Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner K*****, vertreten durch Dr.Anton Eichinger und Dr.Michael Augustin, Rechtsanwälte in Leoben, wider die beklagte Partei Edwin W*****, vertreten durch Dr.Gerhard Delpin, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Unterlassung (Streitwert S 100.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 25.Juni 1991, GZ 6 R 3/91-33, womit das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 7. November 1990, GZ 9 Cg 56/89-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung zur Gänze wie folgt zu lauten hat:
"Der Beklagte ist schuldig, jegliche Aufforderungen an Kunden des Klägers, die zwischen ihnen und dem Kläger getroffene Vereinbarung über die 'Einkaufsvorteilspaß-Aktion' zu kündigen, sowie Äußerungen, bei dieser Aktion habe vieles 'nicht hingehauen', und/oder sie habe 'nichts gebracht', und/oder sie sei 'umsonst gewesen', oder Äußerungen ähnlichen Inhalts bei Exekution zu unterlassen.
Das darüber hinausgehende Mehrbegehren, der Beklagte habe jegliche negative Äußerung über den vom Kläger vertriebenen 'Einkaufsvorteilspaß' zu unterlassen, wird hingegen abgewiesen. Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 27.842,80 (darin enthalten S 3.705,80 Umsatzsteuer und S 5.608 Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."
Der Beklagte ist weiters schuldig, dem Kläger die mit S 18.997,61 (darin enthalten S 2.499,60 Umsatzsteuer und S 4.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger vertreibt im Rahmen seines Ankündigungsunternehmens sogenannte "Einkaufsvorteilspässe" an Kaufleute, die sich verpflichten, ein Jahr lang eine bestimmte Anzahl davon zum Stückpreis von S 35 abzunehmen und zum selben Preis an Kunden weiterzugeben sowie diesen nach Maßgabe der Bestimmung des Passes Rabatte zu gewähren. Dieses Vertragsverhältnis verlängert sich nach den Geschäftsbedingungen des Klägers jeweils um ein weiteres Jahr, wenn die Vereinbarung nicht vier Monate vor Ablauf der Jahresfrist von einem der Vertragspartner schriftlich gekündigt wird. Der "Einkaufsvorteilspaß" berechtigt die Kunden, für ihre Einkäufe bei den im Paß angeführten Unternehmen - innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Gültigkeitsdauer von einem Jahr oder nach Eintragung von insgesamt 102 Einkäufen in die im Paß dafür vorgesehenen Felder - einen Rabatt in der Höhe von 3 % in Anspruch zu nehmen.
Der Beklagte war beim Vertrieb dieser Pässe als selbständiger Handelsvertreter für den Kläger tätig gewesen und hatte rund 60 bis 80 Verträge mit Kaufleuten abgeschlossen; nach Beendigung dieser Tätigkeit rief er neun von ihm geworbene Kunden an und sagte ihnen, daß sie die mit dem Kläger geschlossene Vereinbarung kündigen sollten, weil sich die Geschäftsbeziehung sonst um ein weiteres Jahr verlängern würde. Nur einer dieser Kunden hätte ohne diesen Anruf des Klägers nicht gekündigt. Sämtliche angerufenen Personen waren mit der Einkaufspaß-Aktion nicht zufrieden, weil sie nicht den erwarteten geschäftlichen Erfolg gebracht hatte. Bei diesen Telefongesprächen erklärte der Beklagte, daß bei dieser Aktion "vieles nicht hingehauen" habe, daß sie "nichts bringe" und "umsonst" gewesen sei.
