TE OGH 1992/3/10 4Ob8/92

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Veröffentlicht am 10.03.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma AVL Gesellschaft für Verbrennungskraftmaschinen und Meßtechnik mbH, DDr. h.c. Hans List, ***** vertreten durch Dr. Rudolf Griss und Dr. Gunter Griss, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Institut für audiovisuelle Lehrmethoden, Management- und Verhaltenstraining Gesellschaft m.b.H. & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Werner Masser und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 450.000,--) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 25. November 1991, 4 R 251/91-11, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 17. Juli 1991, 4 Cg 191/91-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 32.463,-- bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (davon S 5.410,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist - nach mehreren, von den Vorinstanzen im einzelnen wiedergegebenen gesellschaftsrechtlichen Änderungen durch Verschmelzung und Sacheinlage - aus der 1951 im damaligen Handelsregister des Landes- als Handelsgerichtes Graz eingetragenen "Anstalt für Verbrennungsmotoren, Prof. Dr. Hans List" hervorgegangen. Das Unternehmen gebraucht seit dieser Zeit die Kurzbezeichnung "AVL" und führt seit 1979 die Firma "AVL Gesellschaft für Verbrennungskraftmaschinen und Meßtechnik mbH, Prof. DDr. h.c. Hans List". Die einbringende Gesellschaft führt seit dieser Zeit die Firma "AVL Verwaltungsgesellschaft mbH, Prof. DDr. h.c. Hans List". Unternehmensgegenstand der Klägerin ist die Entwicklung, die Herstellung und der Vertrieb von Maschinen, Apparaturen und Geräten aller Art, insbesondere von Meßgeräten für den Motorenbau und für andere Zwecke, von Verbrennungskraftmaschinen, vor allem von Versuchsmotoren, Prototypen und Teilen davon, von Prüfständen und allen Arten von Versuchseinrichtungen und Prüfvorrichtungen (für Motoren) sowie für andere Kraft- und Arbeitsmaschinen und für die Ballistik, ferner von medizinischen Geräten und Einrichtungen. Das Unternehmen bietet auch Dienstleistungen an, insbesondere die Berechnung auf Datenverarbeitungsanlagen für Dritte sowie die Vermietung dieser Anlagen; ferner führt es Beratungen durch. Die Unternehmenstätigkeit der Klägerin gliedert sich somit in drei Bereiche, nämlich Konstruktion und Entwicklung von Motoren, Meßtechnik für Motoren und im ballistischen Bereich sowie Medizintechnik. In diesen Bereichen werden Kunden eingeschult, da die Verwendung der technisch äußerst komplizierten Geräte und der "Software" allein auf Grund einer Beschreibung nicht möglich ist. Neben der Einschulung und Beratung der Vertragspartner bietet die Klägerin in Zusammenarbeit mit Universitäten auch Seminare, Symposien und "Workshops" zur Information potentieller Kunden und sonstiger Interessenten an. Die Klägerin hat im westlichen Ausland zahlreiche Tochterunternehmen, die in ihrer Firma den Beisatz "AVL" führen, z.B. AVL-France, AVL-Italia. Derzeit werden die Erzeugnisse der Klägerin unter dieser Bezeichnung in den Oststaaten eingeführt.

Für die Klägerin ist mit Priorität vom 28. September 1964 die Marke "AVL" für ärztliche Apparate, elektronische Geräte und Verbrennungsmotoren (Klassen 22a, 22 b, 23) und seit 12. Mai 1989 für Kurse und Schulungen (Klasse 41) registriert. Die älteste Marke bestand ursprünglich nur aus der Folge von Großbuchstaben; seit 1989 sind zwei weitere Formen der Marke "AVL" für den motorischen, meßtechnischen, medizinischen und biotechnologischen Bereich registriert, wobei die Buchstabenfolge noch erkennbar ist.

Die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten wurde am 8. Juli 1974 unter der Firma "Institut für audiovisuelle Lehrmethoden Gesellschaft mbH" in das Handelsregister des Landes- als Handelsgerichtes Linz, die Beklagte selbst dann am 17. März 1975 unter der Firma "Institut für audiovisuelle Lehrmethoden Gesellschaft mbH & Co KG" in das Handelsregister des Landes- als Handelsgerichtes Linz eingetragen. Am 27. März 1986 wurde die Firma der Komplementärgesellschaft und am 8. August 1986 die Firma der Beklagten in "Institut für audiovisuelle Lehrmethoden, Management- und Verhaltenstraining Gesellschaft mbH (& Co KG)" geändert. Auch die Beklagte verwendet die Kurzbezeichnung "AVL", welche sie aus "audiovisuelle Lehrmethoden" abgeleitet hat.

