Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Januar 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Aigner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Fred S***** und andere wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 22.November 1990, AZ 8 Bs 307/90, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Strasser, und der Verteidiger Dr. Schuppich, Dr. Wiedmoser und Dr. Lukesch, jedoch in Abwesenheit der Beschuldigten Dr. Fred S*****, Karl B***** und Mag. Leopold G***** zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird verworfen.
Text
Gründe:
In der von der Staatsanwaltschaft Linz im Verfahren 25 (zuvor 21) Vr 1193/89 des Landesgerichtes Linz eingebrachten Anklageschrift vom 14.September 1990, Zahl 2 St 1305/89, wird Dr. Fred S*****, Karl B***** und Mag. Leopold G***** das Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB angelastet (Band 165, ON 1864 dA). Danach stehen sie (von einem allein Karl B***** betreffenden weiteren
Anklagevorwurf - Pkt. II - abgesehen) in Verdacht, in Wien bzw. Linz als nach dem Kriegsmaterialgesetz zuständige Mitglieder der Bundesregierung, sohin als Beamte, mit dem Vorsatz, die Republik Österreich in den nachgenannten Rechten zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht zu haben, indem Dr. Fred S***** als Bundeskanzler, Karl B***** als Bundesminister für Inneres und Mag. Leopold G***** als Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter trotz gegründeten Verdachtes, daß es sich bei den bevorstehenden und sodann erfolgten Lieferungen von Kanonenhaubitzen GHN 45, Kal. 155 mm, sowie Sprenggranaten ERFB, Kal. 155 mm der Firma N*****, Maschinenbau- und Handels GesmbH, entgegen dem Bescheid vom 7. März 1985 nicht um solche in den Staat Libyen, sondern in den (damals) kriegführenden Staat Iran handelt, vom 11.Juli 1985 bis 3. Jänner 1986 entgegen den gesetzlichen Bestimmungen kein Verwaltungsverfahren zum Widerruf des Bescheides vom 7.März 1985, mit dem die Ausfuhr von Kriegsmaterial nach Libyen bewilligt worden war, gemäß dem § 3 Abs. 3 Kriegsmaterialgesetz einleiteten und die erteilte Bewilligung nach Wegfall der Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht widerriefen, wodurch die Lieferungen der Kanonenhaubitzen GHN 45, Kal. 155 mm, sowie der Sprenggranaten ERFB, Kal. 155 mm, durch die gesondert verfolgten Verantwortlichen der Firmen V***** AG, N*****, Maschinenbau- und Handels GesmbH, sowie H***** Patronen-, Zündhütchen- und Metallwarenfabrik AG in den kriegführenden Staat Iran ermöglicht und gefördert und die Republik Österreich in ihrem konkreten Recht auf Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zur Wahrung der außenpolitischen Interessen unter besonderer Berücksichtigung der verfassungsrechtlich normierten immerwährenden Neutralität geschädigt wurden.
Der öffentliche Ankläger ging bei der rechtlichen Beurteilung des von der Anklage erfaßten Sachverhaltes davon aus, daß das den Beschuldigten angelastete Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB mit dem damit in Tateinheit verwirklichten Verbrechen der Neutralitätsgefährdung nach dem § 320 (Abs. 1) Z 3 StGB, begangen durch Beitragstäterschaft im Sinne des § 12, dritter Fall, StGB, scheinbar konkurriere. Das allgemeine Delikt (§ 320 Abs. 1 Z 3 StGB) werde aber durch das Sonderdelikt (§ 302 Abs. 1 StGB) verdrängt, weil der Tatbestand der Neutralitätsgefährdung keine strengere Strafdrohung aufweise. Da aber durch eine rechtliche Beurteilung des unter Anklage gestellten Sachverhaltes ausschließlich als Mißbrauch der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB das spezifisch durch die Strafdrohung des § 320 StGB pönalisierte Deliktsunrecht nicht beseitigt werde, sondern weiterwirke und das weitere, im Mißbrauch der Amtsgewalt gelegene Unrecht bloß hinzukomme, sei im vorliegenden Fall nach der Zuständigkeitsregelung des § 14 Abs. 1 Z 9 StPO das Geschworenengericht zur Durchführung der Hauptverhandlung und zur Urteilsfällung berufen.
Gegen die Anklageschrift erhoben die Beschuldigten Dr. Fred S*****, Karl B***** und Leopold G***** - mit getrennten Schriftsätzen - Einspruch (Band 165, ON 1867, 1868, 1869 dA).
