Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Graf als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei C***** Bank L*****, vertreten durch Dr. Dieter Ausserladscheider ua, Rechtsanwälte in Reutte, wider die verpflichtete Partei Paul-Heinrich E*****, Deutschland, wegen DM 223.481,73 s.A. infolge Rekurses der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Republik Österreich (Finanzamt Reutte), diese vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 19. Juli 1991, GZ 3 a R 16/91-24, womit ihr Rekurs gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Reutte vom 22.November 1990, E 3561/90-12, zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.
Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens.
Text
Begründung:
Mit Beschluß vom 13.9.1990 hat das Erstgericht über Antrag der betreibenden Partei zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von DM 400.000,-- sA auf Grund eines vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien geschlossenen Vergleiches wider den Verpflichteten die Exekution durch Pfändung eines dem Verpflichteten gegen die Drittschuldnerin T***** Bank AG *****, zustehenden Herausgabeanspruches auf ein näher bezeichnetes Sparbuch und Überweisung des gepfändeten Herausgabeanspruches zur Einziehung bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung unbeschadet etwa früher erworbener Rechte Dritter bewilligt. Bei der Ausfolgung des Sparbuches (mit einem Einlagestand von DM 233.481,73) wurde dem Rechtspfleger des Erstgerichtes durch einen Angestellten der Bank mitgeteilt, das Sparbuch sei bereits zugunsten des Finanzamtes Reutte gepfändet. Aus der schriftlichen Forderungsanmeldung des Finanzamtes Reutte zur Verteilungstagsatzung und den dieser angeschlossenen Pfändungsverfügungen dieses Finanzamtes vom 27.11.1987 und 6.6.1989 ist ersichtlich, daß der Verpflichtete "Abgaben einschließlich Nebengebühren" von zusammen S 3,108.173,68 schuldet und daß wegen dieses Betrages der Anspruch des Abgabenschuldners auf Herausgabe des in der Gewahrsame der Sparkasse befindlichen Sparbuches gepfändet worden war. Die betreibende Partei erhob gegen diese Forderungsanmeldung in der Verteilungstagsatzung Widerspruch, weil nur sie ein wirksames Pfandrecht an dem angeführten Sparbuch erworben habe. Das Erstgericht gab diesem Widerspruch statt und wies das Sparbuch der betreibenden Partei zu. Die Pfändung des Sparbuches durch die Pfändungsverfügungen des Finanzamtes Reutte sei nicht im Sinne der Bestimmungen des § 296 EO bzw. des § 67 AbgabenEO erfolgt, weil das Sparbuch in der Gewahrsame der Sparkasse geblieben sei, so daß das Finanzamt Reutte kein wirksames Pfandrecht erworben habe.
Mit dem angefochtenen Beschluß wies die zweite Instanz einen von der "Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Republik Österreich (Finanzamt Reutte), diese vertreten durch die Finanzprokuratur" gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes erhobenen Rekurs zurück und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig sei. Zwar gehe, wie das Rekursgericht ausführlich begründete, das durch die Pfändung des Herausgabeanspruches vom Finanzamt Reutte erworbene Befriedigungsrecht mit dem Rang der Zustellung des Ausfolgungsverbotes an die Gewahrsamsinhaberin dem später erworbenen exekutiven Pfandrecht der betreibenden Partei an der Sache selbst vor. Doch sei damit für die Rechtsmittelwerberin nichts gewonnen, weil sie erstmalig im Rekursverfahren als Gläubigerin eingeschritten sei. Bei der Anmeldung des Finanzamtes Reutte zur Verteilungstagsatzung sei kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß es sich um Abgabenschulden des Verpflichteten gegenüber der Bundesrepublik Deutschland handle; die Forderungsanmeldung des Finanzamtes Reutte habe vielmehr den Anschein einer Finanzschuld des Verpflichteten gegenüber den österreichischen Finanzbehörden gegeben. Erst im Rekurs werde ausgeführt, das Finanzamt Reutte habe als beauftragte Vollstreckungsbehörde auf Grund von Rechtshilfeersuchen zur Sicherstellung verschiedener Abgabeforderungen der Rekurswerberin den Anspruch auf Herausgabe des Sparbuches gepfändet. Damit würden in unzulässiger Weise neue Behauptungen aufgestellt, auf die das Rekursgericht nicht Rücksicht nehmen könne. Die Rechtsmittelwerberin, die im erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt gewesen sei, sei zur Erhebung des Rekurses nicht legitimiert. Für die Zulassung eines ordentlichen Revisionsrekurses bestehe kein Anlaß, weil ein Fall des § 528 Abs.1 ZPO nicht vorliege.
Der ao Revisionsrekurs der Bundesrepublik Deutschland ist entgegen der Ansicht der zweiten Instanz zulässig, weil ein Sachverhalt wie der vorliegende an den Obersten Gerichtshof noch nicht herangetragen wurde. Er ist auch berechtigt.