Unternehmensgegenstand der Beklagten ist die Entwicklung audiovisueller Lehrmethoden, die Organisation von Seminaren und Trainingsveranstaltungen, die Schulung von Führungskräften, der Einsatz von Verhaltenstrainern, die Durchführung von Betriebsberatungen auf den Gebieten der audiovisuellen Lehrmethoden, weiters die Herstellung von Industrie- und Werbefilmen, der Handel mit Zeitplanbüchern, Lederwaren und Waren aller Art sowie der Buch-, Kunst- und Musikalienhandel. Die Unternehmenstätigkeit der Beklagten gliedert sich im wesentlichen in zwei Bereiche, die Generalrepräsentanz für Österreich für das Zeit- und Zielplanbuch "Time-System" sowie die Ausbildung von Managern der oberen und mittleren Führungsschichte im kognitiven und affektiven Bereich. Die Seminartätigkeit der Beklagten umfaßt allgemein die Streßbewältigung, die Optimierung der Terminplanung, die Delegierung von Aufgaben, Kommunikationstraining, Präsentations- und Verhandlungstechnik und Teamwork. Die Seminare betreffen keinesfalls Motoren oder irgendwelche anderen spezifischen Erzeugnisse, sondern allgemeines Verhaltenstraining. Von den ca. 40.000 Kunden in Österreich - z.B. Siemens, Bosch, Estee Lauder - bestellt der Großteil das "Time-System" der Beklagten, der kleinere Teil nimmt auch die angebotenen Seminare in Anspruch. Neben deutschen Firmen zählen auch deutschsprechende Manager aus Estland zu ihrem Kundenkreis; im übrigen war aber die Beklagte bisher auf dem Ostmarkt nicht aktiv.

Für die Beklagte ist mit der Priorität vom 1. April 1983 für die Klasse 41 (Lehranstalt) folgende Bildmarke registriert:

Abbildung nicht darstellbar!

Die Beklagte verwendet diese registrierte Form auch modifiziert als Pinselstrich und jeweils in Verbindung zumindest mit dem Zusatz "AVL-Institut". Sie wirbt durch Mundpropaganda und durch Versendung der sogenannten "AVL News" und des "AVL Special" an den bestehenden Kundenkreis. In diesen mehrseitigen Broschüren und im Schriftverkehr führt sie jeweils zusätzlich den vollen Firmennamen als Untertitel oder zumindest den Zusatz "Institut" an. Die Journalisten in den Medien sprechen zum Teil verkürzt von

"AVL".

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des anhängigen Rechtsstreites zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr, insbesondere im Zusammenhang mit der Tätigkeit ihres Institutes, die Bezeichnung "AVL" als Kennzeichen für ihr Unternehmen oder dessen Dienstleistungen und Produkte zu verwenden.

Die Verwendung der besonderen Unternehmensbezeichnung "AVL" erfülle den Tatbestand des § 9 UWG. Wenn auch zwischen den Streitteilen keine originäre Branchengleichheit bestehe, so seien sie doch branchennahe Unternehmen, weil die Klägerin mit Universitäten und wissenschaftlichen Instituten zusammenarbeite und wiederholt wissenschaftliche Tagungen, Fachseminare und Schulungskurse veranstalte. Durch das Auftreten der Beklagten unter der Kurzbezeichnung "AVL" seien schon wiederholt Verwechslungen mit der Klägerin hervorgerufen worden. Geschäftspartner der Klägerin hätten wiederholt vermutet, daß die Beklagte eine Außenstelle der Klägerin sei oder daß irgendwelche organisatorischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Streitteilen bestünden.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Sie benütze die Marke "AVL" seit dem Bestehen ihres Unternehmens. Seit 19. Dezember 1983 sei die Marke "AVL" in einer besonderen bildlichen Ausgestaltung mit ausgeprägtem künstlerischen Element beim Österreichischen Patentamt unter der Nr. 4.368 in der Klasse 41 (Lehranstalt) registriert; die Marke der Klägerin für diese Dienstleistungsklasse sei hingegen erst seit 12. Mai 1989 registriert und geschützt. Mangels Branchennähe bestehe bei der Verwendung des Zeichens "AVL" keine Verwechslungsgefahr. Daß auch die Klägerin regelmäßig Tagungen, Seminare und Schulungskurse durchführt, ändere nichts daran, daß ihr Unternehmenszweck nicht in der Abhaltung solcher Veranstaltungen liege, weil es sich dabei nur um eine Nebentätigkeit handle. Bei der Beklagten sei hingegen die Organisation von Seminaren und Trainingsveranstaltungen sowie die Erstellung von Lehrprogrammen selbständiger und alleiniger Unternehmenszweck. Bei der Beklagten seien keine Verwechslungen mit dem Unternehmen der Klägerin vorgekommen; im übrigen seien vereinzelte tatsächliche Verwechslungen für die Annahme einer Verwechslungsgefahr bedeutungslos.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab und legte seiner Entscheidung noch folgende weitere Feststellungen zugrunde:

Die Bezeichnung "AVL" ist in der Motorenbranche ein Begriff; über die Klägerin erscheinen ca. 250 bis 300 Presse- und Rundfunkmeldungen jährlich. Seit 1985 haben bei der Klägerin vereinzelt Interessenten versucht, den "Time-System" Kalender zu bestellen oder andere Dienstleistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen. Bis 1989 wurde dies aber von der Klägerin nicht als störend empfunden, sondern die Beklagte als "kleinere Firma, die ebenfalls da war" akzeptiert. In der für die Beklagten registrierte Marke ist die Buchstabenfolge "AVL" nur für den eingeweihten Betrachter erkennbar.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß der Klägerin für die Verwendung des Firmenbestandteils "AVL" Priorität zukomme. Erörterungen über die Verkehrsgeltung dieser Bezeichnung erübrigten sich aber, da wegen durchgreifender Branchenverschiedenheit der Streitteile Verwechslungsgefahr nicht einmal im weiteren Sinn vorliege.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Die aus keinem aussprechbaren Wort bestehende Buchstabenverbindung "AVL" sei Bestandteil der Firma der Klägerin und außerdem als Marke für die Klassen 22a, 22b und 23 (ärztliche Apparate, elektrotechnische Geräte und Verbrennungsmotoren) und die Klasse 41 (Kurse und Schulungen) geschützt. Hingegen sei diese Buchstabenkombination weder Bestandteil der Firma der Beklagten noch für sie als Marke geschützt; die für die Beklagte registrierte Marke bestehe nämlich aus einer graphischen Darstellung, die nicht als Kombination der Buchstaben "AVL" wirke. Es handle sich dabei um eine Bildmarke, deren Verwendung von der Klägerin gar nicht beanstandet werde.

Den Schutz nach § 9 UWG genieße nicht nur der volle Firmenwortlaut, sondern - selbst ohne Verkehrsgeltung - auch ein Firmenbestandteil, der für sich allein oder im Zusammenhang mit Zusätzen, die bei seinem Gebrauch verwendet werden, die Eigenschaft hat, auf ein bestimmtes Unternehmen hinzuweisen. Schutz genieße der Firmenbestandteil allerdings nur bei Unterscheidungskraft. Reinen Buchstabenzusammensetzungen, die lautlich nicht aussprechbar sind, komme im allgemeinen keine Unterscheidungskraft zu; sie könnten aber durch Verkehrsgeltung diese Namensfunktion und damit Schutz nach § 9 Abs 3 UWG erlangen.

Das Erstgericht habe zwar die Frage der Verkehrsgeltung nicht geklärt, doch schaffe die Eintragung eines an sich nicht unterscheidungskräftigen und damit nicht registrierbaren Zeichens als Marke einen prima-facie-Beweis dafür, daß die Voraussetzungen für die Registrierung gegeben waren, also insbesondere auch Verkehrsgeltung vorlag. Die Beklagte habe die Verkehrsgeltung der für die Klägerin registrierten Wortmarke "AVL" nicht bestritten. "AVL" sei somit schutzfähig.

Die Verwechslungsgefahr werde maßgeblich durch den Ähnlichkeitsgrad der Kennzeichen, durch deren Kennzeichnungskraft und durch die Nähe oder Ferne der Branchen bestimmt, denen die gekennzeichneten Objekte zuzuordnen sind. Zwischen diesen Faktoren bestünden Wechselwirkungen. Wichen die Bezeichnungen nur geringfügig voneinander ab, dann könne die Verwechslungsgefahr auch bei Waren (oder Dienstleistungen) zu bejahen sein, die einander wirtschaftlich entfernter stehen.