Das Oberlandesgericht Linz entschied hierüber in nichtöffentlicher Sitzung am 22.November 1990, AZ 8 Bs 307/90 (= Band 165, ON 1875 dA), dahin, daß der Anklage Folge gegeben werde. Der Gerichtshof zweiter Instanz schloß sich in diesem Einspruchserkenntnis der in der Anklageschrift vorgenommenen (materiell-)rechtlichen Beurteilung des unter Anklage gestellten Sachverhaltes als Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB an und maß in Übereinstimmung mit der Auffassung des öffentlichen Anklägers dem vom Mißbrauch der Amtsgewalt (als Sonderdelikt) verdrängten allgemeinen Delikt der Neutralitätsgefährdung (begangen durch Unterlassen) eine für die sachliche und örtliche Zuständigkeit entscheidende Bedeutung bei. Der aus der Neutralitätsgefährdung resultierende spezielle Unrechtsgehalt der Tat falle nämlich durch die Annahme einer Scheinkonkurrenz mit dem damit in Tateinheit verwirklichten Amtsmißbrauch im Sinne des § 302 Abs. 1 StGB nicht weg. Er trete vielmehr als weiteres Unrechtselement zu dem durch die Neutralitätsgefährdung verwirklichten Unrecht hinzu. Dies zeige sich schon daraus, daß bei allfälliger Nichtannahme des Deliktes nach dem § 302 Abs. 1 StGB (aus welchen Gründen auch immer) das verdrängte Delikt (§§ 12, dritter Fall, 320 (Abs. 1) Z 3 StGB) wiederaufleben würde. Infolge dieser weiterhin gegebenen faktischen Relevanz des verdrängten Deliktes gebe die im § 14 Abs. 1 Z 9 StPO für das Delikt der Neutralitätsgefährdung nach dem § 320 StGB vorgesehene Zuständigkeit des Geschworenengerichtes (als Gericht höherer Ordnung) gegenüber der Zuständigkeitsnorm des § 13 Abs. 2 Z 6 StPO, die für das Delikt des Mißbrauches der Amtsgewalt (bloß) die Zuständigkeit des Schöffengerichtes vorsehe, den Ausschlag. Unter diesem Aspekt bejahte das Oberlandesgericht - ebenso in Übereinstimmung mit der Anklagebehörde - auch die auf die Regelung des § 55 StPO gestützte örtliche Zuständigkeit des Gerichtes in Linz.
Diese Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz über die Anklageeinsprüche steht, soweit damit die sachliche und örtliche Zuständigkeit des vom öffentlichen Ankläger in der Anklageschrift angerufenen Geschworenengerichtes beim Landesgericht Linz zur Verhandlung und Entscheidung in der vorliegenden Strafsache - und damit auch die eigene Zuständigkeit zur Entscheidung über die Anklageeinsprüche - bejaht wurde, nach Ansicht der Generalprokuratur mit dem Gesetz nicht im Einklang. Diese Auffassung wird wie folgt begründet:
"Wie der öffentliche Ankläger und das Oberlandesgericht Linz als Einspruchsgericht an sich zutreffend erkannt haben, ist die Beantwortung der Frage, welches Gericht sachlich und örtlich zur Verhandlung und Entscheidung in der vorliegenden Strafsache berufen ist, mit der Lösung des Konkurrenzproblems der Delikte des Mißbrauchs der Amtsgewalt und der Neutralitätsgefährdung eng verknüpft, weil angesichts der besonderen, sich aus dem Anklagevorwurf ergebenden Konstellation die Beantwortung der (materiell-rechtlichen) Konkurrenzfrage Auswirkungen auf die sachliche und örtliche Zuständigkeit zur Verhandlung und Entscheidung in der vorliegenden Strafsache hat.
Den drei Beschuldigten wird in der Anklage der Sache nach zunächst Beitragstäterschaft zu der - mit Tat- und Gerichtsort Linz - von den Verantwortlichen der Firmen V***** AG, N*****, Maschinenbau- und Handels GesmbH sowie H***** Patronen-, Zündhütchen- und Metallwarenfabriks AG als unmittelbare Täter begangenen Neutralitätsgefährdung zur Last gelegt. Der Tatbeitrag der Beschuldigten Dr. Fred S*****, Karl B***** und Mag. Leopold G***** besteht nach dem Anklagevorwurf in einem Unterlassen (der Einleitung des Widerrufsverfahrens und des in diesem Verfahren gebotenen Widerrufs des die Ausfuhr von Kriegsmaterial nach Libyen genehmigenden Bescheides vom 7.März 1985 infolge Wegfalls der Voraussetzungen für die Erteilung dieser Ausfuhrgenehmigung). Durch diesen Tatbeitrag im Sinne des § 12, dritter Fall StGB zum Verbrechen der Neutralitätsgefährdung nach dem § 320 Z 3 StGB verwirklichten aber die Beschuldigten Dr. Fred S*****, Karl B***** und Mag. Leopold G***** nach dem Anklagevorwurf überdies das Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB. Das den drei Beschuldigten zur last gelegte Verhalten entspricht somit formal zwei verschiedenen Deliktstypen, nämlich dem Verbrechen der Neutralitätsgefährdung im Sinne des § 320 Z 3 StGB, begangen als Beitragstäter durch Unterlassen (§ 12, dritter Fall StGB), und dem Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB (begangen als unmittelbare Täter). Angesichts dieser Konstellation ist zunächst zu prüfen, ob diese beiden Delikte zueinander im Verhältnis einer (echten, ungleichartigen) Idealkonkurrenz stehen oder ob - so wie das der öffentliche Ankläger in der Anklageschrift und das Oberlandesgericht Linz als Einspruchsgericht annahmen - das Delikt des Mißbrauchs der Amtsgewalt (§ 302 Abs. 1 StGB) jenes der Neutralitätsgefährdung (§ 320 Z 3 StGB) verdrängt, beide Delikte sohin zueinander bloß im Verhältnis einer (ungleichartigen) Scheinkonkurrenz stehen:
