TE OGH 1992/2/20 7Ob634/91

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Veröffentlicht am 20.02.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** WOHNBAUGESELLSCHAFT mbH *****, ***** vertreten durch Dr. Peter Reitz, ua Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Karl-Heinz S*****, vertreten durch Dr. Jürgen Hinterwirth, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufkündigung (Revisionsinteresse S 24.000,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 9. Oktober 1991, GZ 21 R 285/91-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 22. April 1991, GZ 11 C 1103/90d-22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.264,-- (darin S 544,-- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat als Eigentümerin des Hauses Salzburg R*****straße ***** dem Beklagten das im Erd- und Kellergeschoß gelegene Geschäftslokal top Nr 35 im Mai 1977 für einen Schuheinzelhandel vermietet. Nach Untervermietungen an die P*****GesmbH und an die E***** GesmbH übernahm der Beklagte 1987 wieder selbst das Lokal und übte dort zunächst ohne geregelte Verkaufszeiten vereinzelt einen Schuhgroßhandel aus, verwendete es aber später nur mehr als Lager. Die Klägerin forderte den Beklagten mit Schreiben vom 5.Juni 1989 bei sonstiger Aufkündigung auf, entweder das Lokal zu übergeben oder dessen Nichtbenützung zu begründen. Im Antwortschreiben vom 4.Juni 1989 vertrat der Beklagte die Auffassung, der Umstand, daß er die Räume zur Zeit nicht für eine laufende Geschäftstätigkeit nütze, stelle keinen gesetzlichen Kündigungsgrund dar. Er sei nicht bereit das Bestandverhältnis zu lösen. Auf das Folgeschreiben der Klägerin, binnen vierzehn Tagen zu erklären, ob und wann er der im Mietvertrag vereinbarten Geschäftstätigkeit im Lokal wieder nachkomme, antwortete der Beklagte mit Schreiben vom 21. Juli 1989, daß er nach Abschluß der von ihm vorgesehenen Adaptierungsarbeiten seinen Schuheinzelhandel wieder betreiben werde. Die Aufforderung der klagenden Partei, diese Absicht zeitlich zu präzisieren, ließ der Beklagte in der Folge unbeantwortet, worauf die Klägerin die vorliegende Aufkündigung einbrachte. Zu Beginn des Verfahrens blieb das Geschäftslokal weiterhin geschlossen. Erst im Juli oder August 1990 ließ der Beklagte den Teppichboden erneuern, die Räume ausmalen und danach reinigen. Er eröffnete im Herbst 1990, sohin noch vor Schluß der mündlichen Streitverhandlung, wieder einen Schuheinzelhandel mit regelmäßigen Geschäftszeiten und zwar 1990 von 10 bis 18 Uhr und 1991 nur von 14 bis 18 Uhr.

Das Erstgericht hob die auf die §§ 30 Abs. 2 Z 4 (ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens) und 7 MRG gestützte Aufkündigung auf. Es folgerte rechtlich, daß der letztzitierte Kündigungstatbestand im Zeitpunkt der Aufkündigung nicht aber zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erfüllt gewesen sei, weil der Beklagte seine Geschäftstätigkeit wieder regelmäßig betreibe.

Das Berufungsgericht erkannte die Aufkündigung für rechtswirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Rechtlich führte es aus, für die Verwirklichung des Kündigungstatbestandes nach § 30 Abs. 1 Z 7 MRG sei der Zeitpunkt der Aufkündigung maßgeblich. Eine erst unmittelbar vor Schluß der mündlichen Streitverhandlung nach jahrelanger Unterbrechung wieder aufgenommene Geschäftstätigkeit könne kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Bestandvertrages begründen. Die vom Erstgericht vertretene Rechtsauffassung führe dazu, daß ein Mieter ohne Kostenfolgen jede Aufkündigung durch Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit abwenden könne und damit dieser Kündigungsgrund nicht mehr durchsetzbar wäre.

