TE OGH 1992/1/14 4Ob125/91

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Veröffentlicht am 14.01.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sch***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Ewald Weiß, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. D***** Gesellschaft mbH & Co KG, 2. D***** Gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr.Alfred Haslinger und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung, angemessenen Entgelts, Schadenersatzes und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 430.000) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 9. Oktober 1991, GZ 4 R 239/91-7, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 14.August 1991, GZ 7 Cg 278/91-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 18.724,86 (darin enthalten S 3.120,81 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist ein kartographischer Verlag. In ihrem Betrieb wurde eine Landkarte (Straßenkarte) von Oberösterreich hergestellt, in der Oberösterreich gegenüber den angrenzenden Bundesländern bzw Staaten farblich hervorgehoben ist; darin sind - neben den örtlichen Gegebenheiten - die in Oberösterreich gelegenen Campingplätze durch grüne Zelte und Sehenswürdigkeiten wie Klöster, Schlösser, Burgen udgl durch entsprechende andere Symbole eingezeichnet. In einer rechts neben der Karte befindlichen Legende werden diese Symbole erklärt. Am linken unteren Rand der Karte befindet sich der Vermerk "Copyright by Sch*****, 1990". Diese Landkarte wurde in der vom Landesverband für Tourismus in Oberösterreich herausgegebenen Druckschrift "Sei Frei!, Oberösterreich für Camping-Fans" im Jahr 1990 veröffentlicht.

Die Erstbeklagte hat - ohne Zustimmung der Klägerin - auf Seite 57 einer Broschüre mit dem Titel "Technik der Zukunft", welche anläßlich der Werbewirtschaftlichen Tagung 1991 verteilt wurde, die Oberösterreich-Karte der Klägerin - verkleinert und in blasserer Farbgebung sowie unter Weglassung der Legende und des "Copyright-Vermerks" - abgedruckt. Die Zweitbeklagte ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin, den Beklagten zu verbieten, Kartenwerke, insbesondere eine Oberösterreich-Karte mit eingetragenen Campingplätzen, an denen die Urheberrechte, insbesondere das Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung, der Klägerin zustehen, ohne deren Einwilligung zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder zu verändern, insbesondere wenn das unter Weglassung der Urheberbezeichnung geschieht. Die Klägerin habe die von den Beklagten verwendete Karte hergestellt und durch einen "Copyright-Vermerk" sowie einen weiteren Hinweis auf ihr Unternehmen im Anschluß an die Legende der Landkarte auf ihre Eigenschaft als Urheberin dieser Karte hingewiesen. Diese Landkarte genieße Urheberrechtsschutz im Sinne des § 2 Z 3 UrhG. Durch das Vervielfältigen und Verbreiten dieser Karte ohne Einwilligung der Klägerin hätten die Beklagten in deren Verwertungsrechte eingegriffen, aber auch die Urheberpersönlichkeitsrechte der Klägerin verletzt, weil der Hinweis auf die Klägerin als Urheberin bei der Veröffentlichung des Plagiates weggelassen worden sei.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsantrages. Das für sie bei der Erstellung der Broschüre "Technik der Zukunft" tätige Werbeunternehmen habe die Landkarte beim "Fremdenverkehrsverband" unter Angabe des Verwendungszwecks erworben. Da die Beklagten nur den Entwurf für die Broschüre, nicht aber vorher auch die Landkarte mit dem "Copyright-Vermerk" der Klägerin gesehen hätten, eine allfällige Urheberrechtsverletzung daher ohne ihr Wissen zustande gekommen sei und sie nach Kenntnisnahme der Behauptung einer Urheberrechtsverletzung die Seite 57 aus ihrer Broschüre wieder entfert hätten, seien weitere Verbreitungshandlungen durch sie ausgeschlossen; es fehle daher an der erforderlichen Wiederholungsgefahr. Die Klägerin habe darüber hinaus ihre Aktivlegitimation nicht bescheinigt, weil sie als juristische Person nicht Trägerin von Urheberrechten sein könne, die Einräumung von Werknutzungsrechten durch den Urheber aber nicht behauptet habe. Für die Veröffentlichung in ihrer Broschüre sei die Legende, welche allein allenfalls urheberrechtsschutzfähig sei, nicht übernommen worden. Das Einzeichnen von Campingplätzen in eine Landkarte reiche zur Begründung des Werkcharakters nicht aus; diese Symbole seien im übrigen in der von den Beklagten vorgenommenen Veröffentlichung nicht einmal erkennbar. Da die Klägerin gar nicht Trägerin von Urheberrechten sein könne, könne sie auch nicht in einem Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt worden sein.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Die Klägerin habe zwar als juristische Person kein originäres Urheberrecht an der strittigen Landkarte erwerben können; als mit der Erstellung diverser Landkarten befaßter kartographischer Verlag habe sie jedoch zumindest schlüssig von dem für sie tätigen Planverfasser Rechte (eine Werknutzungsbewilligung oder ein Werknutzungsrecht) eingeräumt erhalten. Landkarten gehörten als Werke der Literatur im Sinne des § 2 Z 3 UrhG zu den urheberrechtlich geschützten Werken. Die Klägerin sei daher in einem Ausschließlichkeitsrecht verletzt worden, was sie zur Unterlassungsklage berechtige. Die Wiederholungsgefahr sei nicht weggefallen, weil die Beklagte durch Bestreiten der Aktivlegitimation und des urheberrechtlichen Werkschutzes dargetan habe, daß es ihr nicht um die Vermeidung weiterer Rechtsverletzungen gehe.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Landkarten seien nur dann durch das UrhG geschützt, wenn sie eine persönliche geistige Schöpfung seien. Soweit sie topographische Gegebenheiten wiedergeben, bestehe kein Urheberrechtsschutz; die schöpferische Leistung könne nur in einer darüber hinausgehenden Darstellung liegen. Auch insoweit seien aber bestimmte Darstellungstechniken notwendig und üblich und deshalb nicht schutzfähig. Bildzeichen in Landkarten und Stadtplänen seien nur dann urheberrechtlich geschützt, wenn sie eine vom bisher Üblichen abweichende, individuell geprägte Gestaltung aufweisen. Die farbliche Hervorhebung eines Bundeslandes gegenüber den angrenzenden Bundesländern und Staaten sowie die Kennzeichnung von Campingplätzen und Sehenswürdigkeiten durch allgemein übliche Symbole seien keine solche Gegebenheiten, die den Werkcharakter einer Landkarte begründen könnten. Darüber hinaus seien diese Hinweise durch den Zweck der Darstellung bestimmt; eine individuelle Gestaltung der Landkarte sei damit nicht verbunden. Der Unterlassungsanspruch scheitere daher schon am fehlenden Werkcharakter der Oberösterreich-Karte.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Beklagten beantragen, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist - entgegen der Auffassung in der Revisionsrekursbeantwortung - zulässig iS des § 528 Abs 1 ZPO (iVm §§ 78, 402 EO), weil sich die Beantwortung der Frage, ob die Oberösterreich-Karte der Klägerin urheberrechtlichen Schutz genießt, aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Schutz der sogenannten "Kleinen Münze" im Urheberrecht noch nicht zweifelsfrei ergibt; er ist jedoch nicht berechtigt.