Das StGB gibt zur Lösung von Konkurrenzfragen - abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall einer ausdrücklichen Subsidiaritätsklausel - keine näheren Hinweise. Nach den von der Lehre (vgl. insbesondere Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl. 1978, S 393 ff) entwickelten und von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im wesentlichen übernommenen Grundsätzen der Scheinkonkurrenz drängt sich im vorliegenden Fall eine Prüfung unter dem Aspekt der Konsumtion auf. Darnach ist bei formalem Zusammentreffen von zwei Deliktstypen darauf abzustellen, daß bei einer Wertung des deliktischen Gesamtunwertes das zur Beurteilung anstehende konkrete Tatgeschehen in seinem Unrechtsgehalt schon durch die Unterstellung unter eine der in Betracht kommenden Deliktstypen voll erfaßt wird (vgl. Leukauf-Steininger, StGB2, RN 45 zu § 28 StGB; Burgstaller, JBl. 1978, S 459). Dies gilt gleichermaßen für die Fälle scheinbarer Real- als auch scheinbarer Idealkonkurrenz. Da, wie bereits ausgeführt, im vorliegenden Fall nur Idealkonkurrenz in Betracht kommt - der in einem Unterlassen gelegene Tatbeitrag zum Delikt der Neutralitätsgefährdung stellt sich zugleich als Mißbrauch der Amtsgewalt dar - scheidet eine Konsumtion unter dem Aspekt einer (straflosen, weil mitbestraften) Nachtat oder Vortat von vorneherein aus. Es kann im vorliegenden Fall aber auch von einer Konsumtion unter dem Gesichtspunkt einer (straflosen) Begleittat nicht gesprochen werden, weil die Verwirklichung eines bestimmten Deliktstypus (hier: Mißbrauch der Amtsgewalt) nicht regelmäßig mit der Verwirklichung des zweiten Deliktstypus (hier: Neutralitätsgefährdung) verbunden ist und somit das zwingend vorauszusetzende Typizitätserfordernis fehlt (vgl. Burgstaller, JBl. 1978, S 459; ferner Leukauf-Steininger, StGB2, RN 47 zu § 28 StGB). Dazu kommt im vorliegenden Fall, daß angesichts der gleichen Strafdrohungen für das Delikt des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB und jenes der Neutralitätsgefährdung nach dem § 320 Z 3 StGB - jeweils Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren - von einem wesentlich geringeren Unrechtsgehalt der "Begleittat" (hier § 320 Z 3 StGB) gegenüber der "Haupttat" (hier: § 302 Abs. 1 StGB) keine Rede sein kann, sodaß auch eine weitere, in der Lehre postulierte Voraussetzung für die Konsumtion, daß nämlich die Begleittat wegen ihres wesentlich geringeren Unwertes gegenüber dem verdrängenden Delikt nicht ins Gewicht fallen darf (vgl. Burgstaller, lc, S 459; Leukauf-Steininger, StGB2, RN 46 zu § 28 StGB), fehlt. Wenn auch für die Konsumtion der Begleittat nicht erforderlich ist, daß sie sich gegen dasselbe Rechtsgut richtet (Burgstaller, aaO, S 459; Leukauf-Steininger StGB2, RN 47 zu § 28 StGB), so ist im vorliegenden Fall doch festzuhalten, daß das durch die Strafdrohungen der §§ 320 und 302 StGB geschützte Rechtsgut jeweils völlig verschieden ist. Schutzzweck des § 320 StGB ist die Wahrung der (mit Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955, BGBl. Nr. 211) festgelegten immerwährenden Neutralität der Republik Österreich (vgl. Liebscher WK, RN 1 zu § 320 StGB; Brandstetter, Loibl, Neutralität und Waffenexport, Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei, Juristische Schriftenreihe, Band 19, 1990, S 10) bzw. das sich daraus ergebende Verhältnis Österreichs zum Ausland (Leukauf-Steininger, StGB2, RN 1 zu § 320 StGB). Hingegen soll durch die Strafdrohung des § 302 StGB das Rechtsgut der Ordnungsgemäßheit und Sauberkeit der gesamten staatlichen Verwaltung und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Objektivität und Integrität der Beamten bei ihrer Amtsführung geschützt werden (Leukauf-Steininger, StGB2, RN 1 zu § 302 StGB). Die Verschiedenheit der durch die §§ 320 und 302 StGB geschützten Rechtsgüter und der sich - nach der vom Gesetzgeber selbst vorgenommenen Wertung - aus der gleichen Strafdrohung manifestierende gleich hohe Unrechtsgehalt dieser Delikte sprechen somit in Verbindung mit den allgemeinen Konsumtionskriterien wohl gegen eine Verdrängung des Delikts der Neutralitätsgefährdung durch jenes des Mißbrauchs der Amtsgewalt, weil dem hiefür maßgeblichen Postulat, daß das verdrängende Delikt (hier § 302 StGB) den deliktischen Gesamtunwert des hier zu beurteilenden Geschehens, also auch den sich aus der Neutralitätsgefährdung ergebenden Unwert, bereits für sich allein voll erfaßt, nicht Genüge getan wird.
Dem steht allerdings entgegen, daß der Oberste Gerichtshof, soweit es das Verhältnis zwischen Sonderdelikt und allgemeinem Delikt betrifft, in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, daß das (echte) Sonderdelikt das allgemeine Delikt, dessen Merkmale bei Begehung des Sonderdeliktes mitverwirklicht werden, verdrängt (Leukauf-Steininger, StGB2, RN 71 zu § 28 StGB und die dort zitierte Judikatur); dies unter der Voraussetzung, daß das allgemeine strafbare Delikt nicht mit strengerer Strafe als das Sonderdelikt bedroht ist und - bezogen auf das Sonderdelikt des § 302 StGB - sich das allgemeine Delikt wenigstens phasenweise als Ausübung der damit mißbrauchten Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften darstellt (Leukauf-Steininger StGB2, RN 40 zu § 302 StGB; ferner 15 Os 18/89 ua). Nach der Entscheidung 15 Os 98/90 (vom 30. Oktober 1990) bejahte der Oberste Gerichtshof eine Konsumtion des allgemeinen Delikts durch das Sonderdelikt des § 302 StGB nicht nur für den Fall, daß sich eine Teilphase (des Tatgeschehens) als (mißbräuchliche) Ausübung einer Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften darstellt, sondern auch dann, wenn das Tatgeschehen einen auf einem einheitlichen Willensentschluß beruhenden und als Mißbrauch zu beurteilenden Tatkomplex, das allgemeine Delikt demnach einen Teilakt zur Realisierung des Sonderdelikts bildet (davon abweichend allerdings die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 15.Februar 1991, 16 Os 43/90-9).
Die Anwendung dieser von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs für das Verhältnis Sonderdelikt zum allgemeinen Delikt entwickelten Grundsätze führt somit in rechtlicher Beziehung zwangsläufig zur Annahme einer Verdrängung des nach dem Anklagevorbringen formal verwirklichten Delikts der Neutralitätsgefährdung, begangen durch Beitragstäterschaft nach den §§ 12, dritter Fall, 320 Z 3 StGB, durch das in Tateinheit damit zusammentreffende Delikt des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB. Davon ausgehend ist eine nähere Untersuchung geboten, welche Wirkungen angesichts der vorliegenden Konstellation die Annahme einer Scheinkonkurrenz auf das verdrängte Delikt (der Neutralitätsgefährdung) zeitigt. Entsprechend dem Wesen der Scheinkonkurrenz gilt der allgemeine Grundsatz, daß allein das verdrängende Strafgesetz anzuwenden ist, während das verdrängte Strafgesetz grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben hat (Burgstaller, wo, S 467). Burgstaller hält einen Rückgriff auf das verdrängte Delikt mit der einleuchtenden Begründung für nicht vertretbar, daß der Sinn einer Scheinkonkurrenz gerade darin liege, das Vorliegen mehrerer strafbarer Handlungen zu verneinen und letztlich nur ein Delikt als verwirklicht anzusehen (vgl. JBl. 1978, S 469 und 470). Dem ist beizupflichten. Für eine Ausnahme dieses - von Burgstaller an sich zunächst nur für den Bereich des materiellen Rechtes und im Sanktionenbereich postulierten - Grundsatzes (vgl. erneut JBl. 1978, S 467 bis 470) im Bereich des Verfahrensrechts, wenn die Anwendung der Regeln der Scheinkonkurrenz entscheidende Auswirkungen auf die sachliche und örtliche Zuständigkeit hat, besteht aus nachstehenden Erwägungen kein Anlaß:
Nach den §§ 13 Abs. 2 und 14 Abs. 1 StPO richtet sich die Zuständigkeit des Schöffengerichtes oder Geschwornengerichtes entweder nach den dort im einzelnen namentlich (unter Anführung der Paragraphenbezeichnung) genannten Delikten oder aber nach der gesetzlichen Strafdrohung. Das Delikt des Mißbrauchs der Amtsgewalt fällt gemäß dem § 13 Abs. 2 Z 6 StPO in den Zuständigkeitsbereich des Schöffengerichtes, hingegen ist ua zur Durchführung der Hauptverhandlung und zur Urteilsfällung über Delikte, welche die Störung der Beziehungen zum Ausland betreffen (§§ 316 bis 320 StGB), sohin auch für das Delikt der Neutralitätsgefährdung nach dem § 320 StGB, das Geschwornengericht berufen (§ 14 Abs. 1 Z 9 StPO). Aus dem Wesen der Scheinkonkurrenz ergibt sich zwingend die Konsequenz, daß der Täter wegen des verdrängten Deliktes nicht verurteilt werden kann und demnach ein Schuldspruch wegen dieses (verdrängten) Deliktes ausgeschlossen ist. Das bedeutet aber, daß das verdrängte Delikt auch in allen jenen Belangen nicht berücksichtigt werden darf, in denen die Möglichkeit einer Verurteilung wegen eben dieses Deliktes die Voraussetzung bildet (Burgstaller, JBl. 1978, S 468). Somit versagt in diesem Zusammenhang auch das Argument eines allfälligen Wiederauflebens des verdrängten Deliktes für den Fall, daß sich ein Schuldspruch wegen des verdrängenden Delikts (hier also wegen § 302 Abs. 1 StGB) nachträglich - aus welchen Gründen auch immer - als unzulässig herausstellt. Die Zuständigkeitsregelung der §§ 13 und 14 StPO richtet sich ausschließlich nach dem Deliktstypus jener unter Anklage gestellten Straftat, die der Ankläger strafgerichtlich verfolgt und bestraft wissen will. Der im vorliegenden Fall vom Ankläger bei allen drei Beschuldigten angestrebte Schuldspruch erstreckt sich allein auf einen solchen wegen Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB. Zur Durchführung der Hauptverhandlung und Urteilsfällung ist bei diesem Delikt nach der Vorschrift des § 13 Abs. 2 Z 6 StPO aber das Schöffengericht (und nicht das Geschwornengericht) berufen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß das durch das verdrängte Delikt der Neutralitätsgefährdung speziell verwirklichte Unrecht (neben dem Unrecht des Mißbrauchs der Amtsgewalt) weiter besteht. Bei einem - der bisherigen Judikatur zur Scheinkonkurrenz zwischen dem echten Sonderdelikt des § 302 StGB und einem allgemeinen Delikt entsprechenden - Anklagevorwurf allein in Richtung des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt wäre im Falle des vom öffentlichen Ankläger angestrebten Schuldspruchs der drei Beschuldigten wegen Verbrechens nach dem § 302 Abs. 1 StGB ein Schuldspruch auch wegen des Deliktes der Neutralitätsgefährdung nach dem § 302 Z 3 StGB durch Beitragstäterschaft im Sinne des § 12 dritter Fall StGB nach den zuvor dargelegten Regeln der Scheinkonkurrenz ausgeschlossen. Das vom öffentlichen Ankläger in der Anklageschrift zur Unterstützung der von ihm reklamierten Zuständigkeit