Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz S*****, Maler- und Anstreichermeister, ***** D***** 105, vertreten durch Dr. Wolfgang Reinisch, Rechtsanwalt in Bad Radkersburg, wider die beklagte Partei Dr. Christina S*****, Zahnärztin,
***** M*****-K*****-Allee 13, wegen S 104.368,70 s.A. infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungs- und Rekursgericht vom 9. Dezember 1991, GZ 6 R 144,145,146/91-51, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 17.Dezember 1990, GZ 24 Cg 21/90-42, sowie die Rekurse der beklagten Partei gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 31.Jänner 1991, GZ 24 Cg 21/90-40, und vom 13. Mai 1991, GZ 24 Cg 21/90-47, teils zurück-, teils abgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen, soweit er die Zurückweisung des Rekurses gegen den Beschluß ON 40 (Punkt 2 der zweitinstanzlichen Entscheidung) und die Bestätigung des Beschlusses ON 47 (Punkt 3 der zweitinstanzlichen Entscheidung) bekämpft.
Im übrigen (betreffend Punkt 1 der zweitinstanzlichen Entscheidung, mit der die Berufung gegen das Urteil ON 42 zurückgewiesen wurde) werden die Akten dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, der beklagten Partei gemäß §§ 84, 85 ZPO die Verbesserung des Revisionsrekurses durch Beisetzung der Unterschrift eines Rechtsanwaltes zu ermöglichen.
Text
Begründung:
1.) Zur Zurückweisung des Revisionsrekurses gegen Punkt 2 der zweitinstanzlichen Entscheidung (5 Ob 1512/92):
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 31.1.1991, 24 Cg 21/90-40, wurde der nicht weiter begründete Antrag der Beklagten abgewiesen, "ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen und eine ordentliche Verhandlung auszuschreiben."
Dieser Beschluß wurde dem damaligen Beklagtenvertreter (einem im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt) am 6.2.1991 zugestellt; der dagegen von der Beklagten selbst verfaßte und auch nur von ihr unterschriebene Rekurs ist laut angeschlossenem Kuvert am 21.2.1991 zur Post gegeben worden.
Das Rekursgericht wies dieses Rechtsmittel als verspätet zurück, ohne ein Verbesserungsverfahren einzuleiten. Es wäre sinnlos, ein ohnehin verspätetes Rechtsmittel verbessern zu lassen; außerdem sei gerichtsbekannt, daß die Beklagte Verbesserungsaufträge - etwa zur Beibringung der Unterschrift eines Rechtsanwalts - nicht befolge. Unabhängig davon wäre dem Rechtsmittel ein Erfolg zu versagen, weil sich aus dem abgewiesenen Wiedereinsetzungsantrag weder eine versäumte Tagsatzung noch eine versäumte Prozeßhandlung erkennen lasse.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß kein weiteres ordentliches Rechtsmittel zulässig sei.
Im nunmehr vorliegenden ao Revisionsrekurs, der wiederum keine Anwaltsunterschrift trägt, behauptet die Beklagte, den Rekurs gegen die Abweisung ihres Wiedereinsetzungsantrages am 20.2.1991 (also am letzten Tag der vierzehntägigen Rechtsmittelfrist) zur Post gegeben zu haben. Ihr Rekursantrag zielt auf eine Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses.
Dieses Rechtsmittel ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes ist der Revisionsrekurs nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (§ 528 Abs 1 ZPO). In diesem Sinn wurde zwar die falsche Berechnung einer Rechtsmittelfrist durch die zweite Instanz als revisibel erkannt (3 Ob 102/89; 7 Ob 522/91), doch geht es hier lediglich um die Tatfrage, wann der Rekurs gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages der Beklagten zur Post gegeben wurde. Eine solche Tatfrage könnte nur dann die Zulässigkeit des Revisionsrekurses begründen, wenn sie unter Verletzung tragender Verfahrensgrundsätze, etwa auf aktenwidriger Grundlage, gelöst wurde, weil diesfalls die Rechtssicherheit gefährdet wäre (vgl SZ 59/101; ÖA 1988, 53; 5 Ob 545/91). Hier ist jedoch die Verspätung des Rechtsmittels durch einen klar lesbaren Postaufgabestempel auf dem Kuvert belegt, sodaß sich der Oberste Gerichtshof mit der Bestreitung des vom Rekursgericht angenommenen Sachverhalts nicht befassen kann. Daß für den Rekurs ON 41 die vierzehntägige Rechtsmittelfrist des § 521 Abs 1 ZPO galt und diese Frist am 20.2.1991 abgelaufen ist, wird von der Beklagten gar nicht in Frage gestellt.
