Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei S***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Fritz Czerwenka, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei N*****, vertreten durch Dr. Georg Kahlig, Rechtsanwalt in Wien, wegen 3,879.007 S sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 28. Oktober 1991, GZ 2 R 97, 98/91-14, womit die einstweiligen Verfügungen des Handelsgerichtes Wien vom 17. Jänner 1991 und 8. März 1991, GZ 11 Cg 41/91-3 und 6, teilweise abgeändert wurden, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit ihrer auf Zahlung von 3,879.007 S sA gerichteten Klage brachte die klagende und gefährdete Partei (im folgenden kurz klagende Partei) vor, sie habe der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei (kurz beklagte Partei) ab 1987 Aufträge zum Einbau von Fenstern im Zusammenhang mit der Errichtung von Wohnhausanlagen erteilt. Die beklagte Partei habe die Arbeiten zwar begonnen, im August 1988 aber ihre ungarischen Arbeitnehmer von den Baustellen abgezogen, weil sie für diese die erforderlichen Arbeitsbewilligungen nicht habe erwirken können. Damit sei sie aber der klagenden Partei gegenüber vertragsbrüchig geworden. Diese habe für die Fertigstellung der Arbeiten ab 22.8.1988 Ersatzarbeitskräfte heranziehen müssen. Daraus und aus der Behebung von Mängeln der Arbeiten der beklagten Partei sei ihr ein Schaden in Höhe des Klagsbetrages erwachsen, dessen Ersatz sie von der beklagten Partei begehre.
Zur Sicherung ihres Ersatzanspruches stellte die klagende Partei den Antrag, der beklagten Partei mittels einstweiliger Verfügung zu verbieten, Forderungen aus dem rechtskräftigen Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 7.12.1989 (13 Cg 14/89) exekutionsweise oder wie auch sonst immer geltend zu machen. In diesem Rechtsstreit habe die beklagte Partei die klagende Partei erfolgreich auf Zahlung von 3,5 Mio S in Anspruch genommen. Die klagende Partei habe zwar den hier eingeklagten Ersatzanspruch zur Aufrechnung eingewendet, die Aufrechnungseinrede sei jedoch aus dem Grunde des § 1440 zweiter Satz ABGB abgewiesen worden. In Ungarn könnten bloß in Österreich ersiegte Prozesskosten exekutionsweise geltend gemacht werden. Es bestehe daher die eminente Gefahr, dass die klagende Partei ihren Anspruch im Falle ihres Obsiegens nicht werde durchsetzen können, es sei denn, dass der beklagten Partei die Geltendmachung ihrer vollstreckbaren Forderung im Exekutionsweg verboten werde.
Mit einstweiliger Verfügung vom 17.1.1991 entsprach das Erstgericht - ohne Anhörung des Gegners - dem Sicherungsantrag, trug der klagenden Partei jedoch zum Ausgleich für alle ihrer Gegnerin dadurch verursachten Anteile den Erlag einer Sicherheit von 2 Mio S auf. Diese Sicherheit brachte die klagende Partei in Form einer Bankgarantie bei.
In der Folge beantragte die klagende Partei zur Sicherung ihres Ersatzanspruches im selben Verfahren die Erlassung einer weiteren einstweiligen Verfügung, mit der der beklagten Partei verboten werde, auch gegen die S***** Gesellschaft mbH - die Komplementärgesellschaft der klagenden Partei - Forderungen aus dem rechtskräftigen Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 7.12.1989 exekutionsweise oder wie auch sonst immer geltend zu machen. Sie verwies darin auf die schon erlassene einstweilige Verfügung, berief sich auf die im früheren Sicherungsantrag angeführten Bescheinigungsmittel und führte aus, die schon erlassene einstweilige Verfügung könne ihren Zweck nur dann erfüllen, wenn sie auch zugunsten ihrer Komplementärgesellschaft Geltung erlange.
Das Erstgericht gab auch diesem Sicherungsantrag mit einstweiliger Verfügung vom 8.3.1991 ohne vorherige Anhörung des Gegners statt, trug der klagenden Partei den Erlag einer weiteren, mittlerweile gleichfalls bereits erlegten Sicherheit von 1 Mio S auf, verwies in seiner Begründung auf die schon erlassene einstweilige Verfügung und führte unter anderem aus, die Beklagte habe mittlerweile Exekution zur Befriedigung beantragt, deren Aufschiebung zwar zugunsten der klagenden Partei bewilligt, jedoch der Komplementärgesellschaft gegenüber abgelehnt worden sei.