des Geschwornengerichtes herangezogene Argument, schon die (bloße) Unterlassung der Verhinderung einer Neutralitätsgefährdung (§ 286 StGB mit Beziehung auf § 320 StGB) bewirke nach der Vorschrift des § 14 Abs. 1 Z 10 StPO die Zuständigkeit des Geschwornengerichtes, umsomehr müsse dies gelten, wenn eine besondere Verpflichtung zur Erfolgsabwendung im Sinne des § 2 StGB im Zusammenhang mit einer Neutralitätsgefährdung bestehe, ist zwar auf den ersten Blick bestechend, erweist sich aber bei näherer Prüfung als nicht durchschlagend: Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß (auch) die Zuständigkeitsbestimmungen der §§ 13, 14 StPO den gesetzlichen Richter determinieren und die Verletzung dieser Zuständigkeitsnormen einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 83 Abs. 2 B-VG) darstellt; denn diese Verfassungsbestimmung umfaßt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs auch den Schutz und die Wahrung der gesetzlich begründeten Behördenzuständigkeiten. Das verfassungsgesetzlich garantierte Grundrecht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird auch durch die gesetzwidrige Inanspruchnahme einer behördlichen Zuständigkeit verletzt (vgl. Klecatsky, Morscher, Das österreichische Bundesverfassungsrecht, 3. Auflage, 1982, S 428 sowie ENr. 19, S 430). Dieser verfassungsrechtliche Aspekt steht einer ausdehnenden Interpretation der vorerwähnten Zuständigkeitsnormen der StPO entgegen; deshalb erscheint eine Analogie in diesem Bereich unzulässig, weil dadurch in die gemäß Art. 83 Abs. 1 B-VG dem einfachen Gesetzgeber überlassene Zuständigkeitsregelung eingegriffen und diese verändert würde, was aber einem Eingriff in das Recht auf den gesetzlichen Richter gleichkäme. Es bleibt daher dabei, daß über einen Anklagevorwurf in Richtung des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt gemäß dem § 13 Abs. 2 Z 6 StPO das Schöffengericht zu verhandeln und zu entscheiden hat.
Entfaltet nach dem Vorgesagten im Falle einer Scheinkonkurrenz das verdrängte Delikt (hier. § 320 StGB) keine weiteren rechtlichen Wirkungen, kann es auch nicht zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit eines Gerichtes herangezogen werden. Das bedeutet im vorliegenden Fall, daß der Anklagevorwurf gegen die Beschuldigten Dr. Fred S*****, Karl B***** und Mag. Leopold G***** zu Punkt I./ der Anklageschrift allein in Richtung des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB die Anwendung der Zuständigkeitsnorm des § 55 StPO, auf welche der öffentliche Ankläger und das Oberlandesgericht Linz als Einspruchsgericht die örtliche Zuständigkeit des Gerichtes in Linz stützen, ausschließt. Denn die drei Beschuldigten haben dieses Delikt (nach dem Anklagevorwurf) als unmittelbare Täter unbestrittenermaßen in Wien verübt. Auf diese Fallgestaltung ist aber § 55 StPO nicht anwendbar.
Es kann entgegen der vom öffentlichen Ankläger in der Anklageschrift und der vom Oberlandesgericht Linz als Einspruchsgericht geäußerten Auffassung aber auch aus den allein dem Beschuldigten Karl B***** zu Punkt II./ der Anklageschrift angelasteten Fakten die örtliche Zuständigkeit des Gerichtes in Linz (als Tatortgericht im Sinne des § 51 StPO) aus folgenden Erwägungen nicht abgeleitet werden:
Das in der Anklageschrift unter Punkt II./ dem Beschuldigten Karl B***** gleichfalls als (weiteres) Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB zum Vorwurf gemachte Tatgeschehen erfaßt zum Großteil die Beseitigung von Aktenbestandteilen durch diesen Beschuldigten, also die Vernichtung oder Unterdrückung von Urkunden, und zum Teil auch die Herstellung von inhaltlich unrichtigen und rückdatierten Schriftstücken (vor allem Aktenvermerken), von denen er in der Folge zu Beweiszwecken ua auch durch deren Übermittlung an den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Linz Gebrauch machte. Dieser Sachverhalt erfüllt in rechtlicher Beziehung zunächst den Vergehenstatbestand der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB, soweit dem Beschuldigten Karl B***** die Beseitigung von - als Urkunden zu wertenden - Aktenbestandteilen vorgeworfen wird, und im übrigen den Vergehenstatbestand der falschen Beurkundung im Amt nach dem § 311 StGB oder der Fälschung eines Beweismittels nach dem § 293 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB (soweit er im zuletzt genannten Fall von einem falschen Beweismittel, wozu auch ein solches mit unrichtigem Inhalt zählt, in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren Gebrauch machte). Der zur Erfüllung der subjektiven Tatseite dieser Delikte jeweils erforderliche Vorsatz leuchtet schon aus Sinn und Zweck der dem Beschuldigten B***** lt. Anklageschrift angelasteten Vorgangsweise hervor. Karl