Index
L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Aufhebung einer Kanalgebührenordnung zur Gänze mangels ausreichenderKundmachung; inhaltliche Gesetzwidrigkeit der Festlegung einer imWiderspruch zum Finanzausgleichsgesetz als Benützungsgebühr und nichtals Interessentenbeitrag gewerteten Kanalanschlußgebühr wegenfehlender landesgesetzlicher ErmächtigungSpruch
Die Kanalgebührenordnung der Gemeinde Kirchdorf in Tirol vom 22. Dezember 1981, kundgemacht durch Auflage in einem Zimmer des Gemeindeamtes vom 23. Dezember 1981 bis zum 11. Jänner 1982, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. März 2002 in Kraft.
Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B2387/98 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:
Mit Bescheid vom 2. April 1998 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Kirchdorf in Tirol dem Beschwerdeführer die Baubewilligung für ein Bauvorhaben. In der Folge schrieb er dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 15. April 1998 eine Kanalanschlußgebühr von S 490.521,63 (einschließlich 10 % USt.) vor. Der Gemeindevorstand der Gemeinde Kirchdorf in Tirol gab mit Bescheid vom 30. September 1998 einer Berufung keine Folge, nachdem bereits der Bürgermeister eine abweisende Berufungsvorentscheidung erlassen hatte.
Mit Bescheid vom 3. November 1998 wies die Tiroler Landesregierung eine Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Berufungsbescheid ab; begründend berief sie sich auf die geltende Rechtslage.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.
2. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §2 Z2 und 4 der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Kirchdorf in Tirol vom 22. Dezember 1981 (in der Folge: KanalgebührenO) entstanden. Der Gerichtshof hat daher beschlossen, diese Bestimmungen von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
Im verfassungsgerichtlichen Verfahren sind keine Äußerungen abgegeben worden.
3. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
3.1. §14 Abs1 des - hier maßgeblichen - Finanzausgleichsgesetzes 1997, Art65 BG BGBl. 201/1996 (FAG 1997), lautet auszugsweise:
"Ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben sind insbesondere:
1. - 14. ...
15.
Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern;
16.
Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen;
17. ..."
§15 Abs3 FAG 1997 lautet auszugsweise:
"Die Gemeinden werden ferner ermächtigt, durch Beschluß der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:
1. - 4. ...
5. Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt."
Vergleichbare Bestimmungen (mit Ausnahme des doppelten Jahreserfordernisses) enthielt auch das Finanzausgleichsgesetz 1979 BGBl. 673 in §14 Abs1 Z14 und 15 sowie in §15 Abs3.
3.2.1. Das Tiroler Kanalisationsgesetz, LGBl. 40/1985 idF 50/1986, lautete auszugsweise:
"§8
Anschlußbereich, Trennstelle
(1) Für jede öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage ist unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit der Anschlußbereich durch Verordnung des Gemeinderates in der Weise festzulegen, daß der Abstand zwischen der Achse des jeweiligen Sammelkanals und der Grenze des Anschlußbereiches festgesetzt wird. ...
(2) ...
§9
Anschlußpflicht, Anschlußrecht
(1) Anschlußpflichtig sind folgende Anlagen auf Grundstücken, die ganz oder teilweise im Anschlußbereich liegen: ...
(2) Die Behörde kann für bauliche Anlagen auf Grundstücken außerhalb des Anschlußbereiches die Anschlußpflicht festlegen, ...
(3) Die Behörde hat nach dem Eintritt der Rechtskraft der wasserrechtlichen Bewilligung für den betreffenden Sammelkanal einer öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage hinsichtlich der zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Anlagen mit schriftlichem Bescheid auszusprechen, daß eine Anlage nach Abs1 anschlußpflichtig ist, oder die Anschlußpflicht für eine bauliche Anlage nach Abs2 festzulegen. Hinsichtlich der Anlagen, die nach diesem Zeitpunkt errichtet werden, hat die Behörde jeweils nach der Einbringung des Ansuchens um Erteilung der Baubewilligung mit schriftlichem Bescheid auszusprechen, daß eine Anlage nach Abs1 anschlußpflichtig ist, oder die Anschlußpflicht für eine bauliche Anlage nach Abs2 festzulegen.
