TE OGH 1992/3/19 7Ob531/92

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Veröffentlicht am 19.03.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Lieselotte K*****, vertreten durch Dr.Utho Hosp, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Siegfried H*****,

2.) Brigitte H*****, beide vertreten durch Dr.Stefan Vargha und Dr.Herbert Waltl, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Räumung und Unterlassung (Streitwert gemäß § 10 Z 2 lit a RATG S 222.000, gemäß § 16 GGG S 36.000) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 11.Dezember 1991, GZ 21 R 418/91-15, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 12.August 1991, GZ 11 C 1618/91 t-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung zur Gänze wie folgt zu lauten hat:

"1. Die beklagten Parteien sind schuldig, die im Haus Salzburg, L*****straße***** gelegenen und von ihnen benützten Gastlokalitäten und zwar die durch einen Rundbogen verbundenen Räume, Küche, Damen- und Herren-Toilette, Garderobe, Windfang beim Eingang, zwei Abstellräume, die zu diesem Lokal gehörenden Parkplätze vor dem Haus sowie den an der Rückseite des Hauses gelegenen Gastgarten geräumt von ihren Fahrnissen jedoch mit den zum Betrieb mitgepachteten Einrichtungsgegenständen der klagende Partei binnen 14 Tagen bei Exekution zu übergeben.

2. Die beklagten Parteien sind schuldig es zu unterlassen, das in den Räumen Salzburg, L*****straße***** betriebene Unternehmen an Dritte entgeltlich oder unentgeltlich weiterzugeben.

3. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 36.382,08 (darin enthalten S 5.938,68 Umsatzsteuer und S 750 Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen".

Die beklagten Parteien sind weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 31.672,38 (darin enthalten S 4.778,73 Umsatzsteuer und S 3.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin eröffnete im Jahr 1964 im Erdgeschoß ihres Hauses Salzburg, L*****straße*****, einen Gasthausbetrieb unter der Bezeichnung "G***** Stüberl", den sie - unterbrochen durch zwei Verpachtungen vor dem Jahr 1984 - bis April 1987 selbst führte. Im Jahr 1984 erweiterte die Klägerin den Betrieb durch einen weiteren Gastraum und durch Fremdenzimmer. Aus Gesundheitsgründen übergab sie ihn im April 1987 ihrer Enkelin Susanne P*****, die ihn in der Art eines Heurigenlokales weiterführte. Wegen finanzieller Schwierigkeiten schloß die Klägerin im Sommer 1988 das Lokal. Am 30.1.1989 schloß sie mit den Beklagten für die Dauer von fünf Jahren einen als Pachtvertrag bezeichneten Vertrag ab. Gegenstand waren die im Haus der Klägerin gelegenen Gastlokalitäten; mitgepachtet wurde die zum Betrieb des Gast- und Schankgewerbes bestimmten Einrichtungsgegenstände, nämlich 10 Lokaltische, acht Sessel, die fest angebrachten Bänke in den Gasträumen, ein Elektroherd, ein Tischherd, ein Kühlschrank, eine Tiefkühltruhe, die Einrichtung der Gasthausküche, ein Geschirrspüler, ein Mikrowellenherd sowie diverses Geschirr (Punkt I). Als Bestandzins wurde der Betrag von S 16.000/Monat wertgesichert vereinbart (Punkt III). Die Inbestandgabe erfolgte unter der ausdrücklichen Vereinbarung, daß im Bestandobjekt ein Gastgewerbe betrieben wird; eine Änderung dieses Verwendungszweckes ohne vorherige Zustimmung der Klägerin wurde nicht gestattet. Die Klägerin sollte im Falle eines Verstoßes gegen diese Bestimmung zur sofortigen Auflösung des Vertragsverhältnisses berechtigt sein (Punkt IV). Die Bestandnehmer sind nicht berechtigt, das Objekt in seiner Gesamtheit oder einzelne Räume davon "weiterzuverpachten" bzw entgeltlich oder unentgeltlich an dritte Personen weiterzugeben (Punkt VII). Im Falle der "Unterverpachtung" oder Überlassung von Rechten an dritte Personen sowie sonstiger weiterer Vertragsverletzungen kann das Bestandverhältnis ohne Rücksicht auf die vereinbarte Dauer gekündigt werden (Punkt XII).