Der Kläger beantragt, den Beklagten schuldig zu erkennen a) jegliche Aufforderungen an Kunden des Klägers, die zwischen ihnen und dem Kläger getroffene Vereinbarung zu kündigen, und b) jegliche negativen Äußerungen über den vom Kläger vertriebenen "Einkaufsvorteilspaß" den Vertragspartnern des Klägers gegenüber zu unterlassen. Der Kläger habe dem Beklagten das Handelsvertreterverhältnis mit 8.9.1989 aufgekündigt. Danach habe der Beklagte Provisionsforderungen geltend gemacht, die der Kläger abgelehnt habe. Der Beklagte habe daraufhin geäußert, daß er dem Kläger Schwierigkeiten machen und seine Kunden daran erinnern werde, die zwischen ihnen und dem Kläger bestehenden Verträge fristgerecht zu kündigen. Tatsächlich seien aus dem vom Kläger betreuten Gebiet ungewöhnlich viele Kündigungen beim Kläger eingelangt. Nachfragen hätten ergeben, daß der Beklagte diese Kunden an die Kündigung "erinnert" und die vom Kläger betriebene Aktion dabei schlecht gemacht habe. Diese Vorgangsweise des Beklagten sei geeignet, dem Kläger und dessen Geschäftsbetrieb ihm Schaden zuzufügen. Da zu befürchten sei, daß der Beklagte sein geschäftsstörendes Verhalten fortsetzen werde, habe der Kläger Anspruch auf Unterlassung solcher Verhaltensweisen, und zwar unabhängig davon, ob die Einkaufspaß-Aktion gegen das RabG verstößt.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Es treffe nicht zu, daß er Kunden des Klägers aufgefordert habe, die Vertragsbeziehungen zum Kläger zu kündigen; auch habe er die Aktion des Klägers ihnen gegenüber nicht herabgesetzt oder schlecht gemacht. Zu einer Belehrung über die Kündigungsmöglichkeit wäre er aber berechtigt gewesen, weil der Kläger offensichtlich damit spekuliert habe, daß seine Kunden die nachteilige, den guten Sitten widersprechende Verlängerungsklausel in den Verträgen übersehen wurden. Die zwischen dem Kläger und seinen Kunden geschlossene Vereinbarung sei im übrigen unwirksam, weil die "Einkaufspaß"-Aktion gegen das RabG verstoßen habe.
Das Erstgericht wies die Klage zur Gänze ab. Der Beklagte habe Kunden des Klägers nur auf die im Fall des Unterbleibens einer Kündigung vertraglich vorgesehene Verlängerung des Vertragsverhältnisses um ein weiteres Jahr hingewiesen. Ein solcher Hinweis auf einen bestimmten Vertragspunkt sei kein rechtswidriger Eingriff in den Rechtebestand des Klägers; mit ihm habe der Beklagte noch im Rahmen der ihn als Handelsvertreter gegenüber den Kunden des Klägers treffenden Treuepflichten gehandelt. Das Begehren auf Unterlassung jeglicher negativer Äußerungen über die Aktion des Klägers sei ebenfalls nicht berechtigt, weil der Beklagte diese Äußerungen nur gegenüber solchen Kunden des Klägers gemacht habe, die sich an der Aktion beteiligt hatten; sie müßten unter diesen Umständen als bloßes - von der Verfolgung gemäß § 1330 Abs 2 ABGB ausgeschlossenes - Werturteil aufgefaßt werden. Darüber hinaus seien diese Äußerungen des Beklagten wahr gewesen. Der Kläger habe seinen diesbezüglichen Unterlassungsanspruch schließlich auch zu weit gefaßt.
Das Berufungsgericht gab der Klage zur Gänze statt und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die Revision zulässig sei. Der Beklagte habe mit seiner für den Kläger nachteiligen Aufforderung an Kunden, die Vertragsbeziehung aufzukündigen, die ihn als Handelsvertreter auch nach Vertragsende treffende Pflicht verletzt, den Kläger vor Nachteilen zu bewahren. Auch die - nach den getroffenen Feststellungen allerdings Kunden des Klägers gegenüber gar nicht aufgestellte - Behauptung, daß die Aktion des Klägers dem RabG widerspreche, sei eine negative Äußerung, die Interessen des Klägers beeinträchtigt habe. Ungeachtet des Umstandes, daß die Aktion des Klägers gegen das RabG verstoßen könnte, sei der Beklagte nicht befugt gewesen, Kunden des Klägers, mit denen er in keiner Vertragsbeziehung gestanden sei, darauf aufmerksam zu machen. Wenn es dem Beklagten darum gegangen wäre, durch seine Äußerungen Rabattverstöße zu verhindern, hätte es ausgereicht, den Kläger zu informieren, um ihm die Möglichkeit zu geben, die erforderlichen Schritte einzuleiten. Der Urteilsantrag zu lit b sei ausreichend bestimmt und im Interesse der Verhinderung allzu leichter Umgehungen nicht zu weit gefaßt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist - entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung - zulässig im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, weil eine Rechtsprechung zu der Frage fehlt, ob Handelsvertreter verpflichtet sind, nach der Beendigung einer Vertretungstätigkeit das Einwirken auf Kunden, ihre Geschäftsbeziehung zum ehemaligen Geschäftsherrn des Vertreters mit dem Mittel der ordentlichen Vertragsauflösung zu beenden, zu unterlassen; sie ist auch teilweise berechtigt.
