Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Unterbringungssache der Hildegard K*****, kaufmännische Angestellte, ***** vertreten durch die Patientenanwältin Sieglinde Cerwenka, St.Veiter Straße 47, 9020 Klagenfurt, infolge Revisionsrekurses des Leiters der psychiatrischen Abteilung des Allgemeinen Öffentlichen Krankenhauses des Landes Kärnten in Klagenfurt gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 10.Jänner 1992, GZ 1 R 9/92-17, womit der Rekurs des genannten Abteilungsleiters gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 30.Dezember 1991, GZ 18 Ub 81/91-9, zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Beschluß vom 16.12.1991 (ON 2) ist die Unterbringung der am 13.12.1991 gegen ihren Willen stationär in die psychiatrische Abteilung des LKH Klagenfurt aufgenommenen Hildegard K***** für vorläufig zulässig erklärt und die mündliche Verhandlung für den 30.12.1991 angeordnet worden.
Als Ergebnis dieser mündlichen Verhandlung verkündete der Erstrichter in Anwesenheit der Patientin den Beschluß, daß deren Unterbringung mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 3 UbG unzulässig sei. Dem von Dr. Jakob R*****, einem in Facharztausbildung befindlicher Assistenzarzt namens des Abteilungsleiters sofort erhobenen Rekurs erkannte das Erstgericht aufschiebende Wirkung zu (ON 8).
Dem am 7.1.1992 eingelangten schriftlichen Rekurs, unterzeichnet von einem Oberarzt und dem bereits genannten Assistenzarzt, erkannte das Erstgericht gemäß § 28 Abs. 2 UbG nicht weiterhin aufschiebende Wirkung zu, weil laut Mitteilung des Abteilungsleiters vom 3.1.1992 (ON 12) die Unterbringung aufgehoben worden sei. Laut Aktenvermerk vom 8.1.1982 sei diese Mitteilung irrtümlich erfolgt. Aus dem Postfehlbericht vom 13.1.1992 (ON 19) ergibt sich aber, daß die Patientin damals bereits aus dem Krankenhaus ausgetreten war.
Das Rekursgericht wies den Rekurs des Abteilungsleiters mit der Begründung zurück, der Abteilungsleiter dürfe nur durch einen Facharzt vertreten werden. Da dies in der Tagsatzung vom 30.12.1991 nicht der Fall gewesen sei, liege keine gültige Erklärung des Abteilungsleiters gemäß § 26 Abs. 3 UbG vor, Rekurs zu erheben. Mangels einer solchen Erklärung hätte gemäß § 28 Abs. 2 UbG später kein Rekurs durch den Abteilungsleiter mehr erhoben werden können.
Das Rekursgericht sprach die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses mit der Begründung aus, daß zur Frage, ob der Abteilungsleiter auch durch einen Nichtfacharzt bei der Rekurserhebung vertreten werden könne, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.
Gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Abteilungsleiters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die Entscheidung in der Sache aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Gemäß § 12 Abs. 2 UbG ist in den im Unterbringungsgesetz geregelten Angelegenheiten im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden. Es gilt daher auch in solchen Angelegenheiten der allgemeine Grundsatz, daß die Beschwer als Voraussetzung eines jeden Rechtsmittels auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel bestehen muß (MGA Verfahren außer Streitsachen2 § 9 AußStrG/E 1 und 2).
Eine Sachentscheidung des Rekursgerichtes im Sinne des Antrages des Abteilungsleiters in seinem Rekurs an die zweite Instanz - selbst wenn man diesen entgegen der Meinung des Rekursgerichtes als zulässig erhoben ansähe - könnte im Hinblick auf die Bestimmung des § 26 Abs. 2 UbG, der die Frist, für welche die Unterbringung für zulässig erklärt werden darf, mit höchstens drei Monaten ab Beginn der Unterbringung (hier: 13.12.1991) festsetzt, nicht mehr ergehen. Demgemäß besteht kein Rechtsschutzinteresse des Abteilungsleiters an einer Entscheidung darüber, ob die Unterbringung der bereits am 13.1.1992 tatsächlich aus der Anstalt entlassenen Patientin (siehe ON 19) in Wahrheit entgegen der Entscheidung des Erstgerichtes laut Beschluß ON 8 (9) hätte für zulässig erklärt werden müssen, weil es sich dabei um eine rein theoretische Entscheidung ohne jede praktische oder rechtliche Folge handeln würde.
Dem steht die in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 7 Ob 590/91 vertretene Rechtsansicht nicht entgegen, daß das Rechtsschutzinteresse einer Patientin an der Entscheidung darüber, ob die seinerzeitige Unterbringung rechtmäßig war, durch die nach Ablauf der Dreimonatsfrist (§ 26 Abs. 2 UbG) erfolgte Unzulässigerklärung der weiteren Unterbringung nicht wegfiel. In einem solchen Fall wurde nämlich mit Gerichtsbeschluß das Grundrecht des Menschen auf persönliche Freiheit (Art 5 Abs. 1 lit e MRK und Art 2 Abs. 2 Z 5 des BVG vom 29.11.1988, BGBl Nr 684 über den Schutz der persönlichen Freiheit) berührt. Deswegen hat der davon in seinen Rechten Beeinträchtigte auch noch nach der Aufhebung der freiheitseinschränkenden Maßnahme weiterhin ein rechtliches Interesse an der Feststellung, ob diese Maßnahme zu Recht erfolgte (so zum alten Anhalterecht SZ 39/83 ua; zum Unterbringungsverfahren 1 Ob 549/91 ua). Über die Zulässigkeit einer bereits erfolgten freiheitseinschränkenden Maßnahme ist aber in diesem Fall nicht zu entscheiden.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Anmerkung
E28773European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00505.92.0324.000Dokumentnummer
JJT_19920324_OGH0002_0050OB00505_9200000_000