Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Manfred Hintersteininger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Ulrike W*****, 2.) Dr. Brigitte G*****,
3.) Hildrun S*****, 4.) Dr. Günther F*****, und 5.) Edeltraud F*****, 6.) Alfred R*****, 7.) Theresia S*****,
8.) Mag. Dr. Eduard H*****, 9.) Andreas H*****, und 10.) Elfriede H*****, 11.) Fani B*****, 12.) Josef L*****, ***** und 13.) Anna L*****, 14.) Walter G*****, und 15.) Gertrude G*****, 16.) Harald L*****, 17.) Helga M*****, 18.) Dipl.Ing. Peter P*****, und
19.)
Ursula P*****, 20.) Franz P*****, und 21.) Ingrid P*****,
22.)
Dr. Heinrich N*****, 23.) Gisela S*****, 24.) Judith W*****,
25.)
Dipl.-Ing. Thomas F*****, dieser sowie die 23.) Beklagte vertreten durch Dr. Werner Mäntler, Rechtsanwalt in Wien, die übrigen Beklagten (1. bis 22. und 24.) vertreten durch Dr. Erich Kadlec, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zwischenanträgen auf Feststellung infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 17. Jänner 1992, GZ 17 R 250/91-106, womit der Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 10. Juli 1991, GZ 17 Cg 398/83-96, zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrt von den Beklagten - gestützt auf die in den mit ihnen abgeschlossenen Wohnungsreservierungs- und Kaufverträgen enthaltenen diesbezüglichen Vereinbarungen - die anteilige Nachzahlung von Baukosten in der Höhe von 1,039.691,90 S s.A.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens, weil nicht die Klägerin von ihnen eine Nachzahlung zu fordern habe, sondern sie vielmehr gegen die Klägerin einen anteiligen Anspruch auf Rückzahlung zuviel bezahlter Baukosten hätten.
Im Zuge des Verfahrens stellten sowohl die Klägerin als auch die Beklagten Zwischenfeststellungsanträge. Das darüber im Sinne des Feststellungsantrages der Klägerin unter Abweisung des diesbezüglichen Antrages der Beklagten ergangene Zwischenurteil des Erstgerichtes wurde vom Berufungsgericht aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die von beiden Teilen dagegen erhobenen Rekurse blieben erfolglos (Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 10. April 1990, 5 Ob 10/90, der auch die ihr zugrundeliegenden Verfahrensergebnisse zu entnehmen sind).
Im zweiten Rechtsgang ergänzten die von Dr. Kadlec vertretenen Beklagten das zu ihrem Zwischenfeststellungsantrag erstattete Vorbringen dahin, daß der in der abgeschlossenen Vereinbarung des anteiligen Ersatzes der Baukosten der Wohnung in einer pauschalierten Höhe je Quadratmeter Wohnfläche zu erblickende Verzicht des Käufers auf die ihm grundsätzlich zustehende Rechnungslegung gemäß § 24 WEG nichtig sei, weil der ihnen von dem in der Gründungsphase übermächtigen Organisator abgenötigte Verzicht eine typische Verletzung der zugunsten der Käufer erlassenen relativen Schutzbestimmung des § 24 WEG darstelle. Darüber hinaus liege Nichtigkeit der Pauschalierung selbst insbesondere im Hinblick auf die listige Irreführung über die Höhe und Aufteilung der Baukosten vor. Die Klägerin habe ihnen über die von ihr tatsächlich aufgewendeten Gesamtbaukosten Abrechnung zu legen und seien sie, Beklagte, verpflichtet, ihr diese im Verhältnis der Nutzflächen ihrer Wohnungen zur Gesamtnutzfläche zu ersetzen, während die Klägerin für die auf die Quadratmeternutzfläche ihrer Garagen und Geschäftslokale entfallenden Baukosten selbst aufzukommen habe. Darüber hinaus ergäbe sich die Rechnungslegungspflicht der Klägerin im Sinne der Ausführungen des Obersten Gerichtshofes in der Entscheidung 5 Ob 10/90 gemäß Analogie aus § 1200 ABGB. Die weiteren unter Hinweis