Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Werner R*****, vertreten durch Dr. Siegfried Rack und Dr. Franz Grauf, Rechtsanwälte in Völkermarkt, wider die Antragsgegnerin Christiane R*****, vertreten durch Dr. Margot Tonitz, Rechtsanwältin in Klagenfurt, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse bzw wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 6. Dezember 1991, GZ 1 R 588/91-9, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 16. Oktober 1991, GZ 3 F 8/91-5, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung über die Anträge auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Aufteilungsanspruches nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.
Text
Begründung:
Das Bezirksgericht Klagenfurt schied die Ehe der Parteien mit Urteil vom 15.3.1990 aus dem überwiegenden Verschulden des Antragstellers. Gegen das den Parteien am 19.4.1990 zugestellte Urteil erhob lediglich der Antragsteller Berufung, bekämpfte damit jedoch bloß den Verschuldensausspruch. Bei der Berufungsverhandlung vom 6.7.1990 vereinbarten die Parteien Ruhen des Verfahrens, um der Antragsgegnerin Gelegenheit zur Erstattung eines Vergleichsvorschlages in der Aufteilungsfrage zu geben. Da die im Korrespondenzweg geführten Vergleichsverhandlungen gescheitert waren, beantragte der Antragsteller am 8.10.1990 die Fortsetzung des Verfahrens. Bei der Berufungsverhandlung vom 16.11.1990 vereinbarten die Parteien neuerlich Ruhen des Verfahrens, um die Vergleichsgespräche fortzusetzen und insbesondere die Liegenschaft der Antragsgegnerin zwecks Bemessung des Ausgleichsanspruches des Antragstellers schätzen zu lassen. Auch nach Erstattung eines Schätzungsgutachtens konnten sich die Parteien auf eine Ausgleichszahlung an den Antragsteller nicht einigen. Mit Schreiben vom 16.7.1991 teilte die Vertreterin der Antragsgegnerin dem Vertreter des Antragstellers mit dem Bemerken, dass die Antragsfrist bereits abgelaufen sei, mit, sie sei unter den in ihrem Schreiben gestellten Bedingungen zu einer vergleichsweisen Bereinigung bereit. Mit Schreiben vom 5.8.1991 bezeichnete der Vertreter des Antragstellers die Vorschläge als unannehmbar, kündigte an, er werde das Scheidungsverfahren fortsetzen, und wies auf die Möglichkeit hin, dass die Parteien noch bei der Berufungsverhandlung eine gütliche Einigung erzielen könnten. Am 6.8.1991 beantragte der Antragsteller die Fortsetzung des Scheidungsverfahrens. Bei der Berufungsverhandlung vom 27.9.1991 kam keine vergleichsweise Einigung zustande; das Landesgericht Klagenfurt bestätigte das erstinstanzliche Urteil.
Am 1.10.1991 brachte der Antragsteller den Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse ein und verband damit den Antrag, zur Sicherung seines Aufteilungsanspruches eine einstweilige Verfügung gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO zu erlassen, mit der der Antragsgegnerin jedwede Verfügung über ihre Liegenschaft verboten werde.
Die Antragsgegnerin wendete insbesondere die Verfristung des Antrages ein.
