TE OGH 1992/1/15 9ObS21/91

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Veröffentlicht am 15.01.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Dorner und Anton Degen als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei B***** W*****, Angestellte, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei Arbeitsamt Versicherungsdienste, ***** vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Insolvenzausfallgeld (28.102,56 S netto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. September 1991, GZ 34 Rs 61/91-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21. Dezember 1990, GZ 6 Cgs 2006/90-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.623,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 603,84 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war am Stammkapital der B***** B*****-S***** A*****-, H*****- und V*****gesellschaft bmH (im folgenden B***** GesmbH) mit 37,5 % beteiligt.

Gemäß § 11 des Gesellschaftsvertrages bedurfte es für folgende Beschlüsse einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen:

1. Für die Abänderung des im Gesellschaftsvertrag bezeichneten Gegenstandes des Unternehmens;

2. für die Abänderung des Gesellschaftsvertrages;

3. für den Abschluß von Verträgen, durch welche die Gesellschaft vorhandene oder herzustellende dauernd zu ihrem Geschäftsbetriebe bestimmte Anlagen oder unbewegliche Gegenstände für eine den Betrag des 5. Teiles des Stammkapitales übersteigende Vergütung erwerben soll, sowie die Abänderung solcher Verträge zu Lasten der Gesellschaft, soferne es sich nicht um den Erwerb von Liegenschaften im Wege der Zwangsversteigerung handelt;

4. die Verwertung des Gesellschaftsvermögens durch Veräußerung des Vermögens als Ganzes;

5. die Abtretung von Geschäftsanteilen oder Teilen davon durch Rechtsgeschäft unter Lebenden, sowie die Verpfändung.

Gemäß § 19 bedurfte weiters der Auflösungsbeschluß der Gesellschaft einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen.

Die Klägerin war bei dieser Gesellschaft vom 1. Februar 1988 bis 21. März 1988 mit einem monatlichen Bruttogehalt von 16.500 S als Angestellte beschäftigt. Mit rechtskräftigem Zahlungsbefehl vom 5. Juli 1988 erkannte das Arbeits- und Sozialgericht Wien der Klägerin rückständige Gehaltsansprüche von insgesamt 25.701 S netto zu.

Mit Beschluß vom 23. Mai 1989 wies das Handelsgericht Wien einen Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der B***** GesmbH mangels kostendeckenden Vermögens ab.

Mit Bescheid vom 6. Juli 1990 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Insolvenzausfallgeld im Gesamtbetrag von 28.102,56 S (25.701 S zuzüglich Prozeß- und Exekutionskosten) ab, weil der Klägerin zufolge ihrer Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft und der Regelung des § 11 des Gesellschaftsvertrages ein beherrschender Einfluß auf die Gesellschaft zugekommen sei.

Das Erstgericht wies das auf Zuerkennung von Insolvenzausfallgeld gerichtete Klagebegehren ab und vertrat die Rechtsauffassung, die Klägerin habe aufgrund ihrer Beteiligung und der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Beschlußerfordernisse wesentliche Belange der Gesellschaft betreffende Beschlüsse verhindern können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, änderte das Ersturteil im Sinne des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die (ordentliche) Revision zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß § 11 des Gesellschaftsvertrages im wesentlichen nur die gesetzlichen Quoren für bestimmte Generalversammlungsbeschlüsse wiederhole. Ein beherrschender Einfluß komme dem Gesellschafter schon dann nicht zu, wenn er in Angelegenheiten des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes überstimmt werden könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Da die Begründung des angefochtenen Urteils zutrifft, genügt es, auf ihre Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers noch folgendes zu erwidern:

Die ausdrückliche Regelung, wonach Mitglieder des vertretungsbefugten Organs einer juristischen Person (damals § 1 Abs 5 Z 2 IESG) und Gesellschafter, die einen beherrschenden Einfluß auf die Gesellschaft haben (Z 3), nicht nach dem IESG anspruchsberechtigt sind, wurde mit der Novelle BGBl 223/1980 in das IESG aufgenommen. Nach den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 446 BlgNR 15.GP 5, beruht die Herausnahme dieser Personen auf dem Umstand, daß sich der Geltungsbereich des IESG auf Arbeitnehmer erstrecke, wogegen die unter Z 2 genannten Personen jedoch gemäß § 36 Abs 2 Z 1 ArbVG nicht als Arbeitnehmer gelten. Das gleiche gelte aufgrund des Erkenntnisses des VwGH vom 14. Dezember 1979, 2920/78/6 (VwSlg 9992 A), für die unter Z 3 angeführten Personen. In diesem Erkenntnis werde ausgeführt "ein solcher beherrschender Einfluß auf die Gesellschaft ist dann anzunehmen, wenn der Gesellschafter aufgrund seiner Anteile am Stammkapital eine Beschlußfassung in der Generalversammlung verhindern kann."