B***** ließ sich hiezu nach der Anklagebehauptung deshalb herbei, weil er eine Aufklärung des Sachverhaltes verhindern wollte (vgl. Anklageschrift S 382 = Bd. 165, ON 1864, S 390 dA). Alle unter Punkt II./ der Anklageschrift dem Beschuldigten Karl B***** vorgeworfenen Manipulationen verfolgten somit, wie auch der Anklageschrift unmißverständlich zu entnehmen ist, den Zweck, das auch dem Beschuldigten B***** unter Punkt I./ der Anklage angelastete und als Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt gewertete Tatverhalten zu verschleiern. Der Sache nach stellen sohin die unter Punkt II./ der Anklage erfaßten Vorgangsweisen des Beschuldigten B***** sogenannte Deckungshandlungen zu dem ihm unter Punkt I./ der Anklage angelasteten Mißbrauch der Amtsgewalt dar. Entgegen der Auffassung der Anklagebehörde erfüllt das zu Punkt II./ der Anklage geschilderte Tatgeschehen schon mangels einer dem Beschuldigten B***** insoweit zukommenden Befugnis im Sinne des § 302 Abs. 1 StGB nicht den Tatbestand des vorgenannten Verbrechens. Dies zeigt sich zunächst schon bei der ihm angelasteten Beseitigung von Aktenbestandteilen. Der Beschuldigte B***** hat nach dem Anklagesachverhalt lediglich die ihm als damaliger Bundesminister für Inneres durch seine Amtstätigkeit gebotene Gelegenheit, nämlich die ihm in dieser Eigenschaft offenstehende Zugangsmöglichkeit zu den hier in Betracht kommenden Akten dazu ausgenützt, ihn belastende Aktenbestandteile zu vernichten oder zu unterdrücken, sodaß bei dem hier in Betracht kommenden Delikt der Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs. 1 StGB) die Voraussetzungen für die fakultativ anzuwendende Strafbemessungsvorschrift des § 313 StGB vorliegen. Die bloße Ausnützung einer durch die Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit zur Begehung einer auch sonst mit Strafe bedrohten vorsätzlichen Handlung durch einen Beamten kann aber einer Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften im Sinne des § 302 Abs. 1 StGB keineswegs gleichgesetzt werden. In Wahrheit kann von einer Befugnis des Beschuldigten Karl B***** als szt. Bundesminister für Inneres zur Vornahme eines in der Beseitigung von Aktenbestandteilen gelegenen Amtsgeschäftes keine Rede sein. Das gleiche gilt im wesentlichen aber auch für die ihm weiters unter Punkt II./ der Anklage angelastete Herstellung von inhaltlich unrichtigen Schriftstücken (Aktenbestandteilen), von denen er sodann zwecks Verschleierung des ihm in der Anklageschrift zu Punkt I./ angelasteten Mißbrauchs der Amtsgewalt Gebrauch gemacht hatte.
Das in der Anklageschrift unter Punkt II./ bezeichnete konkrete Recht der Republik Österreich auf inhaltliche Richtigkeit, Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit von Behördenakten (vgl. S 7 der Anklage = Bd.- 165, ON 1964, S 13 dA), das durch den vermeintlichen Amtsmißbrauch des Beschuldigten Karl B***** in den unter Punkt II./ der Anklage angeführten Fällen verletzt worden sein soll, entspricht aber im wesentlichen jenen Rechtsgütern, die durch die Strafdrohungen der §§ 229, 293 und 311 StGB geschützt werden. Nach der Rechtsprechung zu § 108 StGB aF wurden die auf Verhinderung der eigenen Bestrafung gerichteten Tätigkeiten des Täters vom Schadensbegriff des § 108 StGB nicht erfaßt (vgl. JBl. 1978, 548). Dieser Grundsatz muß im gleichen Maß auch für den Schadensbegriff des § 302 Abs. 1 StGB gelten (JBl. 1986, 57). Alle Maßnahmen, die ein Täter nachträglich zur Verhinderung der eigenen Bestrafung setzt, können somit nicht als eine Schädigung des Staates in seinem Recht auf Strafverfolgung und Bestrafung dieses Täters gewertet werden, sodaß auch schon aus diesem Grund mangels einer rechtlich relevanten Schädigungsmöglichkeit, die zur Annahme eines nach dem § 302 Abs. 1 StGB erforderlichen erweiterten Vorsatzes vorausgesetzt wird, eine Tatbeurteilung als Mißbrauch der Amtsgewalt ausscheidet.
Allerdings läge Straflosigkeit der nach dem Vorgesagten beim Beschuldigten Karl B***** laut Anklagevorwurf zu Punkt II./ in Betracht kommenden Delikte nach den §§ 229, 293 (§ 313), 311 StGB unter dem Aspekt einer "straflosen Nachtat" zu dem ihm zu Punkt I./ der Anklage angelasteten Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB angesichts der Verschiedenheit der jeweils verletzten Rechtsgüter nicht vor (vgl. erneut Burgstaller, JBl. 1978, S 462; Leukauf-Steininger StGB2, RN 51 und 52 zu § 28 StGB).
Für die Frage der Zuständigkeit sind aber diese - an sich bloß in die Zuständigkeit des Einzelrichters fallenden - Delikte angesichts des weiteren, hier zuständigkeitsbegründenden Anklagevorwurfes gegen den Beschuldigten Karl B***** zu Punkt I./ wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt bedeutungslos.
