TE OGH 1992/3/24 5Ob23/92

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.03.1992
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Wolfgang P*****, vertreten durch Dr. Josef Ostermayer, Funktionär der Mietervereinigung Österreichs, Reichsratsstraße 15, 1010 Wien, wider die Antragsgegnerin Stadt Wien, Rathaus, 1082 Wien, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 12 MRG infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 5.September 1991, GZ 48 R 542/90-12, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 21.6.1990, GZ 6 Msch 7/90-5, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Antragsteller begehrt - nach vorausgegangenem Verfahren bei der Schlichtungsstelle - die Feststellung, die Antragsgegnerin habe durch die Aufnahme der ihr mit Bescheid der Magistratsabteilung 4 der Stadt Wien vom 21.6.1988 für das Objekt ***** vorgeschriebenen, auf die Zeit vom 21.4.1983 bis 30.9.1987 entfallenden Abwassergebühr in die Betriebskostenabrechnung für 1988 das gesetzlich zulässige Betriebskostenausmaß wegen Verjährung der genannten Position überschritten. Der Antragsteller begehrt überdies die Rückzahlung des auf ihn entfallenden Anteiles an dieser Abwassergebühr. Er begründete seinen Antrag damit, daß der Magistrat der Stadt Wien als Einheit anzusehen sei. Die in § 21 Abs 3 MRG normierte Verjährungsfrist dürfe nicht dadurch umgangen werden, daß eine andere Abteilung des Magistrates der Stadt Wien erst später der für die Hausverwaltung zuständigen Magistratsabteilung die Abwassergebühr vorschreibe.

Das Erstgericht wies den Antrag des Antragstellers ab.

Die Magistratsabteilung 52 habe die Abwassergebühren innerhalb der in § 21 Abs 3 MRG vorgesehenen Verjährungsfrist den Mietern gegenüber geltend gemacht. Die Fälligkeit sei ihr gegenüber mit Zugang des Bescheides vom 21.6.1988 eingetreten.

Hätte die Magistratsabteilung 52 einen Bescheid über die Vorschreibung von Abwassergebühren, die nach den abgabenrechtlichen Vorschriften verjährt gewesen seien, unbekämpft gelassen, so könnte dies lediglich einen im streitigen Rechtsweg geltend zu machenden Schadenersatzanspruch wegen allfälliger Verletzung der Obsorgepflichten der Magistratsabteilung 52 begründen, würde aber nichts daran ändern, daß die letztlich rechtskräftig vorgeschriebenen Abwassergebühren Betriebskosten seien. Die Tatsache, daß der Magistrat der Stadt Wien als Einheit aufzufassen sei, könne daher im vorliegenden Fall nicht zielführend ins Treffen geführt werden.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Sachbeschluß und sprach die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses aus.

Das Rekursgericht führte rechtlich folgendes aus:

Zum Beginn der für die Geltendmachung von Betriebskosten maßgeblichen - für den hier zu beurteilenden Fall in § 21 Abs 3 MRG geregelten - Präklusivfrist, wenn ein und dasselbe Rechtssubjekt sowohl die Leistung erbrachte als auch die hiefür aufgelaufenen Kosten den Mietern gegenüber als Betriebskosten geltend machte, habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung MietSlg.15.194 Stellung genommen und ausgesprochen, daß dann die Fälligkeit in dem Zeitpunkt eintrete, in welchem der Vermieter die Ersatzforderung gegen die Mieter an sich geltend machen könne. Während im dort gegenständlichen Fall jener Zeitpunkt maßgebend gewesen sei, in dem der Vermieter das Werk, für das die Betriebskostenforderung entstanden ist, vollendet hatte, müsse hier berücksichtigt werden, daß die Antragsgegnerin die strittigen Abwassergebühren den Mietern gegenüber erst aufgrund eines diesbezüglichen Bescheides, der hier am 21.Juni 1988 erlassen wurde, geltend machen konnte.

Der Umstand, daß ein derartiger Bescheid aufgrund des Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetzes 1978, LGBlW 1978/2, von der Magistratsabteilung 4 im Rahmen der Hoheitsverwaltung zu erlassen ist, während die Vermietung durch die Magistratsabteilung 52 im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung erfolgt, könne nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich beim Magistrat der Stadt Wien um ein- und dasselbe Rechtssubjekt handle, sodaß sich die Antragsgegnerin Verzögerungen der Magistratsabteilung 4 bei der Erlassung des in Rede stehenden Bescheides von einem Mieter grundsätzlich entgegenhalten lassen müsse. Daß es aber im konkreten Fall zu Verzögerungen bei der Bescheiderlassung gekommen wäre, sich die Magistratsabteilung 4 hier also entweder gesetzwidrige Säumigkeiten zuschulden kommen lassen oder absichtlich mit der Erlassung des Bescheides zugewartet habe, um den Antragsteller mit nicht mehr nachvollziehbaren Betriebskostenforderungen zu konfrontieren, habe der Antragsteller nicht einmal behauptet.

Nach § 25 des Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetzes 1978, LGBlW 1978/2, fänden für die Vorschreibung der Abwassergebühren die Vorschriften der Wiener Abgabenordnung, LGBlW 1962/21, in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Danach (§ 154 Abs 1 und 2 WAO 1962 in der Fassung LGBlW 1983/38) unterliege das Recht, eine Abgabe festzusetzen, den Bestimmungen der Verjährung; die Verjährungsfrist betrage fünf Jahre. In Ansehung des hier gegenständlichen Verrechnungszeitraumes 21.4.1983 bis 30.9.1987 habe sie mit Ablauf des Jahres 1983 (§ 155 WAO) begonnen, weshalb der Magistrat der Stadt Wien am 21.6.1988, sohin noch vor Ablauf der fünfjährigen Verjährungszeit, zu einer Abgabenfestsetzung berechtigt gewesen sei. Gewähre das Gesetz selbst der Behörde eine Frist von fünf Jahren für die Abgabenfestsetzung, so könne in dem Umstand allein, daß die Behörde unter Ausschöpfung der Frist, innerhalb der sie die Abgabe festsetzen kann, einen mehrjährigen Verrechnungszeitraum innerhalb dieser Verjährungsfrist wähle, noch keine ihr anzulastende Verzögerung erblickt werden.