Das Gericht zweiter Instanz fügte beiden einstweiligen Verfügungen in teilweiser Stattgebung von Rekursen der beklagten Partei Aussprüche dahin an, dass die beiden einstweiligen Verfügungen nicht vollzogen bzw die schon vollzogenen Verfügungen auf Antrag der beklagten Partei aufgehoben werden würden, wenn diese den Betrag von 7 Mio S zu Gericht erlege: Soweit die beklagte Partei gegen die Bescheinigung der Anspruchshöhe Bedenken äußere, sei zu bemerken, dass der klagenden Partei ohnehin eine Sicherheitsleistung auferlegt worden sei, so dass die einstweiligen Verfügungen gemäß § 390 Abs 1 EO auch bei nicht ausreichender Anspruchsbescheinigung erlassen hätten werden können. Soweit die beklagte Partei den Standpunkt vertrete, das der Aufrechnungseinrede im Vorprozess entgegenstehende Aufrechnungsverbot gemäß § 1440 ABGB bewirke auch die Unzulässigkeit der beiden einstweiligen Verfügungen, übersehe sie, dass ein materiell-rechtliches Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsverbot bei Zutreffen der nach der Exekutionsordnung gebotenen Voraussetzungen für die einstweilige Verfügung an deren Zulässigkeit nichts ändere, weil die öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die zwangsweise Durchsetzung von Ansprüchen keiner Modifikation durch materiell-rechtliche Bestimmungen über Erfüllungsbeschränkungen unterlägen; diene doch das Kompensationsverbot gemäß § 1440 ABGB lediglich der Hintanhaltung unerlaubter Selbsthilfe. Da die Sicherung von Geldforderungen mittels einstweiliger Verfügung nur die hier ausreichend erbrachte Bescheinigung des Anspruches und dessen hier nicht strittigen Gefährdung voraussetze, sei auf die Behauptung einer Umgehung von Aufrechnungs- und Zurückbehaltungshindernissen nicht weiter einzugehen. Könne - wie hier - die Frage, ob und wie weit durch den Vollzug der einstweiligen Verfügungen ein Schaden entstehen werde, derzeit noch nicht mit Sicherheit beantwortet werden, genüge selbst eine verhältnismäßig niedrige Kaution, zumal sie später immer noch erhöht werden könne, sollte hervorkommen, dass sie nicht ausreiche. Bei Erlassung der zweiten einstweiligen Verfügung sei zwar aktenkundig gewesen, dass der beklagten Partei gegen die klagende Partei und deren Komplementärgesellschaft bereits die Forderungs- und Fahrnisexekution bewilligt worden sei. Nach SZ 15/170 sei eine einstweilige Verfügung in Form eines Verbotes, von einem Exekutionstitel Gebrauch zu machen, nur solange zulässig, als nicht schon Exekution bewilligt sei. Dieser Rechtssatz komme im vorliegenden speziellen Fall aber nicht zum Tragen. Das Verbot sei für die klagende Partei trotz der Exekutionsbewilligung noch insofern von Bedeutung, als mit diesem Beschluss auch die Fahrnisexekution bewilligt worden sei, so dass in diesem Exekutionsverfahren jedenfalls noch Fortsetzungsanträge verhindert werden könnten. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass noch weitere Exekutionsobjekte in Frage kämen. Außerdem sei die einstweilige Verfügung zur Beseitigung der bereits bewilligten Exekution geeignet, weil sie nach Eintritt ihrer Rechtskraft zumindest einen Aufschiebungsgrund darstelle. Berechtigt seien die Rechtsmittel dagegen insoweit, als das Erstgericht entgegen § 391 Abs 1 EO von der Festsetzung eines Befreiungsbetrages abgesehen habe. Wenn es - wie hier - um die Sicherung von Geldforderungen gehe, sei die Festsetzung eines Befreiungsbetrages nach der Beschaffenheit des Falles zur Sicherung des Antragstellers regelmäßig ausreichend.
