TE OGH 1992/3/24 4Ob20/92

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Veröffentlicht am 24.03.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Peter Wiesauer und Dr.Helmuth Hackl, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Johannes H*****, vertreten durch Dr.Peter Posch und Dr.Ingrid Posch, Rechtsanwälte in Wels, wegen Unterlassung (Streitwert S 500.000) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 13.Dezember 1991, GZ 3 R 309/91-15, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 12.November 1991, GZ 2 Cg 281/91-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen; die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist zu 75 %, der Beklagte zu 25 % Gesellschafter der zu HRB ***** im Firmenbuch des Kreis- als Handelsgerichtes Wels protokollierten H***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in S*****. Der Gesellschaftsvertrag vom 12.3.1985 sieht als Unternehmensgegenstand ua die Erzeugung und den Vertrieb von Produkten des Tischlereigewerbes, industriell gefertigten Türen und Fenstern, sowie Fassadenelementen und Portalen aus Holz, Kunststoff und Metall im eigenen und im fremden Namen vor. Punkt "Zehntens" des Gesellschaftsvertrages lautet:

"Die Gesellschafter verpflichten sich, ohne ausdrückliche und schriftliche Zustimmung der übrigen Gesellschafter im räumlichen und sachlichen Tätigkeitsbereich der Gesellschaft jeden Wettbewerb mit dieser zu unterlassen, insbesondere sich an Konkurrenzunternehmen weder unmittelbar noch mittelbar zu beteiligen, in die Dienste eines Konkurrenzunternehmens zu treten oder ein solches Unternehmen auf sonstige Weise unmittelbar oder mittelbar durch Rat oder Tat zu fördern. Ausgenommen ist der Erwerb börsennotierter Aktien an Konkurrenzunternehmen zum Zweck der reinen Kapitalanlage.

Räumlicher Tätigkeitsbereich im Sinne dieses Wettbewerbsverbotes ist das gesamte Staatsgebiet der Republik Österreich; sachlicher Tätigkeitsbereich im Sinne dieses Wettbewerbsverbotes ist der im Punkt "Viertens" des Gesellschaftsvertrages beschriebene Unternehmensgegenstand.

Jeder Verstoß gegen dieses Wettbewerbsverbot berechtigt jeden einzelnen Mitgesellschafter, den treuewidrigen Gesellschafter auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen".

Etwa im Juli 1989 gründeten Ernestine H*****, Lehrerin und Gattin des Beklagten, sowie Franz F***** die HK*****gesellschaft mbH (im folgenden: Firma HK*****) mit dem Sitz in A*****. Zum alleinigen Geschäftsführer wurde Franz F***** bestellt.

Mit der Behauptung, daß der Beklagte unter Verletzung des im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Wettbewerbsverbotes für die Firma HK***** tätig sei und Kunden der Firma H***** GmbH abwerbe, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches - soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung - dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im gesamten Staatsgebiet der Republik Österreich Konkurrenzunternehmen der H***** Gesellschaft mbH unmittelbar oder mittelbar durch Rat oder Tat zu fördern und deren Kunden abzuwerben.

Der Erstrichter wies diesen Sicherungsantrag auch im zweiten Rechtsgang ohne Anhörung des Beklagten ab. Er stellte noch fest:

Seit der Gründung der Firma HK***** bemüht sich der Beklagte, Kunden für sie zu gewinnen. In dieser Absicht richtete er am 17.7.1991 ein Schreiben mit Firmenkopf der Firma HK***** an Helmut K***** und übersandte damit die neue Preisliste der Firma HK*****. Helmut K***** ist ein bei der H***** Gesellschaft mbH mit Fixum und Provisionsanspruch beschäftigter Außendienstmitarbeiter. Weiters wandte sich der Beklagte an Gerald K***** und teilte ihm mit, daß die Firma HK***** die Preise der H***** Gesellschaft mbH um 15 % unterlaufen könne. Schließlich führte der Beklagte im Juli 1991 mit der Türenwerk K***** GmbH Kauf- bzw Auftragsverhandlungen für die Firma HK*****. Daß die H***** Gesellschaft mbH mit Ausnahme Franz F*****s sonst noch Kunden an die Firma HK***** verloren hätte, ist nicht feststellbar. Der Beklagte ist derzeit arbeitslos, soweit er nicht aus seiner Tätigkeit für die Firma HK***** Entgelt bezieht.

Rechtlich meinte der Erstrichter, daß die Klägerin als Mitgesellschafterin der gemeinsamen GmbH nur mittelbar geschädigt sein könne, so daß ihr die aktive Klagelegitimation und die Legitimation für den Sicherungsantrag fehlten. Die Frage des unwiederbringlichen Schadens könne demnach auf sich beruhen.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Schon im ersten Rechtsgang habe das Rekursgericht

die - bindende - Rechtsansicht dargelegt, daß der Verlust von Kunden auch für den Mehrheitsgesellschafter des betroffenen Unternehmens ein unwiederbringlicher Schade sei, treffe doch auch ihn eine allfällige Verminderung des Firmenwertes und des Unternehmensgewinnes; damit sei auch die Antragslegitimation der Klägerin bejaht worden. Nach dem nunmehr bescheinigten Sachverhalt sei davon auszugehen, daß tatsächlich auf Grund der Tätigkeit des Beklagten - insbesondere durch massives Unterbieten ihrer Preise - für die H***** Gesellschaft mbH die Gefahr des Verlustes von Kunden bestehe. Nach der überwiegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes liege darin ein unwiederbringlicher Schaden im Sinne des § 381 Z 2 EO.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, weil die Frage, ob einem Gesellschafter einer GmbH aus dem Verlust von Kunden der Gesellschaft ein unwiederbringlicher Schaden (§ 381 Z 2 EO) droht, - soweit überblickbar - noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes war. Daß der Beklagte den vom Rekursgericht im ersten Rechtsgang für zulässig erklärten Rekurs nicht erhoben hat, nimmt ihm entgegen der Meinung der Klägerin nicht das Recht, nun im zweiten Rechtsgang die im Aufhebungsbeschluß vertretene Rechtsansicht zu bekämpfen (SpR 37 neu; MietSlg 39.785 ua; Fasching IV 292; derselbe, LB2 Rz 1824).

Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3, § 528a ZPO). Auch wenn man die Meinung vertreten wollte, daß der Beklagte, der die Feststellungen des erstinstanzlichen Beschlusses, mit dem der Sicherungsantrag abgewiesen worden war, nicht bekämpfen konnte, zumal er am Rekursverfahren gar nicht beteiligt war (§ 402 Abs 1 Satz 1, zweiter Halbsatz, EO), diese Feststellungen nun im Revisionsrekursverfahren angreifen kann (vgl SZ 48/9; SZ 51/137 uva zum Berufungsverfahren), wäre damit für den Beklagten nichts gewonnen. Er rügt nämlich nur als Verfahrensmangel, daß eine nachvollziehbare, ins einzelne gehende Beweiswürdigung fehle. Das trifft indes nicht zu: Das Rekursgericht hatte sich mangels Anfechtung mit den Feststellungen nicht zu befassen und diese daher auch nicht zu begründen; der Erstrichter hat aber die Beweise ohnehin gewürdigt. Im Hinblick auf die Einseitigkeit des Bescheinigungsverfahrens und das Fehlen von Widersprüchen in den Ergebnissen konnte er das Auslangen mit einem Hinweis auf die Angaben Volker H*****s und die vorgelegten Urkunden (S. 46) finden. Von einem Begründungsmangel kann daher nicht gesprochen werden.

In ihrer Rechtsrüge wendet sich die Klägerin gegen die Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz, wonach der drohende Verlust von Kunden einen unwiederbringlichen Schaden für die Klägerin bedeute; insoweit fehle der Klägerin auch die Aktivlegitimation.

Dem kann nicht gefolgt werden:

Daß die Klägerin als Partei des Gesellschaftsvertrages legitimiert ist, den Beklagten als ihren Vertragspartner auf Unterlassung eines vertragswidrigen Verhaltens in Anspruch zu nehmen, kann keinem Zweifel unterliegen. Die Frage, ob die von ihr begehrte einstweilige Verfügung zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheint (§ 381 Z 2 EO), hat mit der Aktivlegitimation nichts zu tun.

Mit Recht hat das Rekursgericht die Voraussetzungen des § 381 Z 2 EO bejaht. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Schaden dann unwiederbringlich, wenn ein Nachteil am Vermögen, an Rechten oder Personen eingetreten ist, die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich ist und Geldersatz entweder - etwa infolge Zahlungsunfähigkeit des Schädigers - nicht geleistet werden kann oder die Leistung des Geldersatzes dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat ist (ÖBl 1974, 14; SZ 49/11; JBl 1985, 423 uva). Der Verlust von Kunden bildet entgegen den Rechtsmittelausführungen der Klägerin sehr wohl einen unwiederbringlichen Schaden im dargelegten Sinn. Den Inhaber des Geschäftsbetriebes in derartigen Fällen nur auf allfällige Schadenersatzansprüche in Geld zu verweisen, geht - wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (ÖBl 1974, 14 mwN) - schon infolge der Schwierigkeit der Ermittlung aller für solche Ansprüche in Betracht kommenden Faktoren nicht an, ist doch mit dem Verlust bereits bestehender Geschäftsverbindungen und den durch die konkurrenzierende Tätigkeit des Beklagten bedingten Ausfall möglicher weiterer Kunden auch eine Schmälerung des good-will-Wertes des Unternehmens verbunden (im gleichen Sinne SZ 51/20; MietSlg 35.880). Ein unwiederbringlicher Schaden kann - entgegen der Entscheidung MietSlg 25.618 - auch dann vorliegen, wenn die Existenzgrundlage des Unternehmens nicht gefährdet ist; auch eine - nicht wieder gut zu

machende - Beeinträchtigung des Vermögens reicht für den Tatbestand des § 381 Z 1, zweiter Fall, EO aus. Soweit der Beklagte meint, die H***** Gesellschaft mbH könne den Verlust von Kunden durch Anwerben neuer Kunden kompensieren, kann ihr nicht zugestimmt werden, ist doch nicht einzusehen, weshalb die Klägerin neue Kunden gerade dadurch gewinnen könnte, daß sie alte verliert; nur in diesem Fall könnte aber von einer Kompensation die Rede sein. In jedem Fall kann die H***** Gesellschaft mbH neue Kunden anwerben; soweit sie aber durch Maßnahmen des Beklagten alte Kunden verliert, erleidet sie damit einen Schaden.

Droht aber der H***** Gesellschaft mbH infolge der bescheinigten Aktivitäten des Beklagten ein unwiederbringlicher Schaden, dann trifft das auch auf die Klägerin zu, welche als Gesellschafterin am wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft beteiligt ist. Je größer der Gewinn der Gesellschaft ist, desto größer ist ja der Gewinnanteil der Klägerin; auch etwaige Verluste der Gesellschaft gehen letztendlich zu Lasten der Klägerin.

Der Revisionsrekurs mußte somit erfolglos bleiben.

Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten des Beklagten gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 40, 50, 52 ZPO, jener über die Kosten der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO.

Anmerkung

E28315

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00020.92.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19920324_OGH0002_0040OB00020_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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