TE OGH 1992/2/18 5Ob83/91

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Veröffentlicht am 18.02.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Dr. Eduard Z*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St.Pölten, wider die Antragsgegnerin P***** GesmbH., vertreten durch Dr. Herbert Hofbauer, Dr. Peter Krömer und Dr. Friedrich Nusterer, Rechtsanwälte in St.Pölten, wegen § 12 Abs.3 MRG infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom 3. April 1991, GZ R 197/91-8, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 29. Jänner 1991, GZ 3 Msch 12/90-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Antragsgegnerin auf Zuspruch von Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist Alleineigentümer der Liegenschaft in St.Pölten, ***** die Antragsgegnerin (eine GesmbH) ist Mieterin eines dort befindlichen Geschäftslokales.

Der Antragsteller begehrt - nach vorausgegangenem Verfahren vor der Schlichtungsstelle - die Feststellung, daß ihm die Antragsgegnerin ab 1. 8. 1989 für dieses Geschäftslokal gemäß § 12 Abs 3 MRG einen monatlichen Hauptmietzins von S 84.000,-

(zuzüglich Umsatzsteuer und Betriebskosten) zu zahlen habe. Der einzige Gesellschafter der Antragsgegnerin habe am 1. 4. 1989 seine Geschäftsanteile an August W***** veräußert und dadurch den Tatbestand der Unternehmensveräußerung nach § 12 Abs 3 MRG verwirklicht.

Die Antragsgegnerin beantragt die Abweisung dieses Antrages mit der Begründung, der Gesellschafterwechsel stelle keine Unternehmensveräußerung im Sinne des § 12 Abs 3 MRG dar.

Das Erstgericht wies den Antrag des Antragstellers ab. Dieser Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Über das nun von der Antragsgegnerin gemietete Geschäftslokal bestand zunächst ein Mietvertrag zwischen dem seinerzeitigen Liegenschaftseigentümer Johann Z***** und der

P***** & D***** OHG. Am 14. 9. 1971 erklärte Johann Z***** ausdrücklich sein Einverständnis, daß Friedrich P***** und Maria P***** eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Antragsgegnerin, mit dem Sitz St.Pölten, ***** gründen und dort betreiben werden. Ein schriftlicher Mietvertrag wurde nicht abgeschlossen. Seit 1971 wird der Mietzins von der Antragsgegnerin an den Liegenschaftseigentümer überwiesen und von diesem unbeanstandet angenommen.

Friedrich P***** hat im Jahre 1986 die Gesellschaftsanteile an der Antragsgegnerin zu 100 % übernommen und diese zum 1. 4. 1989 an August W***** veräußert. Der Antragsteller stellte das Begehren auf Erhöhung des Hauptmietzinses im Juli 1989.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß die Veräußerung von Geschäftsanteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht den Tatbestand der Unternehmensveräußerung nach § 12 Abs 3 verwirkliche, weil die Gesellschafter nicht ein von ihnen im Mietgegenstand betriebenes Unternehmen veräußerten, sondern eben nur die Gesellschaftsanteile an der das Unternehmen betreibenden GesmbH. Die Identität der Gesellschaft ändere sich auch nicht durch die Übertragung sämtlicher Geschäftsanteile an einen anderen Gesellschafter. Daran ändere auch der Einwand des Antragstellers nichts, daß der Erwerber zur Ausübung der Kürschnerei (= Unternehmensgegenstand der Antragsgegnerin) gewerberechtlich nicht befugt sei. Da eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung als juristische Person den allenfalls erforderlichen Befähigungsnachweis nicht erbringen könne, bediene man sich eines gewerberechtlichen Geschäftsführers. Es sei nicht erforderlich, daß der einzige Gesellschafter und Geschäftsführer auch gewerberechtlicher Geschäftsführer sei.

Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung und sprach die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses aus.

Nach ständiger Rechtsprechung stelle der bloße Wechsel von Gesellschaftern - auch des Alleingesellschafters - einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung keine Unternehmensveräußerung dar. Kapitalgesellschaften seien als juristische Personen selbst Träger des Unternehmens. Durch die Veräußerung der Gesellschaftsanteile werde die Identität der Gesellschaft nicht berührt. Von einer unzulässigen Umgehung der Bestimmung des § 12 Abs 3 MRG könne keine Rede sein, weil nach überwiegender Lehre und Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Ein-Mann-Gesellschaft mbH unbestritten sei. Eine Änderung der Rechtslage könnte nur der Gesetzgeber herbeiführen.

