TE OGH 1992/1/15 2Ob2/92

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.01.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bozo G*****, vertreten durch Dr. Reinhold Kloiber, und Dr. Rudolf Beck, Rechtsanwälte in Mödling, wider die beklagten Parteien

1.) Alois V*****, und 2.) ***** Versicherungs AG, ***** beide vertreten durch Dr. Manfred Lampelmayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 40.000,- sA, DM 18.435,50 und Feststellung infolge ao Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3.Juli 1991, GZ 17 R 115/91-41, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 22.Februar 1991, GZ 18 Cg 774/85-37, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden im Ausspruch über das Feststellungsbegehren aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am 20.4.1984 wurde der Kläger bei einem Verkehrsunfall bei V***** in Jugoslawien verletzt. Die Haftung des Erstbeklagten als Lenker des PKWs mit dem pol Kennzeichen W ***** und der zweitbeklagten Partei als Haftpflichtversicherer dieses PKWs ist unbestritten.

Der Kläger machte Schadenersatzansprüche geltend, von denen im Revisionsverfahren nur die Berechtigung des Feststellungsbegehrens strittig ist.

Diesbezüglich stellte das Erstgericht fest, daß der Kläger beim Unfall am rechten oberen Sprunggelenk verletzt wurde, sich nach seiner Rückkehr nach Deutschland wohl in ärztliche Behandlung begab, jedoch mit Rücksicht auf seinen Arbeitgeber zunächst nicht krankgeschrieben wurde. Er arbeitete weiter und verletzte sich am 31.8.1984 während der Arbeit neuerlich am Knöchel, weshalb ihm unter anderem ein Gips angelegt wurde, den er zehn Tage tragen mußte. Der Kläger hatte verletzungsbedingt zehn Tage mittelschwere und dreißig Tage leichte Schmerzen zu erdulden. Die Verletzung des Klägers am 31.8.1984 ist auf die Lockerung der Bänder durch den Unfall vom 20.4.1984 zurückzuführen (AS 157).

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 20.000 statt und wies das Mehrbegehren, darunter auch das Feststellungsbegehren ab, weil ein solches nach jugoslawischem Recht bei Schmerzengeldforderungen nicht statthaft sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und erkannte das Feststellungsbegehren für künftige Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 20.4.1984 als berechtigt. Es sei zwar materielles jugoslawisches Recht, jedoch österreichisches Prozeßrecht anzuwenden. Demnach sei das Feststellungsbegehren berechtigt, weil ausgehend von dem unbedenklichen Sachverständigengutachten (Beweisergänzung durch das Berufungsgericht gemäß § 488 Abs 3 ZPO) weder mit noch ohne operativen Eingriff dauer- und Unfallsfolgen mit Sicherheit ausgeschlossen werden können. Die ordentliche Revision sei zufolge judikaturkonformer Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die ao. Revision der beklagten Parteien ist jedoch zulässig und berechtigt.

Da eine außervertragliche zivilrechtliche Haftung aus einem Straßenverkehrsunfall im Ausland geltend gemacht wird, sind die Bestimmungen des Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht (Haager Straßenverkehrsübereinkommen) anzuwenden. Die Regelungen dieses Übereinkommens stehen einer Anwendung des § 48 IPRG entgegen (ZVR 1989/79; 2 Ob 26/91 ua). Richtig ist allerdings, daß das rechtliche Interesse an einer Feststellung - wie diese hier begehrt wird - als verfahrensrechtliche Frage stets nach österreichischem Recht zu beurteilen ist, dies auch dann, wenn sonst nach internationalem Privatrecht ausländisches Sachrecht anzuwenden wäre (SZ 20/128; 2 Ob 611/88; Fasching, ZPR, Rz 2400). Dieser Grundsatz betrifft aber nur die prozessualen Voraussetzungen eines Feststellungsbegehrens; die materiellrechtliche Grundlage des Begehrens, wie sich diese im vorliegenden Fall als Frage darstellt, ob das ausländische Recht auf Grund des geltend gemachten anspruchsbegründenden Sachverhalts eine Haftung des Schädigers für alle künftigen Schäden kennt, ist jedoch nach ausländischem Recht zu prüfen (ZVR 1990/41).

Die Beurteilung dieser Frage ist im bisherigen Verfahren offen geblieben. Das Erstgericht hat die Berechtigung des Feststellungsbegehrens überhaupt verneint, wogegen in einer deutschen Übersetzung der Zivilprozeßordnung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien (Reihe Wirtschaft und Recht, übersetzt von Pohl), deren Wirksamkeit unter den gegebenen Verhältnissen allerdings derzeit nicht ohne weiteres überblickt werden kann, durchaus die Möglichkeit der Einbringung einer Feststellungsklage (Art 175) aufgezeigt wird. Das Berufungsgericht hat nur auf österreichisches Recht Bedacht genommen und sich mit der aufgezeigten Problematik, ob nach dem maßgeblichen Recht des Unfallsortes eine Haftung des Schädigers für alle künftigen Schäden überhaupt angenommen werden kann, nicht auseinandergesetzt. Da diese Frage aber zur Beurteilung der Berechtigung des Feststellungsbegehrens wesentlich ist, war die endgültige Erledigung dieser Rechtssache einem zweiten Rechtsgang vorzubehalten. In diesem wird das Erstgericht die erforderlichen Erhebungen durchzuführen und unter Berücksichtigung der im übrigen nicht mehr umstrittenen Feststellung, wonach beim Kläger weitere Folgen aus dem Unfall vom 20.4.1984 nicht ausgeschlossen werden können, je nach den Umständen des Ermittlungsergebnisses zu entscheiden haben.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E28002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0020OB00002.92.0115.000

Dokumentnummer

JJT_19920115_OGH0002_0020OB00002_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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