TE OGH 1992/3/26 8Ob550/92

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Veröffentlicht am 26.03.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ferdinand B***** OHG, ***** vertreten durch Dr. Erich Proksch, Dr. Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien

1) Verlassenschaft nach Ing. Alfred P*****, verstorben am 27.7.1989, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Robert Csokay, Rechtsanwalt in Wien, 2) Dipl.Kfm. Christiane G*****, Kauffrau, ***** 3) Ing. Ernst P*****, Kaufmann, *****

4)

Dkfm. Maria P*****, ohne Berufsbezeichnung, *****

5)

Ing. Elisabeth T*****, ohne Berufsbezeichnung, ***** 2. bis 5. beklagte Parteien vertreten durch Dr. Robert Csokay, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 25.Oktober 1991, GZ 41 R 604/91-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 14.Mai 1991, GZ 44 C 538/89a-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die vorinstanzlichen Urteile werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei erhebt das Klagebegehren, es werde "zwischen den Parteien festgestellt, daß das uneingeschränkte Eigentum der klagenden Partei am Geschäftsportal des Geschäftslokales *****, Mietobjekt VII, besteht und daß die klagende Partei berechtigt ist, Reparaturen, Erneuerungen udgl. an diesem Portal ohne Zustimmung der beklagten Parteien durchzuführen". Hiezu brachte sie vor, ihr Rechtsvorgänger habe das gegenständliche Geschäftslokal mit Mietvertrag vom 31.7.1939 vom Rechtsvorgänger der beklagten Parteien gemietet und ca. im Jahre 1940 ein Geschäftsportal (Stahlkonstruktion) errichtet. Die klagende Partei sei in der Folge "in diesen Mietvertrag eingetreten". Da das Portal wirtschaftlich und tatsächlich von der Hauptsache getrennt werden könne, stelle es einen selbständigen Bestandteil des Hauses dar; es sei ohne Verletzung der Substanz des Hauses entfernbar, denn die Stahlkonstruktion sei "an der Hausmauer nur angedübelt". Dieses Geschäftsportal sei "immer im Alleineigentum der klagenden Partei gestanden, die beklagten Parteien hätten daran weder Eigentum noch Besitz erworben". Derzeit sei das in den gemieteten Geschäftsräumlichkeiten geführte Unternehmen der klagenden Partei an die Firma I*****gesellschaft mbH verpachtet. Die Pächterin habe das Portal wegen seiner völlig verrosteten Eisenkonstruktion im Jahre 1988 erneuert. Durch diese Maßnahme habe sich am Eigentum der klagenden Partei daran aber nichts geändert. Die Erneuerung sei von den beklagten Parteien jedoch zum Anlaß einer Besitzstörungsklage genommen worden. Nach erfolgter Erlassung eines klagestattgebenden Endbeschlusses befinde sich das Verfahren im Rechtsmittelstadium. Da die beklagten Parteien somit das Eigentumsrecht der klagenden Partei in Zweifel zögen, sei diese zur Klageführung genötigt.

Die beklagten Parteien - an die Stelle des inzwischen verstorbenen Erstbeklagten trat dessen Verlassenschaft - beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und brachten vor: Bereits im Jahre 1939 beim Abschluß des Mietvertrages mit dem Rechtsvorgänger der klagenden Partei sei am gegenständlichen Geschäftslokal ein Geschäftsportal vorhanden gewesen, an dem dieser Rechtsvorgänger sodann möglicherweise Renovierungsarbeiten durchgeführt habe. Bauliche Veränderungen am Mietobjekt wären sofort unentgeltlich in das Eigentum des Hauseigentümers übergegangen. Im Oktober 1988 sei das aus einer Stahlkonstruktion und darauf angebrachten Holzplatten und Glasscheiben bestehende Geschäftsportal von der I*****gesellschaft mbH entfernt und durch ein neues, völlig anderes, das Aussehen des Hauses sehr veränderndes Portal ersetzt worden, weshalb die beklagten Parteien die auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gerichtete Besitzstörungsklage eingebracht hätten. Das diesbezügliche Verfahren sei noch nicht rechtskräftig beendet. Dieser Umbau sei ausschließlich von der I***** durchgeführt worden, die klagende Partei habe damit nichts zu tun gehabt und ein Eigentumserwerb am neuen Geschäftsportal komme schon deshalb gar nicht in Betracht. An den Rechtsvorgänger der klagenden Partei und ebenso an diese selbst sei lediglich das Innere des Geschäftslokales top Nr.7 des Hauses der beklagten Parteien vermietet worden. Das Geschäftsportal stelle ebenso wie Eingangstüren und Fenster einen unselbständigen Bestandteil des Hauses und damit Eigentum der beklagten Parteien dar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme mit der Begründung ab, die Feststellungsklage setze ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung voraus, der Umstand, daß die beklagten Parteien gegen die klagende Partei wegen des gegenständlichen Portals eine Besitzstörungsklage angestrengt hätten, könne ein solches aber nicht begründen, denn im Besitzstörungsverfahren komme es auf das Eigentum überhaupt nicht an und die Tatsache einer Besitzstörung begründe noch kein rechtliches Interesse an der Eigentumsfeststellung.