Wegen des Betriebsstillstandes von rund einem halben Jahr war das Lokal im Jänner 1989 in schlechtem Zustand und mußte gesäubert und renoviert werden. Die Beklagten nahmen auch zusätzliche Investitionen in der Gesamthöhe von rund S 100.000 vor. So wurden ein neuer Elektroherd, ein Toastgriller, eine Friteuse und große Kochtöpfe für die Küche angeschafft. Im Schankraum verlängerten die Beklagten die Stehbar und montierten neue Lampen. Ein Warenlager oder ein Kundenstock waren nicht vorhanden. Geführt wurde das nunmehr wieder in der Art eines gutbürgerlichen Gasthauses betriebene Unternehmen vom Erstbeklagten aufgrund einer Konzession der Zweitbeklagten. Im Jahr 1990 mußte der Erstbeklagte die Führung des Betriebes aus gesundheitlichen Gründen zurücklegen. Er machte der Klägerin einen Nachfolger namhaft, mit dem diese das Lokal auch besichtigte. Eine vertragliche Vereinbarung scheiterte schließlich daran, daß die Beklagten von ihrem Nachfolger eine Ablöse erhalten sollten, womit die Klägerin nicht einverstanden war.

Am 27.7.1990 veräußerten die Beklagten den Gastgewerbebetrieb samt Inventar und Einrichtung an die H***** GmbH. Am 2.8.1990 teilten sie der Klägerin mit, daß die Hauptmietrechte an den Geschäftsräumlichkeiten gemäß § 12 Abs 3 an die Unternehmenserwerberin übergegangen seien.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von den Beklagten, ihr die Bestandräumlichkeiten zu übergeben; ferner beantragt sie, den Beklagten aufzutragen es zu unterlassen, das in den Bestandräumlichkeiten betriebene Unternehmen an Dritte entgeltlich oder unentgeltlich weiterzugeben. Die Klägerin habe wegen der vertragswidrigen Weitergabe des Pachtobjektes das Pachtverhältnis zum 19.7.1990 aufgelöst.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Sie hätten von der Klägerin kein lebendes Unternehmen übernommen

sondern - ungeachtet der unrichtigen Bezeichnung im Vertrag - Geschäftsräume gemietet.

Das Erstgericht wies die Klage zur Gänze ab. Da die Beklagten weder ein Warenlager noch einen Kundenstock übernommen, den Gasthausbetrieb in den in Bestand genommenen Räumen aufgrund einer eigenen Konzession betrieben und auch selbst Investitionen getätigt hätten, um das ca sechs Monate leer stehende Lokal wieder in Betrieb nehmen zu können, sei der zwischen den Streitteilen geschlossene Vertrag als Miete zu qualifizieren. Durch den Verkauf des von den Beklagten in dem Bestandobjekt betriebenen Unternehmens seien die Mietrechte an die Erwerberin übergegangen. Die Auflösungserklärung der Klägerin sei daher wirkungslos.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es billigte im wesentlichen die Rechtsansicht des Erstgerichtes.

Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternahmenspacht lassen sich keine festen, allgemein anwendbare Regeln aufstellen. Es kommt vielmehr immer auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalles an (SZ 58/8 mwN; JBl 1989, 312). Eine Unternehmensveräußerung liegt im allgemeinen vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages ist, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff des "good will" gehört, (Mietslg 38.457, 38.135; SZ 58/8; JBl 1989, 312 uva), übergeben wird. Neben den Räumen muß dem Bestandnehmer auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und seinem wirtschaftlichen Fortbestand gehört, also Betriebsmittel, Kundenstock und Gewerbeberechtigung. Das bedeutet allerdings nicht, daß im Einzelfall alle diese Merkmale gleichzeitig gegeben sein müssen. Weder die Beibringung der Gewerbeberechtigung durch den Bestandnehmer noch das gänzliche oder teilweise Fehlen von Einrichtungsgegenständen oder daß der Bestandnehmer solche direkt von dem früheren Pächter erwerben mußte, muß gegen die Annahme eines Pachtvertrages sprechen; die Ersetzung veralteter Betriebsmittel durch den neuen Pächter ändert ebenfalls nichts am Charakter des Vertrages als Pachtvertrag (SZ 58/8 mwN). Fehlt es an einzelnen für die Unternehmensüberlassung charakteristischen Merkmalen, so kommt es darauf an, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (SZ 58/8 mwN; JBl 1989, 312). Eines der wichtigsten Kriterien des Pachtvertrages ist die Vereinbarung der Betriebspflicht. Es muß ein wirtschaftliches Interesse des Bestandgebers an der kontinuierlichen Weiterführung des übergebenen Unternehmens bestehen (SZ 58/8 wmN; JBl 1989, 312 uva).