Ob der Beklagte "zu Zwecken des Wettbewerbs" gehandelt hat und sich ein Unterlassungsanspruch aus dem UWG ergeben könnte, braucht im vorliegenden Fall nicht geprüft zu werden, weil ein solcher Anspruch jedenfalls aus dem bürgerlichen Recht abgeleitet werden kann. § 1330 ABGB ist jedoch nicht heranzuziehen, weil der Hinweis auf eine tatsächlich bestehende Kündigungsmöglichkeit keine Ehrenkränkung (Abs 1), aber auch keine unwahre kreditschädigende Tatsachenbehauptung (Abs 2) sein kann; die allgemeinen negativen Äußerungen des Beklagten über die Aktion des Klägers sind aber im Hinblick auf die Feststellungen wahr und auch nicht ehrenkränkend.
Maßgebend ist hier vielmehr, daß zwischen den Streitteilen ein Handelsvertreterverhältnis bestanden hat. Anders als nach Wettbewerbsrecht, wo das Ausspannen von Kunden an sich nicht unzulässig ist, weil das Eindringen in den fremden Kundenkreis zum Wesen des Wettbewerbs gehört und daher nur unter besonderen Umständen sittenwidrig sein kann - was aber im Fall der Verleitung zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung regelmäßig nicht der Fall ist (MR 1986 H 4, 26; RdW 1987, 168; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 601 f, Rz 597 ff zu § 1 dUWG) -, umfaßt die sich aus der besonderen Vertragsbeziehung zwischen dem Handelsvertreter und dem Geschäftsherrn ergebende Pflicht des Handelsvertreters, die Interessen des Geschäftsherrn zu wahren (§ 2 HVG), wonach der Handelsvertreter insbesondere auch alles zu unterlassen hat, was den Interessen des Geschäftsherrn widerspricht (Schlegelberger, HGB5 Anm 16 zu § 86 dHGB; Sonnenschein in Heymann, HGB, Anm 11 zu § 86 dHGB) auch die Verpflichtung, Einwirkungen auf Kunden des Geschäftsherrn in der Richtung, sich von einem geschlossenen Vertrag wieder zu lösen, zu unterlassen (Sonnenschein aaO). Diese Nebenverpflichtung entspricht der Pflicht jedes Bevollmächtigten, Schädigungen des Geschäftsherrn zu unterlassen (vgl dazu Strasser in Rummel, ABGB2 Rz 17 zu § 1009); sie dient der Unterstützung der Hauptpflicht des Handelsvertreters, Geschäfte für den Geschäftsherrn zu vermitteln oder abzuschließen, ihm also Kunden zu erhalten oder zuzuführen.
Die Pflicht, Schädigungen des Geschäftsherrn durch Abspenstigmachen von Kunden zu unterlassen, besteht auch im nachvertraglichen Bereich. Wenn auch vom Handelsvertreter eine umfassende Interessenwahrung nach Vertragsende nicht schlechthin verlangt werden kann, ist ein Fortbestehen solcher Pflichten, die auch noch nach Vertragsende Bedeutung haben können, anerkannt (Jabornegg, HVG 79; vgl auch Rummel in Rummel aaO Rz 30 zu § 859 ABGB). Dem Handelsvertreter ist es daher auch noch nach der Auflösung des Vertretungsverhältnisses verwehrt, auf Kunden einzuwirken, die mit dem Geschäftsherrn geschlossenen Geschäfte wieder aufzulösen, selbst wenn damit kein Vertragsbruch durch den Kunden verbunden ist. Im vorliegenden Fall ging es dem Beklagten auch nicht um die - dem Handelsvertreter schon bei der Vertragsanbahnung obliegende - Aufklärung der Kunden über den Inhalt von Vertragsbestimmungen des Geschäftsherrn; der Beklagte hat vielmehr Kunden des Klägers zur Kündigung der mit diesem bereits geschlossenen Verträge verleitet.
