TE OGH 1992/2/18 4Ob132/91

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Veröffentlicht am 18.02.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****verband *****, vertreten durch Dr.Walter Prunbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Andreas F*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Wilfing, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 120.000 S; Revisionsinteresse: 60.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26.September 1991, GZ 5 R 123/91-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 14.Februar 1991, GZ 37 Cg 165/89-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die in ihrer Abweisung des zu lit a erhobenen Unterlassungsbegehrens und der damit verbundenen Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung als unbekämpft unberührt bleiben, werden im übrigen (Ausspruch zu lit b) dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist bei sonstiger Exekution schuldig, es im geschäftlichen Verkehr beim Betrieb einer Fahrschule zu unterlassen, im Rahmen eines Preisausschreibens für die Gewinner einer Verlosung die kostenlose Teilnahme am 'B-Theoriekurs' sowie die kostenlose Erbringung von drei bis zehn Fahrstunden anzukündigen.

Der klagenden Partei wird die Ermächtigung erteilt, diesen Urteilsspruch samt Überschrift 'Im Namen der Republik!' binnen sechs Monaten ab Rechtskraft auf Kosten der beklagten Partei in je einer Samstagausgabe der Tageszeitungen 'K*****', 'N*****' und '***** P*****' im Textteil in Normallettern wie für redaktionelle Artikel, jedoch mit Fettdrucküberschrift, Fettdruckumrandung sowie gesperrt und fettgedruckten Namen der Prozeßparteien, veröffentlichen zu lassen.

Die Prozeßkosten werden gegeneinander aufgehoben."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 16.745,40 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 1.290,90 S Umsatzsteuer und 9.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte betreibt unter der Bezeichnung "Fahrschule R*****" in Wien eine Fahrschule. Er ließ in den von der Post an alle Haushalte zugestellten Broschüren "Das kleine Post ABC 1989" und "Das kleine Post ABC 1990" nachstehende Einschaltungen veröffentlichen:

a) 1989:

Abbildung nicht darstellbar!

b) 1990:

Abbildung nicht darstellbar!

Gewinner des Preisausschreibens wurden in der Fahrschule des Beklagten zunächst gefragt, ob sie nur den gewonnenen Theoriekurs in Anspruch nehmen wollten. Bejahendenfalls wurde ihnen eine Kurskarte zum Zweck der Dokumentation des Kursbesuches ausgefolgt; diese Karten enthielten den Namen des Kursteilnehmers und die Zeitpunkte der jeweiligen Kursstunden. Auf Wunsch stellte die Fahrschule des Beklagten den Gewinnern formularmäßig eine Bestätigung über den Kursbesuch aus, ebenso eine Bestätigung über die absolvierten Fahrstunden. Nur dann, wenn ein Gewinner erklärte, daß er über seinen Gewinn hinaus die gesamte Fahrausbildung und die Prüfung (Vorprüfung in der Fahrschule sowie die behördliche Lenkerprüfung) bei bzw in der "Fahrschule R*****" absolvieren wolle, hatte er die Einschreibgebühr von 250 S, eine Vorprüfungsgebühr von 400 S und die Prüfungsgebühr von 1.100 S zu zahlen; mit letzterer waren die Verwaltungsgebühren für die Anmeldung zur behördlichen Lenkerprüfung, die Bereitstellung des Prüfungsfahrzeuges samt Fahrlehrer und die Anwesenheit des Kursleiters bei der Prüfung abgedeckt.

Im Jahr 1988 traten in Wien 50.813 Personen zur behördlichen Lenkerprüfung an; hievon entfielen 20.509 Personen auf die Gruppe B. Im selben Jahr gab es in Wien 6.106 behördliche Führerscheinabnahmen, wobei in 3.396 Fällen der Führerschein entzogen wurde.