Der Revisionsrekurs wendet sich gegen die Ansicht des Rekursgerichtes, die Oberösterreich-Karte der Klägerin lasse keine Anzeichen individueller geistiger Schöpfung erkennen; eine solche sei vielmehr nicht nur in der Kennzeichnung von Camping-Plätzen in Oberösterreich zu erblicken, sondern erst recht in der Gestaltung nicht nur der wichtigsten Verkehrswege, sondern auch der jeweiligen "Gegenden", wie etwa Gebirgszügen und Waldflächen, in besonderer Weise. Aus welchen konkreten Gründen bei der Gestaltung von Verkehrswegen, Gebirgszügen und Waldflächen die Oberösterreich-Karte der Klägerin eigenschöpferische Züge aufweisen sollte, hat die Klägerin - welcher im Plagiatstreit die Behauptung und der Nachweis jener Gestaltungselemente obliegt, die den Urheberrechtsschutz begründen (4 Ob 95/91) - im Verfahren erster Instanz gar nicht behauptet. Insoweit liegt daher eine unbeachtliche Neuerung vor, auf welche nicht näher einzugehen ist. Im übrigen sind in Ansehung dieser Gegebenheiten besondere Gestaltungsmerkmale aus der Landkarte gar nicht ersichtlich. Maßgebend für die urheberrechtliche Beurteilung sind daher nur die Tatsachenbehauptungen der Klägerin, daß die eigenschöpferische Gestaltung durch den Urheber in der farblichen Abgrenzung des Bundeslandes Oberösterreich sowie in der Einzeichnung von Camping-Plätzen und Sehenswürdigkeiten durch Symbole liege.

