Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Karl Hennrich und Werner Jeitschko (beide AG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Otto G*****, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei SOZIALVERSICHERUNGSANSTALT DER BAUERN (Landesstelle Oberösterreich), 1031 Wien, Ghegastraße 1, vertreten durch Dr. Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Heilbehandlungskosten infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Mai 1990, GZ 12 Rs 40/90-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. Dezember 1989, GZ 5 Cgs 130/89-5, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Oberste Gerichtshof stellt beim Verfassungsgerichtshof nach Art 89 Abs 2 und 3 B-VG den
A n t r a g ,
nach Art 139 B-VG auszusprechen, daß im § 32 der Satzung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 15. März 1974 in den Fassungen der Änderungen vom 26. Februar 1975, 16. Februar 1977, 21. Februar 1979 und 16. März 1983 im Abs 1 der Wortbestandteil "teil" im Wort "teilversicherten", ferner im Abs 1 Z 1 lit b die Wortfolge ", wenn der Versehrte von einer in lit a genannten Einrichtung zur Behandlung von Unfallfolgen dorthin überwiesen wurde" und im Abs 1 Z 2 die Wortfolge "die keinen Anspruch auf Leistungen gegenüber einem Krankenversicherungsträger haben und" gesetzwidrig waren.
Text
Begründung:
Sachverhalt:
Der nach § 3 BSVG in der Unfallversicherung pflichtversicherte Kläger erlitt am 21. Mai 1986 einen Arbeitsunfall, wegen dessen Folgen er im zweiten und dritten Quartal 1986 und im ersten und zweiten Quartal 1987 im Aö Krankenhaus Schärding ambulant behandelt wurde. Zu diesen Behandlungen fuhr er jeweils selbst. Zwischen der beklagten Partei und dem genannten Krankenhaus bestand damals kein Vertragsverhältnis über Unfallheilbehandlung.
Mit Bescheid vom 26. Juni 1989 lehnte die beklagte Partei die Übernahme der Kostenanteile für die erwähnten ambulanten Behandlungen und des Selbstbehaltes für die erwähnten Fahrten unter Berufung auf die §§ 189 ff ASVG iVm § 32 ihrer Satzung ab, weil mit dem genannten Krankenhaus kein Vertragsverhältnis über unfalleigene Heilbehandlung bestehe.
Die dagegen rechtzeitig erhobene Klage richtete sich auf Ersatz sämtlicher Heilbehandlungskosten aus der gesetzlichen Unfallversicherung, soweit sie den Arbeitsunfall vom 21. Mai 1986 betreffen, samt Fahrtkosten zu den ambulanten Behandlungen.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage.
Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruchs ein und erklärte die beklagte Partei mit Zwischenurteil schuldig, die als Folge des Arbeitsunfalls vom 21. Mai 1986 aufgelaufenen Kostenanteile des Klägers für die ambulanten Behandlungen im 2. und 3. Quartal 1986 und im 1. und 2. Quartal 1987 im Aö Krankenhaus Schärding sowie den Selbstbehalt für die Fahrten zu diesen ambulanten Behandlungen zu übernehmen.
Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes hatte der Kläger auf Grund des Arbeitsunfalls vom 21. Mai 1986 nach § 191 Abs 1 ASVG vom 21. Juli 1986 an Anspruch auf Ersatz der vollen Kosten, also auch auf Übernahme der Kostenanteile für die ambulanten Behandlungen im Krankenhaus Schärding einschließlich des Selbstbehaltes für die Fahrten. Für die Zeit der ambulanten Behandlung vor dem 21. Juli 1986 sei § 32 der Satzung der beklagten Partei nicht anzuwenden, weil das Krankenhaus Schärding keine Einrichtung im Sinne des Abs 1 Z 1 dieser Satzungsstelle sei und es sich auch nicht um einen Fall der Ziffer 2 dieser Satzungsstelle handle. Der Kläger hätte daher für seine ambulanten Behandlungen in diesem Krankenhaus und für seine Fahrten zu diesen Behandlungen bis 21. Juli 1986 die Kostenanteile und den Selbstbehalt im Sinne des § 80 Abs 2 BSVG selbst zu tragen. Es sei allerdings bekannt, daß die beklagte Partei § 32 ihrer Satzung in sozialer Rechtsanwendung ausdehnend auslege und nicht nur bei Personen anwende, die überhaupt nicht krankenversichert seien, sondern auch bei solchen, die bei der Klägerin der Krankenversicherung nach dem BSVG unterliegen, um zu verhindern, daß diese bei den sehr oft kostspieligen (ambulanten) Spitalsbehandlungen nach Arbeitsunfällen den 20-%igen Selbstbehalt tragen müssen. Aus diesen sozialen Erwägungen und weil eine Unfallheilbehandlung ein einheitliches Ganzes sei, sei das Klagebegehren auch für die Zeit vor dem 21. Juli 1986 berechtigt.
Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen, auf Abweisung der Klage gerichteten Berufung der beklagten Partei teilweise Folge, bestätigte das erstgerichtliche Urteil für die Zeit nach dem 21. Juli 1986, änderte es jedoch für die Zeit bis 21. Juli 1986 im klageabweisenden Sinne ab und sprach aus, daß der Wert seines Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- nicht übersteigt und daß die Revision zulässig sei.
Der bestätigende Teil erwuchs in Rechtskraft.
Zum abändernden Teil führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus:
Vor dem 21. Juli 1986 käme eine Befreiung von der Kostenanteilspflicht bzw vom Selbstbehalt nur zum Tragen, wenn der Kläger sich über § 32 der Satzung auf eine Leistung aus der Unfallversicherung berufen könnte. Dies sei jedoch nicht der Fall, weil die Kostenbeteiligung nur bei stationärer Unfallheilbehandlung bzw bei ambulanten Behandlungen nur dann entfalle, wenn diese in eigenen Anstalten oder Vertragsanstalten der beklagten Partei erbracht würden oder, wenn der Versicherte von einer solchen Anstalt an eine sonstige überwiesen worden wäre. Das Krankenhaus Schärding sei weder eine eigene Anstalt der beklagten Partei, noch habe diese mit diesem Krankenhaus einen Vertrag über eine Unfallheilbehandlung abgeschlossen. Daß der Kläger in dieses Krankenhaus von einer der im § 32 Abs 1 lit a und b der Satzung genannten Institutionen überwiesen worden wäre, sei weder aktenkundig noch behauptet worden, so daß für die Zeit vom 21. Mai bis 20. Juli 1986 weder nach dem Gesetz noch nach der Satzung eine Unfallheilbehandlung angenommen werden könne, noch aufklärungsbedürftige Anhaltspunkte für eine solche Annahme bestünden. Für die erstgerichtliche Annahme, die Satzung würde von der beklagten Partei zu Gunsten der Versicherten immer so extensiv ausgelegt, daß im Rahmen einer Behandlung nach einem Unfall keine Kostenanteile anfallen, finde sich im vorliegenden Fall - anders als in der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien SSV 25/38 - weder ein Anhaltspunkt noch ein Anlaß, weil § 32 der Satzung nach der zitierten Entscheidung und offenbar in deren Folge ohnedies zu Gunsten der Versicherten deutlich verbessert worden sei. Daß eine Unfallheilbehandlung grundsätzlich ein einheitliches Ganzes sei, sei in sachlicher Hinsicht zu verstehen. Wenn eine Unfallheilbehandlung als Pflichtleistung zu gewähren sei, dann im vollen Umfang einschließlich des Transportselbstbehaltes. Zeitlich ziehe jedoch die Karenzbestimmung des § 192 ASVG eine so klare Grenze, daß die vor Ablauf der Karenzzeit liegenden Leistungen auch unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Unfallheilbehandlung nicht zu den Leistungen aus der Unfallversicherung gezählt werden könnten.
Die beklagte Partei ließ den bestätigenden Teil des Berufungsurteils unbekämpft.
Obwohl in der Revision erklärt wird, daß das Berufungsurteil zur Gänze angefochten werde, richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das Berufungsurteil im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung abzuändern oder es allenfalls aufzuheben, bei Berücksichtigung der Revisionsausführungen und richtiger Deutung der Revisionsanträge (vgl zB MGA ZPO 141 § 467 E 3, § 506 E 10) zweifelsfrei nur gegen den den Kläger wegen teilweiser Klageabweisung beschwerenden abändernden Teil des Berufungsurteils.
Die Revision ist nach § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Weil das Revisionsgericht Bedenken hegt, ob für die Lösung der Rechtsfrage entscheidende Teile des § 32 der Satzung der beklagten Partei in der hier anzuwendenden Fassung dem Gesetz entsprechen, darf nach § 57 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes keine Entscheidung über die zulässige Revision getroffen werden.