Die gesetzlichen Vorschriften über die Ausbildung von Bewerbern um eine Lenkerberechtigung untersagen zwar einen Wechsel der Fahrschule nicht; nach den insoweit übereinstimmenden Parteienbehauptungen (Kläger ON 10 S 61: jährliche Fahrschulübertritte in Wien nur in einer Größenordnung von 1,5 % der Gesamtschülerzahl; Beklagter ON 5 S 28 und ON 11 S 65:

Übertrittsquote zur eigenen Fahrschule ca. 10 %, das sind 140 bis 200 Fahrschüler jährlich) absolviert aber die weitaus überwiegende Zahl der Fahrschüler Theoriekurs und Fahrstunden bis zur Lenkerprüfung in ein- und derselben Fahrschule.

Die Wiener Fahrschulen bieten ihren Kunden in der Regel entweder einen "Paket-Theoriekurs" und die einzelne Fahrstunde zu konkreten Preisen oder aber ein Paket, bestehend aus 40 Theorie- und 20 Fahrstunden zu einem Pauschalpreis an. Der Kunde kann sich entscheiden, welche dieser Leistungen bzw Angebotsvarianten und in welchem konkreten Umfang er sie in Anspruch nehmen will.

Der klagende Wettbewerbsverband (§ 14 UWG) sieht in den vom Beklagten angekündigten und durchgeführten Preisausschreiben einen "mehrfachen Verstoß gegen wettbewerbsregelnde Normen", insbesondere gegen § 28 UWG und § 1 Abs 2 RabG; er begehrt daher - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren noch von Interesse-, den Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, "für Gewinner in der Verlosung (zu ergänzen: eines Preisausschreibens) die kostenlose Teilnahme am Theoriekurs und die Gratiserbringung von drei bis zehn Fahrstunden anzukündigen"; weiters begehrt der Kläger die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in drei Tageszeitungen. Ein Führerscheinbewerber habe mindestens 40 Theorie- und 20 Fahrstunden in einer Fahrschule zu absolvieren. Die vom Beklagten ausgesetzten Preise seien daher Teilleistungen seiner Fahrschule, so daß damit den Gewinnern in Wahrheit ein Sonderpreis für die Erlangung des Führerscheins eingeräumt werde. Auch werde kein Gewinner einer solchen Teilleistung die Mühsal auf sich nehmen, nach deren Inanspruchnahme die (restlichen) Fahrstunden in einer anderen Fahrschule zu absolvieren.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sein Gewinnspiel sei in keiner Weise mit der Inanspruchnahme von (weiteren) Leistungen seiner Fahrschule verknüpft. Die Gewinner des Theoriekurses erhielten über dessen Besuch eine Bestätigung gemäß § 70 Abs 2 KFG und könnten diese für die Lenkerprüfung und die Absolvierung von Fahrstunden in einer anderen Fahrschule verwenden. Der Beklagte erwarte auch nicht, daß die Gewinner des Theoriekurses die Pflichtstunden bei ihm absolvieren. Auf Grund der Übergangsbestimmungen zum neuen Führerscheinrecht gebe es immer noch Personen, die dem Fahrschulzwang nicht unterliegen; auch Personen, denen der Führerschein entzogen wurde, und Inhaber ausländischer Führerscheine kämen als Interessenten für einen bloßen Theoriekurs in Betracht. Da ein Wechsel der Fahrschule möglich sei und in der Praxis von den mündigen und preisvergleichenden Fahrschülern auch ausgeübt werde, seien die gewonnenen Fahrstunden ebensowenig Teilleistungen wie die gewonnenen Theoriekurse.

