Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Raimund Kabelka und Margarete Heidinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** K*****, Koch, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei I***** S*****- UND T***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen Feststellung (Streitwert 241.315,34 S sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Oktober 1991, GZ 31 Ra 79/91-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21.Jänner 1991, GZ 23 Cga 34/90-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 10.882 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.813 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Rechtliche Beurteilung
Entscheidungsgründe:
Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).
Was die rechtliche Beurteilung betrifft, genügt es, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils hinzuweisen (§ 48 ASGG).
Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers noch folgendes zu erwidern:
Der im Kollektivvertrag der internationalen Schlafwagengesellschaft vorgesehenen Anhörung des Betriebsrates vor Ausspruch der Disziplinarstrafe der Entlassung (siehe auch Arb 10.606) hat die beklagte Partei, die vom Betriebsratsvorsitzenden vom Vorfall vom 23.Februar 1990 verständigt worden war und diesen bereits in diesem Gespräch von ihrer Entlassungsabsicht - sollten sich die Vorwürfe gegen den Kläger als stichhaltig erweisen - informiert hatte, mit der weiteren Mitteilung an den Betriebsratsvorsitzenden, sie beabsichtige, die Entlassung auszusprechen, ausreichend Rechnung getragen. Der Betriebsratsvorsitzende vertritt nämlich gemäß § 71 ArbVG den Betriebsrat gegenüber dem Betriebsinhaber; er hat aber anders als in anderen Fällen anläßlich der Information über die Absicht, die Entlassung auszusprechen, nicht zum Ausdruck gebracht, daß er zuvor noch ein weiteres Gespräch wünsche.
Soweit der Revisionswerber vermeint, der im Kollektivvertrag gebrauchte Ausdruck "Anhörung" sei nach dem mit dem Inkrafttreten des ArbVG am 1.Juli 1974 (!) außer Kraft getretenen Betriebsrätegesetz auszulegen, ist ihm zu erwidern, daß der Normadressat eines Kollektivvertrages in seinem Vertrauen darauf geschützt werden muß, daß die Norm so gilt, wie sie von ihm verstanden werden muß. Wird ein in einem Kollektivvertrag gebrauchter Gesetzesbegriff trotz längst erfolgter Gesetzesänderung nicht geändert, so muß der Normadressat auf eine statische Verweisung auf die nunmehrige Gesetzeslage schließen (siehe Arb 10.815 = SZ 62/135; vgl auch WBl 1990, 214).
Da somit das im Kollektivvertrag vorgesehene Anhörungsverfahren eingehalten wurde, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der von Jabornegg in "Grenzen kollektivvertraglicher Rechtsetzung und richterliche Kontrolle" JBl 1990, 205 ff (210 f) vertretenen Auffassung, diese kollektivvertragliche Regelung sei von der in § 2 Abs. 2 Z 2 ArbVG verankerten kollektivvertraglichen Rechtsetzungsbefugnis nicht gedeckt und verstoße überdies gegen absolut zwingendes Betriebsverfassungsrecht.
Zutreffend haben die Vorinstanzen auch das Verhalten des Klägers gegenüber dem Arbeitskollegen - der bei der beklagten Partei als Koch beschäftigte, seinem Kontrahenten körperlich überlegene Kläger packte seinen in demselben Speisewagen als Kellner beschäftigten Arbeitskollegen anläßlich einer Auseinandersetzung über einen vom Kläger beanspruchten Trinkgeldanteil zunächst an der Kleidung, riß ihn sodann auch an den Haaren, als er sich dem Griff des Klägers zu entwinden trachtete, und bedrohte ihn mit den Worten, er solle sich mit dem Kläger nicht "spielen", weil ihn der Kläger sonst niedermachen werde - als Elemente einer gefährlichen Drohung enthaltende grobe Ehrenbeleidigung im Sinne des § 82 lit g erster Tatbestand GewO qualifiziert, zumal sich der Vorfall unmittelbar nach Beendigung der Arbeit in der Bahnhofshalle und daher sogar in aller Öffentlichkeit abspielte und auch in einem engen inneren Zusammenhang mit der gemeinsamen Arbeit stand, so daß die beklagte Partei im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht gehalten war, den Arbeitskollegen gegen die Tätlichkeiten und Drohungen des Klägers zu schützen. Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß Tätlichkeiten wie Ohrfeigen und das Reißen an den Haaren in der Regel als grobe Ehrenbeleidigung zu qualifzieren sind (siehe auch Kuderna Entlassungsrecht 78 sowie RdW 1986, 349; ähnlich auch 9 Ob A 5/90 sowie 9 Ob A 272/90).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E28422European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00031.92.0318.000Dokumentnummer
JJT_19920318_OGH0002_009OBA00031_9200000_000