(4) In einem Bescheid nach Abs3 erster Satz ist der Eigentümer der anschlußpflichtigen Anlage, in einem Bescheid nach Abs3 zweiter Satz ist der Bauwerber der anschlußpflichtigen baulichen Anlage aufzufordern, innerhalb einer angemessenen, sechs Monate nicht übersteigenden Frist der Behörde jene Unterlagen vorzulegen, die zur Beurteilung der Beschaffenheit und der Menge der bei der Anlage anfallenden Abwässer erforderlich sind. Bei anschlußpflichtigen Anlagen im Sinne des Abs1 lita bis c ist überdies ein Lageplan vorzulegen, aus dem die genaue Lage der vorgesehenen Trennstelle hervorgeht.
(5) - (6) ...
§11
Anschlußbescheid
(1) Die Behörde hat innerhalb von sechs Monaten nach der Vorlage der nach §9 Abs4 erforderlichen Unterlagen die näheren Bestimmungen für den Anschluß der betreffenden Anlage an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage mit schriftlichem Bescheid festzulegen (Anschlußbescheid).
(2) Im Anschlußbescheid sind jedenfalls festzulegen:
a) - c) ...
d) im Falle des Anschlusses einer bereits bestehenden Anlage im Sinne des §9 Abs1 lita bis c eine angemessene, ein Jahr nicht übersteigende Frist für die Herstellung der Grundleitungen einschließlich der allenfalls erforderlichen Vorreinigungsanlagen, im Falle des Anschlusses eines Sammelkanals einer privaten Abwasserbeseitigungsanlage eine angemessene Frist für die Herstellung des Anschlusses an den Sammelkanal der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage,
e) ...
f) im Falle des Anschlusses einer Anlage im Sinne des §9 Abs1 lita bis c den Zeitpunkt, ab dem das bei der Anlage anfallende Schmutzwasser und, sofern die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage auch zur Beseitigung von Niederschlagswässern bestimmt ist, Niederschlagswasser ausschließlich in die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage abgeleitet werden muß.
(3) - (4) ..."
3.2.2. Dieses Gesetz steht seit 12. Jänner 2001 nicht mehr in Kraft (§18 Abs3 lita Tiroler KanalisationsG 2000, LGBl. 1/2001); dies hat aber für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung.
3.3.1. Die KanalgebührenO lautet auszugsweise (die in Prüfung genommenen Wortfolgen sind hervorgehoben):
"KANALGEBÜHRENORDNUNG FÜR DIE GEMEINDE KIRCHDORF IN TIROL
Der Gemeinderat von Kirchdorf in Tirol beschließt in seiner Sitzung vom 22.12.1981 auf Grund des §15 Absatz 3 Z. 4 FAG 1979 in Verbindung mit §30 Abs1 Gemeindeabgabengesetz 1935 in der Fassung der Textverordnung LGBl. Nr.43/1935 nachstehende Kanalgebührenordnung.
§1
EINTEILUNG DER GEBÜHREN
Für die Benützung der Gemeindekanalanlage Kirchdorf i.T. erhebt die Gemeinde Gebühren, und zwar:
a) eine einmalige Anschlußgebühr
b) eine Mindestanschlußgebühr für unbebaute Baugrundstücke
c) eine jährlich wiederkehrende Kanalbenützungsgebühr
d) bei Anschluß der Gemeindekanalanlage an eine Zentralkläranlage (auch biologische Gemeindekläranlage) eine Erweiterungsgebühr.
§2
ANSCHLUSSGEBÜHREN
1. Die Gemeinde erhebt für die Errichtung des Kanalanschlusses eine Anschlußgebühr.
2. Die Gebührenpflicht erstreckt sich:
a) auf alle im §2 Abs2 der Kanalordnung angeführten Gebäude bzw. Grundstücke
b) auf alle im erschließbaren Bereich (§2 Abs2 der Kanalordnung) der Kanalanlage gelegenen unbebauten Baugrundstücke; Baugrundstücke sind als Bauland gewidmete Grundstücke.
3. Die Gebührenpflicht entsteht für jedes im Anschlußbereich einer projektierten Kanalanlage liegende bebaute Grundstück oder gewidmete Baugrundstück (Parzelle) einen Monat nachdem mit dem Bau der Anlage in dem Bauabschnittsbereich in dem es liegt, begonnen wurde.