Im vorliegenden Fall betrage der Ähnlichkeitsgrad 100 %. Die Kennzeichnungskraft der Abkürzung "AVL" sei zwar gering, diese Schwäche werde aber durch die Verkehrsgeltung aufgewogen. Auf Grund der Feststellung, daß "AVL" in der Motorenbranche "ein Begriff" ist, könne überragende Verkehrsgeltung angenommen werden. Für die Verwechslungsgefahr genüge es schon, wenn die Möglichkeit von Fehlvorstellungen bei einem nicht ganz unerheblichen Teil der beteiligten Verkehrskreise besteht. Bei der Prüfung der Branchennähe sei auch die deutlich zunehmende Neigung vieler Unternehmen, die Grenzen ihrer bisherigen Tätigkeit auszuweiten, zu berücksichtigen. Dem Verkehr sei heute bekannt, daß sich mittlere und größere Unternehmen nicht nur auf ihrem ureigenen Gebiet, sondern auch auf anderen Gebieten betätigen und zu einer Ausweitung ihres Sortiments sowie zu wirtschaftlicher Verflechtung tendieren. Angesichts dieser Entwicklung könne bei der Feststellung der Branchennähe die Verschiedenheit der Herstellungs- und Warenart sowie der Vertriebsstätten zurücktreten.

Auch sei zu berücksichtigen, daß die Streitteile nicht einer breiten Konsumentenschicht Artikel des täglichen Gebrauches anbieten, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil anderen Unternehmen beratende Dienste zur Verfügung stellen, die Klägerin vorwiegend auf dem technischen Sektor, die Beklagte vorwiegend im Bereich des Managements. Unter diesen Umständen bestehe die objektive - und durch die tatsächlich vorgefallenen Verwechslungen untermauerte - Möglichkeit, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der Verkehrskreise, an die sich die Streitteile mit ihren Leistungen wenden, annehmen könne, daß sich die Klägerin nunmehr auch mit der Schulung von Führungskräften befasse oder daß zwischen ihr und der Beklagten geschäftliche, wirtschaftliche oder organisatorische Beziehungen bestehen.

Die Beklagte bekämpft die Entscheidung des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag abgewiesen werde, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte tritt der Ansicht des Rekursgerichtes entgegen, daß die Bezeichnung "AVL" für die Klägerin Verkehrsgeltung genieße, weil sie ja als Marke eingetragen worden sei, womit der prima-facie-Beweis erbracht worden sei, daß die Voraussetzungen für die Registrierung (auf Grund eines Verkehrsgeltungsnachweises) gegeben waren. Dieser Schluß sei verfehlt, da die Marken der Klägerin als Wortbildmarken registriert wurden, deren Eintragung Verkehrsgeltung des Wortbestandteils der Marke nicht indiziere. Keinesfalls könne - ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens - von einer überragenden Verkehrsgeltung der Bezeichnung "AVL" ausgegangen werden.

Der Kennzeichnungsgrad der Buchstabenkombination "AVL" sei so gering, daß er durch die Verwendung des Wortes "Institut" oder des vollen Firmenwortlautes einen anderen Charakter erhalte. Vor allem liege aber eine durchgreifende Waren- oder Leistungsverschiedenheit vor, welche die Verwechslungsgefahr ausschließe. Die Aktivitäten der Klägerin durch Veranstaltung von Schulungen und Kursen führten zu keiner Ausdehnung ihres Arbeitsgebietes und ihres "Sortiments"; es handle sich dabei nur um begleitende geschäftliche Maßnahmen.

Diesen Ausführungen ist im wesentlichen zu folgen:

Der Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des § 9 UWG setzt keinen aktuellen Wettbewerb zwischen den Unternehmen voraus, welche die einander gegenüberstehenden Bezeichnungen gebrauchen;

vielmehr genügt objektive Verwechslungsgefahr (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 51; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 134;

Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, Rz 3 zu § 16 dUWG 1188;

Rz 59a zu § 16 dUWG, 1206; ÖBl 1977, 124 - Koreska; ÖBl 1983,

80 - Bayer; ÖBl 1983, 110 - Zircus Medrano; ÖBl 1986,

25 - Cartier; ÖBl 1986, 73 - Hotel Sacher; ÖBl 1988,

23 - HOGAT/HOGAST; 4 Ob 38/88; 4 Ob 120/88). Verwechslungsgefahr

ist dann anzunehmen, wenn durch den Gebrauch der Bezeichnung die Annahme einer Herkunft der Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus solchen Unternehmen, die untereinander in besonderen Beziehungen wirtschaftliche oder organisatorischer Art stehen, hervorgerufen werden könnte (ÖBl 1977, 24 mwN - Koreska; ÖBl 1979, 136 - I.C.I./ict;

ÖBl 1980, 68 - Jagdwurstkonserven; ÖBl 1980, 77 - hortuna/hortex;

ÖBl 1983, 80 - Bayer; 4 Ob 120/88). Verwechslungsgefahr wird also vor allem durch die Gleichheit oder Ähnlichkeit der vertriebenen Waren (Dienstleistungen) hervorgerufen. Der Schutz nach § 9 UWG setzt aber keine (völlige) Warengleichheit voraus; die von den Parteien vertriebenen Waren oder Leistungen dürfen nur nicht soweit voneinander entfernt sein, daß die Gefahr von Verwechslungen nicht mehr besteht (Baumbach-Hefermehl aaO Rz 59a zu § 16 dUWG 1206; ähnlich Teplitzky, Großkomm z UWG § 16 dUWG Rz 361; ÖBl 1983, 80 - Bayer; ÖBl 1986, 73 - Hotel Sacher;

4 Ob 120/88). Bei durchgreifender Warenverschiedenheit wird die Verwechslungsgefahr allgemein verneint, weil in diesen Fällen ein Zusammenstoßen der vertriebenen Waren (Dienstleistungen) auf dem selben Absatzgebiet nicht zu besorgen ist (Baumbach-Hefermehl aaO Rz 49 zu § 16 dUWG; ÖBl 1983, 80 - Bayer; ÖBl 1988, 23 - HOGAT/HOGAST; 4 Ob 38/88); dann besteht keine Gefahr, daß die beteiligten Verkehrskreise durch den Gebrauch der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen zu der Auffassung gelangen könnten, die Waren (Dienstleistungen) stammten aus dem selben Unternehmen oder aus solchen Unternehmen, die durch Zusammenhänge wirtschaftlicher oder organisatorischer Art besonders verbunden sind (Hohenecker-Friedl aaO 51; ÖBl 1977, 124 - Koreska;

ÖBl 1978, 11 - Sebestyen GmbH; ÖBl 1981, 24 = SZ 53/69 - Tabasco;

ÖBl 1983, 80 - Bayer; ÖBl 1986, 73 - Hotel Sacher; ÖBl 1988, 23 - HOGAT/HOGAST; 4 Ob 38/88).

Bei der Prüfung der Frage, ob Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn vorliegt, ist außer der Kennzeichnungskraft des Zeichens des Klägers auch erheblich, welche Arbeitsgebiete für die Unternehmen typisch sind; Randsortimente, die für sie weniger charakteristisch und insbesondere dem Verkehr im Zusammenhang mit den Unternehmen wenig bekannt sind, spielen eine geringere Rolle (Teplitzky aaO Rz 369); dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der Ähnlichkeit der Bezeichnungen, ihrer Verkehrsgeltung und dem Grad der Branchenverschiedenheit (Teplitzky aaO Rz 361, 362). Bei völliger Branchenverschiedenheit wird Verwechslungsgefahr höchstens bei Bezeichnungen mit gesteigerter Verkehrsgeltung bestehen können; sie darf aber auch in diesem Fall nicht einfach unterstellt werden (Baumbach-Hefermehl aaO Rz 59a zu § 16 dUWG 1206, Rz 59c zu § 16 dUWG 1207; Koppensteiner aaO 159f; ÖBl 1977, 124 - Koreska;

ÖBl 1983, 80 - Bayer; ÖBl 1986, 73 - Hotel Sacher; 4 Ob 120/88);

andererseits kann sogar die Identität der Bezeichnungen bei völliger Branchenverschiedenheit dann nicht zur Annahme einer Verwechslungsgefahr führen, wenn der Verkehr infolge der verschiedenen Geschäftsbereiche trotz der Übereinstimmung der Bezeichnungen nicht annimmt, die Waren (Dienstleistungen) stammten aus demselben Unternehmen oder aus solchen Unternehmen, die organisatorisch oder wirtschaftlich miteinander verbunden sind (Teplitzky aaO Rz 363).