Antragsvoraussetzungen:
Die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Verordnungen steht den Gerichten nach Art 89 Abs 1 B-VG nicht zu. Hat ein Gericht gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken, so hat es nach Abs 2 Satz 1 des zit Art den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Ist die vom Gericht anzuwendende Rechtsvorschrift bereits außer Kraft getreten, so hat der Antrag des Gerichtes an den Verfassungsgerichtshof nach Abs 3 des zit Art die Entscheidung zu begehren, daß die Rechtsvorschrift gesetzwidrig oder verfassungswidrig war. Diese Anträge sind von dem zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufenen Senat einzubringen.
(Die folgenden Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des ASVG.)
Nach § 148 BSVG gelten hinsichtlich der Leistungen der Unfallversicherung die Bestimmungen des Abschnittes VI und VIa des Ersten Teiles (des BSVG) sowie die Bestimmungen des Dritten, Fünften und Sechsten Teiles des ASVG entsprechend mit hier nicht zutreffenden Maßgaben.
Nach § 189 hat die Unfallheilbehandlung mit allen geeigneten
Mitteln die durch den Arbeitsunfall ..... hervorgerufene
Gesundheitsstörung oder Körperbeschädigung sowie die durch den
Arbeitsunfall ...... verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit
zu beseitigen oder zumindest zu bessern und eine Verschlimmerung der Folgen der Verletzung oder Erkrankung zu verhüten (Abs 1). Die Unfallheilbehandlung umfaßt ua ärztliche Hilfe und Pflege in Kranken-, Kur- und sonstigen Anstalten (Abs 2).
Nach § 191 Abs 1 besteht Anspruch auf Unfallheilbehandlung, wenn und soweit der Versehrte nicht auf die entsprechenden Leistungen aus einer gesetzlichen Krankenversicherung Anspruch hat bzw für ihn kein solcher Anspruch besteht.
Nach § 192 Satz 1 erhalten die darin genannten Personen, zu denen der Kläger unbestrittenermaßen gehört, die Heilbehandlung gemäß § 191 erst vom Beginn des dritten Monats nach dem Eintritt des Versicherungsfalls an, der nach § 174 bei Arbeitsunfällen mit dem Unfallereignis - im vorliegenden Fall also mit dem 21. Mai 1986 - als eingetreten gilt.
Nach § 192 Satz 2 kann der Träger der Unfallversicherung (hier die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Bauern) unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit durch die Satzung bestimmen, ob, unter welchen Voraussetzungen und inwieweit schon von einem früheren Zeitpunkt an Heilbehandlung nach § 191 oder an deren Stelle Geldleistungen zu gewähren sind.
Der Oberste Gerichtshof stellte in diesem Verfahren mit Beschluß vom 18. September 1990 10 Ob S 259/90 beim Verfassungsgerichtshof die Anträge, 1. § 192 ASVG als verfassungswidrig, 2. § 32 der Satzung der SVA der Bauern als gesetzwidrig aufzuheben und
3. auszusprechen, daß diese Satzungsbestimmung in der bis 30. April 1987 geltenden Fassung gesetzwidrig war. Der zweite Antrag wurde nur damit begründet, daß der auf Grund des § 192 erlassene § 32 der als Verordnung zu qualifizierenden Satzung im Falle der gleichzeitig beantragten Aufhebung der genannten Gesetzesstelle gesetzwidrig würde.
Mit Erkenntnis vom 10. Oktober 1991 G 204/90-13, G 321/90-12, V 358, 359/90-13 und V 574/90-12, wies der Verfassungsgerichtshof den Antrag des Obersten Gerichtshofes auf Aufhebung des § 192 ASVG bezüglich der Wortfolge ", die gemäß den §§ 3 und 11 Abs 1 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes Unfallversicherten" ab und im übrigen zurück und die Anträge auf Aufhebung bzw Feststellung der Gesetzwidrigkeit des § 32 der Satzung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern zurück.
