TE OGH 1992/3/24 10ObS59/92

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Veröffentlicht am 24.03.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Heinz Paul (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Siegfried Pratscher (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ruth S*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dipl.Dolm. Dr. Herbert Scheiber und Dr. Ines Scheiber, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kinderzuschusses zur Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Oktober 1991, GZ 31 Rs 166/91-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30.April 1991, GZ 23 Cgs 506/91-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie lauten:

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin den Betrag von S 4.550,-- und die mit S 7.475,20 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 1.239,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin für Barbara S***** den Kinderzuschuß bis zum Studienabschluß zu gewähren, wird abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 14.7.1964 geborene Tochter der Klägerin, Barbara S*****, wiederholte die 7.Klasse des Gymnasiums auf Grund von Problemen im schulischen Bereich, weshalb sie die Reifeprüfung erst am 17.6.1983 ablegte. Im Oktober 1983 begann sie ihr Studium an der Universität Wien, Fach Biochemie. Sie hat sämtliche bis zur Zeit der Antragstellung (8.8.1980) abgelegten Prüfungen mit überwiegend gutem Erfolg bestanden und bereits 13 Studiensemester absolviert. Sie hat auch im Sommersemester 1991 Biochemie inskribiert. Das Dekanat der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien sieht eine Verzögerung der gesetzlich vorgesehenen Studiendauer für das Studienfach Biochemie um 5 Semester als gerechtfertigt an; diese Verlängerung ist auf die Studienbedingungen zurückzuführen.

Die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten wies mit Bescheid vom 8.11.1990 den Antrag der Klägerin vom 8.8.1990 auf Weitergewährung des Kinderzuschusses für die Tochter über deren vollendetes 26.Lebensjahr hinaus ab. Dagegen richtet sich die vorliegende Klage mit dem Begehren auf Gewährung des Kinderzuschusses "über den 31.August 1990 bis zum Studienabschluß". Die Verzögerung des Studiums sei auf ein unüberwindbares Hindernis zurückzuführen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Die Tochter der Klägerin habe das Studium erst im Alter von 19 Jahren aufgenommen, obwohl sie beim ordnungsgemäßen Verlauf der Schulausbildung die Reifeprüfung bereits mit 18 Jahren ablegen hätte können. Hätte sie ihr Studium bereits im Wintersemester 1982/83 aufgenommen, wäre ihr ohne weiteres möglich gewesen, trotz bescheinigter Studienverzögerung von 5 Semestern das Studium Biochemie vor Vollendung ihres 26. Lebensjahres erfolgreich abzuschließen.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin über den 31.8.1990 hinaus den Kinderzuschuß in der gesetzlichen Höhe weiterhin zu gewähren und eine vorläufige Zahlung von S 650,-- monatlich zu erbringen. Das Mehrbegehren, den Kinderzuschuß bis zum Studienabschluß zu gewähren, wies es ab. Die Verlängerung der gesetzlich vorgesehenen Studiendauer von 10 Semestern sei auf organisatorische Probleme an der Universität, somit aufein unüberwindbares Hindernis zurückzuführen, weil Verzögerungen auf Grund fehlender Laborplätze, Mittel und Einrichtungen vom Studierenden nicht beeinflußbar seien. Die Tochter der Klägerin habe damit rechnen können, ihr Studium in der Zeit von 10 Semestern zu beenden, selbst wenn sie dies erst im Alter von 19 Jahren begonnen habe. Die Verlängerung durch organisatorische Probleme sei für sie unvorhersehbar gewesen. Die Verzögerung beim Schulabschluß sei nicht zu berücksichtigen, weil der Gesetzgeber zwischen der Schul- und Berufsausbildung unterscheide und eine Kompensation der Verzögerung mit dem Hindernis nicht möglich sei. Das Mehrbegehren sei abzuweisen, da für den Studienabschluß kein bestimmter Zeitpunkt feststehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Urteil im klagsabweislichen Sinn ab. Die Schul- und Berufsausbildung der Tochter der Klägerin, die als Einheit angesehen werden müsse, sei nicht durch ein unüberwindbares Hindernis verzögert worden. Der verspätete Beginn des Studiums infolge Wiederholung der 7.Klasse des Gymnasiums auf Grund von Problemen im schulischen Bereich stelle kein unüberwindbares Hindernis dar. Bei Ausklammerung desselben wäre eine rechtzeitige Beendigung des Studiums möglich gewesen. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision zulässig sei.

Die Revision der Klägerin ist, da es sich bei dem Begehren auf Kinderzuschuß um eine wiederkehrende Leistung iS des § 46 Abs.3 ASGG handelt, auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs.1 ASGG zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist auch teilweise berechtigt.