4. Die Gebührenpflicht für bebaute Grundstücke, die sich im Erschließungsbereich einer bereits fertiggestellten oder ausgebauten Kanalanlage befinden, entsteht mit der Rechtskraft der Aufforderung zum Anschluß, bei freiwilligem Anschluß mit dem Zeitpunkt der Antragstellung.
Für unbebaute Baugrundstücke entsteht diese 1 Monat nach rechtskräftiger Baulandwidmung.
5. Bei An-, Neu-, Auf- und Umbauten und bei Wiederaufbau von abgerissenen oder zerstörten Bauten entsteht die Beitragspflicht nur insoweit, als die neue Bemessungsgrundlage den Umfang der früheren übersteigt.
Voraussetzung ist allerdings, daß für das Gebäude bzw. Grundstück die Anschlußgebühr bereits einmal entrichtet wurde.
6. Für die Benützung der Gemeindekanalanlage durch Dach- bzw. Traufenwasser erhebt die Gemeinde eine einmalige Gebühr, die sich nach der Dachfläche des angeschlossenen Objektes bemißt (Traufengebühr).
7. Für die Benützung der Gemeindekanalanlage durch Hof- bzw. Straßeneinläufe wird je Einlauf eine einmalige Gebühr eingehoben.
§3
KANALBENÜTZUNGSGEBÜHR
...
§4
BEMESSUNGSGRUNDLAGE UND HÖHE DER ANSCHLUSSGEBÜHREN (§2)
1. Bemessungsgrundlage ist die verbaute Grundfläche vervielfacht mit der Anzahl der Geschoße, wobei Keller, ausgebaute oder ausbaufähige Dachgeschoße als je ein Geschoß gelten. Die Ausbaufähigkeit ist nach den Vorschriften der Tiroler Bauordnung zu beurteilen.
2. Die Anschlußgebühr beträgt S. 50,- pro m2 verbaute Fläche und Stockwerk der Bemessungsgrundlage.
3. Als Mindestanschlußgebühr für Gebäude und unbebaute Baugrundstücke wird eine verbaute Fläche von 250 m2 als Bemessungsgrundlage herangezogen.
Bei einer Bebauung unbebauter Grundstücke wird diese der tatsächlichen Anschlußgebühr in Anrechnung gebracht.
4. Die Traufengebühr beträgt S. 15,- pro m2 angeschlossene Dachfläche.
5. Für Hof- und Straßenabläufe beträgt die Anschlußgebühr
S. 3.000,- je Ablauf.
6. Bei landwirtschaftlichen Betrieben wird für Tenne, Stall und landwirtschaftliche Maschinenhallen keine Anschlußgebühr erhoben.
7. Die Erweiterungsgebühr beträgt S. --- pro m2 der Bemessungsgrundlage nach Abs1.
8. In besonders gelagerten Fällen kann der Gemeinderat abweichend der vorstehenden Bestimmungen die Anschlußgebühr berechnen.
§5
BEMESSUNGSGRUNDLAGE UND HÖHE DER
KANALBENÜTZUNGSGEBÜHR
...
§6
GEBÜHRENSCHULDNER
Zur Entrichtung der Gebühren sind die Eigentümer der angeschlossenen Gebäude und Grundstücke verpflichtet.
§7
VERFAHRENSBESTIMMUNGEN
Für alle im Zusammenhang mit der Kanalgebührenordnung in Betracht kommenden Verfahrensfragen, insbesondere für das Strafverfahren, gelten die einschlägigen Bestimmungen der Tiroler Landesabgabenordnung.
§8
SONDERBESTIMMUNGEN
...
§9
INKRAFTTRETEN
Diese Kanalordnung tritt mit 1.1.1982 in Kraft."
(Der letzte Paragraph dürfte ein Redaktionsversehen enthalten; gemeint ist offenkundig nicht eine "Kanalordnung", sondern die KanalgebührenO.)