Das Überprüfungsrecht des Gerichtshofs zweiter Instanz im Rahmen seiner Entscheidung über einen Anklageeinspruch ist durch die Einspruchsgründe des § 213 Abs. 1 StPO begrenzt. Er hat nach der Z 1 der vorgenannten Gesetzesstelle zunächst nur zu untersuchen, ob die einem Beschuldigten in der Anklage zur Last gelegte Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründet. Eine unrichtige rechtliche Qualifikation des von der Anklage erfaßten Sachverhaltes darf der Gerichtshof zweiter Instanz bei seiner Entscheidung über einen Anklageeinspruch nur aufgreifen, wenn der rechtlichen Beurteilung für die örtliche oder sachliche Zuständigkeit des angeführten Gerichtes entscheidende Bedeutung zukommt. Dies ergibt sich aus der Vorschrift des § 212 StPO, derzufolge dem Gerichtshof zweiter Instanz der Sache nach im Rahmen seiner Entscheidung über einen Anklageeinspruch eine auch von Amts wegen wahrzunehmende Entscheidungskompetenz über die örtliche und sachliche Zuständigkeit des - vom Ankläger - angerufenen Gerichtes zukommt (vgl. Foregger-Serini, StPO4, Erl. I zu § 212 StPO). Unter Beachtung dieser Grundsätze war dem Oberlandesgericht Linz bei seiner Entscheidung über den Anklageeinspruch des Beschuldigten Karl B***** ein Aufgreifen der nach dem Vorgesagten unrichtigen rechtlichen Beurteilung des diesem Beschuldigten in der Anklage unter Punkt II./ angelasteten Sachverhaltes verwehrt, weil insoweit nach dem bezüglichen Anklagevorbringen eine gerichtlich strafbare Handlung des Beschuldigten B***** in Betracht kommt, die jedoch bei der gegebenen Konstellation auf die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Gerichtes ohne Einfluß ist.
Anders verhält es sich aber in der Zuständigkeitsfrage bei dem laut Anklageschrift den Beschuldigten Dr. Fred S*****, Karl B***** und Mag. Leopold G***** unter Punkt I./ angelasteten Tatgeschehen, weil bei Verneinung einer Idealkonkurrenz zwischen den hier in Betracht kommenden Delikten des § 302 Abs. 1 StGB einerseits und der §§ 12, 320 Z 3 StGB andererseits und bei Annahme einer Scheinkonkurrenz das allein verbleibende und demnach auch für die Zuständigkeitsfrage ausschlaggebende Delikt des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB weder die sachliche Zuständigkeit eines Geschwornengerichtes noch die örtliche Zuständigkeit des Gerichtes in Linz zu begründen vermag. So gesehen wäre aber das Oberlandesgericht Linz als Einspruchsgericht gemäß dem § 212 zweiter Satz StPO verhalten gewesen, seine eigene Unzuständigkeit (zur Entscheidung über die Anklageeinsprüche der Beschuldigten Dr. Fred S*****, Karl B***** und Mag. Leopold G*****) auszusprechen und die Akten dem Oberlandesgericht Wien als dem zur weiteren Entscheidung (gemäß 211 f StPO, insbs. auch § 213 Abs. 1 Z 1 StPO) örtlich zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz zu übersenden. Erkennt nämlich ein (örtlich) nicht zuständiger Gerichtshof zweiter Instanz über einen Anklageeinspruch und spricht solcherart die Versetzung in den Anklagestand etwa dadurch aus, daß er der Anklage Folge gibt, wäre das über diese Anklage ergehende Urteil mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 a StPO behaftet. Dieser Nichtigkeitsgrund erfaßt nämlich, wie schon aus der Zitierung der §§ 214 und 218 StPO im § 281 a StPO hervorgeht, nicht nur den Fall eines Anklagebeschlusses im Sinne des § 218 StPO durch einen (örtlich) unzuständigen Gerichtshof zweiter Instanz, sondern auch jenen des § 214 StPO, daß nämlich keiner der in den §§ 211 bis 213 StPO erwähnten Gründe der Anklage entgegensteht und der Anklage somit von dem (örtlich) unzuständigen Gerichtshof zweiter Instanz Folge gegeben wird. Eine solche Urteilsnichtigkeit nach § 281 a StPO begründende Gesetzesverletzung durch den örtlich unzuständigen Gerichtshof zweiter Instanz im Rahmen seiner Entscheidung über einen Anklageeinspruch gereicht jedem davon betroffenen Beschuldigten schon deshalb zum Nachteil, weil dadurch dessen verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf den gesetzlichen Richter beeinträchtigt wird."
Dazu wurde vom Vertreter der Generalprokuratur im Gerichtstag noch ergänzend vorgebracht, es sei die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft und des Oberlandesgerichtes in bezug auf die Beteiligung der drei Beschuldigten dahin zu korrigieren, daß nach dem Anklagevorwurf als unmittelbarer Täter des Deliktes nach dem § 302 StGB nur Karl B***** als Innenminister in Betracht komme. Die beiden anderen Beschuldigten könnten lediglich als Beteiligte im Sinne des dritten Falles des § 12 StGB zufolge intellektueller Förderung (§ 3 Abs. 1 und 3 Kriegsmaterialgesetz) angesehen werden. Schließlich sei nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes aus jüngerer Zeit (11 Os 71/91) die Herstellung und Verwendung inhaltlich falscher Urkunden nicht dem § 293 StGB zu unterstellen.
Der Oberste Gerichtshof hat zu den von der Generalprokuratur behaupteten Gesetzesverletzungen, die den Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes bilden, erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Nach dem auf Grund der Antragstellung des Obersten Gerichtshofes ergangenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1991, G 280,281/91, G 325/91, ist von der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB auszugehen.
