TE OGH 1992/1/16 68Ob607/91

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Veröffentlicht am 16.01.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** V*****, vertreten durch Dr.Arne R.Schlossar, Rechtsanwalt in Feldbach, wider die beklagte Partei R***** L*****, vertreten durch Dr.Dieter Gorscheg, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wegen Zuhaltung eines Kaufvertrages (Streitwert S 60.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgericht vom 4.Juni 1991, GZ 5 R 113/91-24, womit Abs 1 des Beschlusses des Bezirksgerichtes Fürstenfeld vom 4.April 1991, GZ 1 C 947/90k-20, aufgehoben und Abs 2 dieses Beschlusses abgeändert wurde, den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird einschließlich seiner Kostenentscheidungen aufgehoben.

Der erstgerichtliche Beschluß wird wiederhergestellt. Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zuhaltung eines Vertrages bezüglich eines Liegenschaftskaufes durch Einwilligung in die Eigentumseinverleibung und bewertete den Streitgegenstand mit S 60.000. Bereits in dem vor der ersten Verhandlung eingebrachten vorbereitenden Schriftsatz wendete die beklagte Verkäuferin die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein, weil ein obligatorischer Anspruch geltend gemacht werde, für den der Gerichtsstand des § 81 JN nicht in Betracht komme; vielmehr sei der Streitwert für die Beurteilung der Zuständigkeit maßgebend.

In der ersten mündlichen Streitverhandlung wiederholte die Beklagte ihre Unzuständigkeitseinrede und die Klägerin hielt an der Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes gemäß § 81 JN fest; es wurde aber sonst, wie dem Verhandlungsprotokoll zu entnehmen ist, die Zuständigkeitsfrage nicht weiter erörtert; der Erstrichter faßte ohne Berührung der Zuständigkeitsfrage einen Beweisbeschluß und erstreckte die Verhandlung.

Mit Beschluß vom 23.10.1990 wies dann das Erstgericht ohne weitere Verhandlung die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück und die Klägerin brachte innerhalb von 14 Tagen einen Antrag gemäß § 230 a ZPO auf Überweisung der Rechtssache an das Landesgericht Eisenstadt ein. Die Beklagte stellte einen Kostenbestimmungsantrag und brachte vor, eine Überweisung gemäß § 230 a ZPO sei nach mündlicher Verhandlung nicht mehr zulässig, weshalb ihr die Kosten des Zuständigkeitsstreites zustünden.

Mit Beschluß vom 4.4.1991 hob das Erstgericht die mit Beschluß vom 23.10.1990 ausgesprochene Zurückweisung der Klage auf und überwies die Sache gemäß § 230 a ZPO an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Eisenstadt. Den Antrag der Beklagten auf Zuspruch von Kosten für den vorbereitenden Schriftsatz und die Streitverhandlung wies es ab.

Infolge Rekurses der Beklagten hob das Gericht 2. Instanz den Überweisungsbeschluß des Erstgerichtes auf, stellte dessen Zurückweisungsbeschluß vom 23.10.1990 wieder her und wies den Antrag der Klägerin auf Überweisung der Rechtssache gemäß § 230 a ZPO zurück; den Kostenausspruch des Erstgerichtes änderte es dahingehend ab, daß es der beklagten Partei Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens in der Höhe von S 7.298 sowie Rekurskosten in der Höhe von S 3.396,60 zusprach. Es vertrat die Ansicht, daß die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses und die Überweisung gesetzwidrig erfolgt sei. Der Überweisungsbeschluß sei trotz des im § 230 a ZPO normierten Rechtsmittelausschlusses ausnahmsweise anfechtbar, weil ein wirksamer Überweisungsantrag gar nicht vorliege; der Überweisungsantrag sei nämlich ausgeschlossen gewesen, weil die Klägerin bereits in der mündlichen Streitverhandlung die Möglichkeit gehabt hätte, auf den Unzuständigkeitseinwand der Beklagten mit einem Überweisungsantrag zu reagieren. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über S 50.000 und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil vor allem zur Frage, inwieweit trotz des Rechtsmittelausschlusses der §§ 230 a bzw 261 Abs 6 ZPO ein Rechtsmittel gegen eine gesetzwidrig erfolgte Überweisung doch zuzulassen sei, eine oberstgerichtliche Rechtsprechung offensichtlich fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Beschluß des Rekursgerichtes aufzuheben, "die Überweisung der Rechtssache an das Landesgericht Eisenstadt als rechtens zu bewerten und den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß die der Beklagten zugesprochenen Kosten als weitere Verfahrenskosten anzusehen" seien. Hilfsweise begehrt sie, der Oberste Gerichtshof möge feststellen, daß der Beschluß des Bezirksgerichtes Fürstenfeld vom 23.10.1990 nicht in Rechtskraft erwachsen sei und daher ab 1.Juli 1991 das Bezirksgericht Fürstenfeld zur Durchführung des gesamten Streites zuständig sei.

Die Beklagte hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und im Ergebnis auch berechtigt. Das Rekursgericht hat aus Anlaß des Rekurses der Beklagten den Überweisungsbeschluß aufgehoben und in Wiederherstellung des vom Erstgericht aufgehobenen Zurückweisungsbeschlusses die Klage zurückgewiesen. Der Rekurs gegen diese Zurückweisung der Klage aus formellen Gründen ist zulässig, gleichgültig, ob man ihn in einem solchen Fall jedenfalls für zulässig erachtet oder nur deshalb, weil der Streitwert S 50.000 übersteigt und eine erhebliche Rechtsfrage iS des § 528 Abs 1 ZPO vorliegt (vgl Petrasch, ÖJZ 1989, 751); denn diese Voraussetzungen sind jedenfalls gegeben.

