Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien
1. Dipl.Ing.Eberhard N*****, und 2. Helmut G*****, beide vertreten durch Dr.Josef Lechner und Dr.Ewald Wirleitner, Rechtsanwälte in Steyr, wider die beklagte Partei Stefan B*****, vertreten durch Dr.Walter Lanner, Rechtsanwalt in Steyr, wegen Unterlassung infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien welchem Rechtsstreit a) die Stadtgemeinde S*****, vertreten durch Dr.Wilfried Werbik und Dr.Martin Schloßgangl, Rechtsanwälte in Steyr, sowie b) die B***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr.Hansjörg Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in Linz, auf der Seite der beklagten Partei als Nebenintervenienten beigetreten sind gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 6.März 1991, AZ 2 R 325, 326/90 (ON 30), womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 8.August 1990, GZ 2 Cg 41/89-22, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Aus Anlaß der außerordentlichen Revision wird das berufungsgerichtliche Teilurteil ersatzlos aufgehoben. Das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 8.August 1990, 2 Cg 41/89-22, ist zufolge Klagseinschränkung in der mündlichen Berufungsverhandlung insoweit wirkungslos, als das abgewiesene Unterlassungsbegehren auf die Benützung der dort beschriebenen Kanalanlage zur Ableitung von Haushaltsabwässern zu beziehen war. Die Parteien haben ihre Kosten des Revisionsverfahrens jeweils selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Nach dem Vorbringen der Kläger habe eine Aktiengesellschaft im Jahre 1982 zur Ableitung der Abwässer von ihrem Werksgelände (teils im Straßengrund der Stadtgemeinde) einen ungefähr 500 m langen Regenwasserkanal bis zur Einmündung in ein öffentliches Gewässer und einen Schmutzwässerkanal bis zur Einmündung in das städtische Kanalsystem errichtet (und als wasserrechtlicher Betreiber instandgehalten). Nach dem Kauf von Grundstücken des Werksgeländes hätten die beiden Kläger von der Aktiengesellschaft auch die Kanalanlage übernommen und seien im Sinne der wasserrechtlichen Bewilligungen und Bescheide als Erhalter des Kanalstückes verpflichtet, darauf zu achten, daß keine schädlichen Stoffe abgeleitet würden. Der Beklagte betreibe als Eigentümer eines Grundstückes, das an jenen Straßengrund anliege, in dem der "Privatkanal" verlaufe, ein Unternehmen zur Sondermüllentsorgung und leite die Abwässer dieses Unternehmens seit Jahren durch einen ohne Wissen der Aktiengesellschaft eigenmächtig hergestellten Anschluß über den "Privatkanal" in das städtische Kanalnetz. Er habe eine Beteiligung an den Erhaltungskosten des "Privatkanals" verweigert und sei der daraufhin erfolgten Aufforderung der Kläger, die weitere Einbringung von Abwässern zu unterlassen und seine Kanalzuleitung vom sogenannten "Privatkanal" abzuschließen, nicht nachgekommen.
(Die Klagsbehauptung, das von der Aktiengesellschaft errichtete Kanalstück in das Eigentum übernommen zu haben, haben die Kläger insoweit nicht aufrechterhalten, als sie eine entsprechende Wortgruppe in der Tagsatzung vom 17.Mai 1990 - AS 75 - aus ihrem Klagebegehren herausnahmen.)
Die Rechtsstellung der Errichterin und
seinerzeitigen Betreiberin des teils im öffentichen Grund verlegten Regen- und Abwasserkanals und damit auch der Kläger als deren Rechtsnachfolger ist bestritten. Darauf gründete der Beklagte den Einwand des Fehlens der Anspruchsberechtigung der Kläger (kein Ausschließungsrecht mangels absoluten Herrschaftsrechtes über den sogenannten Privatkanal). Andererseits wendete der Beklagte den Mangel seiner Passivlegitimation mit der Begründung ein, er sei nicht Alleineigentümer, sondern bloß Miteigentümer der Liegenschaft, von deren Gutsbestand die - im übrigen von der Stadtgemeinde behördlich angeordnete - Abwasserzuleitung über das von den Klägern bezeichnetet Kanalstück erfolge. Er habe auch das Unternehmen in eine (erst nach Klagszustellung in das Firmenbuch eingetragene) Gesellschaft mbH eingebracht.
Die Kläger begehrten die Verurteilung der beklagten Partei, "die Benützung der ....." (im örtlichen Verlauf näher umschriebenen) "...Kanalanlage...zu unterlassen" und ihr zu verbieten, "weiterhin Abwässer aus ihrem auf dem Grundstück....betriebenen Unternehmen in diese Kanalisationsanlage einzubringen".
