TE OGH 1992/3/25 2Ob525/92

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Veröffentlicht am 25.03.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache des ***** mj. Mario S*****, infolge Revisionsrekurses des Unterhaltssachwalters Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten-Jugendhilfe gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 15.Jänner 1992, GZ R 861/91-75, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 25.November 1991, GZ 2 P 47/81-72, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern des Minderjährigen ist geschieden, der Minderjährige befindet sich in der Obsorge der Mutter, der Vater ist zur Leistung von Geldunterhalt verpflichtet. Ab 1.8.1990 wurde der Unterhaltsbetrag mit S 2.800 monatlich bei einem Monatseinkommen des Vaters von durchschnittlich S 13.700 festgesetzt. Seit 1.7.1991 bezieht der Minderjährige eine Lehrlingsentschädigung von S 3.265,10 14mal im Jahr, im Monatsdurchschnitt somit S 3.809,28 netto.

Der Vater beantragte die Herabsetzung des Unterhaltsbetrages auf monatlich S 2.000 ab 1.8.1991.

Der Unterhaltssachwalter sprach sich gegen die Unterhaltsherabsetzung aus und verwies auf die Berufsausbildungskosten (Fahrtauslagen, Mittagessen, Arbeitskleidung, Kosten der Berufsschule).

Das Erstgericht setzte die Unterhaltsverpflichtung auf S 2.200 monatlich herab. Es ging davon aus, daß bei einem Lehrling der Geldbedarf etwa doppelt so groß sei wie der Betreuungsaufwand.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Unterhaltssachwalters nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte aus, die Lehrlingsentschädigung falle unter jene Einkünfte, die nach § 140 Abs. 3 ABGB zu berücksichtigen seien, sofern sie nicht als Ausgleich für berufsbedingten Mehraufwand außer Betracht bleibe. Für die Frage der Selbsterhaltungssfähigkeit sei dort, wo der zu leistende Unterhaltsbetrag verhältnismäßig gering sei, die Mindestpensionshöhe nach § 293 Abs. 1 lit. a/bb und lit. b ASVG (zum entscheidenden Zeitpunkt S 7.000 monatlich) eine Orientierungshilfe. Die auf das eigene Einkommen des Kindes zurückzuführende Minderung der Unterhaltsverpflichtung könne nicht nur einseitig demjenigen Elternteil zugutekommen, der das Kind nicht betreue, ein Teil des Eigeneinkommens müsse auch dem betreuenden Elternteil zukommen. Dies sei in 5 Ob 513/91 dahingehend präzisiert worden, daß die Anrechnung im Verhältnis 2 : 1 zu Lasten des Geldunterhaltspflichtigen zu erfolgen habe, weil der geschuldete Betreuungsaufwand für einen Lehrling zweifellos mit erheblich geringerem Geldwert zu veranschlagen sei, als der zur Deckung der anderen Bedürfnisse erforderliche Geldbetrag. Unter Berücksichtigung des Richtsatzes für die Gewährung von Ausgleichszulagen von S 7.000 im Monatsdurchschnitt und einem Eigeneinkommen des Lehrlings von S 3.800 ergebe sich ein zu deckender Restbedarf von S 3.200, von dem bei einer Aufteilung von 2 : 1 rund S 2.200 auf den Geldunterhalt entfielen. Die vom Unterhaltssachwalter geltend gemachten Mehrkosten der Lehrlingsausbildung sowie der auswärtigen Verpflegung könnten keine weitere Berücksichtigung finden, weil dies Kosten seien, die jeden anderen Unterhaltsberechtigten und Unterhaltspflichtigen (gleichgültig, ob Geldunterhalts- oder Betreuungsunterhaltspflichtigen) gleich träfen und auch Kosten einer auswärtigen Verpflegung in die Berechnung der Höhe des Richtsatzes nach § 293 ASVG Eingang gefunden hätten.