Rechtliche Beurteilung
Der von der beklagten Partei dagegen erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Die beklagte Partei beharrt auf ihrem Standpunkt, mit den erlassenen einstweiligen Verfügungen werde das in § 1440 zweiter Satz ABGB verankerte Aufrechnungsverbot umgangen, das im Vorprozess zur Abweisung der Aufrechnungseinrede der klagenden Partei geführt habe. Sie verkennt dabei jedoch das Wesen dieses Aufrechnungsverbotes, aber auch das Wesen des von den Vorinstanzen erlassenen sicherungsweisen Zweitverbotes, das gerade dann eingreifen soll, wenn die gefährdete Partei mit ihrer Forderung gegen die Gegenforderung des Gegners nicht aufrechnen kann (Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht3, 245, zum insoweit vergleichbaren Zweitverbot im Rahmen der Forderungsexekution).
Das Aufrechnungsverbot nach § 1440 zweiter Satz ABGB, womit die beklagte Partei im Vorprozess auf die zur Aufrechnung eingewendeten und nun eingeklagten Schadenersatzansprüche repliziert hatte und das schließlich zur in Rechtskraft erwachsenen Abweisung dieser Einrede führte, dient vor allem der Hintanhaltung unerlaubter Selbsthilfe (EvBl 1976/214; Gschnitzer in Klang2 VI, 509; Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht3 AT 603 f; Rummel in Rummel, ABGB § 1440 Rz 7) und soll den Missbrauch des Aufrechnungs- und Retentionsrechtes verhindern, der nach den Materialien zur Dritten Teilnovelle bei den in dieser Gesetzesstelle genannten Fällen geradezu einem Vertrauensbruch gleichkomme (Mayrhofer aaO; Rummel aaO). Von einer solchen unerlaubten Eigenmacht, aber auch von einem Missbrauch des Aufrechnungsrechtes kann aber dann keine Rede sein, wenn der gegenforderungsberechtigte Schuldner seine Forderung einklagt uns sich gleichzeitig den Zugriff auf das seinen Behauptungen zufolge einzige ihm zugängliche Exekutionsobjekt des Gegners - eben dessen Gegenforderung - im Wege einer einstweiligen Verfügung zu erhalten sucht. Das Zweitverbot iSd § 379 Abs 3 Z 3 EO, das der gefährdeten Partei gerade dann die Befriedigung aus der Gegenforderung sichern soll, wenn sie - etwa aus rechtlichen Gründen - außerstande ist, ihre Gegenforderung im Passivprozess zur Aufrechnung einzuwenden (vgl SZ 10/339 = ZBl 1929/52 mit Glosse von Petschek), soll letztlich den Zugriff auf die Gegenforderung im Wege der Pfändung durch Zweitverbot ermöglichen, dessen Zulässigkeit schon im Hinblick auf § 319 Abs 1 Z 2 EO außer Zweifel steht (EvBl 1953/252): Nach dieser Bestimmung darf nämlich der Verkauf der (gepfändeten) Forderung mittels öffentlicher Versteigerung ua dann nicht bewilligt werden, wenn sie dem Verpflichteten gegen den betreibenden Gläubiger zusteht und mit dem zu vollstreckenden Anspruch kompensiert werden kann. Sollte die klagende Partei ein stattgebendes Urteil erwirken, kann sie dann die ihrem Zugriff mittels sicherungsweisen Zweitverbotes erhaltene Forderung der beklagten Partei durch ein Zweitzahlungsverbot pfänden (SZ 11/6; EvBl 1953/252; JBl 1954, 595; Holzhammer aaO; Heller-Berger-Stix 2124) und sich diese Forderung zur Einziehung überweisen lassen: Das Aufrechnungsverbot nach § 1440 zweiter Satz ABGB hat zwar die Aufrechnung mit der hier eingeklagten Forderung gegen die im Vorprozess geltend gemachte Forderung der beklagten Partei verhindert, dieses Verbot steht jedoch der Zwangsvollstreckung auf die Forderung der beklagten Partei sowie der Sicherung dieser künftigen Exekution und damit letztlich einer Kompensation mit dieser Forderung gegen die Klagsforderung nicht im Wege (Mayrhofer aaO mwN in FN 2; Rummel aaO Rz 11). Da nun infolge der Überweisung die klagende Partei über die Forderung der beklagten Partei verfügen kann (vgl § 308 Abs 1 EO), kann sie mit dieser gegen die im Überweisungswege einzubringende (eigene) Forderung aufrechnen und sich den Betrag ihrer Schuld an die beklagte Partei als Tilgung der eigenen Forderung gutschreiben; es kann daher keine Rede davon sein, dass auf diesem Umweg ein bisher verwehrtes Aufrechnungsrecht zum Entstehen gebracht würde (Petschek in ZBl 1929, 149). Das im Vorprozess relevierte Aufrechnungsverbot kann somit gegen die begehrte Sicherung nicht erfolgreich ins Treffen geführt werden.
