Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der gesellschaftrechtlichen Angelegenheit der "J***** Gesellschaft mbH i.L. mit dem Sitz in L*****, wegen Beendigung der gemäß § 2 Abs 3 ALöschG eingeleiteten Liquidation unter Enthebung des gerichtlich bestellten Liquidators infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Gesellschaft sowie des gerichtlich bestellten Liquidators Dr. Johannes H*****, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 23. Dezember 1991, AZ 6 R 301/91(ON 49), womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 15.Oktober 1991, GZ HRB 2719-46, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.
Text
Begründung:
Die mit Vertrag vom 1.Dezember 1980 gegründete und am 11.Dezember 1980 in das Handelsregister eingetragene Gesellschaft mbH war zufolge Abweisung des Schuldnerantrages auf Konkurseröffnung mangels Kostendeckung mit dem in Rechtskraft erwachsenen konkursgerichtlichen Beschluß vom 28.Dezember 1989 im Sinne des § 1 Abs 1 ALöschG aufgelöst worden. Das Registergericht hat hierauf seine Absicht zur amtswegigen Löschung bekanntgegeben. Eine Gesellschaftsgläubigerin, die für ihre den Betrag von 8 Mio S übersteigende Forderung ein vollstreckbares Versäumungsurteil erwirkt hatte, stellte beim Registergericht einen später zurückgezogenen Antrag auf Bestellung eines Liquidators ("Notgeschäftsführers") und behauptete dabei, daß die aufgelöste Gesellschaft vor einem bayerischen Gericht gegen eine deutsche Handelsgesellschaft eine Warenkaufpreisforderung im Gegenwert von mehr als 5 Mio S klageweise verfolge, in dem Rechtsstreit aber Ruhen des Verfahrens habe eintreten lassen. Die Gesellschaftsgläubigerin strebte die Forderungsexekution auf diese bereits gerichtsanhängige Forderung an.
Das Rekursgericht verfügte in der Folge mit dem am selben Tag vollzogenen Beschluß vom 20.August 1990 die amtswegige Löschung der Gesellschaft (im Sinn des § 2 ALöschG) ohne vorherige Erhebungen über die von der Gesellschaftsgläubigerin behauptete Klagsführung der angeblich vermögenslosen GesmbH.
Die Gesellschaftsgläubigerin stellte zunächst durch ihren deutschen Prozeßvertreter an das Registergericht den Antrag auf Bestellung eines Kurators für die - nicht voll beendete, aber zufolge Amtslöschung ohne organschaftliche Vertreter bestehende - Gesellschaft und teilte dazu mit, daß sie in den anhängigen Rechtsstreit als Nebenintervenientin auf der Seite der Klägerin beigetreten sei und ein rechtliches Interesse an der Fortführung des Verfahrens besitze. Diesem Antrag ordnete die Gesellschaftsgläubigerin in der Folge den Eventualantrag auf Bestellung eines (Nachtrags-)Liquidators nach und brachte in weiterer Folge auch einen österreichischen Rechtsanwalt als Liquidator in Vorschlag, während die Ehefrau des Mehrheitsgesellschafters der gelöschten Gesellschaft als deren ehemalige (aber nicht letzte) Geschäftsführerin namens der Gesellschaft einen anderen österreichischen Rechtsanwalt als geeigneten Liquidator namhaft machte.
Mit Beschluß vom 10.April 1991 bestellte das Firmenbuchgericht den namens der gelöschten Gesellschaft namhaft gemachten Rechtsanwalt zum (Nachtrags-)Liquidator und umschrieb dessen Wirkungsbereich ausdrücklich mit der Vertretung der Gesellschaft im bayrischen Rechtsstreit und in allen mit dieser Rechtssache zusammenhängenden allfälligen sonstigen Verfahren sowie mit der Verteilung eines gegebenenfalls dadurch realisierten Aktivvermögens.
Am 27.August 1991 berichtete der gerichtlich bestellte Liquidator über den Stand des Rechtsstreites sowie über seine Einschätzung der Prozeßchancen, insbesondere unter Bedachtnahme auf eine angeblich vom damaligen Geschäftsführer der Gesellschaft anerkannte und im Rechtsstreit aufrechnungsweise geltend gemachte Schadenersatzforderung von 0,5 Mio DM sowie unter Berücksichtigung der Forderungspfändung durch die Gesellschaftsgläubigerin. Der Liquidator folgerte, daß die gelöschte Gesellschaft ausschließlich im Interesse ihrer Gläubigerin tätig würde und auch im Fall des Obsiegens im Rechtsstreit keine Aktiven zu erwarten hätte. Der Rechtsstreit erscheine für die gelöschte Gesellschaft nicht zielführend und belaste sie nur mit einem unnötigen Kostenrisiko. Aufgrund dieser Überlegungen stellte der gerichtlich bestellte Liquidator als solcher den Antrag, die Liquidation als beendet zu erklären und den Liuqidator seines Amtes zu entheben. Hilfsweise begehrte er, der Überweisungsgläubigerin die Leistung eines Kostenvorschusses von 1 Mio S zuhanden des Liquidators aufzutragen.