Auch ein erst zu errichtendes oder zum Vertragszeitpunkt stillgelegtes Unternehmen kann Gegenstand eines Pachtvertrages sein, wenn der Bestandgeber alle wesentlichen Betriebsgrundlagen überläßt und der Bestandnehmer seinerseits verpflichtet wird, ein lebendes Unternehmen zurückzustellen; werden wesentliche Bestandteile des Unternehmens zur Verfügung gestellt, dann fällt es auch nicht entscheidend ins Gewicht, daß ein konkreter Kundenkreis nicht übergeben werden konnte, eine ständige Nachfrage sich aber aus der Lage des Bestandobjektes ergibt (MietSlg 39.101 mwN).

Wenn auch die Anforderungen an eine Unternehmenspacht bei stillgelegten Betrieben strenger sind, darf im vorliegenden Fall nicht übersehen werden, daß die für einen Gasthausbetrieb wesentlichen Betriebsmittel von der Klägerin übergeben wurden. Die Beklagten nahmen die gesamte Einrichtung der Gasträume und die Kücheneinrichtung samt technischen Geräten in Bestand. Daß ein weiterer Elektroherd, ein Toastgriller und eine Friteuse sowie große Kochtöpfe angeschafft wurden, steht dem nicht entgegen. Auch die Änderungen am Inventar der Gasträume fallen nicht besonders ins Gewicht. Die von den Beklagten übernommenen Einrichtungsgegenstände und Geräte bildeten vielmehr den Kern der Betriebsmittel. Auch der Umstand, daß wegen der Stillegung des Betriebes durch sechs Monate hindurch kein aktueller Kundenkreis mehr vorhanden war, steht der Annahme einer Unternehmenspacht hier nicht entgegen. Die Klägerin hat in dem Bestandobjekt ein Gastgewerbeunternehmen aufgebaut und länger als 20 Jahre (selbst oder durch Pächter) betrieben und damit die wesentlichen Voraussetzungen für die Entwicklung eines Kundenkreises am Standort ihres Unternehmens geschaffen, was den Beklagten auch zugute gekommen ist. Die (persönliche) Betriebspflicht der Beklagten wurde ausdrücklich vereinbart. Es liegt auch im wirtschaftlichen Interesse der Klägerin, die weitere Nutzung des von ihr aufgebauten Unternehmens im Wege der Verpachtung durch die Vereinbarung einer Betriebspflicht zu sichern. Von einer Leerfloskel im Vertrag, der die Parteien keine Bedeutung beigemessen hätten, kann daher keine Rede sein. Unter verständlicher Würdigung dieser gesamten Umstände liegt daher ein Pachtverhältnis vor.

Der - noch nicht vollzogene - Verkauf des Unternehmens durch die Beklagten ist ein im Pachtvertrag vereinbarter wichtigter Grund für die vorzeitige Auflösung des Pachtverhältnisses. Das Räumungsbegehren ist daher berechtigt. Die Klägerin hat aber auch Anspruch darauf, daß die Beklagten die Ausführung des vertragswidrigen Geschäftes unterlassen. Daher war auch dem Unterlassungsbegehren stattzugeben.

Somit war die Entscheidung im Sinne der gänzlichen Stattgebung der Klage abzuändern. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die des Rechtsmittelverfahrens zusätzlich auf § 50 ZPO.

Anmerkung

E28729

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00531.92.0319.000

Dokumentnummer

JJT_19920319_OGH0002_0070OB00531_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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