Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache mj. Silvia P*****, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Schwaz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 11.Oktober 1991, GZ 3 b R 141/91-88, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 3.September 1991, GZ P 86/80-82, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der mj. Silvia P*****, geboren 15.6.1976, der mit Beschluß des Erstgerichtes vom 16.11.1989, ON 64, gewährte Unterhaltsvorschuß von S 1.000 monatlich über den 30.9.1991 hinaus weiter gewährt wird.
Text
Begründung:
Die Eltern der Minderjährigen leben getrennt. Silvia P***** befindet sich bei der Mutter. Der Vater wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 4.11.1980, ON 10, zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.000 verpflichtet. Zuletzt wurde dem Kind für die Zeit vom 1.12.1989 bis 30.11.1992 mit Beschluß des Erstgerichtes vom 16.11.1989, ON 64, gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG ein monatlicher Unterhaltsvorschuß von S 1.000 gewährt. Seit 8.7.1991 ist Silvia P***** als Hilfsnäherin beschäftigt. Unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen verdient sie monatlich S 4.086,60 netto.
Das Erstgericht stellte den der Minderjährigen gewährten Unterhaltsvorschuß mit Wirksamkeit 30.9.1991 ein.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes nicht Folge. § 6 Abs.1 UVG sei dahin auszulegen, daß bei eigenen Einkünften des Kindes die Vorschüsse den Unterschiedsbetrag zwischen dem Richtsatz und diesen Einkünften nicht übersteigen dürfen. Der Richtsatz betrage S 3.980 monatlich, das Eigeneinkommen des Kindes sei höher.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Kindes ist berechtigt.
Bestehen begründete Bedenken, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht noch besteht oder zu hoch festgesetzt ist, hat gemäß § 7 Abs.1 Z 1 UVG das Gericht einen Unterhaltsvorschuß ganz oder teilweise zu versagen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, sind nach § 19 Abs.1 UVG von Amts wegen bereits zuerkannte Vorschüsse entsprechend herabzusetzen. Es sind also nicht die Nettoeinkünfte des Minderjährigen von dem bisher als Vorschuß gewährten Betrag einfach abzuziehen, sondern es ist zu ermitteln, mit welchem Betrag die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht unter Bedachtnahme auf die eigenen Einkünfte des Kindes noch besteht. Die Berechnung der Vorschüsse auf die Weise, daß vom Richtsatz nach § 6 Abs.1 UVG die eigenen Einkünfte des Minderjährigen (nach Reduzierung um die mit ihrer Erzielung verbundenen Auslagen) abgezogen werden und dem Kind nur der (allfällige) Unterschiedsbetrag - ohne Rücksicht auf einen höheren Unterhaltsanspruch nach § 140 Abs.3 ABGB - als Vorschuß gewährt wird, widerspricht bei "Titelvorschüssen" der vom Gesetz im § 7 Abs.1 Z 1 UVG angeordneten Anpassung an die Höhe des aktuellen Unterhaltsanspruches (in diesem Sinn Entscheidung des OGH vom 8.Oktober 1991, 4 Ob 549/91).
Eigene Einkünfte eines unterhaltsberechtigten Kindes mindern seinen konkreten Bedarf (4 Ob 549/91, 1 Ob 521/91; Pichler in Rummel2 Rz 11 zu § 140 ABGB). Befindet sich das Kind im Haushalt des ihn betreuenden Elternteiles, sind solche Einkünfte des Kindes auf die von beiden Elternteilen gemeinsam geschuldete Unterhaltsleistung und daher auch auf die vom obsorgenden Elternteil erbrachten Betreuungsleistungen anzurechnen (ÖA 1991, 77; ÖA 1991, 53; 5 Ob 511/91, 3 Ob 558/91). Wenn nicht besondere Umstände ein anderes Verhältnis nahelegen, ist etwa die Hälfte des Eigeneinkommens dem betreuenden Elternteil, die andere dem Geldunterhalt schuldenden Elternteil anzurechnen (3 Ob 558/91).
Der konkrete Bedarf des Kindes ist zwar durch seine eigenen Einkünfte gemindert, diese erreichen aber - selbst unter Zuzählung des zuerkannten Unterhaltsbetrages - nicht den Richtsatz für die Gewährung von Ausgleichszulagen nach § 293 Abs.1 lit a/bb und lit. b ASVG (3 Ob 558/91 mwN), sodaß weder die Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes eingetreten ist noch der Unterhaltstitel eine Änderung zu erfahren hätte.
Ob die in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 4.7.1991, 6 Ob 584/91, angestellten Erwägungen zutreffen, ein Titelvorschuß sei jedenfalls dann zu mindern bzw. einzustellen, wenn die Differenz zwischen dem Richtsatz nach § 6 Abs.1 UVG und den auf die Geldzahlungspflicht eines Elternteiles anrechenbaren Eigeneinkünften den Vorschuß nicht deckte, - eine Rechtsansicht, der der erkennende Senat in 1 Ob 521/91 nicht folgte und die ausdrücklich in der Entscheidung 4 Ob 549/91 abgelehnt wird - braucht hier nicht näher untersucht zu werden, weil selbst wenn man dem folgte, der Titelvorschuß noch immer niedriger als diese Differenz ist und daher in voller Höhe weiter zu gewähren ist.
Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben, die Beschlüsse der Vorinstanzen sind dahin abzuändern, daß der Minderjährigen der Unterhaltsvorschuß weiter zu gewähren ist.
Anmerkung
E27977European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0010OB00626.91.0115.000Dokumentnummer
JJT_19920115_OGH0002_0010OB00626_9100000_000