(Im sogenannten Rubrum dieses schriftlichen Antrages bezeichnet der Liquidator nur sich selbst in dieser Eigenschaft als Einschreiter; an das Ende seines Antrages setzte er allerdings die Firma der gelöschten Gesellschaft.)
Das Firmenbuchgericht wies die Anträge des Liquidators ab.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Dazu sprach es aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Liquidator erhebt im eigenen Namen sowie namens der gelöschten Gesellschaft einen außerordentlichen Revisionsrekurs. Die Zulassungsbeschwerde ist wegen der gebotenen Klarstellung der Ziele und Zwecke einer gemäß § 93 Abs 5 GesmbHG oder § 2 Abs 3 ALöschG stattfindenden Liquidation berechtigt, der Revisionsrekurs an sich aber nicht.
Die unter der Annahme einer bestehenden Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöschte Gesellschaft hält in einem anhängigen Rechtsstreit ihren Klagsstandpunkt aufrecht, ihr stünde gegen eine ehemalige Geschäftspartnerin eine 580.000 DM übersteigende Warenkaufpreisforderung zu. Eine Gesellschaftsgläubigerin hat diese eingeklagte Forderung gepfändet. Demgemäß stellte die Gesellschaft auch ihr Klagebegehren auf Zahlung an die betreibende Gläubigerin um.
Weder diese Pfändung noch die prozessuale Geltendmachung von Gegenforderungen änderte etwas an der Rechtszuständigkeit der Gesellschaft an der streitverfangenen Forderung. Diese ist daher ein tauglicher Gegenstand der Liquidation.
Während der Liquidation eingehende Gelder sind zur Befriedigung der Gläubiger zu verwenden. Aufgabe des Liquidators ist es aber auch, aushaftende Forderungen einbringlich zu machen, um sie dann zuvörderst zur Gläubigerbefriedigung zu verwenden. Dies gilt mangels abweichender Regelung uneingeschränkt auch für eine gemäß § 2 Abs 3 ALöschG stattfindende Liquidation (wie auch für eine sogenannte Nachtragsliquidation gemäß § 93 Abs 5 GmbHG).
Erst ein nach Befriedigung oder Sicherstellung der Gesellschaftsschulden verbleibendes Vermögen kann zur Verteilung unter die Gesellschafter gelangen. Das Gesetz umschreibt die Voraussetzung für die (Nachtrags-)Liquidation gemäß § 93 Abs 5 GmbHG bzw § 2 Abs 3 ALöschG mit der Wendung, daß sich nach einer beendeten oder wegen angenommener Vermögenslosigkeit unterbliebenen Liquidation "noch weiteres, der Verteilung unterliegendes Vermögen" oder "das Vorhandensein von Vermögen..., das der Verteilung unterliegt" herausstellt. Damit soll aber keinesfalls gesagt sein, daß Voraussetzung der Einleitung oder Wiederaufnahme der Liquidation gemäß § 2 Abs 3 ALöschG bzw § 93 Abs 5 GmbHG die voraussichtliche Erzielung eines zur Verteilung an die Gesellschafter verbleibenden Reinerlöses sei. Zur ordnungsgemäßen Liquidation gehört eben zuvörderst die weitestmögliche Schuldentilgung.
Der von den Rechtsmittelwerbern vertretene Standpunkt, daß dies nur eine lästige, "nicht zielführende", nämlich zur Erreichung eines zur Verteilung an die Gesellschafter verbleibenden Vermögens untaugliche Mühe wäre, ist geradezu sittenwidrig.
Zu den "Beteiligten", denen § 93 Abs 5 GmbHG die Antragstellung zur Weiterführung einer bereits abgeschlossenen Liquidation einräumt, werden vor allem auch Gesellschaftsgläubiger gezählt (vgl zB Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß5, 324 und Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, 721). Bei der Entscheidung über die Fortführung oder Einstellung einer (Nachtrags-)Liquidation gemäß § 93 Abs 5 GmbHG oder § 2 Abs 3 ALöschG sind vor allem die Interessen solcher "Beteiligter" zu beachten.
Auch die gebotene Verwendung eines von einer Anspruchsverfolgung zu erhoffenden Vermögenseinganges zur Gläubigerbefriedigung, im besonderen also auch die Eintreibung einer Forderung, mag sie auch zur Hereinbringung einer betriebenen höheren Forderung gepfändet worden sein, benimmt einem vermögensrechtlichen Anspruch der Gesellschaft, dessen Erfüllung nach objektiver Beurteilung nicht aussichtslos erscheinen müßte, nicht die Eigenschaft, "der Verteilung zu unterliegen" und damit tauglicher Gegenstand einer (Nachtrags-)Liquidation zu sein.
Die gegenteilige Auffassung der Rechtsmittelwerber verstößt gegen Treu und Glauben im geschäftlichen Verkehr, die es auch bei ordnungsgemäßer Abwicklung zu wahren gilt.
Der auf Leistung eines Kostenvorschusses durch die Gesellschaftsgläubigerin gerichtete Eventualantrag ist nicht Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens.
Dem Revisionsrekurs war aus den dargelegten Erwägungen ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E28610European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00008.92.0227.000Dokumentnummer
JJT_19920227_OGH0002_0060OB00008_9200000_000