3.3.2. Am 17. November 1997 beschloß der Gemeinderat der Gemeinde Kirchdorf eine Verordnung, mit der verschiedene Gebühren, Steuern und Hebesätze festgelegt wurden, so auch die "Kanalanschlußgebühr pro m2 verbaute Fläche/Stockwerke" mit S 125,-. Die entsprechende Kundmachung wurde vom 19. November 1997 bis zum 9. Dezember 1997 an der Amtstafel angeschlagen.
3.4. §2 der Kanalordnung der Gemeinde Kirchdorf in Tirol vom 26. Jänner 1979 lautet auszugsweise:
"§2 Anschluß und Benützungszwang:
(1) Für alle im erschließbaren Bereich der Gemeindekanalanlage gelegenen Gebäude besteht Anschluß- und Benützungszwang.
(2) Der erschließbare Bereich umfaßt alle bis zu 100 Meter von einem Haupt- oder Nebenkanalstrang entfernten bebauten Grundstücke des Gemeindegebietes, soferne die Höhenlage und die Beschaffenheit der Kanalanlage den Anschluß zulassen.
(3) Bestehende Gebäude sind innerhalb eines Jahres nach rechtskräftiger Aufforderung durch die Gemeinde, Neubauten vor ihrer Benützung an die Kanalanlage anzuschließen.
In besonderen Fällen kann die Gemeinde die einjährige Frist zum Anschluß eines bestehenden Gebäudes um höchstens ein Jahr verlängern.
(4) ..."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. In seinem Einleitungsbeschluß nahm der Gerichtshof vorläufig an, daß die Beschwerde zulässig sei, daß die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides die in Prüfung genommenen - miteinander in untrennbarem Zusammenhang stehenden - Verordnungsstellen angewandt habe und daß auch der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmungen bei der Beurteilung der Beschwerde anzuwenden habe.
Der Gerichtshof ging weiters vorläufig davon aus, daß mit der "Aufforderung zum Anschluß", mit deren Rechtskraft gemäß §2 Z4 erster Satz KanalgebührenO die Gebührenpflicht entsteht, der in §11 KanalisationsG vorgesehene Anschlußbescheid angesprochen sei. Zwar scheine ein derartiger Bescheid im Verwaltungsverfahren nicht ergangen zu sein, dennoch dürfte die belangte Behörde auch unter diesem Aspekt die in Prüfung gezogenen Verordnungsstellen anzuwenden gehabt haben: Sie hätte nämlich anscheinend überprüfen müssen, ob die Gemeindeinstanzen eine Kanalanschlußgebühr vorschreiben durften; dabei hätte sie anscheinend §2 Z4 KanalgebührenO anzuwenden gehabt, der mit §2 Z2 KanalgebührenO in untrennbarem Zusammenhang zu stehen scheine.
Er nahm weiters vorläufig an, daß die KanalgebührenO eine Verordnung iSd Art18, 139 B-VG sei (vgl. VfGH 7.3.2001, V5/01 uva.) und daß sie in einer Form behördlich kundgemacht worden sei, die ausreichende Publizität gewährleiste (vgl. VfSlg. 12382/1990, S 590 f. mwN): Es sei eine Kundmachung öffentlich angeschlagen worden, in der darauf hingewiesen worden sei, daß die KanalgebührenO beschlossen worden sei und daß sie während einer bestimmten Frist in einem bestimmten Raum (des Gemeindeamtes) zur Einsicht aufliege.
1.2. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was daran zweifeln ließe, daß die diesbezüglichen Annahmen im Prüfungsbeschluß zutreffen.
Das Verordnungsprüfungsverfahren ist daher zulässig.
2.1.1. In der Sache hegte der Gerichtshof zunächst das Bedenken, daß die KanalgebührenO nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden sei.
2.1.1.1. Die vorgelegten Verordnungsakten enthalten eine "Kundmachung" mit folgendem Wortlaut:
"KUNDMACHUNG
Der Gemeinderat der Gemeinde Kirchdorf in Tirol hat in seiner allgemein öffentlichen Sitzung vom 22.12.1981 mit Wirksamkeit vom 1.1.1982 eine KANALGEBÜHRENORDNUNG beschlossen.
In diese Satzung kann während der nachstehend angeführten Kundmachungsfrist beim Gemeindeamt Kirchdorf i.T., 1. Stock, Zimmer Nr.4, Einsicht genommen werden.