In dieser Entscheidung hatte der Verwaltungsgerichtshof die Arbeitnehmereigenschaft eines Geschäftsführers verneint, weil laut Gesellschaftsvertrag für Beschlüsse der Gesellschaft eine Mehrheit von 80 % der abgegebenen Stimmen erforderlich war, so daß der mit 25 % an der Gesellschaft beteiligte Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfügt habe. Mit dieser Regelung sei dem Geschäftsführer ein Mitbestimmungsrecht bei der Führung des Unternehmens vertraglich eingeräumt worden.

Wie Schwarz-Holler-Holzer in Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz2, 65 zutreffend darlegen, war die ausdrückliche Herausnahme dieses Personenkreises überflüssig, weil die Tatsache, daß ein beherrschender Einfluß auf die Gesellschaft besteht, grundsätzlich die Qualifikation des Gesellschafters als Arbeitnehmer auch im Sinne des Arbeitsvertragsrechtes ausschließen werde, so daß diese Personen bereits nach § 1 Abs 1 IESG von der Anspruchsberechtigung ausgenommen seien. Ein derartiger Einfluß sei bereits gegeben, wenn der Gesellschafter über einen Geschäftsanteil verfüge, der ihn in die Lage versetze, Beschlüsse der Generalversammlung zumindest zu verhindern. Im Falle des Geschäftsführers treffe dies zu, wenn seine Beteiligung zwar geringer als 50 % sei, ihm jedoch aufgrund des Gesellschaftsvertrages eine Sperrminorität zustehe, die ihn befähige, Beschlüsse der Generalversammlung in den für seine persönliche Abhängigkeit wesentlichen Angelegenheiten zu verhindern (siehe Schwarz-Holler-Holzer aaO 57; vgl auch Martin Mayr in FS Floretta 1983, Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GesmbH im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, 763 ff (772); Dusak, der GesmbH-Geschäftsführer im Sozialversicherungsrecht, RdW 1987, 21 f[22]).

Dieser Ansicht ist der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 62/182 = ZAS 1991/14 (Rechberger) gefolgt und hat einen beherrschenden Einfluß im Sinne des § 1 Abs 6 Z 3 IESG nicht nur dann angenommen, wenn der Gesellschafter kraft seines Beteiligungsverhältnisses als Mehrheitsgesellschafter die Beschlußfassung in der Generalversammlung im wesentlichen allein bestimmen kann, sondern auch dann, wenn er über einen solchen Anteil verfügt, der ihn in die Lage versetzt, eine Beschlußfassung in der Generalversammlung zu verhindern. Verfügt aber ein Gesellschafter einer GesmbH wie im vorliegenden Fall über eine Minderheitsbeteiligung von 37,5 % und räumt ihm der Gesellschaftsvertrag nicht durch die Festlegung höherer Quoren für im Rahmen der Unternehmensführung wesentliche, andere als die ohnehin nach dem Gesetz nur mit qualifizierter Mehrheit zu beschließender Angelegenheiten eine Sperrminorität ein, dann kommt dem Gesellschafter, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, kein beherrschender Einfluß im Sinne des § 1 Abs 6 Z 3 IESG zu. Aus dem Umstand allein, da über die gesetzliche Regelung hinaus für die Abtretung und Verpfändung von Geschäftsanteilen abweichend vom GesmbH-Gesetz eine Zustimmung der Generalversammlung sowie eine 3/4-Mehrheit und für den Auflösungsbeschluß statt der erforderlichen einfachen (siehe Kastner-Doralt-Nowotny Gesellschaftsrecht5 444) eine 3/4-Mehrheit vorgesehen waren und der Klägerin damit in diesen den laufenden Geschäftsbetrieb nicht betreffenden Angelegenheiten vertraglich zusätzlich eine Sperrminorität eingeräumt war, kann ein beherrschender Einfluß im obigen Sinn nicht abgeleitet werden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

Anmerkung

E27817

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBS00021.91.0115.000

Dokumentnummer

JJT_19920115_OGH0002_009OBS00021_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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