Wie der Oberste Gerichtshof zuletzt in MR 1991, 70 ausgesprochen hat, müssen auch Werke der Literatur iS des § 2 Z 3 UrhG - also Werke wissenschaftlicher oder belehrender Art, die in bildlichen Darstellungen in der Fläche oder im Raum bestehen, sofern sie nicht zu den Werken der bildenden Künste zählen, wozu nach den EB z UrhG 1936 ua Landkarten, Himmelskarten, Globen, Reliefdarstellungen von Gebirgen usw (s.Dillenz, Materialien zum österreichischen Urheberrecht 45) gehören - eigentümliche geistige Schöpfungen (§ 1 Abs 1 UrhG), also das Ergebnis schöpferischer geistiger Tätigkeit sein, die ihre Eigenheit, die sie von anderen Werken unterscheidet, aus der Persönlichkeit ihres Schöpfers empfangen haben; diese Persönlichkeit muß in ihnen so zum Ausdruck kommen, daß ihnen dadurch der Stempel der Einmaligkeit und der Zugehörigkeit zu ihrem Schöpfer aufgeprägt wird (ÖBl 1978, 107 mwN; ÖBl 1985, 24; SZ 58/201 uva). Bei Werken nach § 2 Z 3 UrhG muß das schöpferische Element in der Eigentümlichkeit der Darstellung liegen (EB in Dillenz aaO); besondere Anforderungen an künstlerische Qualitäten sind dabei freilich nicht zu stellen. Gerade die unter § 2 Z 3 UrhG fallenden Werke liegen nun regelmäßig an der unteren Grenze der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit (von Gamm, UrhG Rz 24 zur gleichartigen Bestimmung des § 2 Z 7 dUrhG; Möhring-Nicolini Anm 9 c zu § 2 dUrhG). Bei Kartenwerken ist die bloße Wiedergabe geographischer Tatsachen, die sich aus der Landvermessung ergeben, wie der Verlauf von Gebirgszügen, Flüssen, Straßen und die Lage von Orten, nie schutzfähig (Möhring-Nicolini aaO, Loewenheim in Schricker Anm 132 zu § 2 dUrhG). Aber auch rein schablonenmäßige Darstellungsformen, wie das Verwenden üblicher Bildzeichen (Vinck in Fromm-Nordemann, Urheberrecht7 Anm 86 zu § 2 dUrhG; Möhring-Nicolini aaO), das Einzeichnen von Höhenlinien, das Hervorheben von Waldflächen, Gewässern oder Wanderwegen durch bestimmte Farben, das Verwenden stärkeren Druckes für Hauptverkehrsweg (Loewenheim aaO), können einen urheberrechtlichen Schutz in der Regel nicht begründen. Ein gewisser Spielraum für eine schöpferische Gestaltung besteht hier allerdings bei der Auswahl und Hervorhebung des Darzustellenden, doch ist dabei zu berücksichtigen, daß - wie schon das Rekursgericht zutreffend hervorgehoben hat - bei Spezialkarten schon deren Zweck eine bestimmte Darstellung vorschreiben kann (Loewenheim aaO), sodaß dann auch solche Elemente zur Begründung des Werkcharakters nicht herangezogen werden können.

Die Oberösterreich-Karte der Klägerin weist im wesentlichen nur topographische Tatsachen und - unter Verwendung bekannter Symbole - die Kennzeichnung von Sehenswürdigkeiten wie Klöster, Schlösser, Burgen, Ruinen, Höhlen sowie von Camping-Plätzen auf. Alle diese Gestaltungselemente sind bekannt und geben der Landkarte kein eigentümliches Gepräge. Die Hervorhebung der Grenzen des Bundeslandes Oberösterreich gegenüber den angrenzenden Gebieten durch eine in grüner Schraffierung gestaltete Begrenzungslinie ist ebensowenig eine vom Üblichen abweichende Gestaltungsweise; auch der Zweck der Karte, Campingfreunden in Oberösterreich die für sie notwendigen Informationen zu erteilen, gibt eine solche Hervorhebung sowie die Beschränkung der Informationen auf ein bestimmtes Gebiet vor. Besonderheiten, die vom Üblichen abweichen, sind dabei nicht zu erkennen. Mit Recht hat daher das Rekursgericht der Oberösterreich-Karte der Klägerin den Charakter eines "Werkes" iS der §§ 1, 2 Z 3 UrhG nicht zugebilligt.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Klägerin ist infolge ihres Unterliegens im Provisorialverfahren verpflichtet, den Beklagten die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen (§§ 78, 402 EO; §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO).

Anmerkung

E28046

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00125.91.0114.000

Dokumentnummer

JJT_19920114_OGH0002_0040OB00125_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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