Aus der Praxis der Finanzverwaltung könne gleichfalls für den Standpunkt des Antragstellers nichts gewonnen werden, weil dem Fiskus über die zivilrechtlichen Interpretationsmethoden hinausgehende Auslegungskriterien, nämlich die wirtschaftliche Betrachtungsweise, vorgegeben seien.

Die nicht tragende Bemerkung in der in MietSlg 38.454 veröffentlichten Entscheidung, die Veräußerung der Geschäftsanteile an einer GesmbH sei als Unternehmensveräußerung anzusehen, sei nicht überzeugend. Die in WoBl 1989/12 veröffentlichte, sich auf MietSlg 38.454 berufende oberstgerichtliche Entscheidung sei für die Beurteilung dieser Rechtssache nicht maßgebend, weil sie die Veräußerung eines Gesellschaftsanteiles an einer OHG zum Gegenstand gehabt hätte.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei wegen der abweichenden höchstgerichtlichen Judikatur (MietSl 38.454) und deren Zitierung in der Entscheidung WoBl 1989/12 zulässig.

Gegen den rekursgerichtlichen Sachbeschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß seinem Antrag zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin begehrt, den Revisionsrekurs wegen Bestehens einer gefestigten Rechtsprechung zu § 12 Abs 3 MRG im Sinne der Entscheidung der Vorinstanzen zurückzuweisen, im Falle meritorischer Behandlung ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 526 Abs 2 Satz 2 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses an die Beurteilung des Gerichtes zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden.

Der Oberste Gerichtshof verneint das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage, weil das Rekursgericht in seiner Entscheidung der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes folgte, wobei die vom Rekursgericht als gegeben erachtete Judikaturdifferenz aus folgenden Gründen nicht entscheidend ist:

Veräußert der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen und führt der Erwerber das erworbene Unternehmen im Mietgegenstand weiter, so gehen einerseits die Hauptmietrechte am Mietgegenstand und die Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses auf den Erwerber über, doch kann andererseits der Vermieter vom Erwerber des Unternehmens und der Mietrechte die Erhöhung des Hauptmietzinses auf den für den Mietgegenstand angemessenen Betrag innerhalb von sechs Monaten nach dem Mietrechtsübergang begehren

(§ 12 Abs 3 MRG). Voraussetzung für die Berechtigung des Vermieters, eine solche Mietzinserhöhung zu begehren, ist demnach unter anderem der mit der Unternehmensveräußerung verbundene und gleichzeitig mit dieser kraft zwingenden Rechtes ex lege eintretende (MietSlg 37.278; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 12 MRG Rz 18) Mieterwechsel. Als Veräußerung des Unternehmens ist die Eigentumsübertragung durch Einzelrechtsnachfolge (Würth-Zingher aaO Rz 23), also ein Rechtsgeschäft zu verstehen, das im Wege der Einzelrechtsnachfolge zu einer Änderung in der sachenrechtlichen Zuständigkeit an der Gesamtsache "Unternehmen" führt (Fenyves in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 320; 1 Ob 685/90). Demnach stellt der bloße Wechsel von Gesellschaftern einer unabhängig von ihnen als eigene Rechtspersönlichkeit bestehenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung keine Unternehmensveräußerung und erst recht keinen Mieterwechsel dar. Veräußert wird bei der Übertragung von Geschäftsanteilen an einer GmbH eben gerade nicht das Unternehmen; das Rechtssubjekt, welches Träger der Mietrechte und betreibendes Unternehmen ist, bleibt unverändert. Folgerichtig hat die Rechtsprechung durch den Wechsel der Gesellschafter einer GmbH infolge Veräußerung von Geschäftsanteilen an der Gesellschaft den Tatbestand des § 12 Abs 3 MRG nicht als verwirklicht angesehen (WoBl 1988, 36/14; WBl 1987, 276; RdW 1987, 408). Die in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23. 4. 1986, 1 Ob 530/86 = MietSlg 38.454 anläßlich der Beurteilung, ob der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG vorliegt, geäußerte Meinung, eine Veräußerung der Geschäftsanteile einer GmbH durch den Mieter an einen Dritten sei nicht als eine den Kündigungsgrund verwirklichende Weitergabe des Mietobjektes, sondern als Veräußerung des Unternehmens anzusehen, vermag daran nichts zu ändern: Die Mietrechte standen nämlich nach dem dort zu beurteilenden Sachverhalt nicht der GmbH selbst, sondern ihrem einzigen Gesellschafter zu: Die GmbH war dort eben gerade nicht selbst Mieter gewesen. Auf die vom Rekursgericht aufgezeigte Judikaturdifferenz zum siebenten Senat des Oberste Gerichtshofes (WoBl 1989, 45/12) ist hier nicht weiter einzugehen, weil diese Entscheidung keine Kapitalgesellschaft betraf.

