TE OGH 1992/3/24 10ObS26/92

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Veröffentlicht am 24.03.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Heinz Paul (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Siegfried Pratscher (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. H***** B*****, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifterstraße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram und Dr. Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. November 1991, GZ 33 Rs 134/91-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 29. August 1991, GZ 13 Cgs 160/90-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungsgründe:

Da die Begründung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, hierauf zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Der Revisionswerber wendet sich ausschließlich dagegen, daß bei Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht die nach dem KOVG festgelegten Richtsätze herangezogen worden seien und vertritt die Ansicht, daß die unterschiedliche Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem KOVG und dem BEinstG einerseits und dem ASVG andererseits gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz verstoße. Dem kann nicht gefolgt werden.

Das nach dem KOVG geschützte soziale Risiko sind gesundheitliche Schädigungen, die Österreicher als Folge der Kriegsdienstleistung oder militärischen Besetzung Österreichs erlitten haben (Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts, 242). Für die Folgen der in diesem Zusammenhang erlittenen Dienstbeschädigungen, durch die die Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 vH gemindert ist, besteht Anspruch auf Beschädigtenrente. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist dabei nach Richtlinien einzuschätzen, die den wirtschaftlichen Erfahrungen entsprechen; das Bundesministerium für soziale Verwaltung ist durch § 7 Abs 2 KOVG 1957 ermächtigt, hiefür nach Anhörung des Invalidenfürsorgebeirates verbindliche Richtlinien aufzustellen. Auf der Grundlage dieser Ermächtigung erging die Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. 150, über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957. Eine mit § 7 Abs 2 KOVG 1957 idente Bestimmung findet sich in § 21 Heeresversorgungsgesetz (HVG); auch hier wird auf die Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung verwiesen. Bei den Leistungen nach dem KOVG und dem HVG handelt es sich um staatliche Versorgungsansprüche, die aus öffentlichen Mitteln gewährt werden. Die Unfallversicherung nach dem ASVG gewährt hingegen für die Folgen von Arbeitsunfällen und gleichgestellten Unfällen Leistungen, die ausschließlich aus den Beiträgen der Versicherten finanziert werden; staatliche Zuschüsse wie etwa in der Pensionsversicherung sind in der Unfallversicherung der unselbständig Erwerbstätigen nach dem ASVG nicht vorgesehen. Die beiden Systeme können daher nicht gleichgestellt werden. Die Unterschiede rechtfertigen auch eine unterschiedliche Regelung in den Anspruchsvoraussetzungen (idS auch VfGHSlg 4331). So werden auch nach § 7 Abs 1 KOVG und § 21 Abs 1 HVG Rentenleistungen nur gewährt, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit 25 vH erreicht, während in der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem ASVG (§ 203) Rentenansprüche bereits ab einer Minderung der Erwerbfähigkeit von 20 vH bestehen. In der gesetzlichen Unfallversicherung, die primär die Folgen von Arbeitsunfällen ausgleichen soll, kommt der Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt die wesentliche Bedeutung zu, wobei die individuelle Einschätzung in jedem Fall ermöglicht, die Verhältnisse auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens zu berücksichtigen und auch den sich wandelnden Anforderungen im Berufsleben Rechnung zu tragen; dies wäre bei einem starren Richtsatzsystem nicht gewährleistet. Darin, daß der Gesetzgeber in der Sozialversicherung die Versichertengemeinschaft nur mit Leistungen belastet, die der Minderung der Erwerbsfähigkeit, gemessen an den aktuellen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt entsprechen, in staatlichen Versorgungssystemen jedoch hievon abweichende Regelungen trifft, kann ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht erblickt werden.

Dieser Unterschied der Systeme steht auch einer analogen Anwendung der zitierten Verordnung bei Ermittlung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem ASVG entgegen. Gegen die Annahme einer unbewußten Gesetzeslücke, die allein eine Analogie rechtfertigen könnte, spricht im übrigen auch, daß der Gesetzgeber in anderen Gesetzen, in denen er die Regelung anwenden wollte (§ 3 Abs 2 BEinstG) dies ausdrücklich anordnete.

Das BEinstG gewährt keine Ansprüche auf laufende Leistungen, sondern trifft Vorsorge für die Eingliederung von Behinderten in den Arbeitsprozeß; die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmungen sind nicht kausal, sondern final konzipiert. Das Gesetz verfolgt eine völlig andere Zielrichtung als die gesetzliche Unfallversicherung nach dem ASVG. Aus den Bestimmungen über die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Voraussetzung für die Zuordnung zum begünstigten Personenkreis nach dem BEinstG kann für die Ermittlung der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Voraussetzung für die Beurteilung eines Rentenanspruches aus der gesetzlichen Unfallversicherung nichts abgeleitet werden.

Für die vom Kläger gewünschte analoge Anwendung der Einschätzungsrichtlinien auf Grund der zitierten Verordnung zum KOVG fehlt daher die Grundlage.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit. b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen würden, wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich Hinweise auf solche Gründe aus dem Akt.

Anmerkung

E28914

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00026.92.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19920324_OGH0002_010OBS00026_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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