Das Erstgericht wies auch dieses restliche Klagebegehren ab. Ein Rabattverstoß liege schon deshalb nicht vor, weil die Gewinne kostenlose selbständige Leistungen seien. Die Teilnahme am Gewinnspiel des Beklagten sei weder von einer Kontaktaufnahme mit seiner Fahrschule abhängig noch mit der Inanspruchnahme von Fahrschulleistungen verknüpft. Für die Gewinner des Preisausschreibens bestehe infolge der Möglichkeit eines Fahrschulwechsels auch kein psychischer Kaufzwang zur Inanspruchnahme weiterer Leistungen der Fahrschule des Beklagten, seien doch mit einem solchen Fahrschulwechsel keinerlei Nachteile verbunden; bei der Erlangung der schriftlichen Bestätigung über den Besuch des Theoriekurses sei der Gewinner weder Peinlichkeiten noch Zwängen ausgesetzt. Schließlich sei der gewonnene Theoriekurs für sich allein auch für Selbstausbildner und Personen, denen der Führerschein entzogen wurde, durchaus sinnvoll.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Zwar bleibe der Gewinner eines Preises in der Fahrschule des Beklagten nicht anonym, doch werde damit allein auf ihn noch kein Zwang zur Inanspruchnahme weiterer Leistungen der Fahrschule ausgeübt; vielmehr stehe es ihm nach Absolvierung des gewonnenen Theoriekurses frei, einfach die Fahrschule nicht mehr zu besuchen oder die (weiteren) notwendigen Fahrstunden in einer anderen Fahrschule zu nehmen. Der Gewinner werde daher in keine psychische Zwangslage versetzt, auch wenn er den Theoriekurs und die gewonnenen Fahrstunden, nicht aber die noch erforderlichen weiteren Fahrstunden in der Fahrschule des Beklagten konsumiere.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens.

Der Beklagte stellt den Antrag, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Ob der Beklagte auf die Gewinner der beanstandeten Preisausschreiben psychischen Kaufzwang zur Inanspruchnahme weiterer Leistungen seiner Fahrschule ausgeübt hat und deshalb die im Rahmen dieser Preisausschreiben angekündigten Gewinnmöglichkeiten - je 100 kostenlose B-Theoriekurse sowie in je 5 Fällen zusätzlich 3 bis 10 kostenlose Fahrstunden - gegen § 28 UWG oder doch als sittenwidrige Wertreklame gegen § 1 UWG verstoßen haben, kann diesmal auf sich beruhen; mit Recht wendet sich nämlich der Kläger schon gegen die Auffassung der Vorinstanzen, die angekündigten Gewinnmöglichkeiten seien - anders als im Fall der in ÖBl 1984, 48 beanstandeten Gutscheinwerbung - kostenlose selbständige Leistungen einer Fahrschule und daher keine nach dem RabG zu beurteilende Preisnachlässe:

Im Hinblick auf die ausgesetzten Preise kamen als Teilnehmer an den Preisausschreiben des Beklagten von vornherein nur Bewerber um eine Lenkerberechtigung für die Gruppe B in Betracht. Zum Zeitpunkt dieser Preisausschreiben durften aber nur solche Bewerber die praktische Lenkerprüfung für die Gruppe B ablegen, welche die in § 122 Abs 2 lit d und Abs 3 a KFG idF der 12. KFG-Novelle BGBl 1988/375 angeführten Schulung - also die im Rahmen des Betriebes einer Fahrschule erfolgte Teilnahme an der theoretischen Ausbildung im Ausmaß von mindestens

