 Mill. S vor. Der Erstbeklagte erteilte gegenüber der Klägerin nie eine Zustimmung zur Verringerung zur Fläche des Kaufobjektes, wie sie in diesem Vertragsentwurf vorgesehen war. Im Herbst 1987 besprachen der Prokurist der klagenden Partei sowie der vom Erstbeklagten eingeschaltete Grundstücksmakler Ing. H***** anläßlich einer Autofahrt, daß die Frist für den Abschluß des Hauptvertrages nunmehr abgelaufen, eine schriftliche Verlängerung nicht mehr notwendig sei, weil zwischen den Vertragspartnern ohnedies ein sehr gutes Verhältnis bestehe. Der Erstbeklagte war bei diesem Gespräch nicht anwesend. Ihm war auch nach dem 31. Juli 1987 bekannt, daß die Klägerin weiter die Umwidmung seiner Liegenschaft anstrebt und bereits einen Einkaufsmarkt plant. Er unterfertigte noch einen mit 12. August 1987 datierten Bebauungsplan samt Anbot für die gärtnerische Gestaltung des Areals um den geplanten Einkaufsmarkt, da ihm die Klägerin einen diesbezüglichen Auftrag in Aussicht gestellt hatte. Der Geometer Dipl. Ing. L***** verfaßte noch 1987 die ersten Aufnahmen und Pläne für die Teilung des Grundstückes, die dann zu einem endgültigen Teilungsplan vom 25. April 1988 führten. Dieser sah als Kaufgegenstand nur noch ein 3.510 m2 großes Teilstück und die Zufahrt über den dem Erstbeklagten verbleibenden Grundstücksteil in Form eines Servitutsweges vor. Der Erstbeklagte war bei der Vermessung dieses Trennstückes nicht anwesend und nahm den Teilungsplan vom 25. April 1988 auch nicht zur Kenntnis. Er unterfertigte lediglich die ihm vom Geometer vorgelegte Zustimmungserklärung für den Grenzkataster, ohne diese durchzulesen. Er unterfertigte auch das Ansuchen der Klägerin um die Erteilung der Baubewilligung vom 18. März 1988 und erklärte am 25. März 1988 seine Zustimmung zur Errichtung eines Einkaufsmarktes auf seiner Liegenschaft durch die Klägerin. Im Juni 1988 nahm er an der Widmungsverhandlung teil, am 11. Juli 1988 auch an der Verhandlung im gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren, wobei er gegen die Genehmigung der von der Klägerin geplanten Anlagen keine Einwände erhob. Mit Bescheid des Stadtamtes J***** (vom 29. Juni 1988) wurde die Baubewilligung für den von der Klägerin geplanten Neubau eines Einkaufsmarktes erteilt, mit Bescheid der BH J***** vom 20. Juli 1988 dann die für den Betrieb erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung. Zu diesem Zeitpunkt lagen somit sämtliche erforderlichen verwaltungsbehördlichen Bewilligungen für den von der Klägerin projektierten Einkaufsmarkt auf der Liegenschaft des Erstbeklagten vor. Der Schuldenstand des Erstbeklagten hatte sich bis dahin auf rund 6 Mill. S erhöht. Der klagenden Partei übermittelte mit Schreiben vom 22. August 1988 dem Notar Dr. P***** einen Kaufvertragsentwurf zur Prüfung und ersuchte den Erstbeklagten mit Schreiben vom gleichen Tag, sich mit diesem Notar in Verbindung zu setzen. K***** rief ein, zwei Tage darauf den Erstbeklagten an und forderte ihn auf, den Kaufvertrag beim Notar zu unterfertigen, der Erstbeklagte wollte bei dem Telefonat einer Diskussion ausweichen und kündigte an, die Klägerin werde noch von ihm hören. Mit Schreiben seines Vertreters vom 25. August 1988 teilte der Erstbeklagte der Klägerin mit, daß er "den übermittelten Veräußerungsvorschlägen nicht nähertrete und zwischenzeitig anders disponiert habe".
Der Erstbeklagte versuchte nach Ablauf der bis zum 31. Juli 1987 verlängerten Frist für den Abschluß des Kaufvertrages auf eigene Faust andere Kaufinteressenten zu finden, zumal er von seiner Bank ständig bedrängt wurde. Am 27. Juli 1988 suchten die Direktoren der zweitbeklagten Partei Sch***** und Mag. E***** den Vermittler des Erstbeklagten Ing. H***** auf, und erklärten, die Liegenschaft unbedingt kaufen zu wollen, und zwar zu demselben oder etwas höheren Preis wie die Klägerin. Ing. H***** erklärte hiezu, dies sei nicht möglich, weil der Kaufvertrag mit der Klägerin bereits beim Notar zur Unterfertigung aufliege und der Erstbeklagte der Klägerin im Wort sei. Aufgrund der vom Erstbeklagten vorgelegten Urkunden, seinen Auskünften sowie jenen seiner Eltern, gelangte die zweitbeklagte Partei zur Ansicht, daß der Erstbeklagte nicht gebunden sei und sie mit ihm einen Kaufvertrag abschließen könne. Am 5. August bzw. 8. August 1988 kam es dann auch zum Abschluß des Kaufvertrages zwischen der erst- und zweitbeklagten Partei über die Gesamtgrundstücke Nr. 510/2 und 1423 im Ausmaß von zusammen 4516 m2. Diesem Kaufvertrag erteilten auch die Eltern des Erstbeklagten ihre Zustimmung. Nach Abschluß des Kaufvertrages mit dem Erstbeklagten mußte die Zweitbeklagte neuerlich um die Genehmigung der Widmungsänderung ansuchen, weil sich die von ihr erworbenen Grundstücke nicht mit dem Trennstück laut Teilungsplan vom 25. April 1988 deckten. Auch um die Baubewilligung mußte sie neu ansuchen. Außer Streit steht, daß die klagende Partei und die Zweitbeklagte miteinander in einem Wettbewerbsverhältnis stehen.
Die Klägerin verlangt von den beiden Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung des Klagsbetrages an Schadenersatz, weil sie im Vertrauen auf den mit dem Erstbeklagten geschlossenen und nach ihren Behauptungen über den 31. Juli 1987 hinaus bis zum effektiven Vorliegen der verwaltungsbehördlichen Bewilligungen mündlich und konkludent verlängerten Vorvertrag Aufwendungen getätigt habe, die sich infolge des vertragswidrigen Verhaltens des Erstbeklagten nunmehr als nutzlos herausgestellt hätten. Der zweitbeklagten Partei sei der Vertragsbruch des Erstbeklagten und der Eingriff in die Rechte der Klägerin bei Abschluß bewußt gewesen. Außerdem seien die Beklagten verpflichtet, der Klägerin den entgangenen Gewinn, also jenen Betrag zu ersetzen, den sie im Falle des Zustandekommens des vorhergesehenen Vertragsabschlusses mit dem Erstbeklagten aus dem dann erbauten Einkaufsmarkt erzielt hätte.
Die Beklagten beantragten die Klagsabweisung. Da der Vorvertrag längstens am 31. Juli 1987 ersatzlos abgelaufen sei, sei der Erstbeklagte ab diesem Zeitpunkt nicht mehr verpflichtet gewesen, mit der Klägerin einen Kaufvertrag abzuschließen. Durch den Abschluß des Kaufvertrages zwischen den beiden Beklagten sei daher in keine Rechtsposition der Klägerin eingegriffen worden. Die von der Klägerin behauptete Verlängerung der Frist zum Abschluß des Hauptvertrages über den 31. Juli 1987 hinaus sei weder mündlich noch konkludent erfolgt und hätte angesichts der im Vorvertrag vereinbarten Schriftform auch nur auf diese Weise rechtswirksam vorgenommen werden können. Schließlich hätten die aus dem Veräußerungsverbot berechtigten Eltern des Erstbeklagten nach dem 31. Juli 1987 einem Kaufvertrag mit der Klägerin auf der Grundlage des Vorvertrages nicht (mehr) zugestimmt, sondern nur noch - wie tatsächlich erfolgt - dem zwischen den beiden Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrag.
Das Erstgericht wies das gegen die zweitbeklagte Partei erhobene Klagebegehren ab, erachtete jedoch gegenüber dem Erstbeklagten die Klagsforderung von S 1,112.535,98 sA als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Rechtlich vertrat es die Auffassung, es sei zwar keine Verlängerung des Vorvertrages über den 31. Juli 1987 hinaus erfolgt, was zur Abweisung des Klagebegehrens gegenüber der zweitbeklagten Partei führe, weil mangels eines Forderungsrechtes der Klägerin gegenüber dem Erstbeklagten ein solches durch die Zweitbeklagte nicht beeinträchtigt werden konnte. Der Erstbeklagte hafte aber dem Grunde nach für die Schadenersatzansprüche der Klägerin, weil ihn nach dem 1. August 1987 eine Vernachlässigung der Warn-, Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten gegenüber der Klägerin im Rahmen vorvertraglicher Schutzpflichten (culpa in contrahendo) vorgeworfen werden müsse.
Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil den Berufungen der klagenden und der erstbeklagten Partei teilweise Folge. Es wies ein auf Zahlung von S 612.535,98 gegen beide Beklagte gerichtetes Teilbegehren ab, stellte aber fest, daß die weitere gegen beide Beklagte erhobene Forderung von S 500.000,-- dem Grunde nach zu Recht bestehe. Rechtlich folgerte es, daß das auf der Liegenschaft zugunsten der Eltern des Erstbeklagten haftende Veräußerungsverbot einem wirksamen Verkauf der Liegenschaft an die Klägerin nicht entgegengestanden sei, sondern nur dessen Erfüllung bis zur Zustimmung bzw. bis zum Ableben der beiden Berechtigten hinausgeschoben hätte. Die im Vorvertrag vereinbarte Schriftform stehe einer mündlich oder konkludent geschlossenen Ergänzung bzw. neuen Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Erstbeklagten in der Form, daß der Zeitpunkt für den Abschluß des Hauptvertrages vom 31. Juli 1987 auf jenen Zeitpunkt hinausgeschoben wird, in dem die bereits im Vorvertrag als Vertragszweck vereinbarten Voraussetzungen realisiert werden können, nicht entgegen. Das gesamte Verhalten des Erstbeklagten nach dem 31. Juli 1987 könne nach § 863 iVm § 914 ABGB nur als konkludente Willenserklärung in dem Sinn ausgelegt werden, als daß er die im Vorvertrag vereinbarte Formbindung als aufgehoben und den Zeitpunkt für den Abschluß des Hauptvertrages solange hinausgeschoben wissen wollte, bis die erforderlichen bau- und gewerbebehördlichen Bewilligungen vorlägen. Dadurch sei von der im Vorvertrag vereinbarten Schriftform einverständlich abgegangen und der Vorvertrag mit der bereits erwähnten Wirkung verlängert worden. Dementsprechend wäre der Erstbeklagte verpflichtet gewesen, mit der Klägerin den von ihr im August 1988 begehrten Hauptvertrag abzuschließen. Da der Erstbeklagte nicht bewiesen habe, daß er der aus dem Vorvertrag mit der Klägerin eingegangenen Verpflichtung unverschuldet nicht nachgekommen sei, treffe ihn die Verpflichtung, den der Klägerin durch den unterbliebenen Kaufvertragsabschluß erwachsenen Schaden zu ersetzen. Allerdings stehe der Klägerin nicht die kumulative Geltendmachung des negativen Vertragsinteresses (Vertrauensschadens) und des positiven
Vertrags- (=Erfüllungs-)Interesses zu. Da die Klägerin von der Gültigkeit des Vorvertrages über den 31. Juli 1987 hinaus ausgehe, stehe ihr nur die Abgeltung des Erfüllungsanspruches nicht aber die Abgeltung des negativen Vertragsinteresses zu. Sei eine Leistungspflicht auf Abschluß des Hauptvertrages rechtswirksam begründet worden, so sei der vertragstreue Teil so zu stellen, wie wenn der andere Teil ordnungsgemäß erfüllt hätte. Der vertragsbrüchige Partner müsse den durch das Unterbleiben des Leistungsaustausches dem vertragstreuen Teil entstandenen Nachteil ersetzen. Der Geschädigte könne daher nicht den Ersatz derjenigen Aufwendungen begehren, die durch den Ausfall der erwarteten Leistungen sinnlos geworden sind, weil er diese Leistungen auch bei Erfüllung des Vertrages durch seinen Vertragspartner (auf eigene Kosten) getätigt hätte. Das auf den Ersatz der frustrierten Aufwendungen gerichtete Klagebegehren sei daher abzuweisen gewesen. Wohl aber seien beide Beklagte zum Ersatz des negativen Vertragsinteresses der Klägerin dem Grunde nach zu verpflichten gewesen. Der Erstbeklagte, weil er rechtswidrig und schuldhaft seine Vertragsverpflichtungen verletzt habe, die Zweitbeklagte, weil sie in Kenntnis der vertraglichen Bindung des Erstbeklagten mit der Klägerin dennoch mit ihm einen Kaufvertrag im Wissen, dadurch in ein fremdes Forderungsrecht einzugreifen, abgeschlossen habe. Das Verhalten der zweitbeklagten Partei sei daher zumindest als auffallend sorglos zu bezeichnen.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin ist nicht berechtigt, wohl aber jene der beiden Beklagten.
Rechtliche Beurteilung
Die Vereinbarung der Klägerin mit dem Erstbeklagten zu Beginn des Jahres 1986 ist tatsächlich als Vorvertrag zu qualifizieren, weil im Abschlußzeitpunkt die von beiden Vertragsteilen als Geschäftsgrundlage angesehene Bebauung des Grundstückes mit einem Einkaufsmarkt und die dafür benötigte Grundfläche noch fraglich war. Aus einem Vorvertrag entsteht nur die Verpflichtung zum Abschluß eines Hauptvertrages. Einer der Vertragspartner muß zur gehörigen Zeit eine entsprechende Offerte des anderen Teiles annehmen. Mangels einer Klagsführung der Klägerin bis zum 31. Juli 1988 ist ihr Recht aus dem Vorvertrag mit diesem Zeitpunkt erloschen. (Die in § 936 ABGB genannte Jahresfrist ist eine Präklusivfrist - Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 8 zu § 936, SZ 49/140 ua). Der hiefür beweispflichtigen klagenden Partei ist es nicht gelungen nachzuweisen, daß der Vorvertragsrechtsstand durch eine Novation des Inhalts, den Abschlußtermin für den Hauptvertrag nochmals weiter und zwar so weit hinauszuschieben, bis alle erforderlichen bau- und gewerbebehördlichen Bewilligungen vorliegen, verlängert wurde. Einer solchen Beurteilung steht trotz der Unterstützung aller Vorbereitungshandlungen der Klägerin durch den Erstbeklagten ab 31. Juli 1987 vor allem das Fehlen des für den Abschluß eines Vorvertrages unbedingt erforderlichen fest bestimmbaren Abschlußtermins entgegen. Richtig ist, daß das Gesetz im § 936 ABGB weder davon spricht, daß der Zeitpunkt für den Vertragsabschluß kalendermäßig, noch daß er ausdrücklich bestimmt sein muß. Dem Erfordernis der Parteienvereinbarung wäre auch dann entsprochen, wenn der Zeitpunkt für den Abschluß des Hauptvertrages in indirekter Weise durch Bezugnahme auf ein bestimmtes Ereignis festgesetzt wird (vgl. GlUNF 5925, Reischauer in Rummel aaO, Binder in Schwimann aaO). Daß es jedoch dem Erstbeklagten gleichgültig gewesen wäre, bis zu irgendeinem Zeitpunkt zu dem die klagende Partei die von ihr gewünschten bau- und gewerbebehördlichen Bewilligungen erhalten wird, zuzuwarten, kann bei der vorliegenden Sachlage ausgeschlossen werden. Allein die Tatsache, daß sich sein Schuldenstand von Februar 1986 bis Mitte 1988 um 1 Mill. S erhöht hat, und er aus diesem Grund Vorauszahlungen wünschte, die die klagende Partei aber durch die Auferlegung von nicht erfüllbaren Bedingungen ablehnte, läßt sein dringendes Interesse erkennen, sobald wie möglich abzuschließen. Aus dieser ihr bekannten Tatsache und der Tatsache, daß die erste Verschiebung der Frist für den Abschluß des Hauptvertrages ausdrücklich schriftlich erfolgte, durfte die Klägerin daher nicht schließen, daß der Erstbeklagte einer weiteren Fristverlängerung bis zum ungewissen Abschluß des bau- und gewerbebehördlichen Verfahrens ohne zeitliche Beschränkung zustimme. Die mehrfache Abgabe von Erklärungen und Unterschriftsleistungen durch den Erstbeklagten konnte die Klägerin schon im Hinblick auf den ausdrücklich vereinbarten Wegfall der Verpflichtung zum Abschluß eines Hauptvertrages nach dem 31. Juli 1987 nur so verstehen, daß der Erstbeklagte zwar nach wie vor bereit gewesen wäre, an sie zu veräußern, daß hiezu jedoch keine bindende Verpflichtung mehr bestehe. Wenn die Klägerin weiterhin Aufwendungen zur Erlangung der Grundstücke anfügte ohne sich vorher um eine vertragliche Absicherung zu bemühen, so kann sie die Folgen dieser Sorglosigkeit nicht auf den Gegner, der die Vertragslage für sich hatte, abwälzen. Aus dem Gesagten ergibt sich daher keine Novation des Vorvertrages durch konkludente Handlungen des Erstbeklagten. Die von der Klägerin aus der getroffenen Vorvertragsvereinbarung erworbenen Rechte erloschen mit Ablauf der Frist am 31. Juli 1988. Eine weitere Prüfung der geltend gemachten Revisionsgründe war daher entbehrlich.
Nach der Lehre über die culpa in contrahendo trifft den Offerenten gegenüber seinem potentiellen Vertragspartner dann eine Schadenersatzverpflichtung, wenn er ihn nicht schon im Stadium von Vertragsverhandlungen vor wesentlichen Umständen warnte oder eine notwendige Aufklärung unterlassen hat und der Partner im Vertrauen auf den Abschluß, zu dem es dann letztlich nicht kommt, bereits Dispositionen getroffen hat (vgl. MGA ABGB33 § 861/16 ff, Reischauer in Rummel, ABGB2 vor § 918 Rz 14 ff). Eine Haftung ist dann anzunehmen, wenn in den Vertragsverhandlungen beim Partner das Vertrauen geweckt und genährt wurde, der Vertrag werde mit Sicherheit zustandekommen. Eine Bindung aus dem Vorvertrag bestand für den Erstbeklagten nur bis zum 31. Juli 1987. Ab diesem Zeitpunkt konnte er aufgrund der Bestimmung des Punktes IV des Vorvertrages annehmen, daß die Klägerin die ursprüngliche Bindung nicht mehr als bestehend ansieht. Dies war auch der Klägerin bewußt, wie aus der entsprechenden Feststellung hervorgeht. Wie bereits dargelegt, konnte sie nicht davon ausgehen, daß ihr der Erstbeklagte auf unbestimmte Zeit hinaus im Wort bleiben werde. Ab dem genannten Zeitpunkt konnte die bisher bestandene faktische Vertrauenslage auch aus der Sicht der Klägerin nicht mehr vorhanden sein. Sie kann daher vom Erstbeklagten auch aus dem Titel der culpa in contrahendo keinen Schadenersatzanspruch ableiten. Hat aber der Erstbeklagte keine Vertragspflicht verletzt, scheidet ein unzulässiger Eingriff in Forderungsrechte der klagenden Partei durch die Zweitbeklagte schon begrifflich aus.
Die Kostenentscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Berufungsverfahrens und Revisionsverfahrens auf §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E27779European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00619.91.1219.000Dokumentnummer
JJT_19911219_OGH0002_0070OB00619_9100000_000