Das Prozeßgericht erster Instanz wies das Begehren ab. Es stellte fest, daß der im Urteilsbegehren bezeichnete Grund im gleichteiligen Eigentum des Beklagten und seiner Ehefrau stehe und daß diese Grundeigentümer mit baubehördlichem Bescheid verpflichtet worden seien, die von ihren Baulichkeiten und dazugehörigen Grundflächen abfließenden Niederschlags- und Schmutzwässer über das nun strittige Kanalstück in die gemeindeeigene Kanalisation abzuleiten.
Daraus folgerte das Prozeßgericht erster Instanz, daß für den klageweise geltend gemachten Negatorienanspruch der Beklagten als Miteigentümer allein nicht legitimiert sei.
In der mündlichen Berufungsverhandlung wurden - ohne formell beschlossene Beweisergänzung - zur Person des Unternehmers des im Klagebegehren bezeichneten Entsorgungsunternehmens Urkunden verlesen und Parteienerklärungen entgegengenommen. Die Kläger kamen in diesem Zusammenhang einer gerichtlichen Aufforderung, die als zwei selbständige Begehren aufgefaßten Teile des Klagebegehrens "Unterlassung der Kanalanlagenbenützung" und "Verbot der Einleitung von Unternehmensabwässern in die Kanalanlage" getrennt zu bewerten, nach. Daraufhin erörterte das Berufungsgericht mit den Parteien seine Ansicht, daß das Begehren auf Unterlassung der Kanalbenützung nur auf das Verbot der Einleitung von Haushaltsabwässern, nicht aber auf die Einleitung von gewerbebetrieblichen Abwässern zu beziehen wäre und die Kläger hiezu in erster Instanz kein ausreichendes Vorbringen erstattet hätten. Hierauf erklärten die Kläger, das Begehren auf Unterlassung der Kanalbenützung zurückzuziehen. Der Beklagte erachtete eine solche Prozeßerklärung im Berufungsverfahren als unzulässig. Die Kläger erklärten auf gerichtliche Aufforderung, in Ansehung ihrer abgegebenen Prozeßerklärung keinen Anspruchsverzicht zu erklären. Eine formelle Entscheidung über die zum Begehren auf Unterlassung der Kanalbenützung abgegebene Verfahrenserklärung der Kläger unterblieb. Das Berufungsgericht erachtete sie offenkundig im Sinne der Bestimmung des § 483 Abs 3 ZPO als unwirksam.
Das Berufungsgericht hielt seine Auslegung aufrecht, das Klagebegehren stelle eine Kumulierung zweier selbständiger Begehren dar, dessen erstes nach dem gewählten Ausdruck einer Unterlassung der Kanalanlagenbenützung nur auf Haushaltsabwässer bezogen werden könne, während das zweite nach seinem Wortlaut nur Abwässer aus einem Gewerbebetrieb zum Gegenstand habe. Die Kläger hätten dieser Auffassung des Berufungsgerichtes zwar in der mündlichen Berufungsverhandlung widersprochen, durch die auf Drängen des Berufungsgerichtes vorgenommene Streitwertaufteilung aber klargestellt, daß sich der Streitgegenstand im Sinne der Auffassung des Berufungsgerichtes aus zwei unterschiedlichen Begehren zusammensetze.
Das Berufungsgericht faßte in Ansehung des Begehrens auf Verbot der Einbringung von Unternehmensabwässern einen Aufhebungsbeschluß, in Ansehung des Begehrens auf Verpflichtung zur Unterlassung der Kanalanlagenbenützung fällte es ein bestätigendes Teilurteil. Dazu sprach das Berufungsgericht aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt. Weiters sprach das Berufungsgericht aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Die Kläger bemängelten in ihrer außerordentlichen Revision sowohl die Deutung ihres Klagebegehrens als Kumulation zweier selbständiger Rechtsschutzansprüche als auch die Auffassung, daß mit ihnen nicht bloß ein schlichtes Unterlassungsbegehren, sondern die Freiheiten von einem dinglichen oder ähnlich absoluten Benützungsrecht verfolgt würde.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist wegen der Bekämpfung der sich über den objektiven Wortsinn und die als authentisch anzusehenden Erklärungen der Kläger hinwegsetzende Deutung des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht zulässig.
Aus Anlaß dieses zulässigen Rechtsmittels war von Amts wegen zu prüfen, ob das Berufungsgericht mit seinem angefochtenen Teilurteil zu einem noch streitverfangenen Begehren abgesprochen hat:
Das Begehren eines Kanalerhalters, einen Anlieger zur Unterlassung einer Kanalbenützung zu verpflichten und ihm die Einleitung von betrieblichen Abwässern von seinem Grund in den Kanal zu verbieten, ist ungeachtet der sprachlichen Trennung eine logische Einheit. Im ersten allgemein gehaltenen Teil betrifft das Unterlassungsbegehren allerdings mangels ausdrücklicher Unterscheidung sowohl die Einleitung von Haushaltsabwässern als auch die Einleitung von Abwässern aus einem gewerblichen Unternehmen. Insoweit ist eine getrennte Beurteilung (materiell) denkbar und (formell) auch durch Fällung eines Teilurteiles nicht unzulässig. Das Berufungsgericht hat die Möglichkeit eines Teilabspruches zu erkennen gegeben. Die Kläger haben hierauf mit ihrer Erklärung, einen vom Berufungsgericht als selbständiges Teilbegehren gewerteten Teil ihres Begehrens zurückzuziehen, der Sache nach erklärt, ihr Urteilsbegehren insoweit einzuschränken, als vom begehrten Benützungsverbot die Einbringung von Haushaltsabwässern ausgenommen sein sollte.