Daß das eine Unternehmen Waren vertreibt und das andere Dienstleistungen anbietet, schließt Branchengleichheit oder Branchennähe nicht aus, kann doch zwischen Waren und Dienstleistungen eine so enge Verbindung bestehen, daß für die beteiligten Verkehrskreise der Schluß naheliegt, die Dienste würden von demselben Unternehmen geleistet, das auch die Ware herstellt oder vertreibt, zumindest aber von einem Unternehmen, das mit diesem Hersteller oder Händler in besonderen Beziehungen geschäftlicher, wirtschaftlicher oder organisatorischer Art steht (ÖBl 1981, 78 - Kasermandln zu § 10 MSchG; 4 Ob 120/88).

Nach Ansicht der Lehre (Baumbach-Hefermehl aaO Rz 59b 1206, Rz 59c 1207; Teplitzky aaO Rz 366, 367) ist für die Frage des Tätigkeitsbereiches der betroffenen Unternehmen nicht allein der Stand im Beurteilungszeitpunkt maßgebend; vielmehr seien künftige sachliche Ausweitungen des Unternehmens, das den Zeichenschutz beansprucht, zu berücksichtigen. Es genüge eine reale Möglichkeit, daß sich die Geschäftsbereiche durch eine solche sachliche Ausweitung in verwechselbarer Weise nahekommen könnten. In diesem Zusammenhang sei bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr zu beachten, daß den (maßgebenden) Verkehrskreisen heute auch bekannt sei, daß sich mittlere und größere Unternehmen nicht nur auf ihrem ursprünglichem Gebiet, sondern auch auf anderen Gebieten betätigen und insbesondere zu einer Ausweitung ihres Sortiments und zur wirtschaftlichen Verflechtung tendieren ("Diversifikation").

