Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3.März 1992 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Friedrich, Dr.Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kohout als Schriftführer, in der Strafsache gegen Rudolf W***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs. 1 erster Fall StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 29. November 1991, GZ 27 Vr 259/91-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die "Berufung wegen Schuld" werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung (gegen den Strafausspruch) werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 1.Jänner 1952 geborene R***** W***** - im zweiten Rechtsgang erneut - (1.) des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 erster Fall StGB und der Vergehen (2.) des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 erster Fall StGB,
(3.) des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs. 1 erster Fall StGB und (4.) der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in L***** (1. und 2.) in der Zeit von September 1990 bis Mitte Jänner 1991 seine am 22.April 1977 geborene, somit (damals) unmündige, seiner Erziehung und Aufsicht unterstandene Stieftochter B***** W***** unter Ausnützung seiner Stellung durch mehrmaliges intensives Betasten ihrer Brüste auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht,
(3.) seit Anfang 1989 seinen Stiefkindern B***** W***** und J***** K***** (geboren 1980) sowie seinen ehelichen Kindern M*****a (geboren 1985), M*****o (geboren 1987) und S***** (geboren 1989) W*****, welche seiner Obhut unterstanden und das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, durch fortgesetzte körperliche Mißhandlungen, insbesondere durch Faustschläge gegen den Kopf, Schläge mit der flachen Hand gegen das Gesicht und durch teilweise mit einem Ausreißen von Haarbüscheln verbundenes heftiges Reißen an den Haaren körperliche und seelische Qualen, nämlich Schmerzen und bleibende Angstzustände, zugefügt; (4.) im Jänner 1991 S***** H***** durch die gegenüber seiner Gattin M***** W***** abgegebene Äußerung "Wenn du die S***** siehst, dann richte ihr aus, daß, wenn sie keine Ruhe gibt, ich ihr ein Paar in die 'Goschn hau' oder ihr gleich die Bratpfanne aufsetze und ob sie dann noch aufsteht oder nicht, ist mir egal", somit durch gefährliche Drohung zumindest mit der Zufügung einer Körperverletzung zur Unterlassung des Einmischens in seine Familienangelegenheiten und zur Abstandnahme von einer Anzeigeerstattung beim Jugendamt zu veranlassen versucht.
Der Angeklagte meldete nach der Urteilsverkündung durch seinen Verteidiger "Berufung wegen Schuld, Nichtigkeit und Strafe" an (S 311) und führte in der Folge eine auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit. a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde und eine (allein gegen den Strafausspruch gerichtete) Berufung aus.
Rechtliche Beurteilung
Der nur gegen die Schuldsprüche zu den Fakten 1, 2 und 4 gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich zunächst gegen die tatrichterliche Würdigung der - in der Hauptverhandlung verlesenen (S 310) und dem Angeklagten detailliert vorgehaltenen (S 231 ff, 235 ff, 262 ff, 266 f) - Angaben der Zeugin M***** W***** vor der kriminalpolizeilichen Abteilung der Bundespolizeidirektion L***** am 31.Jänner 1991 sowie jener weiteren Angaben dieser Zeugin, die sie gegenüber S***** H***** (deren Aussage zufolge) zu hier inkriminierten Vorfällen machte. Der hiezu erhobene Einwand, das Erstgericht begründe in keiner Weise, warum es die Aussagen der ehemaligen, nunmehr von ihm geschiedenen Gattin des Angeklagten M***** W***** für glaubwürdig erachtet habe, und lasse zudem eine Auseinandersetzung mit Verfahrensergebnissen vermissen, die (wie ihre damaligen Scheidungstendenzen und ihr Bemühen, dabei von der eigenen Verantwortlichkeit für familiäre Mißstände abzulenken, zu Vorbehalten gegen den Beweiswert dieser Zeugin veranlaßt hätten, setzt sich über wesentliche Urteilspassagen hinweg und läuft im Ergebnis auf den zur Darstellung formeller Begründungsmängel ungeeigneten Versuch hinaus, die tatrichterliche Beweiswürdigung zu den sowohl subjektiven als auch objektiven Komponenten der dem Angeklagten zu den Schuldsprüchen 1. bis 3. angelasteten, sexuell motivierten bzw. sonstigen Tathandlungen gegenüber Stief- und leiblichen Kindern nach Art einer Schuldberufung in Frage zu stellen. Das Erstgericht hat sich nämlich mit den dazu wesentlichen Verfahrensergebnissen, nämlich den polizeilichen Angaben der M***** W*****, die sich (wie bereits im ersten Rechtsgang) gemäß § 152 Abs. 1 Z 1 StPO in der Hauptverhandlung der Aussage entschlug (S 213), den Aussagen der Zeugin S***** H*****, der M***** W***** eine den Angeklagten im Sinn der bekämpften Schuldsprüche belastende und letztlich die Inanspruchnahme behördlicher Abhilfe auslösende Darstellung gegeben hatte, den Angaben der Sozialarbeiterin G***** W*****, den polizeilichen Erhebungsergebnissen wie auch mit den Details der leugnenden Verantwortung des Angeklagten nicht nur einzeln, sondern auch nach ihrem inneren Zusammenhang eingehend auseinandergesetzt und dem Beschwerdestandpunkt zuwider alle für die entscheidungswesentliche Tatsachengrundlage maßgebenden Beweisergebnisse denklogisch überprüfbar mitberücksichtigt. Dies gilt nicht nur für die bis zur Ehescheidung gediehenen Tendenzen der M***** W*****, sich vom Angeklagten bleibend zu trennen, sondern auch für die (nicht allein vom Angeklagten verschuldete) familiäre Verwahrlosung der tatbetroffenen Kinder, den (auf Grund der sicherheitsbehördlichen Erhebungen und der Aussage der Zeugin H***** in Verbindung mit einer spezifisch einschlägigen Vorverurteilung des Angeklagten als erwiesen angenommenen) Sexualbezug der an B***** W***** vollzogenen Brustbetastungen und schließlich auch für die vom Beschwerdeführer problematisierte Frage, inwieweit seine Zurückweisung der Vorhaltungen der Zeugin W***** zu den in Rede stehenden sexuellen Entgleisungen vorbehaltslos war. Zur Reaktion des Angeklagten im Rahmen seiner Konfrontation mit der Sozialarbeiterin geht das angefochtene Urteil ohnedies davon aus, daß sich der Angeklagte "abwehrend und ausweichend" verhielt (S 325). Von diesen Punkt betreffenden, erörterungsbedürftigen Widersprüchen in den Angaben der Zeugin W***** kann umsoweniger die Rede sein, als diese Zeugin in der Hauptverhandlung ausdrücklich auf ihre im Zeitpunkt der polizeilichen Vernehmung intakten Erinnerungen an die Einzelheiten ihres seinerzeitigen Gesprächs mit dem Angeklagten verwies (S 280). Ob der Angeklagte aber beim Betasten der Brüste seiner Stieftochter tatsächlich - wie das Erstgericht annahm - die Absicht hatte, sich geschlechtlich zu erregen, ist für den ersten Deliktsfall des § 207 Abs. 1 StGB tatbestandsirrelevant, weshalb der dazu reklamierte Begründungsmangel keine im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes entscheidende Tatsache betrifft.
Die Mängelrüge ist aber auch nicht im Recht, soweit sie zum Urteilsfaktum 4 das Fehlen jedweder Begründung geltend macht, daß der Tätervorsatz auch die Mitteilung der inkriminierten, gegenüber M***** W***** geäußerten Drohung an die nach dem Wortlaut bedrohte Zeugin H***** miteinschloß. Stützt sich die gerügte Feststellung doch - denklogisch
einwandfrei - ausdrücklich auf den in diesem Punkt eindeutigen Sinngehalt der (die Hintanhaltung weiterer Einflüsse der Zeugin H***** bezweckenden) Einleitung der verbalen Einschüchterung mit den Worten "Wenn du die S***** siehst, dann richte ihr aus ....."
(S 336).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit. a) hinwieder erweist sich insgesamt als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil sie mit den Unterstellungen, S***** H***** habe von ihrer Bedrohung durch den Angeklagten keine Kenntnis erhalten und der Angeklagte habe sich dabei nicht von Nötigungsvorsatz, sondern lediglich von erregungsbedingtem Ärger leiten lassen, durchwegs von urteilsfremden Tatsachenprämissen ausgeht. Lediglich vollständigkeitshalber sei hinzugefügt, daß im (hier aktuellen) Fall einer Nötigung durch Drohung im Wege einer Mittelsperson die Strafbarkeit des Tatversuchs nicht davon abhängt, ob die bedrohte Person von der gegen sie gerichteten Drohung Kenntnis erhielt. Genug daran, daß die in § 15 Abs. 2 StGB normierten Strafbarkeitsvoraussetzungen - wie hier - hinsichtlich der tatbestandsspezifischen Kontaktaufnahme mit der tatplangemäß für die Übermittlung der Drohung vorgesehenen Person erfüllt sind.
Die insgesamt nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 und Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO ebenso bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen wie die (bloß angemeldete) im Rechtsmittelverfahren gegen Urteile von Kollegialgerichten gesetzlich nicht vorgesehene "Berufung wegen Schuld".
Über die (gegen den Strafausspruch gerichtete) Berufung wird das hiefür zuständige Oberlandesgericht Linz zu entscheiden haben (§ 285 i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E28207European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0110OS00012.92.0303.000Dokumentnummer
JJT_19920303_OGH0002_0110OS00012_9200000_000