Der Unterhaltssachwalter bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die Alimentierung weiterhin S 2.800 betrage.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt. Der Revisionsrekurswerber führt aus, der berufsbedingte Mehraufwand müsse von der Lehrlingsentschädigung in Abzug gebracht werden. Zu berücksichtigen seien die Kosten des achtwöchigen Berufsschulbesuches samt Internatsunterbringung, die vom Minderjährigen selbst zu tragen seien, ferner Auslagen für Arbeitskleidung sowie Fahrt- und Verpflegskosten. Die Berechnung im Verhältnis von 2 : 1 verstoße überdies gegen den Gleichheitsgrundsatz. Sicherlich werde mit zunehmendem Alter eines Kindes der Betreuungsaufwand geringer und es erhöhe sich in gleicher Weise der Geldaufwand. Die Reduzierung des Geldunterhaltsbedürfnisses dürfe nicht einseitig dem nicht betreuenden Elternteil zukommen. Bei einer Verteilung im Verhältnis von 2 : 1 würde der zu Geld verpflichtete Elternteil in weiterer Hinsicht von seiner Unterhaltsverpflichtung enthoben sein, während der andere Elternteil nach wie vor das Kind im Haushalt habe und zwangsläufig mitbetreuen bzw. finanzielle Hilfestellung leisten müsse. Würde er von seinem Kind zB ein Kostgeld verlangen, würde dem Minderjährigen nicht das gesamte Eigeneinkommen zur Verfügung stehen und die Selbsterhaltungsfähigkeit nicht erreicht sein. Die nun gängige Rechtsprechung habe sich unter Anlehnung des ASVG-Richtsatzes dazu durchgerungen, daß die Selbsterhaltungsfähigkeit erst erreicht sei, wenn die Fähigkeit zur eigenen angemessenen Bedürfnisdeckung auch außerhalb des elterlichen Haushaltes gegeben sei. Unter Hinzurechnung des monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 2.800 zur Lehrlingsentschädigung abzüglich des berufsbedingten Mehrwaufwandes werde die Mindestpensionshöhe von rund S 7.000 nicht einmal annähernd erreicht.

Die Frage, in welchem Ausmaß eigene Einkünfte eines Lehrlings den unterhaltspflichtigen Eltern zugutekommen sollen, und wie der Unterhaltsbetrag unter Berücksichtigung der Lehrlingsentschädigung zu ermitteln ist, löste das Rekursgericht im Sinne der Entscheidung 5 Ob 513/91. Dieser Entscheidung, der auch der 8. Senat zu 8 Ob 649/91 folgte, schloß sich der erkennende Senat bereits zu 2 Ob 551/91 und 2 Ob 586/91 an. Die Ausführungen im Revisionsrekurs geben einen Anlaß, hievon abzugehen. Weshalb eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vorliegen sollte, ist nicht verständlich, zumal im Revisionsrekurs zugegeben wird, daß mit zunehmendem Alter des Kindes der Betreuungsaufwand geringer und der Geldaufwand höher wird. Die Ausführungen des Rekursgerichtes über die Berechnung des Unterhaltes sind daher grundsätzlich zu billigen, zumal es auch ständiger Rechtsprechung entspricht, daß der Richtsatz für die Mindestpension nach dem ASVG bei einfachsten Lebensverhältnissen als Richtschnur für die Selbsterhaltungsfähigkeit herangezogen werden kann

(EFSlg. 62.610). Der Unterhaltsbetrag ist daher derart zu ermitteln, daß von dem Betrag von S 7.000 (Mindestpension unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen) die Lehrlingsentschädigung - sofern sie nicht einen Ausgleich für einen berufs- und ausbildungsbedingten Mehraufwand

darstellt - abgezogen wird, und 2/3 des verbleibenden Betrages den Geldunterhalt darstellen.

Die Ansicht des Rekursgerichtes, die Mehrkosten der Lehrlingsausbildung und der auswärtigen Verpflegung könnten keine weitere Berücksichtigung finden, kann jedoch nicht geteilt werden. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Lehrlingsentschädigung Eigeneinkommen des Kindes, soweit sie nicht als Ausgleich für einen berufsbedingten Mehraufwand, seien es Kosten der Berufsausübung oder der Berufsausbildung, benötigt wird (EFSlg. 62.652; 2 Ob 534/91, 4 Ob 511/91, 8 Ob 504/91 ua). Daher sind die Fahrtkosten, die Kosten für die Arbeitskleidung, die für die Verpflegung am Arbeitsort auflaufenden Mehrauslagen und die Kosten der Berufsschule von der Lehrlingsentschädigung abzuziehen. Daran kann es nichts ändern, daß bei der Unterhaltsberechnung von der Mindestpension nach dem ASVG ausgegangen wird, zumal bei der Festsetzung der Mindestpension auf die Bedürfnisse eines Pensionisten Rücksicht zu nehmen war, der keine Berufsausbildungs- oder Berufsausübungskosten hat. Überdies ist - wie bereits ausgeführt - die Mindestpension nur bei einfachsten Verhältnissen eine Orientierungshilfe.

Aus diesen Gründen ist es erforderlich festzustellen, welche Berufsausbildungs- und Berufsausübungskosten der Minderjährige tatsächlich zu tragen hat. Diese sind dann von der Lehrlingsentschädigung abzuziehen. Nur der verbleibende Rest ist als Eigeneinkommen zu berücksichtigen und der oben dargestellten Berechnung des Unterhaltes zugrundezulegen.

Aus diesen Gründen war dem Revisionsrekurs Folge zu geben; die Entscheidungen der Vorinstanzen mußten aufgehoben und die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen werden.

Anmerkung

E29162

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0020OB00525.92.0325.000

Dokumentnummer

JJT_19920325_OGH0002_0020OB00525_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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