TE OGH 1992/2/26 3Ob580/91

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Veröffentlicht am 26.02.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Kindes Reinhard M*****, vertreten durch den Vater Josef M*****, dieser vertreten durch Dr.Walter Eisl, Rechtsanwalt in Amstetten, infolge Revisionsrekurses der Mutter Gertrude M*****, vertreten durch Dr.Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgericht vom 30.September 1991, GZ R 578/91-15, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Amstetten vom 29.August 1991, GZ P 60/91-12, teilweise bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der nun 16 Jahre alte Sohn ist seit dem 1.Juli 1991 als Kraftfahrzeugmechanikerlehrling tätig und erhält eine Lehrlingsentschädigung von monatlich netto S 3.265, woraus sich einschließlich der Sonderzahlungen ein durchschnittliches eigenes Einkommen von etwa netto S 4.000 im Monat ergibt.

Die Eltern leben getrennt. Der Lehrling wird in dem vom Vater geführten Haushalt betreut. Der Vater verdient als Bauhilfsarbeiter monatlich rund S 15.000.

Das Erstgericht verpflichtete die Mutter, für den Unterhalt ihres Sohnes ab dem 5.Juni 1991 monatlich S 1.000 zu leisten. Es ging davon aus, daß die Mutter in der Zeit vom Juli 1990 bis Juni 1991 an Arbeitseinkommen und Arbeitslosenunterstützung ein Einkommen von S 61.467 hatte, aber im Juni 1991 S 7.350 verdient hat.

Das Rekursgericht gab dem von der Mutter erhobenen Rekurs teilweise Folge und setzte den für ihren Sohn zu leistenden Unterhalt für die Zeit vom 5.Juni 1991 bis 30.Juni 1991 mit S 867 und ab dem 1.Juli 1991 mit mtl S 750 fest. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Minderjährige sei auch unter Einrechnung der Sonderzahlungen an Lehrlingsentschädigung mit seinem ab dem 1.Juli 1991 erzielten Einkommen nicht selbsterhaltungsfähig, weil nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dafür der Richtsatz für die Gewährung der Ausgleichszulage von etwa S 7.000 monatlich bei einfachsten Lebensverhältnissen als Richtschnur heranzuziehen sei, wobei das eigene Einkommen des Kindes auch dem durch die Haushaltsbetreuung Unterhalt leistenden Elternteil zugute kommen müsse. Die Mutter sei aber nicht in der Lage, selbst bei dem nun aktuellen Einkommen von rund S 7.350 im Juni 1991 mehr als S 750 für den Unterhalt des Kindes beizutragen. Nur im Juni 1991 müsse sie anteilig noch S 1.000 Unterhalt leisten, weil in diesem Zeitraum keine eigenen Einkünfte vom Sohn bezogen wurden. Unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles sei der Mutter ab dem 1.Juli 1991 eine monatliche Unterhaltsleistung von S 750 zuzumuten.

Die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, daß die Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Frage, in welchem Verhältnis das eigene Einkommen zur Minderung der Unterhaltspflicht beider Elternteile führe, widersprüchlich sei (5 Ob 513/91; 6 Ob 584/91), und daß nach der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Unterhaltsbemessung ungeklärt sei, inwieweit der zur Leistung von Unterhalt in Geld verpflichtete Elternteil bei bescheidenen Einkommensverhältnissen zu einer Unterhaltsleistung verhalten werden könne.

Die Mutter bekämpft den bestätigenden Teil der Rekursentscheidung, weil sie meint, nach ihren Lebensverhältnissen überhaupt nicht zu einer Unterhaltsleistung verpflichtet zu sein. Es sei von den Vorinstanzen übergangen worden, daß sie krankheitsbedingt für Medikamente S 500 bis S 1.500 im Monat aufzuwenden und einen Kredit von rund S 30.000 abzustatten habe, den sie für die Hochzeitsfeier der Tochter aufgenommen hatte. Der Lehrling sei selbsterhaltungsfähig, weil ihm außer der Lehrlingsentschädigung der Betreuungsaufwand des Vaters mit einem Äquivalent von S 1.600 im Monat und die Familienbeihilfe von S 1.500 sowie das Wohnen im väterlichen Haushalt mit einem Gegenwert von rund S 1.000 bis S 2.000 zukämen. Jedenfalls müsse der Vater für den allfälligen Abgang aufkommen, weil er etwa dreimal so viel verdiene wie die Mutter.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Auch in Fragen der Bemessung des Unterhaltes ist Voraussetzung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses, daß die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechtes abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 14 Abs 1 AußStrG idF WGN 1989). Nach der Übergangsregelung des Art XLI Z 9 WGN 1989 fällt, wenn der Oberste Gerichtshof über die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts zu entscheiden hat, bei dieser Beurteilung das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes derzeit noch nicht ins Gewicht, wohl aber, ob das Gericht zweiter Instanz von einer nicht mehr als drei Jahre zurückliegenden Rechtsprechung eines Gerichtes zweiter Instanz abweicht, die veröffentlicht oder vom Rekursgericht oder vom Rechtsmittelwerber angeführt worden ist.