Mit der Interessenwahrungspflicht des Handelsvertreters ist es - selbst im Fall einer mit dem zwischen dem Kunden und dem Geschäftsherrn geschlossenen Vertrag verbundenen Gesetzesverletzung - auch nicht vereinbar, beim Kunden auf die Auflösung des Vertrages einzuwirken, ohne dem Geschäftsherrn die Möglichkeit geboten zu haben, den Vertragsinhalt den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen anzupassen. Ob daher die "Einkaufsvorteilspaß-Aktion" dem RabG widersprochen hat, ist für diese Unterlassungspflicht des Beklagten schon aus diesem Grund nicht von Bedeutung. Im übrigen hat der Beklagte die im Zuge seiner Abwerbungshandlungen angesprochenen Personen auf damit verbundene Verstöße gegen das RabG gar nicht hingewiesen, so daß seine Handlungsweise auch nicht durch das Bestreben, die von ihm geworbenen Kunden vor (weiteren) Nachteilen zu bewahren, gerechtfertigt sein könnte. Der Beklagte hat ausdrücklich nicht einmal behauptet, Kunden des Klägers nur aus diesem Grund zur Vertragskündigung aufgefordert zu haben.
Aber auch die abwertende Beurteilung der Aktion des Klägers dessen Kunden gegenüber steht mit der nachvertraglichen Verpflichtung des Beklagten, alles zu unterlassen, was dem Kläger Schaden zufügen könnte, im Widerspruch. Gegen diesen Teil des Urteils des Berufungsgerichtes führt die Revision im übrigen gar nichts Konkretes ins Treffen.
Im Rahmen bestehender Schuldverhältnisse steht dem durch die Verletzung vertraglicher Unterlassungspflichten Geschädigten im Interesse der Verhinderung weiterer Rechtsverletzungen ein Anspruch auf Unterlassung zu (SZ 36/146; SZ 47/67; SZ 50/86; EvBl 1964/300; EvBl 1971/317; Reischauer in Rummel aaO Rz 23 zu § 1294 ABGB). Ein solcher Unterlassungsanspruch setzt nur voraus, daß (weitere) Rechtsverletzungen zu befürchten sind, nicht aber auch, daß bereits ein Schaden eingetreten ist. Daß die Mehrzahl der vom Beklagten zur Vertragskündigung aufgeforderten Personen bereits zur Kündigung entschlossen war, berührt somit den Anspruch zu lit a nicht.
Das auf Unterlassung "jeglicher negativer Äußerungen" über den vom Kläger vertriebenen "Einkaufsvorteilspaß" gerichtete Begehren (lit b) ist aber zu allgemein gehalten: Besteht - wie hier - eine Verpflichtung, negative, wenn auch wahre Äußerungen zu unterlassen, dann ist das Unterlassungsgebot wegen der gleichartigen Interessenlage wie bei Ansprüchen nach § 7 UWG eng zu fassen und auf die konkrete Behauptung sowie Behauptungen gleichen Inhalts zu beschränken (vgl ÖBl 1990, 18; ÖBl 1991, 105 und 108). Der Kläger hat demnach in diesem Umfang nur Anspruch auf Unterlassung der von ihm tatsächlich gemachten Äußerungen sowie von Äußerungen ähnlichen Inhalts; der darüber hinausgehende Antrag auf Unterlassung jeglicher negativer Äußerungen über diese Aktion war hingegen abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO; der Kläger ist nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines Anspruches, dessen Geltendmachung überdies besondere Kosten nicht veranlaßt hat, unterlegen. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich zusätzlich auf § 50 ZPO.
Anmerkung
E28049European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00122.91.0114.000Dokumentnummer
JJT_19920114_OGH0002_0040OB00122_9100000_000