Nach Meinung des erkennenden Senates sind jedoch diese Umstände nur dann zu berücksichtigen, wenn es sich um künftige Ausweitungen handelt, für die schon konkrete Anhaltspunkte bestehen oder die deshalb naheliegen, weil bei branchengleichen oder branchennahen Unternehmen schon ähnliche, dem Verkehr bereits bekannte Entwicklungen eingetreten sind. Im vorliegenden Fall ist jedoch die Verwechslungsgefahr wegen der durchgreifenden Verschiedenheit der angebotenen Waren und Leistungen zu verneinen. Das typische Arbeitsgebiet der Klägerin, mit dem sie in den einschlägigen Fachkreisen einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht haben dürfte (weil das Erstgericht festgestellt hat, daß "AVL" in der Motorenbranche ein "Begriff" ist und über die Klägerin 250 bis 300 Presse- und Rundfunkmeldungen jährlich erscheinen), ist das - heute vor allem im Zusammenhang mit Fragen des Umweltschutzes - bedeutungsvolle Gebiet der Verbrennungsmotorenforschung, zu welchem die Entwicklung, die Herstellung und der Vertrieb von Maschinen, Apparaturen und Geräten aller Art, insbesondere von Meßgeräten für den Motorenbau und für andere Zwecke, sowie die Entwicklung von Verbrennungskraftmaschinen, vor allem von Versuchsmotoren, Prototypen und Teilen davon, von Prüfständen und allen Arten von Versuchseinrichtungen und Prüfvorrichtungen gehören. Daß ein solches hochspezialisiertes Unternehmen zur Einweisung und Einschulung seiner Kunden in die komplizierten technischen Geräte auch Seminare und ähnliche Veranstaltungen durchführt, also die zum Vertrieb der "Hardware" erforderliche "Software" anbietet, liegt auf der Hand. Es handelt sich bei diesen Veranstaltungen im wesentlichen um sekundäre Dienstleistungen, die dem Vertrieb der Hauptleistung, nämlich der Motoren, Apparate und Geräte aller Art, dienen und als solche zu keiner Ausweitung des typischen Arbeitsgebietes der Klägerin im Produktionsbereich führen. Soweit andere Dienstleistungen der Klägerin selbständigen Charakter haben (Durchführung von Berechnungen auf Datenverarbeitungsanlagen für Dritte; Vermietung dieser Anlagen) haben sie mit den Arbeitsgebieten der Beklagten überhaupt nichts zu tun. Auch kann es dahingestellt bleiben, ob die Klägerin mit der Bezeichnung "AVL" tatsächlich schon überragende Verkehrsgeltung - welche nach einer im Schrifttum entwickelten Skala (Hodik, Der Grad der Verkehrsgeltung und seine Feststellung, ÖBl 1983, 1; Schönherr-Kuczsko3, 64) einen Bekanntheitsgrad von mehr als 50 % voraussetzt - erlangt hat, und ob es zur Klärung dieser Frage weiterer Beweisaufnahmen, insbesondere durch ein demoskopisches Gutachten, bedürfte. Auch bei Annahme einer so hohen Verkehrsgeltung kann Verwechslungsgefahr bei völliger Branchenverschiedenheit nicht einfach unterstellt werden. Bei der Beurteilung dieser Frage ist im vorliegenden Fall vor allem der hohe Spezialisierungsgrad der beteiligten Unternehmen, vor allem des Unternehmens der Klägerin, zu berücksichtigen; das hat zur Folge, daß nur Fachleute mit dem Zeichen "AVL", um dessen Verwechslungseignung es geht, geschäftlich in Berührung kommen werden. Der vom Rekursgericht angenommene hohe Bekanntheitsgrad des Zeichens der Klägerin wird sich somit vor allem auf Personen und Unternehmen erstrecken, die geschäftlich mit der Motorbranche zu tun haben. In einem solchen Fall kann aber die Gefahr einer Verwechslung eher verneint werden, als wenn durch konkurrierende Unternehmensbezeichnungen (etwa eines Großkaufhauses mit breiten Warensortiment mit dem Zeichen eines anderen Unternehmens) Letztverbraucher angesprochen werden (vgl Hohenecker-Friedl aaO 50; SZ 39/45; ÖBl 1963, 53; 4 Ob 38/88). Dazu kommt, daß keiner der Tätigkeitsbereiche der Beklagten auch nur im entferntesten etwas mit der "Motorbranche" zu tun hat und die von ihr veranstalteten Seminare nicht branchenspezifisch ausgerichtet sind (insbes "keineswegs Motoren betreffen"), sondern - branchenneutral - der Weiterbildung von Managern in den Bereichen Streßbewältigung, Optimierung der Terminplanung, Delegierung von Aufgaben, Kommunikationstraining, Präsentations- und Verhandlungstechnik sowie Teamwork dienen. Während die Durchführung von Seminaren und ähnlichen Veranstaltungen bei der Klägerin im wesentlichen Hilfsmittel zur Förderung ihres Absatzes (in ihren drei Bereichen Konstruktion und Entwicklung von Motoren, Meßtechnik für Motoren und im ballistischen Bericht und Medizintechnik) ist, ist das Durchführen von Lehrveranstaltungen bei der Beklagten eine ihrer beiden Haupterwerbsquellen. Wegen der durchgreifenden Verschiedenheit der angebotenen Waren und Dienstleistungen ist auszuschließen, daß ein noch erheblicher Teil des angesprochenen fachkundigen Publikums einen Zusammenhang zwischen den Arbeitsgebieten der Klägerin und den Managementseminaren der Beklagten annimmt. Gerade dem fachkundigen Publikum ist heute auch bekannt, daß zahlreiche Unternehmen - beschränkt auf ihren jeweiligen Geschäftsbereich - Fachseminare veranstalten. Zu berücksichtigen ist schließlich noch, daß die Beklagte das Zeichen "AVL" in der Regel nur im Zusammenhang mit dem Zusatz "Institut" oder mit ihrem vollen Firmenwortlaut verwendet. Wegen des hohen Spezialisierungsgrades beider Unternehmen kann auch das den Verkehrskreisen weitgehend bekannte Phänomen, daß viele größere Unternehmen dazu tendieren, die Grenzen ihrer bisherigen Tätigkeit auszuweiten, zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen; ein naheliegendes Ausdehnungsinteresse der Klägerin, künftig reine Managementseminare ohne Beziehung auf ihre Produktionsbereiche zu veranstalten, ist nicht zu erkennen.

Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 78, 402 EO.

Anmerkung

E28939

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00008.92.0310.000

Dokumentnummer

JJT_19920310_OGH0002_0040OB00008_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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