Die Revisionsrekurswerberin zeigt keine solche Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf. Von der vom Rekursgericht als erheblich angesehenen Rechtsfrage, ob das eigene Einkommen des Kindes gleichteilig beiden unterhaltspflichtigen Elternteilen zugute kommen müsse oder ob die Betreuungsleistung gegenüber der Geldunterhaltsleistung zurücktrete, hängt die Entscheidung über die Bemessung des von der Mutter zu leistenden Unterhalts nicht ab. Bei der vom Rekursgericht als zumutbar angesehenen Unterhaltsleistung der Mutter von S 750 im Monat hat der Vater ohnedies noch nach § 140 Abs 2 Satz 2 ABGB über die Haushaltsbetreuung hinaus zum Unterhalt des Sohnes beizutragen, weil die Mutter zur vollen Bedeckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist oder mehr leisten müßte, als ihren eigenen Verhältnissen angemessen ist. Die Familienbeihilfe gilt kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nicht als eigenes Einkommen des Kindes und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch (§ 12a FamLAG). Sie stellt einen Einkommensbestandteil der das Kind betreuenden Person dar (Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 12b zu § 140). Es kann nicht zweifelhaft sein, daß das seit dem 1.Juli 1991 erzielte eigene Einkommen des Kindes an Lehrlingsentschädigung von rund S 4.000 oder knapp darüber (S 3.265 x 14 : 12 = S 4.159,17) nicht ausreicht, alle Lebensbedürfnisse des Lehrlings abzudecken, wozu selbst bei einfachsten Lebensverhältnissen beider Elternteile (§ 140 Abs 1 ABGB) Einkünfte im Bereich des Ausgleichszulagenrichtsatzes gefordert werden (ÖA 1991, 77 f). Es besteht daher die Pflicht der Eltern, zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes nach ihren Kräften anteilig aufzukommen. Der Vater erfüllt seine Unterhaltspflicht dadurch, daß er den Haushalt führt, in welchem er den Sohn betreut. Darüber hinaus muß er zum Unterhalt des Kindes beitragen, weil die Mutter nur zur Leistung eines unzureichenden Beitrages imstande ist. Wenn das Rekursgericht meinte, der Mutter sei ab dem 1.Juli 1991 bei dem zuletzt erzielten und bei Einsatz ihrer Kräfte erzielbaren Einkommen (Mai 1991 S 8.231; Juni 1991 S 7.352,54) eine Unterhaltsleistung von monatlich S 750 nach den Umständen des Einzelfalles zumutbar, so fehlt es an einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 14 Abs 1 AußStrG, weil es der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und der Gerichte zweiter Instanz entspricht, daß der zur Leistung von Geldunterhalt verpflichtete Elternteil nach seinen Kräften zum Unterhalt des Kindes beitragen muß, und der bei jeder Unterhaltsbemessung bestehende Ermessensbereich nicht überschritten wurde. Die Ausmessung des von ihr zu leistenden Unterhaltsbeitrages übersteigt ihre Leistungsfähigkeit nicht unzumutbar. Eine Verpflichtung zur Abstattung eines aus Anlaß der Verehelichung der Tochter in Anspruch genommenen Bankkredites könnte den Unterhaltsanspruch des Sohnes nicht schmälern. Weshalb die schon in erster Instanz behaupteten Kosten der krankheitsbedingt benötigten Heilmittel (notwendige Arzneien - § 133 Abs 1 Z 2 ASVG) nicht im Rahmen der Krankenbehandlung vom zuständigen Träger der Krankenversicherung durch Abrechnung mit der Apotheke übernommen werden (§ 36 Abs 1 lit a und Abs 2 ASVG), so daß die Mutter nur die Rezeptgebühr zu tragen hat, ist nicht erkennbar.

Der Revisionsrekurs ist daher nach § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig, weil der geringen Leistungskraft ohnedies weitgehend Rechnung getragen wurde und die auferlegte Unterhaltsverpflichtung weit unter der üblichen Relation zum Einkommen bleibt.

Anmerkung

E28743

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0030OB00580.91.0226.000

Dokumentnummer

JJT_19920226_OGH0002_0030OB00580_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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