Die in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zitierte Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Konkurrenz eines echten Sonderdeliktes mit einem allgemeinen Delikt betraf bisher ausschließlich das eintätige Zusammentreffen von Delikten, die nicht wegen ihrer höheren Bedeutung infolge eines ihnen spezifisch innewohnenden Charakters einer kompetenzrechtlichen Sonderregelung - unabhängig von der Höhe der Strafdrohung, mit der sie ausgestattet sind - unterliegen. Es genügte daher, in allen diesen Fällen bei der Prüfung der Frage, ob auf einen Schuldspruch des Täters wegen des mit dem Sonderdelikt ideal konkurrierenden allgemeinen Deliktes ohne Beeinträchtigung der Rechtsordnung verzichtet werden kann, auf nichts anderes als die Höhe der Strafsanktion Bedacht zu nehmen. Kompetenzrechtliche Schwierigkeiten konnten sich daraus in diesen Fällen nicht ergeben, weil nämlich nach dieser Regel das allgemeine Delikt dann, wenn es mit strengerer und damit die Zuständigkeit eines Gerichtes höherer Ordnung nach sich ziehender Strafe bedroht ist, ohnedies nicht verdrängt wird, sondern mit dem Sonderdelikt echt ideal konkurriert und damit für die Frage der Zuständigkeit letztlich den Ausschlag gibt.
Dieser implicit dem grundsätzlichen Vorrang des Gerichtes höherer Ordnung (vgl. §§ 56 Abs. 2; 261 Abs. 1; 262; 263 Abs. 2; 450 StPO) Rechnung tragende Effekt käme allerdings bei den bisher in der Rechtsprechung noch nicht behandelten Fällen tateinheitlichen Zusammentreffens eines echten Sonderdeliktes mit einem absolut politischen Delikt - würde man sich auch hier auf diese Betrachtungsweise beschränken - nicht zum Tragen. Denn einerseits sind politische Delikte unabhängig von der Strafdrohung stets den Geschworenengerichten zugewiesen (Art. 91 Abs. 2 B-VG; § 14 Abs. 1 Z 1-10 StPO) und andererseits gibt es keine Sonderdelikte, die mit so hoher Strafe bedroht sind, daß sie ihrerseits in die Kompetenz der Geschworenengerichte fielen. Der der eingangs erwähnten Rechtsprechung zugrundeliegende Gedanke einer sich allein an der Strafdrohung orientierenden und damit die gesetzliche Zuständigkeitsregelung gewissermaßen automatisch mitberücksichtigenden Unrechtsabwägung erweist sich daher zur Lösung des Konkurrenzproblemes beim Zusammentreffen von Sonderdelikten mit politischen Delikten augenscheinlich als nicht ausreichend. Er vermag nämlich - abgesehen von dem Fall, daß das politische Delikt mit strengerer Strafe bedroht ist als das Sonderdelikt, beide daher auch unter dem Aspekt der Strafsanktionen echt konkurrieren und demnach ohndies die Zuständigkeit durch das politische Delikt bestimmt wird - den Widersinn nicht zu lösen, daß ein Sachverhalt, der bei isolierter rechtlicher Beurteilung wegen seines politischen Inhaltes dem Geschworenengericht zur Aburteilung zukäme, nur deshalb von einem Gericht niedrigerer Ordnung zu ahnden wäre, weil er darüber hinaus auch noch den Tatbestand eines Sonderdeliktes erfüllt. Die Rechtsprechung bedarf daher in dieser Frage der Fortentwicklung.
Gerade der spezifische Deliktsinhalt, das heißt der politische Charakter der Unrechtstat, ist es nämlich (und nicht die Höhe der Strafsanktion), die den Verfassungsgesetzgeber veranlaßte, bei (absolut) politischen Verbrechen und Vergehen die Entscheidung über die Schuld des Angeklagten den Geschworenen anzuvertrauen (Art. 91 Abs. 2 B-VG), wohl um nur jede mögliche Einflußnahme des davon unmittelbar betroffenen Staates im Interesse eines fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 MRK) auszuschließen. Damit verbietet sich aber eine undifferenzierte Übertragung der von der Rechtsprechung über das Zusammentreffen von Sonderdelikten mit allgemeinen Delikten bisher entwickelten, allein die Strafdrohungen berücksichtigenden Konkurrenzregeln auf die Fälle tateinheitlichen Zusammentreffens eines Sonderdeliktes mit einem absolut politischen Delikt von selbst. Eine solche Auslegung gesetzlicher Bestimmungen liefe im übrigen auf eine Umgehung der in der Verfassung grundgelegten Laienkompetenz in politischen Strafsachen hinaus.
Bei eintätigem Zusammentreffen eines (echten) Sonderdeliktes - im vorliegenden Fall: Mißbrauch der Amtsgewalt - mit einem (absolut) politischen Delikt - hier: Neutralitätsgefährdung - ist daher schon wegen der vom Verfassungsgesetzgeber zum Ausdruck gebrachten speziellen Bedeutung politischer Straftaten stets echte Idealkonkurrenz anzunehmen.
Ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen, den Beschuldigten Dr. Fred S*****, Karl B***** und Mag. Leopold G***** von der Staatsanwaltschaft Linz in der Anklageschrift angelasteten Sachverhalt, der somit schon von der Anklagebehörde in rechtlicher Hinsicht auch den §§ 2, 12, dritter Fall, 320 Z 3 StGB zu unterstellen gewesen wäre (§ 207 Abs. 2 Z 3 StPO), sind daher dem Oberlandesgericht Linz als Einspruchsgericht die von der Generalprokuratur behaupteten Gesetzesverletzungen bei Inanspruchnahme seiner Kompetenz im Ergebnis nicht unterlaufen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher zu verwerfen.
Anmerkung
E27962European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0130OS00034.91.0129.000Dokumentnummer
JJT_19920129_OGH0002_0130OS00034_9100000_000