Zu den die Satzungsbestimmung betreffenden Anträgen - der Oberste Gerichtshof hatte mit Beschluß vom 20. November 1990 10 Ob S 381/90 in einem Verfahren, das den Ersatz von Heilbehandlungskosten für ambulante Behandlungen am 17. und 23. Juli 1984 nach einem am 18. Juni 1984 erlittenen Arbeitsunfall betraf, beim Verfassungsgerichtshof neben dem Antrag, § 192 ASVG als verfassungswidrig aufzuheben auch den Antrag gestellt, auszusprechen, daß § 32 der Satzung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in der bis 30. April 1987 geltenden Fassung gesetzwidrig war - führte der Verfassungsgerichtshof im schon zit Erkenntnis aus:
"Was die Verordnungsprüfungsanträge betrifft, so geben die Anträge des Obersten Gerichtshofes Teile des § 32 der Satzung in der ab 1. Mai 1987 gültigen Fassung wieder, führen
aber - offenbar in Anbetracht der dem Verfassungsgerichtshof eingeräumten Möglichkeit, in gewissen Fällen die ganze Verordnung aufzuheben (Art 139 Abs 3 B-VG) - nicht näher an, welche Bestimmungen aus welchen Gründen anwendbar sein sollen und welches die einschlägigen Teile der früheren Fassung sind. Da es sich bei den Klägern (arg "Kostenanteile", "Selbstbehalt") offenbar um Personen handelt, die nach dem BSVG auch krankenversichert sind und ambulante Behandlung in einer von Abs 1 Z 1 nicht erfaßten Anstalt erfahren haben, wäre vielleicht Abs 1 Z 2 anzuwenden (wobei eine Aufhebung der Worte "bei stationärer Behandlung" ein gesetzmäßiges Ergebnis herbeiführen würde) und, was die Fahrtkosten betrifft, Abs 2 (wo die Worte "nach Abs 1 Z 1" dem Klagebegehren im Wege stehen). Es ist aber offenkundig ausgeschlossen, daß auf Zeiträume im Jahre 1984 und 1986 die Satzung in einer Fassung anzuwenden wäre, die ab 1. Mai 1987 wirksam ist. Andrerseits ist nicht zu sehen, welcher Teil des § 32 in der Fassung bis zum 30. April 1987 anzuwenden sein sollte. Die Akten lassen nicht erkennen, daß die Sachverhalte im Verfahren jemals an der alten Fassung gemessen worden wären. Die noch am ehesten in Betracht kommende Stelle in Abs 1 Z 2 (alt), in der nur die Voraussetzungen des Fehlens einer Krankenversicherung entfernt werden müßten, scheidet schon deshalb aus, weil die dazu parallele Bestimmung der neuen Fassung (Abs 1 Z 2 lit c) in den Anträgen gar nicht wiedergegeben ist, also dem Obersten Gerichtshof selbst offenbar als nicht anwendbar erscheint. Es ist aber nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes zu untersuchen, ob und inwiefern welche angegriffene Norm dennoch für das antragstellende Gericht präjudiziell sein könnte."
Auf Grund des zit Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes ist davon auszugehen, daß § 192 verfassungsgemäß ist.
Der Oberste Gerichtshof hat jedoch weiterhin Bedenken, ob Teile des § 32 der Satzung der beklagten Partei in der auf den noch strittigen Teil der Kosten der ambulanten Behandlung des Klägers anzuwendenden Fassung gesetzgemäß waren.
§ 192 letzter Satz ermächtigt den Träger der Unfallversicherung - im vorliegenden Fall also die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Bauern - unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit durch die Satzung zu bestimmen, ob, unter welchen Voraussetzungen und inwieweit schon von einem früheren Zeitpunkt (als erst vom Beginn des dritten Monats nach dem Eintritt des Versicherungsfalles) an Heilbehandlung nach § 191 oder an deren Stelle Geldleistungen zu gewähren sind.
Der Satzungsgeber darf von dieser gesetzlichen Ermächtigung selbstverständlich nur unter Berücksichtigung des verfassungsgesetzlich verankerten Gleichheitsgebotes Gebrauch machen.
Der im Zeitpunkt des Arbeitsunfalles des Klägers und seiner in diesem Verfahren noch strittigen ambulanten Behandlungen geltende Text des § 32 der Satzung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern geht auf den Beschluß der Hauptversammlung dieses Versicherungsträgers vom 15. März 1974 (SoSi 1974, 516) zurück und wurde bis 1986 durch die Beschlüsse der Hauptversammlung vom 26. Februar 1975 (SoSi 1976, 50), 16. Februar 1977 (SoSi 1977, 330), 21. Februar 1979 (SoSi 1979, 279) und 16. März 1983 (SoSi 1983, 339) geändert und ergänzt, wobei die Satzung und alle Änderungen vom Bundesminister für soziale Verwaltung genehmigt und binnen vier Monaten nach der Genehmigung in der Fachzeitschrift "Soziale Sicherheit" an den angegebenen Stellen verlautbart wurden (§ 215 BSVG).
§ 32 der Satzung hatte in der in diesem Verfahren noch maßgeblichen Zeit folgenden Wortlaut:
"(1) Gem. § 192 zweiter Satz und § 194a ASVG wird für die bei der Anstalt in der Unfallversicherung teilversicherten Personen nach folgenden Grundsätzen Unfallheilbehandlung gewährt bzw an deren Stelle Kostenersatz geleistet:
1. Die Anstalt zieht gem. § 191 Abs 2 ASVG die Behandlung an sich und gewährt sie ab dem Eintritt des Versicherungsfalles als Unfallheilbehandlung gem. §§ 189 bis 191 ASVG als Sachleistung:
a) bei stationärer und ambulanter Behandlung in einem Unfallkrankenhaus, einer Unfallstation, mit welchen die Anstalt einen Unfallheilbehandlungsvertrag abgeschlossen hat, einem Rehabilitationszentrum oder in einer Krankenanstalt, mit der die Anstalt auf Grund einer besonderen Vereinbarung direkt verrechnet (zugelassene Krankenanstalt);
b) bei stationärer und ambulanter Behandlung in einer sonstigen Anstalt, wenn der Versehrte von einer in lit a genannten Einrichtung zur Behandlung von Unfallfolgen dorthin überwiesen wurde;
c) bei ambulanter Unfallheilbehandlung durch einen Arzt, mit dem die Anstalt auf Grund einer besonderen Vereinbarung direkt verrechnet.
2. In allen übrigen Fällen wird anstelle der Unfallheilbehandlung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen schon ab dem Eintritt des Versicherungsfalles bei Personen, die keinen Anspruch auf Leistungen gegenüber einem Krankenversicherungsträger haben und die sich selbst rechtzeitig eine Behandlung verschafft haben, die geeignet war, eine möglichst schnelle und vollständige Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit herbeizuführen, Kostenersatz geleistet:
a) für eine unfallbedingte stationäre Behandlung Ersatz der Pflegegebühren der allgemeinen Gebührenklasse, wenn die Behandlung in einer öffentlichen Krankenanstalt durchgeführt wird, ansonst ein Kostenersatz in der Höhe der allgemeinen Gebührenklasse der nächstgelegenen geeigneten öffentlichen Krankenanstalt;
b) für eine unfallbedingte ambulante Krankenbehandlung (Behandlung durch einen frei praktizierenden Arzt) Kostenersatz in einem solchen Ausmaß, wie er nach den Bestimmungen des BSVG bzw dieser Satzung und der Krankenordnung zu leisten wäre.
§ 80 Abs 2 zweiter Satz BSVG findet dabei keine Anwendung.
(2) Weiters wird bei Gewährung einer Unfallheilbehandlung nach Abs 1 Z 1 bzw bei Übernahme von Kosten für eine selbstgewählte Heilbehandlung nach Abs 1 Z 2 Ersatz für die Kosten des billigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu und von der Behandlung gewährt. Sehen die Tarife allgemeine Fahrtbegünstigungen (zB ermäßigte Rückfahrkarten) vor, so werden nur die Fahrpreise nach dem ermäßigten Tarif vergütet. Ist die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels infolge des geistigen oder körperlichen Zustandes des Versehrten bzw wegen der Lage des Wohnortes (Unfallortes) nicht möglich oder nicht zumutbar, so wird bei notwendiger Benützung eines Kraftfahrzeuges (Lohnfuhrwerkes) zur Behandlungsstätte bzw zur nächstgelegenen Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels und zurück ein Kostenersatz nach dem Satz des öffentlichen Dienstes gewährt. Bei Durchführung des Krankentransportes durch das Rote Kreuz, den Arbeiter-Samariterbund oder ähnliche Einrichtungen werden die Kosten nach dem Tarif des Roten Kreuzes für Sozialversicherungsträger vergütet.