Die gegen diese Entscheidung vom Beklagten erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 7 MRG setzt das Fehlen einer regelmäßig geschäftlichen Tätigkeit entweder in der vereinbarten Form und Intensität oder wenigstens in einer gleichwertigen Form voraus (Würth in Rummel; Rz 34 zu § 30 MRG, MietSlg 40.466 mwN). Richtig ist, daß eine vorübergehende Stillegung eines Geschäftsbetriebes infolge notwendiger Renovierungs- und Vorbereitungsarbeiten dann der mangelnden regelmäßigen geschäftlichen Betätigung nicht gleichgesetzt werden kann, wenn der Bestandnehmer plant, die geschäftliche Tätigkeit im Geschäftslokal nach Abschluß der Arbeiten wieder fortzusetzen. Steht die Nichtbenützung des Geschäftslokales fest, ist es Sache des Mieters, den Beweis dafür zu erbringen, daß die Nichtbenützung nur eine vorübergehende ist. Die Gründe, aus denen eine Wiederaufnahme regelmäßiger geschäftlicher Betätigung berechtigterweise zu erwarten ist, müssen in dem für die Kündigung maßgeblichen Zeitpunkt bereits konkret faßbar sein.

Der Beklagte gestand unmittelbar vor Einbringung der Aufkündigung zu, daß er seinen Schuheinzelhandel auf unbestimmte Zeit stillgelegt hat, ohne hiefür Gründe anzugeben (Beilage H). Er hat in seinen Einwendungen kein Vorbringen erstattet, das auf eine mit Sicherheit zu erwartende konkrekt faßbare regelmäßige geschäftliche Betätigung schließen ließe. Er hat auch keinen Nachweis dafür erbracht, wie konkret er sich bereits vor bzw im Aufkündigungszeitpunkt mit Renovierungsarbeiten befaßt hat. Mangels eines solchen Nachweises ist davon auszugehen, daß er sich erst während des laufenden Aufkündigungsverfahrens entschlossen hat, Renovierungsarbeiten durchzuführen und den Geschäftsbetrieb vor der mündlichen Streitverhandlung wieder aufzunehmen.

In Kündigungsstreitigkeiten ist die Zulässigkeit mit einer Aufkündigung grundsätzlich nach dem Zeitpunkt ihrer Zustellung zu beurteilen. Nur ausnahmsweise kann, etwa beim Wegfall des Kündigungsgrundes des Eigenbedarfes, von diesem Grundsatz abgegangen werden (Würth in Rummel Rz 5 zu § 33 MRG, MietSlg 40.466 = WoBl 1988/57 mwN). Insbesondere dort, wo nach dem Gesetz Entwicklungsprognosen zu stellen sind, wird der Entwicklung bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz Rechnung getragen werden müssen. Verwendet jedoch ein Mieter die Bestandräumlichkeiten nicht zu dem vereinbarten geschäftlichen Zweck, sondern hat er den Geschäftsbetrieb stillgelegt, so ist für die Beurteilung der Erfüllung des Kündigungstatbestandes der Zeitpunkt der Aufkündigung maßgebend. Nur zur Beurteilung des Mangels eines schutzwürdigen Interesses ist auch die Sachlage heranzuziehen, wie sich bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz ergeben hat, soferne die Entwicklung Rückschlüsse darauf zuläßt, daß das schutzwürdige Interesse schon im Zeitpunkt der Aufkündigung gegeben war (6 Ob 661/87). Die Tatsache, daß der Beklagte offensichtlich nur unter dem Druck der Aufkündigung (vgl Aussage des Beklagten AS 49 f) nunmehr wieder eine geschäftliche Tätigkeit im Sinne des Mietvertrages entwickelt, läßt keinesfalls Rückschlüsse auf das Bestehen eines schutzwürdigen Interesses zum Zeitpunkt der Aufkündigung zu. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht ein solches Interesse verneint (vgl auch 7 Ob 549/91).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E28408

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00634.91.0220.000

Dokumentnummer

JJT_19920220_OGH0002_0070OB00634_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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