Zutreffend hat das Rekursgericht auch erkannt, daß ein ohnehin verspätetes Rechtsmittel nicht zu verbessern ist (vgl RZ 1990, 96/39 uva zur Behandlung unzulässiger Rechtsmittel). Der Mangel der anwaltlichen Fertigung des Rekurses ON 41 und des diesbezüglichen ao Revisionsrekurses war daher nicht weiter zu beachten. Auch die Frage, ob wegen der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Rekursgründen (siehe dazu den zweiten Absatz auf S 5 des angefochtenen Beschlusses) der Zurückweisungsgrund des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO greifen würde (vgl RZ 1977/37), kann auf sich beruhen.
2.) Zur Zurückweisung des Revisionsrekurses gegen Punkt 3 der zweitinstanzlichen Entscheidung (5 Ob 503/92):
Mit Beschluß vom 13.5.1991, 24 Cg 21/90-47, hat das Erstgericht der Beklagten die Verfahrenshilfe entzogen; das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und erklärte insoweit den Revisionsrekurs für jedenfalls unzulässig.
Der dagegen von der Beklagten erhobene Revisionsrekurs war zurückzuweisen, weil § 528 Abs 2 Z 4 ZPO die Anrufung des Obersten Gerichtshofes in Angelegenheiten der Verfahrenshilfe verbietet. Dieser Rechtsmittelausschluß erfaßt alle nach den Vorschriften der § 63 bis 71 ZPO ergangenen Entscheidungen, insbesondere auch die Entziehung der Verfahrenshilfe (EvBl 1985/30; 5 Ob 546/91; Fasching, Zivilprozeßrecht2, Rz 2020).
3.) Zum Revisionsrekurs gegen die Zurückweisung der Berufung ON 43 und 45 (5 Ob 502/92):
Das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichtes vom 17.12.1990, 24 Cg 21/90-42, wurde dem damaligen Vertreter (Verfahrenshelfer) der Beklagten am 13.3.1991 zugestellt. Am 10.4.1991, also am letzten Tag der Rechtsmittelfrist, langte beim Erstgericht ein am 9.4.1991 aufgegebenes Telegramm der Beklagten ein, in dem diese unter Anführung der Rechtssache "Berufung wegen Widerrechtlichkeit" mit dem "Antrag auf Behebung in eventu Neudurchführung des Verfahrens" erhob (ON 43). Das Erstgericht wartete zunächst drei Tage ab, ob dieses Rechtsmittel vom "Armenvertreter" der Beklagten bestätigt wird, und verfügte schließlich am 18.4.1991 die Zustellung der ON 43 an den Beklagtenvertreter "zur allfälligen Verbesserung binnen 14 Tagen". Diese Aufforderung wurde dem Verfahrenshelfer der Beklagten am 22.4.1991 zugestellt; am 6.5.1991, also am letzten Tag der Verbesserungsfrist, überreichte dieser beim Erstgericht eine Ausführung der Berufung (ON 45).
Mit dem angefochtenen Beschluß (Punkt 1) wies das Berufungsgericht dieses Rechtsmittel mit der Begründung zurück, daß für eine Verbesserung der fehlerhaften Berufung ON 43 gar kein Anlaß bestanden habe. Die Beklagte sei im Rahmen der Verfahrenshilfe durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen; die selbst verfaßte Berufung habe sie - wie in zahlreichen anderen Verfahren - offenbar nur eingebracht, um ein Verbesserungsverfahren zu provozieren und Zeit zu gewinnen. Ein solcher Mißbrauch lasse die Verbesserung eines nicht den Form- und Inhaltserfordernissen entsprechenden Rechtsmittels nicht zu (E 4 - 6 zu § 84 ZPO, MGA14; Fasching, Zivilprozeß2, Rz 518; Konecny, Zur Erweiterung der Verbesserungsvorschriften durch die ZVN 1983, JBl 1984, 20). Die Eingabe ON 43 sei unbeachtlich, die vom Verfahrenshelfer verfaßte Berufungsschrift ON 45 verspätet.