(3) Reise(Fahrt)kosten werden auch für eine Begleitperson bei Kindern und gebrechlichen Personen gewährt, wenn infolge der Entfernung, der Verkehrsverhältnisse oder des körperlichen bzw geistigen Zustandes des Versehrten die Zurücklegung des Reiseweges ohne Begleitperson nicht möglich oder zumutbar ist.
(4) Kostenersatz nach Abs 1 Z 2 und Reise(Fahrt)kostenersatz nach Abs 2 und 3 werden nur auf Antrag nach Vorlage der Pflegegebühren-, Arzt-, Medikamenten- und Transportkostenrechnungen höchstens bis zum Betrag der aufgelaufenen Kosten gewährt.
(5) In Fällen stationärer Behandlung in einer der im Abs 1 Z 1 lit a und b genannten Einrichtungen sowie in Fällen des Abs 1 Z 2 lit a ist gemäß § 195 ASVG Familien- und Taggeld zu gewähren.
(6) Bei der Gewährung von Kostenzuschüssen oder Kostenersätzen aus der Unfallversicherung gilt § 26a entsprechend."
§ 32 Abs 1 der Satzung bestimmte also zunächst, daß für die bei der Anstalt in der Unfallversicherung teilversicherten Personen nach den folgenden Grundsätzen Unfallbehandlung gewährt bzw an deren Stelle Kostenersatz geleistet wird. Unter den in der Unfallversicherung teilversicherten Personen waren offenbar jene gemeint, die nach dem im Zeitpunkt des Unfalls bereits in Kraft getretenen BSVG nur unfallversichert, nicht aber auch krankenversichert oder pensionsversichert waren.
Schon diese Einschränkung aller folgenden Bestimmungen auf Teilversicherte erscheint unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung bedenklich, weil kein Grund dafür ersichtlich ist, Personen, die nur in der Unfallversicherung versichert sind, leistungsmäßig besserzustellen als vollversicherte Personen, zumal erstere vor allem die im land(forst)wirtschaftlichen Betrieb nebenberuflich mittätigen, im Gesetz näher bezeichneten nahen Angehörigen des Betriebsführers sind, ihrerseits keinerlei Beiträge zu entrichten haben und damit bessergestellt werden als der vollversicherte Betriebsführer. Der Wortbestandteil "teil" im Wort "teilversicherten" des Abs 1 erscheint daher gleichheitswidrig und damit sowohl gesetzwidrig als auch direkt verfassungswidrig.
Darüber hinaus ist auch die Bestimmung des § 32 Abs 1 Z 1 lit b der Satzung teilweise bedenklich.
Während nämlich nach dem Entfall des Wortbestandteiles "teil" im Abs 1 in der Unfallversicherung versicherte Personen nur dann ab Eintritt des Versicherungsfalles Anspruch auf Unfallheilbehandlung als Sachleistung gehabt hätten, wenn mit der Anstalt ein Unfallheilbehandlungsvertrag abgeschlossen wurde oder die Überweisung durch eine solche Anstalt an eine sonstige Anstalt erfolgte, wurde nach § 32 Abs 1 Z 2 voller Kostenersatz ab Eintritt des Versicherungsfalles allen Personen geleistet, die keinen Anspruch auf Leistungen gegenüber (irgend) einem Krankenversicherungsträger hatten und die sich selbst rechtzeitig eine Behandlung verschafft hatten. Dies ergibt sich zunächst für die stationäre Behandlung aus § 32 Abs 1 Z 2 lit a, wonach Ersatz der Pflegegebühren der allgemeinen Gebührenklasse geleistet wurde, wenn die Behandlung in einer öffentlichen Krankenanstalt durchgeführt wurde, ansonsten aber ein Kostenersatz in der Höhe der allgemeinen Gebührenklasse der nächstgelegenen geeigneten öffentlichen Krankenanstalt. Daß es sich aber auch bei ambulanten Behandlungen um einen vollen Kostenersatz handelt, ergibt sich aus § 32 Abs 1 Z 2 lit b der Satzung, wonach in diesem Fall § 80 Abs 2 zweiter Satz BSVG keine Anwendung findet. Nach letzterer Bestimmung werden nämlich dem Versicherten bei Kostenerstattung (nur) 80 vH der Kosten erstattet, die ihm auf Grund der mit den Vertragspartnern vereinbarten Tarife erwachsen sind. Dem § 80 Abs 2 zweiter Satz BSVG entsprach früher § 48 Abs 2 zweiter Satz B-KVG. Da auch in diesem Zusammenhang die Besserstellung von Personen, die keinen Anspruch auf Leistungen gegenüber irgendeinem Krankenversicherungsträger hatten, gegenüber Vollversicherten nach dem BSVG sachlich nicht begründbar erscheint, dürfte auch diesbezüglich eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorliegen. Im § 32 Abs 1 Z 1 lit b wäre daher hinsichtlich der Wortfolge ", wenn der Versehrte von einer in lit a genannten Einrichtung zur Behandlung von Unfallfolgen dorthin überwiesen wurde" und im § 32 Abs 1 Z 2 hinsichtlich der Wortfolge "die keinen Anspruch auf Leistungen gegenüber einem Krankenversicherungsträger haben und" auszusprechen, daß diese Wortfolgen verfassungswidrig waren.