40 Unterrichtseinheiten (§ 64 b Abs 2 und 3 KDV idF der 26. KDV-Novelle BGBl 1988/683) und die im Rahmen des Betriebes einer Fahrschule absolvierte praktische Vor- und Grundschulung (Fahrstunden) im Ausmaß von mindestens 20 Unterrichtseinheiten (§ 64 b Abs 4 und 5 KDV) - nachweisen konnten (§ 70 Abs 2 a lit b KFG). Mit den vom Beklagten ausgesetzten Gewinnen allein konnten daher Bewerber um eine Lenkerberechtigung für die Gruppe B die Mindestvoraussetzungen für die praktische Lenkerprüfung noch nicht erfüllen; die Gewinner waren vielmehr genötigt, die restlichen Mindestfahrstunden und die - je nach subjektiver Eignung - allenfalls erforderliche weitere praktische Schulung jedenfalls im Rahmen des Betriebes einer Fahrschule zu absolvieren. Hiezu ist auch unbestritten, daß selbst ohne Rücksicht auf ein Preisausschreiben die weitaus überwiegende Zahl der Fahrschüler Theoriekurs und Fahrstunden bis zur Lenkerprüfung in ein- und derselben Fahrschule absolviert. Für die von den Preisausschreiben des Beklagten angesprochenen Bewerber um eine Lenkerberchtigung für die Gruppe B hing daher die zu gewinnende kostenlose Teilnahme am Theoriekurs mit den darüberhinaus zu absolvierenden Mindestfahrstunden nicht nur sachlich, sondern auch nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge so eng zusammen, daß beide Leistungen - ungeachtet ihrer gesonderten Auspreisung in Fahrschulen - bei wirtschaftlicher Betrachtung rabattrechtlich als Einheit angesehen werden müssen. Daß der Gewinn eines B-Theoriekurses für den vom Beklagten genannten Personenkreis (auch) einen selbständigen Wert haben konnte, muß dabei schon deshalb außer Betracht bleiben, weil dieser Personenkreis gegenüber der Masse der Bewerber um einen Führerschein nicht ins Gewicht fiel und überdies die Teilnahme an den Preisausschreiben auch nicht etwa auf diesen Personenkreis beschränkt war.

Daraus folgt aber bereits die Gesetzwidrigkeit der beanstandeten Preisausschreiben: Der wirtschaftliche Effekt der vom Beklagten ausgesetzten Gewinne lag - ebenso wie im Fall der in ÖBl 1984, 48 beanstandeten Gutscheinwerbung - in einem Preisnachlaß für die von einer Fahrschule an einen Bewerber um eine Lenkerberechtigung für die Gruppe B zu erbringende theoretische und praktische Ausbildung, war doch für die Gewinner die - in der Regel aus der theoretischen Ausbildung und der praktischen Vor- und Grundschulung bestehende - (Gesamt-)Leistung seiner Fahrschule um 1150 S (1989) bzw 1210 S (1990) billiger. Der den Gewinnern solcherart gewährte Nachlaß von den "angekündigten oder allgemein geforderten" Preisen des Beklagten ist ein Rabatt iS des § 1 RabG. Da er in der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle - nämlich immer dann, wenn der Gesamtpreis für Theoriekurs und Fahrstunden 38.333,33 S bzw 40.333,33 S nicht übersteigt - mehr als 3 % ausmacht (§ 2 RabG) und auch keiner der übrigen Ausnahmetatbestände des Gesetzes vorliegt, war dem Klagebegehren in dem noch in Rede stehenden Umfang schon aus diesem Grunde stattzugeben und dabei die beantragte Fassung des Spruches entsprechend zu verdeutlichen.

Zum Verlangen des Klägers nach Veröffentlichung des Urteilsspruches in je einer Samstagausgabe der von ihm genannten drei Tageszeitungen hat der Beklagte nicht vorgebracht. Eine solche Veröffentlichung erscheint im Sinne des - analog anzuwendenden (ÖBl 1982, 50; ÖBl 1986, 68 uva) - § 25 Abs 3 UWG schon deshalb zur Aufklärung des Publikums über den Wettbewerbsverstoß des Beklagten angebracht und zweckmäßig, weil sich seine beanstandeten Werbeaktionen an eine breite Öffentlichkeit gerichtet hatten. Die vom Kläger gewünschten Modalitäten der Veröffentlichung gehen über das Maß des Üblichen nicht hinaus.

Der Ausspruch über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens beruht auf § 43 Abs 1 ZPO, jener über die Kosten der Rechtsmittelverfahren auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E28040

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00132.91.0218.000

Dokumentnummer

JJT_19920218_OGH0002_0040OB00132_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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