Die Rekurswerberin macht geltend, es treffe nicht zu, daß die österreichischen Finanzämter nur zur Hereinbringung von Abgabenverbindlichkeiten der österreichischen Finanzbehörden einschreiten. In Abgabensachen bestünden zwischen der Republik Österreich und mehreren anderen Staaten Verträge über die Gewährung von Rechtsschutz und Rechtshilfe, bzw. über gegenseitige Hilfeleistung. So enthalte der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen, BGBl.1955/249 in den Art.11 ff nähere Vorschriften über die Rechtshilfe bei der Vollstreckung. Im Schlußprotokoll, das einen integrierenden Bestandteil des Vertrages bilde, werde zu Art.11 festgehalten, daß die Vollstreckung von denselben Organen und mit denselben Mitteln des Verfahrens durchgeführt werde, die für die von den Finanzämtern verwalteten Abgaben bestimmt seien; und daß der Antrag auf Bewilligung der gerichtlichen Exekution in der Republik Österreich von der Finanzprokuratur oder dem an ihrer Stelle zuständigen Finanzamt gestellt werde. Das Finanzamt müsse im Zuge der Gewährung von Abgabenvollstreckungsrechtshilfe für die Bundesrepublik Deutschland nicht ausdrücklich darauf hinweisen, daß es im Rechtshilfeweg für die Bundesrepublik Deutschland tätig werde. Sei aber das Finanzamt zum Einschreiten ermächtigt, so könne es kein Nachteil sein, wenn im Verlauf des weiteren Verfahrens der Einschreiter präziser bezeichnet werde, zumal (auch) das erwähnte Schlußprotokoll dem österreichischen Finanzamt nicht die Möglichkeit einräume, im Rekursverfahren im eigenen Namen tätig zu werden. Es sei daher auch nicht richtig, daß die Bundesrepublik Deutschland im erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Auszugehen ist davon, daß zwar die Republik Österreich parteifähig und also fähig ist, im Prozeß selbständiger Träger von Rechten und Pflichten im eigenen Namen zu sein (Fasching, Komm II 120 und 109 sowie Lehrbuch Rz 331 und 334), und ebenso auch die Länder und Gemeinden; daß aber dagegen einzelnen Behörden und Ämtern dieser Gebietskörperschaften keine Parteifähigkeit zukommt (Fasching II 120, 4 Ob 317/77). Zur Vertretung der Republik Österreich ist gemäß § 1 Abs.3, § 2 Abs.1 Z 2 ProkG die Finanzprokuratur berufen. Gemäß § 3 Abs.1 ProkG sind zur Sicherung und Einbringung von Steuern, Gebühren, Zöllen und sonstigen öffentlichen Abgaben die Finanzämter ermächtigt, in Vertretung der Prokuratur bei den Gerichten einzuschreiten, soweit Anwaltszwang nicht besteht; doch kann die Prokuratur gemäß § 3 Abs.2 ProkG die Vertretung jederzeit für sich in Anspruch nehmen.
Die Finanzämter können daher im Exekutionsverfahren in erster Instanz auftreten und müssen keine Vollmacht vorlegen. Da im Rechtsmittelverfahren gemäß § 78 EO und § 520 ZPO die Unterfertigung der Rekursschrift durch einen Rechtsanwalt erforderlich ist, können die Finanzämter in diesem Verfahren keine schriftlichen Rekurse einbringen. In diesem Fall tritt in vollem Umfang die gesetzliche Vertretungsmacht der Finanzprokuratur ein (Fasching II 9).
Ebenso, wie es daher offenkundig ist, daß lediglich eine in jeder Lage des Verfahrens der Richtigstellung zugängliche verfehlte Bezeichnung der Prozeßpartei vorliegt, wenn anstelle des Rechtsträgers dessen Amt oder Behörde geklagt wird (SZ 54/61), würde es demnach nur eine Richtigstellung der Bezeichnung des einschreitenden Gläubigers bedeuten, wenn im Rechtsmittelverfahren betreffend einer österreichischen Abgabe anstelle des Finanzamtes Reutte die "Republik Österreich (Finanzamt Reutte), vertreten durch die Finanzprokuratur" auftritt; vertritt doch - soweit nicht Anwaltszwang besteht - das Finanzamt nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung die zur Vertretung der Republik Österreich als des Rechtsträgers berufene Finanzprokuratur.
Nach dem Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen aber wird, wie von der Rekurswerberin zutreffend ausgeführt wurde, die Vollstreckung von denselben Organen und mit denselben Mitteln des Verfahrens durchgeführt, die für die von den Finanzämtern verwalteten Abgaben bestimmt werden, und es wird der Antrag auf Bewilligung der gerichtlichen Exekution in der Republik Österreich von der Finanzprokuratur oder dem an ihrer Stelle zuständigen Finanzamt gestellt. Daraus ergibt sich, daß das um Bewilligung der gerichtlichen Exekution ansuchende Finanzamt hier ebensowenig den Rechtsträger, für den es einschreitet, zu nennen braucht, wie im Fall des § 3 Abs.1 ProkG. Die Bezeichnung des Rechtsträgers im Rechtsmittelverfahren durch die in diesem Verfahrensabschnitt allein vertretungsbefugte Finanzprokuratur ist daher ausreichend und entgegen der Ansicht der zweiten Instanz nicht als unzulässige Neuerung anzusehen, weil eben der vertretene Rechtsträger im Antrag des Finanzamtes auf Exekutionsbewilligung nicht genannt werden muß.
Die zweite Instanz hätte daher den Rekurs der durch die Finanzprokuratur vertretenen Bundesrepublik Deutschland nicht mangels Legitimation zur Erhebung eines Rechtsmittels zurückweisen dürfen.
Hat nun auch das Rekursgericht zu erkennen gegeben, daß es das behandelte Rechtsmittel inhaltlich als berechtigt erachtet, so ist doch dem Obersten Gerichtshof eine Entscheidung in der Sache selbst verwehrt, denn gemäß § 3 Abs.1 JN ist der Rekurs gegen die Entscheidung des Erstgerichtes von dem vorgesetzten Kreis- oder Landesgericht zu erledigen. Der Oberste Gerichtshof kann daher nicht selbst über den gegen den erstgerichtlichen Beschluß eingebrachten Rekurs entscheiden. Durch eine solche Entscheidung wäre der Instanzenzug verschoben (SZ 43/212).
Anmerkung
E28020European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0030OB00009.92.0122.000Dokumentnummer
JJT_19920122_OGH0002_0030OB00009_9200000_000