Schließlich ist es aber auch, worauf schon vom Kläger hingewiesen wurde, vom Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aus bedenklich, daß durch § 32 der Satzung dem Zufall Tür und Tor geöffnet wurde, hing es doch bei der stationären Behandlung davon ab, in welche Krankenanstalt der Versicherte eingeliefert wurde. Darauf können aber gerade Unfallpatienten oft keinen Einfluß nehmen. Eine anschließende ambulante Behandlung wird häufig in derselben Krankenanstalt durchgeführt, wie dies auch beim Kläger der Fall war. Die in vielen Fällen dem Zufall überlassenen unterschiedlichen Auswirkungen der Behandlung in einer bestimmten Krankenanstalt auf die Kostentragung erscheinen daher ebenfalls verfassungsrechtlich nicht unbedenklich.
Vollständigkeitshalber ist noch darauf hinzuweisen, daß offensichtlich auch die beklagte Partei gegen die bis 30. April 1987 geltende Fassung des § 32 ihrer Satzung Bedenken hatte, was zumindest teilweise zur Behebung möglicher Gesetzwidrigkeiten führte. Denn in der auf Grund des Beschlusses der Hauptversammlung vom 19. März 1987 (SoSi 1987, 351) geänderten geltenden Fassung wird der Kostenersatz nicht mehr auf die Teilversicherten eingeschränkt (Abs 1) und es wird auch nach § 32 Abs 1 Z 2 in allen Fällen den Versehrten der Selbstbehalt bei stationärer Behandlung ohne Rücksicht darauf ersetzt, ob sie Anspruch auf Leistungen aus der Bauernkrankenversicherung (lit a), aus einer anderen gesetzlichen Krankenversicherung (lit b) oder keinen Anspruch aus einer gesetzlichen Krankenversicherung haben (lit c). Damit wurde zunächst bei der stationären Behandlung eine Gleichstellung erreicht. Aber auch bei der ambulanten Behandlung wurden nunmehr alle Versicherten insofern gleichgestellt, als in allen nicht § 32 Abs 1 Z 1 zu unterstellenden Fällen - bei denen also keine Behandlung in eigenen Einrichtungen oder in einer Anstalt erfolgte, mit der ein Vertragsverhältnis über die Unfallheilbehandlung besteht oder in die der Versicherte von einer eigenen oder Vertragseinrichtung überwiesen wurde oder bei ambulanter Behandlung durch einen Arzt, mit dem die Anstalt auf Grund einer besonderen Vereinbarung direkt verrechnet - sämtliche Versicherten den Selbstbehalt zu tragen haben. Aber auch nach der derzeitigen, im vorliegenden Fall allerdings noch nicht anzuwendenden, Regelung hängt es vom Zufall der Behandlung in einem bestimmten Krankenhaus ab, ob es zu einem Selbstbehalt kommt.
Weil die Satzung der beklagten Partei als Verordnung zu qualifizieren ist (VfSlg 1798, 3219, 3709, 5422 ua; Tomandl, SV-System 5. ErgLfg 14 und die in den FN 4 und 5 angeführte Lehre; Korinek in Tomandl aaO 503 und die in den FN 18 angegebene Lehre) war beim Verfassungsgerichtshof nach Art 89 Abs 2 und 3 B-VG zu beantragen auszusprechen, daß die im Spruch genannten Satzungsstellen in der dort bezeichneten Fassung gesetzwidrig waren.
Anmerkung
E28639European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00335.91.0310.000Dokumentnummer
JJT_19920310_OGH0002_010OBS00335_9100000_000