Das Erstgericht wies die beiden Anträge ab. Der Ausspruch über die Scheidung sei am 17.5.1990 in Rechtskraft erwachsen, so dass der erst am 1.10.1991 eingebrachte Aufteilungsantrag gemäß § 95 EheG verfristet sei. Beide Teile seien vom Beginn des Scheidungsverfahrens an durch Rechtsanwälte vertreten gewesen, so dass die fristgerechte Antragstellung trotz der Vergleichsverhandlung leicht möglich gewesen wäre. Deshalb sei die Frist durch die Verhandlungen auch nicht gehemmt worden. Da der Sicherungsantrag den Bestand eines Hauptanspruches voraussetze, sei er schon deshalb als nicht berechtigt abzuweisen gewesen.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes zwar S 50.000 übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei. Die Frist des § 95 EheG sei eine materiellrechtliche Fallfrist, deren Nichtbeachtung zum Anspruchsverlust und damit zur Antragsabweisung führe; sie beginne bereits mit der Teilrechtskraft des Scheidungsausspruches zu laufen. Der Ausspruch über die Scheidung sei mit Ablauf des 17.5.1990 in Rechtskraft erwachsen; der Antrag sei somit erst nach Verstreichen der Jahresfrist gestellt worden. Der Oberste Gerichtshof halte allerdings die analoge Anwendung des § 1497 ABGB auf die Fallfrist des § 95 EheG für gerechtfertigt. Wenn auch die einvernehmliche Aufteilung vor der Gerichtsentscheidung Vorrang genieße, dürfe nach dem Scheitern längerer über die Jahresfrist hinaus geführter Vergleichsverhandlungen mit der Antragstellung jedoch nicht weiter zugewartet werden, weil der Antrag dann jedenfalls ohne unnötigen Aufschub einzubringen sei. Der Antragsteller habe schon in seinem Schreiben vom 5.8.1991 die Vergleichsverhandlungen als gescheitert betrachtet. Da die Vertreterin der Antragsgegnerin im vorangegangenen Schreiben auf den Ablauf der Frist hingewiesen habe, hätte der Antragsteller daraufhin unverzüglich den Aufteilungsantrag einbringen müssen. Die von ihm angekündigte Vergleichsbereitschaft rechtfertige schon deshalb ein weiteres Zuwarten mit der Antragstellung nicht, weil die Antragsgegnerin kein weiteres Anbot mehr gestellt habe. Auch wenn sie bei der Berufungsverhandlung bereit gewesen sei, ein höheres Anbot zu stellen, habe auch dieser Umstand den Fristablauf nicht mehr hinausschieben können. Selbst wenn man daher § 1497 ABGB auf die Präklusivfrist des § 95 EheG anwende, sei für den Antragsteller somit nichts gewonnen, weil nach endgültigem Scheitern von Vergleichsverhandlungen das Verfahren unverzüglich fortzusetzen sei. Das Zuwarten mit der Antragstellung durch rund zwei Monate sei angesichts der bei Präklusivfristen gebotenen strengen Prüfung keine bloß geringfügige Verzögerung mehr. Da der Aufteilungsanspruch erloschen sei, fehlten die Voraussetzungen für die Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist berechtigt. Die Vorinstanzen haben den Aufteilungs- und den Sicherungsantrag deshalb abgewiesen, weil die im § 95 EheG vorgesehene Antragsfrist bei Einlangen des Antrags beim Erstgericht bereits verstrichen und der Aufteilungsanspruch daher verfristet gewesen sei. Tatsächlich ist der Ausspruch über die Scheidung der Ehe am 17.5.1990 in Rechtskraft erwachsen, nachdem der Antragsteller an diesem Tag die Berufung, mit der er lediglich den Verschuldensausspruch bekämpfte, eingebracht hatte und die Berufungsfrist gleichzeitig abgelaufen war. Der Schriftsatz des Antragstellers mit den beiden Anträgen langte dagegen erst am 1.10.1991, demnach erst mehr als vier Monate nach Ablauf der genannten Antragsfrist beim Erstgericht ein. Diese Tatsache stellte der Antragsteller auch gar nicht in Abrede, er berief sich zur Begründung der Fristwahrung jedoch auf außergerichtliche Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien, die erst kurz vor der Antragstellung beendet worden seien.