Damit stellt sich die Frage, ob seit der Zivilverfahrens-Novelle 1983, durch die eine Klagsrücknahme auch noch im Berufungsverfahren als zulässig erklärt wurde, auch die nicht ausdrücklich erwähnte Klagseinschränkung noch im Berufungsverfahren wirksam erklärt werden könne. Dies ist aus den gesetzgeberischen Motiven (vgl RV 669 BlgNR XV. GP 57 zu Z 63) nach einem Größenschluß zu bejahen:
Im Rechtsmittelverfahren ist eine Klagseinschränkung, solange eine gänzliche Klagsrücknahme zulässig ist, unter denselben Voraussetzungen wie im Verfahren erster Instanz möglich.
Dieses Ergebnis leitet zu der in der Verfahrenslehre umstrittenen Frage über, ob die Einschränkung des Klagebegehrens als teilweise Klagsrücknahme nur unter den für diese normierten Voraussetzungen wirksam sei (vgl etwa Holzhammer ÖZPR2, 195; derselbe in Buchegger/Deixler/Holzhammer Praktisches ZPR2, 82; Ballon Einführung2, 148; Rechberger-Simotta ZPR3 Rz 426 einerseits und Fasching ZPR2 Rz 1228 andererseits).
Der erkennende Senat sieht sich nicht bestimmt, im vorliegenden Fall von der ständigen Rechtsprechung des OGH (zB JBl 1984, 686 uva, zuletzt 6 Ob 1640/90) abzugehen, daß die Klagseinschränkung nicht an die Voraussetzungen für die Klagsrücknahme gebunden sei, zumal dem Beklagten gegenüber einem Kläger, der sein Klagebegehren ausdrücklich ohne Anspruchsverzicht einschränkt, erforderlichenfalls zur endgültigen Klärung der strittig verbliebenen Rechtslage die Verfolgung eines negativen Feststellungsanspruches offenbliebe und daher nur prozeßökonomische Überlegungen für die Entscheidung des Meinungsstreites ausschlaggebend sein können; dabei wiegt der aktuelle Fall der (teilweisen) Verfahrenserledigung schwerer als die Vermeidung einer oft nur sehr ungewissen Möglichkeit einer künftigen neuerlichen Prozeßführung.
Die Einschränkung des Klagebegehrens ist nicht an die Voraussetzungen der Klagsrücknahme gebunden.
Die in der mündlichen Berufungsverhandlung abgegebene Prozeßerklärung der Kläger, von ihrem Unterlassungsbegehren die nach dem objektiven Wortsinn auch darin enthaltene Ableitung von Haushaltsabwässern auszuschließen, war gerade im Hinblick auf den vom Berufungsgericht hervorgehobenen Umstand, daß die Kläger dazu kein hinreichendes Vorbringen in erster Instanz erstattet hätten, eine Klarstellung, die auch als Klagseinschränkung betrachtet - noch in der Berufungsverhandlung und ohne Einwilligung des Beklagten oder gleichzeitigen Anspruchsverzicht - verfahrensrechtlich voll wirksam war.
Daher hatte sich das Berufungsgericht in Ansehung dieses Teilbegehrens jeder weiteren Sachentscheidung zu enthalten. Es war vielmehr in analoger Anwendung des § 483 Abs 3 ZPO der Ausspruch geboten, in welchem Umfang das erstinstanzliche Urteil als wirkungslos anzusehen sei.
Die dargelegte Unzulässigkeit einer Sachentscheidung im Umfang der wirksam erfolgten Klagseinschränkung bedingt die ersatzlose Aufhebung des berufungsgerichtlichen Teilurteiles.
Die Kläger haben mit ihrer außerordentlichen Revision den mit ihrem Rechtsmittelantrag angestrebten Erfolg nicht erzielt. Der Beklagte und seine Nebenintervenienten haben in ihren Revisionsbeantwortungen auf den dargelegten entscheidenden verfahrensrechtlichen Umstand nicht hingewiesen. Weder die Revision noch die Revisionsbeantwortungen können als notwendig im Sinne des § 41 ZPO erkannt werden. Die Parteien haben daher die im Revisionsverfahren entstandenen Verfahrenskosten jeweils selbst zu tragen.
Anmerkung
E28377European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00518.92.0227.000Dokumentnummer
JJT_19920227_OGH0002_0060OB00518_9200000_000