Gemäß § 252 Abs.2 Z 1 ASVG in der hier anzuwendenden Fassung vor der 44.ASVG-Novelle (Art.VI Abs.13 SozRÄG 1988, BGBl.1987/609) besteht auch nach Vollendung des 18.Lebensjahres die Kindeseigenschaft weiter, wenn und solange das Kind sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres. Ist die Schul- oder Berufsausbildung durch die Erfüllung der Wehrpflicht, der Zivildienstpflicht, durch Krankheit oder ein anderes unüberwindbares Hindernis verzögert worden, so besteht die Kindeseigenschaft über das 26.Lebensjahr hinaus für einen der Dauer der Behinderung angemessenen Zeitraum. Das Gesetz stellt nur darauf ab, daß die Schul- oder Berufsausbildung durch eines der genannten Hindernisse verzögert wurde, enthält aber keinerlei Einschränkungen hinsichtlich des Zeitpunktes einer solchen Verzögerung. Wie der erkennende Senat bereits ausgesprochen hat, kommt es daher auf die zeitliche Lagerung des Verzögerungsgrundes nicht an; vielmehr genügt es, daß das Kind vor Vollendung des 26.Lebensjahres seine Schul- oder Berufsausbildung, im vorliegenden Fall das Studium der Biochemie an der Universität Wien begann und auch vor diesem Zeitpunkt das unüberwindliche Hindernis, das eine Verzögerung der Ausbildung zu verursachen geeignet war, eintrat (10 Ob S 216/91 = SSV-NF 5/89 - in Druck - unter Hinweis auf OLG Wien SSV 22/89). Es trifft zwar zu, daß die wesentliche Verlängerung der Studiendauer über das 26. Lebensjahr hinaus auch dadurch bedingt wurde, daß die Tochter der Klägerin ihr Studium erst mit 19 Jahren begann. Dessenungeachtet erfüllt die auf die Studienbedingungen zurückzuführende Verlängerung der Studiendauer von 5 Semestern die Voraussetzungen des § 252 Abs.2 Z 1 letzter Fall ASVG in der oben genannten Fassung. Ohne diese Verzögerung wäre bei gleichem Studienbeginn im Oktober 1983 das Studium vor Erreichen des 26. Lebensjahres zu beenden gewesen. Ungeachtet des Umstandes des verspäteten Studienbeginnes haben daher die oben genannten Studienbedingungen zu einer Verzögerung des Studiums vor Vollendung des 26.Lebensjahres geführt. In dem dadurch bedingten Ausmaß ist eine Verlängerung der Kindeseigenschaft im Sinn der zitierten Gesetzesstelle eingetreten. Folgte man hingegen der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der gesamte Zeitraum der Schul- und Berufsausbildung insoweit als Einheit anzusehen sei, dann müßte der gesamte Lebenslauf des Kindes ab der Schulpflicht auf verschuldete Verzögerungen der Ausbildung überprüft werden. So müßte beispielsweise, wie die Revision zutreffend darlegt, vorausschauend die - unter Umständen durch den späteren Pensionsbezieher gar nicht beeinflußbare - Aufschiebung der Einschreibung in die Volksschule durch medizinische oder psychologische Begutachtungen dokumentiert werden (etwa bei Zurückstellung mangels Schulreife). Eine solche Betrachtungsweise ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Es gelten vielmehr auch hier die in der Entscheidung 10 Ob S 216/91 = SSV-NF 5/89 - in Druck - ausgesprochenen Grundsätze. Berücksichtigt man demzufolge eine nicht von der Tochter der Klägerin zu vertretende Gesamtstudiendauer von 15 Semestern (Verlängerung um 5 Semester), so ergibt sich, daß eine Studiendauer bis Ende des Wintersemesters 1990/1991 (Beginn des Sommersemsters gemäß § 19 Abs 1 AHStG am 1.März) als angemessen anzusehen ist. Die Kindeseigenschaft wird nämlich nur in dem Ausmaß durch das unüberwindliche Hindernis verlängert, als hiedurch die Schul- oder Berufsausbildung tatsächlich verzögert wurde (vgl. SSV-NF 3/59, 5/54). Das Klagebegehren ist daher für den Zeitraum ab 1.9.1990 bis einschließlich Februar 1991 berechtigt, dies ergibt unter Berücksichtigung der Sonderzahlung für Oktober und der aus dem Anstaltsakt ersichtlichen Höhe des Kinderzuschusses im Höchstbetrag von S 650,-- monatlich insgesamt einen der Klägerin zuzusprechenden Betrag von S 4.550,--. Eine allfällige weitere Verzögerung des Studiums wäre nicht mehr auf das oben genannte unüberwindliche Hindernis zurückzuführen.

Die Urteile der Vorinstanzen waren daher in diesem Sinn abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs.1 Z 2 lit.a ASGG.

Anmerkung

E29405

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00059.92.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19920324_OGH0002_010OBS00059_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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