Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Februar 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Westermayer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred S***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 3. Oktober 1991, GZ 8 Vr 1876/91-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, und des Verteidigers Mag. Martin, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, daß der im Schuldspruch zu Punkt 1/a des Urteilssatzes bezeichnete Diebstahl nicht durch Aufbrechen einer Sperrvorrichtung begangen wurde, und demzufolge in der Nichtannahme der Qualifikation des § 129 Z 3 StGB sowie infolgedessen auch im Strafausspruch, überdies aber auch der gemeinsam mit dem Urteil verkündete, mit dem Strafausspruch im untrennbaren Zusammenhang stehende Beschluß auf Verlängerung der im Verfahren zu AZ 8 E Vr 2088/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz bestimmten Probezeit aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Manfred S***** wurde mit dem bekämpften Urteil der Vergehen (zu 1) des Diebstahls nach § 127 StGB und (zu 2) des Betruges nach § 146 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt; mit einem zugleich mit dem Urteil verkündeten, jedoch nicht mit diesem, sondern gesondert ausgefertigten Beschluß (ON 13) wurde die dem Genannten im Verfahren zu AZ 8 E Vr 2088/90 gewährte bedingte Strafnachsicht nicht widerrufen, aber die bestimmte Probzeit auf 5 Jahre verlängert.
Zu Punkt 1/a des Urteilssatzes liegt dem Angeklagten als Diebstahl zu Last, am 20. Mai 1991 in Graz zwei Zeitungsständer samt Kassen im Wert von ca. 200 S den Berechtigten der Kleinen Zeitung und der Neuen Zeit mit Bereicherungsvorsatz weggenommen zu haben.
Nach den hiezu getroffenen Feststellungen wurde der Angeklagte am 20. Mai 1991 kurz nach Mitternacht vom Polizeibeamten Leopold S***** dabei betreten, als er im offensichtlich stark alkoholisierten Zustand in der Vinzenzgasse in Graz mit seinem Fahrrad fuhr und dabei stürzte; unter seinem Anorak hatte er die Plastikhüllen samt Zeitungen und Kassen der Kleinen Zeitung und der Neuen Zeit verborgen, wobei von der Polizei festgestellt wurde, daß diese Plastikhüllen von aufgestellten Zeitungsständern samt den Kassen heruntergerissen wurden; wie üblich waren diese Zeitungsständer bei aufgestellten Verkehrszeichen montiert; die Schlösser der Zeitungskassen bzw. die Kassen selbst waren nicht aufgebrochen.
Die von der Anklagebehörde angestrebte Unterstellung der Tat unter die Qualifikation des § 129 Z 3 StGB lehnte das Schöffengericht deshalb ab, weil aus der Aussage des Polizeibeamten S***** hervorgehe, daß weder eine Sperrvorrichtung noch irgendeine Kasse aufgebrochen wurde, "sondern die Plastikhüllen samt Kassen einfach von der Aufhängevorrichtung heruntergerissen" wurden.
Der nur gegen die Nichtannahme der in Rede stehenden Diebstahlsqualifikation gerichteten, auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend moniert die Anklagebehörde nämlich einen Rechtsirrtum des Erstgerichtes, der dazu geführt hat, daß entscheidungswesentliche Feststellungen nicht getroffen wurden. Denn das Schöffengericht ging ersichtlich davon aus, daß unter einer Sperrvorrichtung im Sinn des § 129 Z 3 StGB nur ein Schloß (als solches) zu verstehen sei. Die dabei zitierte Belegstelle (Foregger-Serini StGB4 Anm VII zu § 129) betrifft den hier nach den Urteilsfeststellungen nicht aktuellen Fall, daß der Täter eine Sache stiehlt und (erst) später ein Behältnis aufbricht, das Teil der gestohlenen Sache ist (SSt 51/1), oder ein kleines Behältnis zwar noch am Tatort, aber doch nach Vollendung des Diebstahls aufbricht (ÖJZ-LSK 1984/24). Vorliegend fällt dem Angeklagten jedoch zur Last, zwei Zeitungsständer samt Kassen durch "Wegreißen der Vorhängeschlösser von der Standsäule" (S 18, 21, 37) weggenommen zu haben.
Sperrvorrichtung im Sinn des § 129 Z 3 StGB ist alles, was dazu dient, Sachen vor diebischem Zugriff zu schützen, sofern nur zur Tatzeit diese Sicherungsfunktion auch tatsächlich noch besteht. Dazu zählt daher nicht nur ein versperrtes Schloß als solches, sondern - bezogen auf den konkreten Fall - die Sperrsicherung als Ganzes, mittels welcher (unter Verwendung eines Metallbandes oder eines Metallbügels samt einem Vorhängeschloß) der Zeitungsständer mit einer Standsäule fest verbunden ist. Wird diese Sperrsicherung gewaltsam überwunden, so entspricht dies dem Aufbrechen einer Sperrvorrichtung in der Bedeutung des § 129 Z 3 StGB, mag auch das (Vorhänge-)Schloß als solches nicht aufgebrochen worden sein (vgl. ÖJZ-LSK 1980/20 ua). Der Umstand hinwieder, daß die Kassen nicht aufgebrochen waren, schließt nur die Qualifikation nach § 129 Z 2 StGB aus.
Das Erstgericht stellt lediglich fest, daß (nach den Erhebungen der Polizei) die "Plastikhüllen von aufgestellten Zeitungsständern samt den Kassen heruntergerissen wurden" und daß weder die Schlösser noch die Kassen aufgebrochen waren (S 55), wobei es sich insoweit auf die Angaben des Zeugen S***** bezieht (S 56). Es trifft aber - wie die Anklagebehörde zutreffend reklamiert - keine Feststellungen darüber, ob die Zeitungsständer (samt den daran angebrachten Kassen) mit einem Metallband (Metallbügel oä) und einem versperrten Vorhängeschloß an einer Standsäule befestigt und dadurch gegen Wegnahme gesichert waren und ob und in welcher Weise der Angeklagte diese Sperrvorrichtung gewaltsam überwunden hat, wiewohl Feststellungen hiezu auf Grund der übrigen Bekundungen des Zeugen S***** (s S 18, 37) durchaus hätten getroffen werden können.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war somit spruchgemäß zu erkennen, wobei nicht nur der Strafausspruch, sondern auch der damit im untrennbaren Zusammenhang stehende Beschluß auf Verlängerung der dem Angeklagten in einem anderen Strafverfahren bestimmten Probezeit zu kassieren war (NRsp 1988/128 ua).
Zu dem letzterwähnten Beschluß sei angemerkt, daß bei dessen gesonderter Ausfertigung (vgl. dagegen § 494 a Abs 4 zweiter Satz StPO) mittels des (hiefür nicht vorgesehenen) StPOForm BedV 5 die im Formular enthaltene, hier jedoch nicht zutreffende Rechtsmittelbelehrung dem Gesetz anzupassen gewesen wäre (s EvBl 1989/46; vgl. hiezu auch 15 Os 108, 109/91 im Verfahren AZ 9 Vr 685/91 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz).
Anmerkung
E28270European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0150OS00151.91.0206.000Dokumentnummer
JJT_19920206_OGH0002_0150OS00151_9100000_000