Nach herrschender Auffassung (SZ 60/116 uva; Pichler in Rummel, ABGB § 95 EheG Rz 1; Schwind, Eherecht2, 339) ist die einjährige Antragsfrist des § 95 EheG eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, deren Nichtbeachtung zum Anspruchsverlust führt. Auf die Fallfristen werden die Verjährungsvorschriften von Lehre und Rechtsprechung (vgl die Nachweise in EvBl 1991/123) weitgehend sinngemäß angewendet. Die Motive, die den Gesetzgeber zur Anordnung der einjährigen Antragsfrist im Aufteilungsverfahren bewogen haben: das Interesse der Eheleute, aber auch Dritter an der raschen Klärung der Vermögensverhältnisse sowie die Vermeidung von Beweisschwierigkeiten, bestimmen auch das Verjährungsrecht. Deshalb hat der erkennende Senat in EvBl 1991/123 ausgesprochen, dass § 1497 ABGB auf die Fallfrist des § 95 EheG analog anzuwenden sei: Der Gesetzgeber ziehe die einvernehmliche Aufteilung des Vermögens der gerichtlichen Entscheidung vor; unter diesem Gesichtspunkt bestünden gegen die Vereinbarung der Parteien über einen Verfahrensstillstand zwecks außergerichtlicher Regelung des Aufteilungsanspruches keine Bedenken. An diesen Erwägungen ist festzuhalten. Gleiches muss dann aber auch für außergerichtliche Vergleichsgespräche vor Einleitung des Aufteilungsverfahrens gelten, sofern nur der Aufteilungsantrag nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen ohne unnötigen Aufschub eingebracht wird (vgl SZ 48/33; MietSlg 35.280; Bydlinski in JBl 1967, 130).
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist der Aufteilungsantrag nicht verfristet. Keinesfalls waren die Vergleichsverhandlungen vor dem Schreiben des Antragstellers vom 5.8.1991 beendet, war doch im Scheidungsverfahren vor dem Berufungsgericht zweimal Ruhen vereinbart worden, um die Vergleichsgespräche in der Aufteilungsfrage - namentlich auch durch die Schätzung einer Liegenschaft der Antragsgegnerin - zu intensivieren. Im Schreiben vom 16.7.1991 zeigte sich die Antragsgegnerin weiterhin als vergleichsbereit, obwohl rein rechnerisch die Antragsfrist bereits abgelaufen war; auf diesen Umstand wies sie ganz augenscheinlich nur deshalb hin, um ihrem Vergleichsvorschlag entsprechenden Nachdruck zu verleihen. Aber auch der Antragsteller bekundete in seinem Antwortschreiben weiterhin Vergleichsbereitschaft, indem er auf die Möglichkeit hinwies, bei der Berufungsverhandlung - also im direkten Gespräch - könne sich doch noch eine für beide Teile annehmbare Lösung finden. Dem hat die Antragsgegnerin nicht widersprochen. Unmittelbar nach seinem Schreiben vom 5.8.1991 beantragte der Antragsteller die Fortsetzung des berufungsgerichtlichen Verfahrens, und tatsächlich fanden auch bei der Berufungsverhandlung am 27.9.1991 weitere Vergleichsgespräche statt. Von einem Abbruch der Vergleichsverhandlungen im Sinne deren endgültigen Scheiterns kann deshalb nach dem Inhalt des Schreibens des Antragstellers vom 5.8.1991 und der auch weiterhin signalisierten Vergleichsbereitschaft beider Teile keine Rede sein. Gescheitert sind die Vergleichsgespräche endgültig erst bei der Berufungsverhandlung vom 27.9.1991: Aber schon am nächsten Werktag hat der Antragsteller auch schon die beiden verfahrenseinleitenden Anträge gestellt.
War die Antragsfrist somit bis zum 27.9.1991 gehemmt, so war die Antragstellung vier Tage später jedenfalls noch fristwahrend, so dass die Vorinstanzen die beiden Anträge nicht aus dem Grunde der Verfristung hätten abweisen dürfen.
Da sich der Revisionsrekurs schon aus diesen Erwägungen als berechtigt erweist, war es entbehrlich, die im Rechtsmittel geltend gemachten Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und der Aktenwidrigkeit zu prüfen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 234 AußStrG iVm § 52 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E28692European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0010OB00536.92.0219.000Im RIS seit
01.01.1995Zuletzt aktualisiert am
28.05.2013