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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der A GmbH & Co KG in I, vertreten durch Mag. Werner Tschapeller, Wirtschaftsprüfer- und Steuerberater in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 43, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 12. Dezember 2003, GZ. RV/0241-I/03, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte unter anderem für das Jahr 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung, somit betreffend die Einkünftefeststellung für das Jahr 1995, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin hatte im Jahr 1985 eine bebaute Liegenschaft um S 6 Mio. erworben. Einen Teil des Gebäudes (den "vorderen", einstöckigen Gebäudeteil) nutzte die Beschwerdeführerin in der Folge als Autosalon. Ein weiterer Teil des Gebäudes (der "hintere", zweistöckige und Mietwohnungen beinhaltende Gebäudeteil) wurde vermietet.
Im Jahr 1995 wurde das unbestritten noch verwendbare Gebäude im Zuge einer Erweiterung und Modernisierung des Betriebes abgerissen und ein neues Gebäude errichtet.
Zum 31. Dezember 1995 buchte die Beschwerdeführerin die Restbuchwerte des abgerissenen Gebäudes (in Höhe von S 3,394.026,--) als außerplanmäßige Abschreibung aus.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurden im Instanzenzug den Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung folgend die entsprechenden Restbuchwerte zu den Herstellungskosten des Neubaues aktiviert. Begründend verwies die belangte Behörde auf die vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretene Opfertheorie, nach welcher im Fall des Abbruches eines Gebäudes oder eines Gebäudeteiles, dessen Abbruch wegen seines Bauzustandes an sich noch nicht notwendig gewesen wäre und der nur deshalb abgerissen wird, um den Bau eines neuen, den modernen Anforderungen besser entsprechenden Betriebsgebäudes zu ermöglichen, der Unternehmer durch den Abbruch einen wirtschaftlichen Wert für die Errichtung des Neubaues opfere, weshalb weder eine Abschreibung des alten Bauwerkes auf den niedrigeren Teilwert noch eine Absetzung wegen außergewöhnlicher technischer oder wirtschaftlicher Abnutzung zulässig sei. Der Restbuchwert des alten Gebäudes und die Abbruchkosten gehörten vielmehr zu den Herstellungskosten des neuen Gebäudes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Herstellungskosten sind Aufwendungen, die getätigt werden, um ein Wirtschaftsgut neuer Art hervorzubringen. Die Aktivierung der Herstellungskosten hält den Herstellungsvorgang gewinnneutral (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2005, 2002/14/0039, sowie Mayr, Gewinnrealisierung, Manz Verlag, Wien 2001, 142, sowie Zorn, Gewinnrealisierung im Steuerrecht, RdW 2001, 580). Wird ein Gebäude errichtet, bilden die Aufwendungen, die gemacht werden, um durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Dienstleistungen das Gebäude zu schaffen, die Herstellungskosten.
Im Beschwerdefall hat der Steuerpflichtige ein seit längerem in seinem Eigentum stehendes Gebäude abgerissen, um das neue Gebäude errichten zu können.
In zu Vorgängergesetzen des EStG 1988 ergangenen Erkenntnissen (vgl. etwa das hg Erkenntnis vom 9. Juni 1980, 55, 186/79 mwN) hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass bei vergleichbaren Sachverhaltskonstellationen der Buchwert eines noch brauchbaren Gebäudes sowie die Abbruchkosten zu den Herstellungskosten des neuen Gebäudes zu rechnen sind (so genannte Opfertheorie).
Bereits im Erkenntnis vom 27. April 2005, 2000/14/0110, hat der Verwaltungsgerichtshof allerdings in Frage gestellt, ob der Opfertheorie im Anwendungsbereich des EStG 1988 noch Bedeutung zukommt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 21. September 2005, 2001/13/0278, sowie dazu weiters RdW 2005/588, S. 509, Gruber/Klostermann, VwGH: Abkehr von der "Opfertheorie", taxlex 2005, 437 ff, und Fraberger, VwGH: Gilt die "Opfertheorie" im EStG 1988 noch ?, GeS 2005, 442 ff).
Der Verwaltungsgerichtshof hält für den Geltungsbereich des EStG 1988 jedenfalls bei der im Beschwerdefall zu beurteilenden Sachverhaltskonstellation (schon länger vom Unternehmer genutzte Gebäude) im Hinblick darauf, dass Altgebäude einerseits und Neugebäude andererseits auch nicht als das nämliche Wirtschaftsgut angesehen werden können, an der Opfertheorie nicht fest. Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören in diesem Fall weder Buchwert noch Kosten der Beseitigung eines anderen Wirtschaftsgutes (vgl auch Beiser, Opfertheorie trotz Gebäudeabbruch ?, ÖStZ 2004/143, S. 66, der auch zutreffend darauf verweist, dass in einem solchen Fall der Buchwert des Altgebäudes und die Abbruchkosten den Wert des Neugebäudes nicht erhöhen, und Doralt/Mayr, EStG6, Tz 89 zu § 6, und Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 76 zu § 6).
Der Befassung eines verstärkten Senates bedurfte es nicht, weil die angeführte Judikatur zu den Vorgängergesetzen des EStG 1988 ergangen ist (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, 162).
Da die belangte Behörde ihre Entscheidung vor dem Hintergrund der Opfertheorie getroffen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der pauschalierte Schriftsatzaufwand in der genannten Verordnung 991,20 EUR beträgt und darin die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
Wien, am 25. Jänner 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003140107.X00Im RIS seit
06.04.2006Zuletzt aktualisiert am
17.05.2013