Gegen diesen Beschluß hat die Beklagte fristgerecht Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, die Zurückweisung der Berufung zu beheben, in eventu das Verfahren neu durchzuführen und einen neuen Beschluß zu fassen. Dieses Rechtsmittel trägt zwar keine Anwaltsunterschrift, ist jedoch von der Sache her grundsätzlich zulässig, weil ein Fall des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vorliegt. Folgerichtig hätte der Beklagten - was auch dem Berufungsgericht durchaus bewußt war - gemäß § 520 Abs 1 ZPO iVm §§ 84, 85 ZPO die Möglichkeit zur Verbesserung des Revisionsrekurses gegeben werden müssen (4 Ob 563/91), doch wurde davon wegen offenkundigen Mißbrauchs der Verbesserungsbestimmungen Abstand genommen.
Ein solcher Mißbrauch ist nicht auszuschließen, bei der derzeitigen Aktenlage jedoch nicht mit der nötigen Sicherheit festzustellen.
Es trifft zu, daß einer Partei die Möglichkeit einer Verbesserung fehlerhafter Schriftsätze zu versagen ist, wenn die Verbesserungsbestimmungen der ZPO ausschließlich dazu benützt werden, das Verfahren zu verzögern (E 4 - 6 zu § 84 ZPO, MGA14; Fasching, Zivilprozeß2, Rz 518; Konecny, Zur Erweiterung der Verbesserungsvorschriften durch die ZVN 1983, JBl 1984, 20), weil nach den Intentionen des Gesetzgebers nur jene Personen vor prozessualen Nachteilen geschützt werden sollen, die versehentlich oder in Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften Fehler begehen (vgl 3 Ob 110-112/91). Ein derartiger Rechtsmißbrauch darf jedoch nur angenommen werden, wenn er notorisch ist oder sich zwingend aus aktenkundigen Umständen ergibt.
Im konkreten Fall mag der Beklagten durchaus bewußt gewesen sein, daß für ihre Prozeßführung (insbesondere für die Anrufung des Höchstgerichtes) Anwaltszwang besteht, wurde ihr doch im Rahmen der Verfahrenshilfe ein Rechtsanwalt beigegeben. Wie oben ausgeführt (siehe Punkt 2), ist ihr jedoch mit Beschluß vom 13.5.1991 die Verfahrenshilfe entzogen worden, sodaß Unklarheiten über die Notwendigkeit, einen anderen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung zu betrauen, nicht völlig auszuschließen sind. Zusätzliche Mißverständnisse mögen dadurch entstanden sein, daß sich das Rekursgericht in richtiger Anwendung des § 72 Abs 3 ZPO mit einem der Rechtsmittel der Beklagten sachlich auseinandersetzte, obwohl es nicht von einem Rechtsanwalt unterschrieben war, und sich "der Vollständigkeit halber" sogar mit den Argumenten gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages beschäftigte, obwohl der diesbezügliche Rekurs - mangels Anwaltsunterschrift - zurückgewiesen wurde. Nach der Aktenlage, auf die sich der Oberste Gerichtshof mangels weiterer Kenntnisse stützen muß, bleiben also doch Zweifel bestehen, ob der Beklagten in Ansehung des vorliegenden Revisionsrekurses eine rechtsmißbräuchliche Mißachtung des § 520 Abs 1 ZPO zur Last liegt.
Der Beklagten ist demnach Gelegenheit zu geben, den zum Teil noch unerledigten Revisionsrekurs durch die Nachholung der Unterschrift eines Rechtsanwalts zu verbessern. Die diesbezüglichen Anordnungen wird zweckmäßigerweise das Erstgericht zu treffen haben, weil dadurch Verfahrensverzögerungen vermieden werden können, sollte die beklagte Partei neuerlich die Bewilligung der Verfahrenshilfe mit Beigebung eines Rechtsanwalts beantragen (§ 85 Abs 2 ZPO iVm § 65 Abs 1 ZPO).
Anmerkung
E28368European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00502.92.0310.000Dokumentnummer
JJT_19920310_OGH0002_0050OB00502_9200000_000