Wer sich durch den oben angeführten Beschluß des Gemeinderates in seinen Rechten verletzt fühlt, kann innerhalb der Kundmachungsfrist beim Gemeindeamt Aufsichtsbeschwerde erheben. Diese ist schriftlich einzubringen."
Diese Kundmachung ist nach dem darauf angebrachten Vermerk am 23. Dezember 1981 angeschlagen und am 11. Jänner 1982 abgenommen worden.
2.1.1.2. Dazu führte der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß aus:
"§53 Abs1 der Tiroler Gemeindeordnung schreibt vor, daß '(a)lle Beschlüsse und Verfügungen der Gemeindeorgane, die Verpflichtungen oder Belastungen der Gemeindebewohner zum Inhalt haben ..., ... binnen einer Woche nach Beschlußfassung durch öffentlichen Anschlag während zweier Wochen und in sonst ortsüblicher Weise in der Gemeinde kundzumachen' sind. Zu diesen 'Beschlüssen und Verfügungen' dürften auch Verordnungen wie die KanalgebührenO gehören (VfSlg. 9889/1983, vgl. auch VfSlg. 13811/1994 und VfGH 29.9.2000, V91/97). ..."
Im Prüfungsbeschluß wird sodann die oben geschilderte "Kundmachung" wiedergegeben und weiter ausgeführt, der Gerichtshof nehme vorläufig an,
"daß durch den öffentlichen Anschlag einer derartigen Kundmachung, die den Text der kundzumachenden Verordnung nicht enthält, dem Erfordernis des §53 Abs1 Tiroler Gemeindeordnung nicht entsprochen wird. Die bloße Auflage des kundzumachenden Textes zur Einsichtnahme in einem Raum des Gemeindeamtes dürfte dieser Vorschrift gleichfalls nicht genügen, weil dabei von einem 'öffentlichen Anschlag' - nach dem Wortsinn dieser Bestimmung - anscheinend nicht mehr gesprochen werden kann (vgl. VfSlg. 14689/1996).
Die Verordnung vom 17. November 1997, die ihrem Inhalt nach den §4 Z2 KanalgebührenO (und weitere, hier nicht relevante Teile dieser Verordnung) novellierte, wird von diesem Bedenken nicht betroffen. Der Verfassungsgerichtshof geht jedoch davon aus, daß die ordnungsgemäße Kundmachung einer Novelle, die sich - wie hier - nur auf kurze Wortfolgen der Stammverordnung bezieht, den Kundmachungsmangel dieser Stammvorschrift nicht sanieren kann."
2.1.2. Der Verfassungsgerichtshof hegte gegen die in Prüfung genommenen Verordnungsstellen aber auch das weitere Bedenken, daß es keine gesetzliche Grundlage gebe, welche die Gemeinde Kirchdorf ermächtige, Kanalanschlußgebühren wie die in der KanalgebührenO geregelten vorzuschreiben. Dazu führte er im Prüfungsbeschluß aus:
"Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg. 10947/1986 Anschlußgebühren dann als Benützungsgebühren iSd §15 Abs3 Z5 FAG qualifiziert, wenn sie in einem förmlichen Benützungsverhältnis, und zwar immer am Beginn eines solchen, entstehen. Gemäß §2 Z4 erster Satz KanalgebührenO entsteht die Gebührenpflicht mit der Rechtskraft der Aufforderung zum Anschluß (bei freiwilligem Anschluß mit dem Zeitpunkt der Antragstellung). Mit der 'Aufforderung zum Anschluß' dürfte der in §11 KanalisationsG geregelte Anschlußbescheid angesprochen sein ... . Die Gebührenpflicht dürfte daher, wie sich insbesondere aus §11 Abs1 iVm Abs2 litd und f sowie iVm §9 Abs3 zweiter Satz und Abs4 KanalisationsG zu ergeben scheint, unter Umständen bereits entstehen, bevor der Anschluß möglich ist und benützt werden kann, sohin unabhängig davon, ob die anschlußpflichtige Anlage an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen ist oder nicht (vgl. VfGH 7.3.2001, V5/01).
Der Verfassungsgerichtshof hat eine Wasseranschlußgebühr, die unmittelbar am Beginn eines förmlichen Benützungsverhältnisses stand, als Benützungsgebühr (VfSlg. 10947/1986), hingegen einen Kanalisationsbeitrag nach dem Steiermärkischen Kanalabgabengesetz, nach dem der Beitrag ohne Rücksicht darauf zu leisten ist, ob die anschlußpflichtigen Liegenschaften an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen sind oder nicht, als Interessentenbeitrag qualifiziert (VfSlg. 10947/1986, 11376/1987, 15608/1999; vgl. auch VfSlg. 11244/1987), ebenso eine Anschlußgebühr nach der Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental, nach der die Gebührenpflicht - wie hier - mit Eintritt der Rechtskraft des Anschlußbescheides entstand (VfGH 7.3.2001, V5/01).
Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, daß es sich bei der Anschlußgebühr nach §2 der KanalgebührenO nicht um eine Benützungsgebühr iSd §14 Abs1 Z16, §15 Abs3 Z5 FAG 1997, sondern um einen Interessentenbeitrag iSd §14 Abs1 Z15 FAG 1997 handelt. Solche Interessentenbeiträge sind ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben, die, sollen sie aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung erhoben werden, gemäß §8 Abs5 F-VG eines Landesgesetzes bedürfen, das die Gemeinden zur Erhebung solcher Abgaben ermächtigt (vgl. VfSlg. 10947/1986; VfGH 7.3.2001, V5/01). Der Verfassungsgerichtshof hegt nun das Bedenken, daß ein solches Gesetz, welches die Gemeinden des Bundeslandes Tirol zur Erhebung von Interessentenbeiträgen im allgemeinen oder zur Einhebung einer Anschlußgebühr nach der KanalgebührenO im besonderen ermächtigte, nicht besteht. Auch die belangte Behörde hat eingeräumt, daß der Tiroler Landesgesetzgeber ein 'Interessentenbeiträgegesetz' (noch) nicht erlassen hat.
Die Präambel der KanalgebührenO beruft sich auch auf §30 Abs1 GemeindeabgabenG 1935 LGBl. 43. Auch darauf dürfte die KanalgebührenO jedoch nicht gestützt werden können, weil auch §30 Abs1 dieses Gesetzes anscheinend nur Benützungsgebühren, nicht aber Interessentenbeiträge im dargelegten Sinn im Auge hat und weil diese Bestimmung überdies bereits spätestens mit 1. Jänner 1993 außer Kraft getreten sein dürfte (§§1, 2 Tiroler RechtsbereinigungsG LGBl. 5/1993 sowie Z9 der Anlage zu diesem Gesetz).
Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 7. März 2001, V5/01, Bestimmungen der Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental als gesetzwidrig aufgehoben, die eine Anschlußgebühr vorsahen; die rechtliche Konstruktion im Beschwerdefall ist anscheinend ähnlich derjenigen in jenem Fall."
2.2. Diese Bedenken haben sich als zutreffend erwiesen: Die KanalgebührenO ist nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden, und §2 Z2 und 4 der KanalgebührenO ist aus denselben Gründen gesetzwidrig, aus denen die vergleichbaren Bestimmungen der KanalgebührenO der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental gesetzwidrig waren (VfGH 7.3.2001, V5/01).
2.3. Nach Art139 Abs3 litc B-VG hat der Verfassungsgerichtshof, wenn er zur Auffassung gelangt, daß die ganze Verordnung in gesetzwidriger Weise kundgemacht wurde, die ganze Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben. Da ein Hindernis im Sinne des letzten Satzes des Art139 Abs3 B-VG nicht vorliegt, hat der Verfassungsgerichtshof im Sinne dieser Vorschrift vorzugehen (vgl. ua. VfSlg. 10518/1985, 10719/1985, 12004/1989).
Die KanalabgabenO war daher zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.
2.4. Die Aussprüche über die Bestimmung einer Frist und über die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung gründen sich auf Art139 Abs5 B-VG.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
Abgabenbegriff, Gebühr, Interessentenbeiträge, Finanzverfassung,Finanzausgleich, Kanalisation Abgaben, Verordnung Kundmachung, VfGH /VerwerfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:V66.2001Zuletzt aktualisiert am
23.10.2009