Die beklagte Partei macht weiters geltend, das Erstgericht habe nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils im Vorprozess der beklagten Partei gegen die klagende Partei zur Hereinbringung der Urteilsforderung die Fahrnis- und Forderungsexekution bewilligt. Unter Berufung auf die in SZ 15/170 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes behauptet die beklagte Partei auch noch im Revisionsrekurs, die beiden einstweiligen Verfügungen hätten deshalb nicht mehr erlassen werden dürfen: Nach dem der zitierten Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt waren als einziges Exekutionsobjekt die Pensionsbezüge der dort gefährdeten Partei vom Gegner zur Hereinbringung seiner Unterhaltsforderung bereits gepfändet worden, so dass das Verbot, vom Exekutionstitel Gebrauch zu machen, ohnehin ins Leere gegangen wäre: Deshalb wies der Oberste Gerichtshof den Sicherungsantrag ab, ließ die Frage aber offen, ob der Anspruch auf Herabsetzung des Unterhalts (bei anderer Sachlage) trotz der bewilligten Exekution auf diese Weise gesichert werden könnte.
Das Gericht zweiter Instanz hielt diesem Argument der beklagten Partei zutreffend entgegen, dass der der zitierten Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt mit der Verfahrenslage im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres vergleichbar ist: Hier können durch die erlassenen einstweiligen Verfügungen nicht bloß Fortsetzungsanträge im Fahrnisexekutionsverfahren, sondern es kann auch die Ausdehnung auf weitere Exekutionsobjekte verhindert werden. Die einstweiligen Verfügungen können darüber hinaus auch die Grundlage für Aufschiebungsanträge sein: Der Oberste Gerichtshof hat denn auch die Berechtigung des von der klagenden Partei in dem von der beklagten Partei gegen sie betriebenen Exekutionsverfahren gestellten Aufschiebungsantrages in Analogie zu § 42 Abs 1 Z 1 EO im grundsätzlichen anerkannt, weil der eingeklagte Anspruch durch einstweilige Verfügungen gesichert werde, die im Ergebnis der - wenn auch möglicherweise nur vorübergehenden - Beseitigung des Exekutionstitels gleichkämen (Entscheidung vom 13.11.1991, 3 Ob 94, 95/91); der Aufschiebungsantrag blieb lediglich deshalb abgewiesen, weil die klagende Partei den Beweis der Wirksamkeit der einstweiligen Verfügungen durch deren Zustellung an die beklagte Partei nicht angetreten hatte. Dem Erfolg eines neuerlichen auf die einstweiligen Verfügungen gestützten Aufschiebungsantrages stünde demnach nichts im Wege.
Soweit die beklagte Partei schließlich ins Treffen führt, es hätte ihr jedenfalls nicht verboten werden dürfen, ihre vollstreckbare Forderung gegen die Komplementärgesellschaft der klagenden Partei geltend zu machen, übersieht sie, dass diese für die Forderung der beklagten Partei gegen die klagende Partei zwar unmittelbar und zur ungeteilten Hand haftet (§ 128 HGB), bei Inanspruchnahme durch die beklagte Partei jedoch entsprechenden Ersatz von der klagenden Kommanditgesellschaft fordern könnte (Koppensteiner in Straube, ABGB § 128 Rz 16 mzN aus dem Schrifttum), so dass jede erfolgreiche Betreibung der Forderung gegen die Komplementärgesellschaft letztlich die klagende Partei träfe. Demgemäß ist die klagende Partei erst durch die zweite einstweilige Verfügung ausreichend gesichert, so dass die Vorinstanzen - da sich die Voraussetzungen für die Erlassung der beiden einstweiligen Verfügungen decken - auch die zweite Verfügung zu Recht trafen.
Dem Revisionsrekurs ist deshalb ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78 und 402 EO sowie den §§ 40, 50 und 52 ZPO.
Textnummer
E28285European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0010OB00520.92.0219.000Im RIS seit
01.01.1995Zuletzt aktualisiert am
27.05.2013