auf den Förderungsakt und den Prüfungsbericht des Magistrates der Stadt Wien MAbt. 25 betreffend das gegenständliche Bauvorhaben erstatteten Ausführungen gipfeln in der Behauptung, daß die Beklagten von der Klägerin durch den Vertragstext, der darin genannte Quadratmeterpreis stelle den Ersatz der Kosten der Wohnung samt anteiligen Kosten der Hausbesorgerwohnung und des Kinderwagenabstellraums dar, von Anfang an listig irregeführt worden seien, und daß die Klägerin ihre eigenen Objekte sich von ihnen habe zahlen lassen. Da somit die Vereinbarung über die Pauschalierung des Baukostenersatzes samt Erhöhungen und der darin gelegene Vorausverzicht auf Rechnungslegung nichtig seien, habe die Klägerin ordnungsgemäß Rechnung über ihre tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben im einzelnen unter Angabe des Datums, Rechtsgrundes und der Belegnummer im Sinne der in MietSlg. 34/8 veröffentlichten Entscheidung zu legen, wozu sie "gemäß Schlußseite ihrer ON 62 unschwer in der Lage" sein werde. Sie stellten daher den Antrag, der klagenden Partei - wie bereits einmal in ON 47 dA geschehen - mit Beschluß aufzutragen, mittels Schriftsatzes (dreifach) binnen 4 Wochen bei sonstiger Präklusion die Höhe der ihr tatsächlich aufgelaufenen Baukosten bekanntzugeben und diese aufzuschlüsseln, ebenso die bestrittene bessere Ausstattung und die hiefür getätigten Aufwendungen. Gleichzeitig modifizierten bzw. ergänzten sie das Feststellungsbegehren ihres Zwischenantrages im Sinne der weiteren Feststellung, daß die Pauschalierung des Baukostenersatzes mit 8.944 S je Quadratmeter zuzüglich Erhöhung nach dem Baukostenindex gemäß 4.) der Wohnungsreservierung und der darin gelegene Verzicht auf die Rechnungslegung der tatsächlichen Baukosten rechtsunwirksam seien.
Die Klägerin bestritt das ergänzende Vorbringen der genannten Beklagten und sprach sich gegen den neuerlich gestellten Antrag der Beklagten aus, weil er den Aufträgen der Oberinstanzen nicht entspräche.
Mit Beschluß vom 10. Juli 1991 trug das Erstgericht der klagenden Partei auf, bis längstens 16. September 1991 mittels Schriftsatz (dreifach) die Höhe der ihr tatsächlich aufgelaufenen Baukosten bekanntzugeben und diese aufzuschlüsseln, ebenso die bestrittene bessere Ausstattung und die hiefür getätigten Aufwendungen (ON 96 dA).
Das Gericht zweiter Instanz wies den von der Klägerin gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs zurück und sprach aus, daß der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es treffe zwar zu, daß gemäß § 514 ZPO gegen Beschlüsse grundsätzlich der Rekurs zulässig sei, sofern das Gesetz die Anfechtung derselben nicht ausschließe, und auch bloß prozeßleitende Verfügungen anfechtbar seien (§ 522 ZPO); daraus sei jedoch für die Rekurswerberin nichts gewonnen. Abgesehen davon, daß die im Rekurs zitierten Entscheidungen (EvBl. 1963/31; JBl. 1955, 173) einen anderen Sachverhalt zum Gegenstand hätten, bestimme § 291 (Abs 1) ZPO ausdrücklich, daß gegen Beschlüsse, durch welche Beweisaufnahmen angeordnet werden, ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig sei. Der im angefochtenen Beschluß enthaltene Auftrag zur Vorlage einer Baukostenabrechnung sei aber als Anordnung einer Beweisaufnahme durch Urkundenvorlage anzusehen. Auch dieser Auftrag zur Urkundenvorlage wäre nicht abgesondert anfechtbar (§ 319 (Abs 2) ZPO). Der Rekurs sei somit infolge einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung unstatthaft.
Den Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, daß der Entscheidung keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukomme.
Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Beschluß des Rekursgerichtes im Sinne der Abstandnahme von der Erlassung des von den Beklagten begehrten Auftrages abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehlt, ob ein im Zuge des Verfahrens einer Partei erteilter Auftrag, mittels Schriftsatzes die tatsächlich aufgelaufenen Baukosten aufgeschlüsselt bekanntzugeben, angefochten werden kann; er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Bei Beurteilung der Berechtigung des vorliegenden Rechtsmittels ist vorerst davon auszugehen, daß die Beklagten den in ihrem Zwischenschriftsatz gestellten Antrag auf keine gesetzliche Bestimmung gestützt, sich jedoch auf die in MietSlg. 34.542/8 veröffentlichte Entscheidung berufen haben. Diese Entscheidung ist zum Inhalt und Umfang der Abrechnungspflicht eines Verwalters von Miteigentum nach § 17 Abs 2 Z 1 WEG im besonderen außerstreitigen Verfahren nach dem WEG ergangen. Die Beklagten streben damit ein Tätigwerden der Klägerin im Sinne einer möglichst detaillierten und aufgeschlüsselten Angabe ihrer tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben unter Angabe des Datums, Rechtsgrundes sowie der dazugehörigen Belege in einer Form an, die eine Überprüfung der Abrechnung zuläßt. Daraus folgt, daß der von ihnen gewünschte Auftrag an die Klägerin nicht bloß die Vorlage einer bereits existenten, in ihren Händen befindlichen Urkunde betrifft, sondern erst die Klägerin zu einem bestimmten Tätigwerden verpflichten soll. Es kann daher dem Rekursgericht darin nicht beigepflichtet werden, daß der im erstgerichtlichen Beschluß enthaltene Auftrag als Anordnung einer Beweisaufnahme durch Urkundenvorlage anzusehen sei und dieser Auftrag daher gemäß § 319 Abs 2 ZPO (§ 303 ZPO) nicht abgesondert anfechtbar wäre. Der Auftrag zur Rechnungslegung in dem von den Beklagten gewünschten Sinn läßt sich nicht in die in der ZPO genannten Beweismittel einordnen. Es kann daher auch nicht gesagt werden, daß der hier bekämpfte erstgerichtliche Beschluß eine andere als den Urkundenbeweis betreffende "Beweisaufnahme" im Sinne der §§ 291 Abs 1, 277 Abs 1 ZPO anordne. Die im § 291 Abs 1 ZPO normierte Rechtsmittelbeschränkung greift somit hier auch nicht Platz. Da der der Klägerin hier erteilte Auftrag auch nicht unter die in § 291 Abs 2 ZPO und § 319 Abs 1 ZPO angeführten und die übrigen von 319 Abs 2 ZPO erfaßten Beschlüsse zu subsumieren ist, erscheint der Rekurs der Klägerin gegen den erstgerichtlichen Beschluß auf Grund der genannten Bestimmungen nicht unzulässig.
Mangels Vorliegens einer in Händen der Klägerin befindlichen Urkunde, auf die die Klägerin Bezug genommen hätte, vermag der streitgegenständliche Antrag der Beklagten auch nicht auf § 82 Abs 1 ZPO gestützt zu werden. Damit scheidet auch die von der Lehre und Rechtsprechung aus der im Gesetz normierten unbedingten Vorlagepflicht abgeleitete Unanfechtbarkeit einer dem Vorlageverlangen stattgebenden gerichtlichen Anordnung (vgl. Neumann4 I 628; Fasching II 546 und 548; SZ 7/372; 5 Ob 131/91) aus.
Damit ist aber für die Klägerin noch nichts gewonnen, denn der vom Erstgericht der Klägerin erteilte Auftrag stellt sich inhaltlich als Einwirkung des Gerichtes auf die Klägerin, das nach Ansicht des Gerichtes im Sinne der ergänzenden Prozeßbehauptungen der Beklagten erhebliche Vorbringen in eine bestimmte Richtung zu ergänzen und die erforderlichen Aufklärungen zu geben, dar. Der Beschluß des Gerichtes ist damit Ausfluß der dem Gericht gem § 182 Abs 1 ZPO - auch im Anwaltsprozeß - obliegenden Verpflichtung zur materiellen Prozeßleitung.
Gemäß § 514 Abs 1 ZPO ist der Rekurs gegen Beschlüsse nur dann unzulässig, wenn das Gesetz ihre Anfechtung ausschließt; dies gilt auch für prozeßleitende Verfügungen (JBl 1955, 173; EvBl 1963/31; 3 Ob 37/80 ua). In Ansehung der vom Erstgericht hier getroffenen Verfügung besteht zwar kein gänzlicher Anfechtungsausschluß, es ist aber ein abgesondertes Rechtsmittel versagt. Nach § 186 Abs 2 ZPO ist nämlich ua gegen eine Entscheidung des Senates über die Berechtigung einer prozeßleitenden Verfügung des Vorsitzenden ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Da die in den §§ 180 bis 194 ZPO dem Vorsitzenden des Senates und dem Senat eingeräumten Befugnisse in den Einzelrichterverfahren - und zwar auch im Gerichtshofverfahren (Neumann, Kommentar4, 817; Fasching II,
949) - dem Einzelrichter zukommen, ist eine vom Einzelrichter (§ 7a JN) im Rahmen des § 182 Abs 1 ZPO getroffene Verfügung durch ein abgesondertes Rechtsmittel nicht anfechtbar (Neumann, aaO; Fasching, aaO).
Die Zurückweisung des Rekurses der klagenden Partei gegen den erstgerichtlichen Beschluß (ON 96 dA) erweist sich daher im Ergebnis als rechtskonform.
Dem Revisionsrekurs konnte somit kein Erfolg beschieden sein. Mangels Vorliegens eines zulässigen Rechtsmittels war auch nicht auf die Frage der Berechtigung der erstgerichtlichen Verfügung einzugehen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E29066European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00042.92.0324.000Dokumentnummer
JJT_19920324_OGH0002_0050OB00042_9200000_000