Es bestehe kein Anlaß, an die Stadt Wien als Vermieter strengere Anforderungen zu stellen als an einen sonstigen Vermieter und von ihr zu verlangen, Abgabenbescheide betreffend die in ihrem Eigentum stehenden Wohngebäude vorweg und für kürzere Abrechnungsperioden zu erlassen, weil kein Grund ersichtlich ist, den Mieter einer Gemeindewohnung gegenüber einem sonstigen Mieter, dessen Vertragspartner nicht mit der die Abgaben festsetzenden Behörde ident sei, zu bevorzugen. Ein anderer Mieter habe keine Möglichkeit, auf die Fälligstellung durch die Abgabenbehörde gegenüber dem Vermieter Einfluß zu nehmen, weil auch ein sonstiger Vermieter nicht verpflichtet sei, von der Abgabenbehörde die ehestmögliche Gebührenfestsetzung oder Rechnungslegung zu verlangen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, wann Betriebskosten vorzuschreiben bzw in die Abrechnung aufzunehmen sind, wenn die zugrunde liegende Leistung vom Vermieter selbst erbracht wurde, insbesondere dann, wenn das eine im Rahmen der Hoheits-, das andere im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung erfolgte, noch keine bzw keine gefestigte Rechtsprechung bestehe.

Gegen den Sachbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, daß seinem Begehren Folge gegeben werde; hilfsweise stellte der Antragsteller einen Aufhebungsantrag.

Die Antragsgegnerin begehrt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Richtig ist, daß die Antragsgegnerin sowohl als Trägerin der Hoheitsverwaltung betreffend die ihr nach den Bestimmungen des Bundes- und Landesverfassungsgesetzes zukommenden Kompetenzen zur Vollziehung der Gesetze mittels der ihr hiezu durch das öffentliche Recht eingeräumten obrigkeitlichen oder behördlichen Befugnisse ("Imperium" - Verordnungs- und Bescheidkompetenz, unmittelbare behördliche Befehls- und Zwangsgewalt) als auch als Trägerin der Privatwirtschaftsverwaltung (s Art 17 und 116 Abs 2 B-VG) mittels der auch den nicht mit "Imperium" ausgestatteten Rechtsunterworfenen zur Verfügung stehenden Mittel (zB Rechtsgeschäfte des Zivilrechtes) tätig werden kann (zur Abgrenzung von Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung siehe Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts6 Rz 560; Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2 21; Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht 231 f). Diese auf die Handlungsformen abstellende Abgrenzung wird auch von der Rechtsprechung der Gerichte des öffentlichen Rechts geteilt (Nachweise bei Koja, aaO 27).

In beiden Formen wird - wie die Vorinstanzen in Übereinstimmung mit dem Antragsteller zutreffend ausführten - ein und dasselbe Rechtssubjekt tätig (Koja, aaO 22). Das bedeutet aber nicht, wie das Rekursgericht zutreffend ausführt, daß die Organe der Hoheitsverwaltung (hier: die zur Festsetzung der Abwassergebühr zuständige Magistratsabteilung der Antragsgegnerin) bestimmte Normunterworfene (hier: die Antragsgegnerin als Liegenschaftseigentümerin und damit Schuldnerin von Abwassergebühren - wie jeder andere Liegenschaftseigentümer auch) anders behandeln dürfe oder gar müßte wie andere, "private" Steuerschuldner. Die Antragsgegnerin in ihrer Funktion als Privatrechtssubjekt hat gegenüber ihren eigenen Organen, die als Träger der Hoheitsverwaltung tätig werden, von Rechts wegen weder eine bessere noch eine schlechtere Stellung als andere Normunterworfene auch, sondern eben jene Rechtsstellung, welche durch die das betreffende Rechtsgebiet der Hoheitsverwaltung regelnden Vorschriften für alle davon betroffenen Rechtssubjekte gleich gestaltet wird.

Demgemäß war die Antragsgegnerin berechtigt, die ihr als Liegnschaftseigentümerin (Rechtsträgerin der Privatwirtschaftsverwaltung) von ihren zur Abgabenbemessung vorgesehenen Organen (als Trägerin der Hoheitsverwaltung) vorgeschriebenen Abwassergebühren innerhalb der durch § 21 Abs 3 MRG normierten Frist wie jeder andere Liegenschaftseigentümer auch den Mietern gegenüber als Betriebskosten geltend zu machen.

Auf die der Entscheidung MietSlg 15.194 zugrunde liegende Problematik über den Zeitpunkt des Eintrittes der Fälligkeit von Betriebskosten, wenn der Vermieter selbst das Werk schuf, dessen Kosten er den Mietern gegenüber als Betriebskosten geltend machen will, ist hier nicht einzugehen, weil der seinerzeitige Sachverhalt insofern wesentlich anders gestaltet war, als ein und dasselbe Rechtssubjekt sowohl bei Erbringung der Leistung als auch bei Geltendmachung der hiefür aufgelaufenen Kosten gegenüber den Mietern ausschließlich im Rahmen seiner der Disposition als Privatrechtssubjekt unterliegenden Sphäre tätig gewesen war.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E28996

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00023.92.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19920324_OGH0002_0050OB00023_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten