Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Köck (Arbeitgeber) und Mag. Karl Dirschmied (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erich M*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr. Franz Nistelberger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT DER ANGESTELLTEN, 1021 Wien, Friedrich Hillegeiststraße 1, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Hilflosenzuschusses, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. November 1991, GZ 32 Rs 166/91-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 25. Juni 1991, GZ 6 Cgs 58/91-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 19. 8. 1928 geborene Kläger bezieht seit 1. 10. 1984 von der beklagten Partei eine Berufsunfähigkeitspension. Er wohnt mit seiner (durch die Folgen einer Kinderlähmung behinderten) Frau in einer ebenerdigen Gemeindewohnung, die mit Bad, Waschmaschine und Kühlschrank ausgestattet ist. Chirurgisch besteht vor allem eine Streckhemmung des rechten Ellbogens und eine Muskelverschmächtigung im Bereich des rechten Schultergürtels mit Verminderung der motorischen Kraft des rechten Armes (der Kläger ist Linkshänder). Dazu kommen Aufbraucherscheinungen und Bandscheibenschäden. Gewisse Arbeiten wie Großgründlichmachen der Wohnung, Waschen der großen Wäsche, Vollbaden und Einholen schwererer Lasten (über 2 kg) sind dadurch ausgeschlossen. Neurologisch besteht eine Körperlähmung nach Zangengeburt mit vorwiegendem Armbefall und gelegentlichem Anfallsgeschehen in der Nacht. Überdies liegt eine geringe organische Demenz mit geringem organischen Psychosyndrom vor. Kleine Mahlzeiten können zubereitet werden, insbesondere auch Reis- und Nudelgerichte.
Das Erstgericht wies das auf Gewährung des Hilflosenzuschusses ab 4. 12. 1990 gerichtete Klagebegehren ab. Der Kläger sei zwar durch mehrfache Leiden in seinen Fähigkeiten eingeschränkt, dieser Zustand sei allerdings geburtsbedingt und habe schon vor sechs Jahren zu einer rechtskräftigen Abweisung des Begehrens auf Hilflosenzuschuß geführt. Nach eigenen Angaben entstünden Fremdkosten für zwei Personen von ca S 2.500,--. Im Sinne der Judikatur zu § 105 a ASVG sei die gesetzliche Grenze des Hilflosenzuschusses noch nicht erreicht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Dem Kläger sei beizupflichten, daß für eine dem allgemeinen Standard angepaßte menschengerechte Lebensführung zumindest einmal täglich die Einnahme einer ordentlich gekochten Mahlzeit erforderlich sei. Zu einer solchen zählten aber auch in großer Vielfalt angebotene handelsübliche Tiefkühlkost oder Konserven, die nur gewärmt werden müssen. Die Verwertung solcher Speisen sei dem Kläger in größerem Umfang zuzumuten, zumal es ihm auch möglich sei, Nudel- oder Reisgerichte zu kochen. Auch unter Berücksichtigung der festgestellten Einschränkungen erreichten die für Hilfsleistungen erforderlichen Kosten nicht die mittlere Höhe des monatlichen Hilflosenzuschusses.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Von den in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (SSV-NF 1/46 = SZ 60/223 uva) ausgehend, ist den Vorinstanzen beizupflichten, daß der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung des Hilflosenzuschusses nicht erfüllt. Nach dem Sachverhalt, den die Vorinstanzen ihren Entscheidungen zugrunde legten, kann der Kläger kleine Mahlzeiten, insbesondere auch Reis- und Nudelgerichte zubereiten. Es ist richtig, daß für eine dem allgemeinen Standard angemessene menschengerechte Lebensführung mindestens einmal täglich die Einnahme einer ordentlichen Mahlzeit erforderlich ist, deren Zubereitung nicht nur eine ganz kurze Zeitspanne in Anspruch nimmt (SSV-NF 2/86) und daß es einem Rentner oder Pensionisten nicht zugemutet werden kann, sich ausschließlich von aufgewärmten Speisen zu ernähren (SSV-NF 4/125), daß aber bei Prüfung des für die Speisenzubereitung notwendigen Aufwandes das handelsübliche Angebot an Tiefkühlkost und Fertiggerichten zu berücksichtigen ist (SSV-NF 2/126 ua). Es ist immer auf den Einzelfall abzustellen und zu beurteilen, ob die Speisen, die ein Pensionist selbst zuzubereiten in der Lage ist, für seine Versorgung als ausreichend angesehen werden können oder ausgehend von den dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung für eine entsprechende Versorgung mit Nahrung Hilfe von dritter Seite erforderlich ist (SSV-NF 5/46).
Im vorliegenden Fall ist die Fähigkeit des Klägers zur selbständigen Zubereitung kleiner Mahlzeiten - anders als nach dem der Entscheidung SSV-NF 5/46 zugrunde liegenden Sachverhalt - durch die weitere Feststellung verdeutlicht, daß er insbesondere auch Reis- und Nudelgerichte zubereiten kann. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist aber das Zubereiten von Reis- und Nudelgerichten keinesfalls leichter als etwa das Herstellen einfacher Suppen oder Kochen bzw Abbraten von Fleisch. Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht ist daher dem Kläger das Zubereiten einfacher Mahlzeiten zumutbar, weshalb regelmäßige Hilfe auf diesem Gebiet nicht erforderlich ist. Berücksichtigt man die sonst erforderliche Hilfe beim Großreinigen der Wohnung, beim Waschen der großen Wäsche, beim Baden und Einholen schwererer Lasten, dann erreichen die hiefür aufzuwendenden Kosten selbst dann nicht die Höhe des begehrten Hilflosenzuschusses, wenn man einen Stundensatz von S 80,-- zugrunde legt. Der erforderliche Aufwand ist auch nicht, wie das Berufungsgericht meint, am "mittleren", sondern im Sinne der ständigen Rechtsprechung am begehrten Hilflosenzuschuß zu messen; dies ist hier mit Rücksicht auf die Höhe der vom Kläger bezogenen Pension (ca S 9.000,-- brutto) der Höchstsatz des Hilflosenzuschusses.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.
Anmerkung
E28177European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00024.92.0211.000Dokumentnummer
JJT_19920211_OGH0002_010OBS00024_9200000_000