In der Zwischenzeit wurde an der Rechtsprechung des Oberste Gerichtshofes, der die Erfüllung des Tatbestandes des § 12 Abs 3 MRG im Falle der Veräußerung von Geschäftsanteilen an einer GmbH verneint, in einer eingehenden Abhandlung (Reich-Rohrwig-Thiery, Unternehmensübertragung, Gesellschafterwechsel und Mietzinserhöhung, ecolex 1991, 599 ff und 687 ff) heftige Kritik geübt. Der erkennende Senat sieht sich aus folgenden Gründen nicht veranlaßt, aus Anlaß dieser Abhandlung die oben wiedergegebene Rechtsprechung grundsätzlich neu zu überdenken:

In der genannten Abhandlung wird im wesentlichen darauf abgestellt, daß durch den Wechsel aller Gesellschafter wirtschaftlich derselbe Effekt erzielt werde wie bei Veräußerung eines Einzelunternehmens, und als tragendes, ja nahezu ausschließliches Motiv des Gesetzgebers für diese Regelung angesehen, daß der Vermieter in möglichst vielen Fällen eine Erhöhung des Mietzinses auf marktgerechtes Niveau erreichen könne.

Gewiß war ein Motiv des Gesetzgebers, eine sukzessive Angleichung der Mietzinse an das bei Neuvermietung zulässige Niveau herbeizuführen. Er sah dies aber in der in § 12 Abs 3 MRG normierten ganz bestimmten Weise vor, nämlich nur in den Fällen des Mieterwechsels, obgleich auch dem Gesetzgeber gewiß nicht unbekannt war, daß Kapitalgesellschaften "nicht sterben" und daß daher in solchen Fällen auf diesem Weg eine Mietzinsanpassung nur in den wenigsten Fällen erreichbar ist. Auch schafft die Rechtsordnung Gestaltungsmöglichkeiten, durch die in einzelnen Fällen ein Mieterwechsel nicht eintritt, der aber für den Erfolg des Mietzinserhöhungsbegehrens des Vermieters Voraussetzung wäre. Eine den Mieterwechsel vermeidende Vertragsgestaltung steht jedermann zu. Niemand ist verpflichtet, ein Rechtsgeschäft so zu gestalten, daß ein Dritter (hier: der Vermieter) daraus einen Vorteil zieht. Eine Ausweitung des in § 12 Abs 3 MRG verankerten Gedankens, dem Vermieter als Ausgleich für die Aufdrängung eines neuen Vertragspartners die Anhebung des Hauptmietzinses bis zur Höhe des bei Neuvermietung zulässigen Hauptmietzinses zu gewähren, durch Zulassung der Anhebung auch dann, wenn durch Gesellschafterwechsel die Mietrechte der Gesellschaft unberührt bleiben, also kein Mieterwechsel erfolgt, ist nicht angebracht (so 5 Ob 68/91).

Schließlich darf auch nicht übersehen werden, daß gerade auf dem Gebiet des Mietrechtes der Gesetzgeber nicht nach einheitlichen Wertungsprinzipien vorgeht, sondern daß die meisten Regelungen mühevoll zustandegekommene Kompromisse mit den sich daraus nahezu notwendig ergebenden Unzulänglichkeiten und Ungereimtheiten darstellen (Würth in WoBl 1990, 34). Dies hat aber zur Folge, daß einzelne Wertungskriterien - mögen sie für einzelne Interessensgruppen noch so bedeutsam sein - nicht als vorherrschendes Auslegungskriterium herangezogen werden dürfen. Es ist letztlich Sache des Gesetzgebers, den ihm angemessen erscheinenden Kompromiß im Kampf der Interessen zu finden und durch Verknüpfung bestimmter Rechtsfolgen mit bestimmten Sachverhalten zum Ausdruck zu bringen. Danach hat sich der Rechtsanwender zu richten, ohne die Balance des im Gesetzgebungsverfahrens oft mühsam gefundenen Kompromisses dadurch zu stören, daß er bei der Rechtsanwendung dem einen oder anderen Wertmaßstab eine größere Bedeutung zukommen läßt, als er in das Gesetz selbst Eingang gefunden hat.

Der Revisionsrekurs war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG. Anwaltskosten - nur solche wurden verzeichnet - könnten dem Gegner nur dann zum Ersatz auferlegt werden, wenn sie mutwillig durch Stellung nicht gerechtfertigter Anträge verursacht worden wären. Dies ist hier offenkundig nicht der Fall.

Anmerkung

E28362

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00083.91.0218.000

Dokumentnummer

JJT_19920218_OGH0002_0050OB00083_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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