Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ida Sch*****, vertreten durch Dr.Peter Riedmann und Dr.G.Heinz Waldmüller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei I*****versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Günter Zeindl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert S 100.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. November 1990, GZ 4 R 234/91-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. Juni 1991, GZ 40 Cg 62/91-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei im Rahmen des Versicherungsvertrages Polizzenummer 6/12/19006448 wegen des Schadensfalles vom Februar 1989, anläßlich dessen Teppiche des Karl E***** beschädigt wurden, Deckung zu gewähren. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.522 (darin enthalten S 1.887 Umsatzsteuer und S 2.200 Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 22.582,80 (darin enthalten S 2.263,80 Umsatzsteuer und S 9.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist zu 160/8640-Anteilen bücherliche Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 818 Grundbuch P*****, mit welchen das Wohnungseigentum an dem Geschäftslokal top Nr 20 im Hause E in I*****, untrennbar verbunden ist. Für die "Wohnungseigentumsgemeinschaft" Sch*****gasse, zu der die genannte Liegenschaft gehört, besteht bei der Beklagten eine Bündelversicherung, die eine Feuerversicherung, eine Leitungswasserschadenversicherung und eine Haftpflichtversicherung (aus Haus- und Grundbesitz) umfaßt. Als versichertes Risiko im Rahmen dieser Haftpflichtversicherung ist im Versicherungsschein die "Wohnhausanlage mit Tiefgaragen, Risikoadresse: I*****, Sch*****gasse und E*****straße" angegeben. Der Haftpflichtversicherung liegen die AHVB 1986 und die EHVB 1986 zugrunde.
Im März 1989 vermietete die Klägerin ihr Geschäftslokal an Gustav F*****. Bereits zuvor hatte sie ihm zur Vornahme von Adaptierungsarbeiten die Schlüssel übergeben. In dem Lokal ragten aus dem Boden zwei verschlossene Wasserrohre, welche früher als Zuleitung zu einer Kühlvitrine gedient hatten. Gustav F***** versuchte, diese Wasserleitungsrohre mit einem Handfäustel zu knicken, um den Boden danach durchgehend verfliesen zu können. Ob die Klägerin oder ihr Sohn dem Mieter davor erklärt hatten, daß die Wasserleitung totgelegt sei, steht nicht fest. Danach trat aus einem am freien Ende eines Rohres entstandenen Haarriß Wasser aus, das in den darunterliegenden Kellerraum drang und die vom Mieter Karl E***** dort gelagerten Teppiche beschädigte. Der Wasseraustritt wurde bereits am Tage nach dem "Umlegen" der Wasserleitungen bemerkt. Die Beschädigungen an den Teppichen sind dennoch erst später aufgefallen. Ob die Arbeiten Gustav F*****s für den Wasseraustritt kausal waren, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
Mit der vorliegenden Klage erhebt die Klägerin das Begehren auf Feststellung, daß die Beklagte aufgrund des Haftpflichtversicherungsvertrages verpflichtet sei, in den Schadensfall vom Februar 1989 einzutreten. Sie sei vom Geschädigten belangt worden. Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch entspreche nach den dafür maßgebenden Behauptungen des Geschädigten dem versicherten Risiko. Das schadhaft gewordene Wasserleitungsrohr sei Bestandteil des versicherten Gebäudes. Aber auch die behauptete Unterlassung einer rechtzeitigen Verständigung vom Wasseraustritt entspringe dem mit der Innehabung, Verwaltung und Beaufsichtigung der versicherten Liegenschaft typischerweise versicherten Risiko.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Der Schaden sei nicht aus der Innehabung der versicherten Liegenschaft sondern des - nicht versicherten - Geschäftslokales entstanden. Zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses sei bereits der Mieter der Klägerin Inhaber des Geschäftslokales gewesen. Die defekt gewordene Wasserleitung sei nicht schon bei der Errichtung des Hauses sondern erst nachträglich installiert worden. Nur Schäden am versicherten Gebäude selbst, nicht aber Schäden an später errichteten Zuleitungen zu einer Kühlvitrine in einem Eigentumsobjekt seien vom versicherten Risiko umfaßt. Schließlich sei der Schaden auch nur durch unsachgemäßes Hantieren an der Zuleitung entstanden. Auch dafür bestehe kein Versicherungsschutz.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der Wasseraustritt begründe einen Haftungsfall des jeweiligen Inhabers einer Wohnung im Sinne des § 1318 ABGB und sei von der Haftpflichtversicherung somit nicht umfaßt.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.
Die von der Klägerin erhobene Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß Art 1 Z 2 AHVB 1986 übernimmt der Versicherer in der Haftpflichtversicherung die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts (Schadenersatzverpflichtungen) erwachsen. Die Haftpflichtversicherung aus Haus- und Grundbesitz erstreckt sich gemäß Abschnitt B Punkt 5 der EHVB 1986 ua auf Schadenersatzverpflichtungen aus der Innehabung, Verwaltung, Beaufsichtigung, Versorgung, Reinhaltung, Beleuchtung und Pflege der versicherten Liegenschaft einschließlich der in oder auf ihr befindlichen Bauwerke und Einrichtungen wie zB Aufzüge, Heizungs- und Klimaanlagen, Schwimmbecken, Kinderspielplätze und Gartenanlagen (Z 1.1) sowie aus der Durchführung von Abbruch-, Bau-, Reparatur- und Grabarbeiten an der versicherten Liegenschaft, wenn die Gesamtkosten des Bauvorhabens unter Einrechnung etwaiger Eigenleistungen S 100.000 nicht übersteigen; der Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf die Ausgleichsverpflichtungen gemäß § 364 b ABGB (Z 1.2). Mitversichert (nach Maßgabe der Z 1) sind ua Schadenersatzverpflichtungen des Hauseigentümers und -besitzers (Z 2.1), des Hausverwalters und des Hausbesorgers (Z 2.2), und jener Personen, die im Auftrag des Versicherungsnehmers für ihn handeln, soferne diese Tätigkeit nicht in Ausübung ihres Berufes oder Gewerbes erfolgt (Z 2.3). Nach Lehre und Rechtsprechung ist das Haftpflichtversicherungsrecht vom Grundsatz der Spezialität der versicherten Gefahr beherrscht, wonach nur für solche Schadensfälle Versicherungsschutz besteht, die sich aus den im Versicherungsschein (der Versicherungspolizze und ihren Nachträgen) umschriebenen "versicherten Risiko" ableiten lassen (Bruck-Möller-Johannsen, VVG8, 345; Wussow, AHB6, 202; SZ 32/48; JBl 1963, 268; JBl 1976, 214).
Im vorliegenden Fall ist das Rechtsverhältnis, nämlich der Haus- und Grundbesitz, aus dessen Beschädigung der Klägerin Schadenersatzverpflichtungen erwachsen können, im Versicherungsschein allgemein mit "Wohnungsanlage mit Tiefgaragen" und "Risikoadresse: I*****, Sch*****gasse-E*****straße" umschrieben. Daraus ergibt sich eindeutig, daß Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an der versicherten Liegenschaft unter den weiteren im Schnitt B Punkt 5 EHVB 1986 genannten Umständen zum versicherten Risiko gehören. Maßgebend für die weitere Beurteilung, ob sich die Schadenersatzverpflichtung aus den in den Bedingungen genannten Verhältnissen zur versicherten Liegenschaft ergeben, ist daher nur, ob der Schaden am Gebäude selbst oder an unselbständigen Bestandteilen davon entstanden ist. Zu letzteren gehören aber Gas-, Wasser- und Lichtleitungen (Spielbüchler in Rummel, ABGB2 Rz 7 zu § 294). Daß sie erst zur Versorgung einer Kühlanlage eines Mieters des fraglichen Geschäftslokals in den Boden verlegt wurden, ändert nichts daran. Hier geht es nicht um die Frage, unter wessen Verwaltung und Sondernutzung dieser Teil des Hauses steht, sondern nur darum, wer Eigentümer der beschädigten Wasserleitung ist. Das dingliche Wohnungseigentumsrecht der Klägerin an dem Geschäftslokal umfaßt nur das Recht, eine selbständige Wohnung oder eine sonstige selbständige Räumlichkeit ausschließlich zu nutzen und hierüber allein zu verfügen. Nicht dazu gehört das Eigentumsrecht an der im Miteigentum stehenden Liegenschaft (Baulichkeit).
Die Haftpflichtversicherung umfaßt den Rechtsschutzanspruch gemäß Art 5.2 AHVB 1986 auch dann, wenn sich der gegen den Versicherungsnehmer erhobene Schadenersatzanspruch als unberechtigt erweist. Es bedarf daher im vorliegenden Fall nicht des Nachweises, daß die gegen die Klägerin erhobene Schadenersatzforderung berechtigt sei. Der Haftpflichtversicherungsanspruch wird vielmehr schon dann fällig, wenn vom Dritten Tatsachen behauptet werden, die, wenn sie vorliegen, einen versicherten Haftpflichtanspruch begründen können (Bruck-Möller-Johannsen aaO 345; Prölss-Martin, VVG24, 620 f). Die Beklagte hat im Verfahren nur geltend gemacht, daß der vom Dritten erhobene Schadenersatzanspruch nicht in die primäre Risikobeschreibung fällt. Sekundäre Risikoausschlüsse hat sie nicht behauptet. Da der Schadenersatzanspruch vom Dritten aber (auch) mit der Begründung erhoben wurde, daß die Klägerin dafür als Miteigentümerin, oder Inhaberin der versicherten Liegenschaft oder wegen der Durchführung von Bau- oder Reparaturarbeiten daran bzw als Versicherungsnehmer für die in seinem Auftrag handelnden Personen hafte, wird er auch auf ein in Abschnitt B Punkt 5 Z 1 EHVB 1986 genanntes Verhältnis zur versicherten Liegenschaft gestützt. Die Beklagte hat daher der Klägerin Deckung aus dem Versicherungsvertrag zu gewähren.
In Stattgebung der Revision war daher die Entscheidung im Sinne der Stattgebung der Klage abzuändern.
Die Entscheidung über die Prozeßkosten erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zusätzlich auf § 50 ZPO.
Anmerkung
E28394European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00002.92.0220.000Dokumentnummer
JJT_19920220_OGH0002_0070OB00002_9200000_000