Es trifft zwar nicht zu, daß zur Frage, inwieweit trotz des Rechtsmittelausschlusses der §§ 230 a bzw 261 Abs 6 ZPO ein Rechtsmittel gegen eine gesetzwidrig erfolgte Überweisung doch zulässig sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle; die bisherige Judikatur dazu ist jedoch spärlich und uneinheitlich.

In der Entscheidung vom 24.1.1985, 6 Ob 516/85, RZ 1985, 193, vertrat der 6.Senat die Ansicht, daß die Unanfechtbarkeit eines auf § 230 a ZPO gegründeten Überweisungsbeschlusses davon abhänge, ob die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen nach der zitierten Bestimmung tatsächlich vorlägen. Leite der Rechtsmittelwerber die Zulässigkeit seines gegen den erstinstanzlichen Überweisungsbeschluß erhobenen Rekurses aus dessen sachlicher Begründetheit ab und deckten sich die Zulässigkeits- und die sachlichen Erfolgsvoraussetzungen des Rekurses, sei die Sachentscheidung gegenüber der Formalerledigung geboten. Der Oberste Gerichtshof hob daher den formellen Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes auf und trug diesem die sachliche Erledigung des Rekurses gegen den Überweisungsbeschluß auf.

Der 9. Senat hielt jedoch in der Entscheidung vom 30.11.1988, 9 Ob 269/88, SZ 61/265, diese Rechtsansicht nicht aufrecht. Er bestätigte den Beschluß des Rekursgerichtes, mit dem dieses ein Rechtsmittel gegen den Überweisungsbeschluß (nach § 261 Abs 6 ZPO) als unzulässig zurückgewiesen hatte und führte dazu aus:

Gegen einen Beschluß, mit dem über einen Überweisungsantrag entschieden werde, sei sowohl nach § 261 Abs 6 ZPO als auch nach dem ihm nachgebildeten § 230 a ZPO ein Rechtsmittel unzulässig. Nur wenn die vom Erstgericht ausgesprochene Überweisung den Bestimmungen des § 261 Abs 6 ZPO derart widerspreche, daß der Zweck des dort verfügten Rechtsmittelausschlusses nicht mehr erfüllt werde - hiebei wurde auf die von Simotta, JBl 1988, 366 f unter Punkt 7 a bis d angeführten Fälle, die nicht vorliegen, verwiesen -, sei der Überweisungsbeschluß anfechtbar.

Auch Fasching vertritt diese Ansicht. Die vom Rekursgericht für seine Meinung zitierte Belegstelle bei Fasching (Lehrbuch Rz 225) bezieht sich auf die Kostenentscheidung.

Der zuletzt genannten Ansicht des 9. Senates schließt sich der erkennende 8. Senat an. Andernfalls wäre nämlich der vom Gesetzgeber angeordnete Rechtsmittelausschluß sinn- und zwecklos, weil anläßlich eines jeden dennoch erhobenen Rekurses jeweils zu prüfen wäre, ob er sachlich begründet ist; wäre er dies, wäre nach dieser Ansicht der Rekurs zulässig und zugleich auch berechtigt. Zweck eines Rechtsmittelausschlusses ist es aber, eine Frage endgültig zu erledigen, gleichgültig, ob der Entscheidung ein Fehler anhaftet oder nicht. Die Einschränkung eines Rechtsmittelausschlusses im Sinn eines ausnahmsweise dennoch zulässigen Rechtsmittels könnte nur bei solch gravierenden Verstößen ins Auge gefaßt werden, die mit dem Zweck des Rechtsmittelausschlusses unvereinbar wären (vgl die bei Simotta, JBl 1988, 366 f angeführten Fälle). Ein solcher Verstoß liegt hier aber nicht vor. Das Erstgericht hat nicht etwa ohne entsprechenden Überweisungsantrag überwiesen (vgl SZ 31/62 ua). Es ist nur fraglich, ob es in diesem Stadium des Verfahrens dem Überweisungsantrag noch stattgeben durfte (so Fasching, Lehrbuch Rz 226 aE; aA OGH RZ 1986, 218). Die Überprüfung dieser Frage durch das Rekursgericht ist jedoch auf Grund des Rechtsmittelausschlusses des § 230 a ZPO nicht zulässig.

Das Rekursgericht hätte daher ohne Eingehen auf die sachliche Berechtigung des erstgerichtlichen Überweisungsbeschlusses den dagegen erhobenen Rekurs zurückweisen müssen und nicht in sachlicher Stattgebung dieses Rekurses den erstgerichtlichen Beschluß aufheben und somit in Wiederherstellung des Zurückweisungsbeschlusses vom 23.10.1990 zur Zurückweisung der Klage gelangen dürfen. Wegen der Unzulässigkeit des Rekurses gegen den erstgerichtlichen Beschluß muß daher - weil im vorliegenden Fall die Klage von Rekursgericht zurückgewiesen wurde und dagegen ein Rechtsmittel zulässig ist - der angefochtene Beschluß einschließlich der Kostenentscheidungen, denen durch die Aufhebung des rekursgerichtlichen Beschlusses der Boden entzogen ist, aufgehoben und der erstgerichtliche Beschluß zur Gänze (einschließlich der Abweisung des Antrages der Beklagten auf Zuspruch von Kosten) wiederhergestellt werden.

Infolge der Unzulässigkeit des Rekurses gebühren dem Beklagten für diesen auch keine Kosten.

Der Kostenvorbehalt hinsichtlich der Revisionsrekurskosten der Klägerin beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E28094

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00607.91.0116.000

Dokumentnummer

JJT_19920116_OGH0002_0080OB00607_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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