Das Berufungstericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und daß die Revision nicht zulässig sei. In seiner rechtlichen Beurteilung führte es aus, eine Feststellungsklage sei nur dort zuzulassen, wo das Begehren auf Feststellung geeignet sei, die Rechtsbeziehungen zwischen den Streitparteien ein für allemal klarzustellen, die objektive Ungewißheit über das Bestehen und den Umfang eines Anspruches zu beseitigen und auf diese Weise künftige Leistungsprozesse abzuschneiden. Das Besitzstörungsverfahren richte sich auf Wiederherstellung des früheren Besitzstandes und dessen Schutz und lasse die Frage des Eigentumsrechtes am Portal unberührt, weshalb ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung zu verneinen sei.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt die klagende Partei außerordentliche Revision mit dem Antrag auf ihre Zulassung und auf Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revisionswerberin begründet die Zulässigkeit des Rechtsmittels damit, daß nach der mit der berufungsgerichtlichen Entscheidung in Widerspruch stehenden ständigen Rechtsprechung das Feststellungsinteresse gegeben sei, wenn der Bestand des behaupteten Rechtes oder Rechtsverhältnisses ernsthaft bestritten oder das strittige Recht oder Rechtsverhältnis behauptet oder für sich in Anspruch genommen werde (Berühmung). Demgemäß habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung MietSlg 38.769 auch das rechtliche Interesse an der Feststellung des genauen Inhaltes einer Dienstbarkeit bejaht, wenn es dem Vertragspartner mit Besitzstörungsklage gelungen sei, die Ausübung des Rechtes in dem vom Kläger angestrebten Umfang unmöglich zu machen. Im vorliegenden Falle sei bereits in der Klage ausgeführt worden, daß das Geschäftsportal immer im Alleineigentum der klagenden Partei gestanden und die beklagten Parteien daran weder Eigentum noch Besitz erworben hätten, weshalb begehrt werde, das Bestehen des uneingeschränkten Eigentumsrechtes am konkreten Portal festzustellen usw. Durch die Erneuerung des Portals habe sich am Eigentum daran nichts geändert. Sowohl im vorliegenden Verfahren als auch im Besitzstörungsverfahren hätten die beklagten Parteien ihrerseits das Eigentum an diesem Geschäftsportal beansprucht, so z. B. mit der Behauptung, daß derartige bauliche Veränderungen unentgeltlich in ihr Eigentum übergingen und daß ein Eigentumserwerb der klagenden Partei am Geschäftsportal als unselbständigem Bestandteil nicht in Frage komme. Die beklagten Parteien hätten damit aber das Eigentumsrecht der klagenden Partei am Geschäftsportal bestritten, sodaß das Feststsellungsinteresse im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung eindeutig vorgelegen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig und im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages auch gerechtfertigt.

Der Revisionswerberin ist darin zu folgen, daß nach Lehre und Rechtsprechung bei Feststellungsklagen das Vorliegen des rechtlichen Interesses im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz genügt (Fasching, Lehrbuch Rz 1102; JBl 1965, 316; SZ 40/3; SZ 51/124; SZ 62/92 uva).

Hier haben die beklagten Parteien schon in dem zwischen den Streitteilen geführten Besitzstörungsverfahren auf ihr angebliches Eigentum am Geschäftsportal verwiesen (siehe Seite 2 des Endbeschlusses in 44 C 755/88m des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien) und sich nun im vorliegenden Rechtsstreit ausdrücklich weiterhin auf den Standpunkt gestellt, sowohl das frühere als auch das nunmehrige Geschäftsportal stehe als unselbständiger Bestandteil ihres Hauses in ihrem Eigentum; bauliche Veränderungen am Mietobjekt gingen sofort unentgeltlich in das Eigentum des Hauseigentümers über.

Damit haben sich die beklagten Parteien aber zweifellos eindeutig und ernstlich ihres Eigentums am streitgegenständlichen Geschäftsportal berühmt. Die Rechtsposition der klagenden Partei, die ebenfalls Eigentum am Geschäftsportal in Anspruch nimmt, ist damit ernstlich gefährdet. Infolge des Verhaltens der beklagten Parteien besteht eine erhebliche objektive Unklarheit über den Bestand des Rechtes, die durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteiles beseitigt werden kann. Das rechtliche Interesse der klagenden Partei an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung des umstrittenen Eigentumsrechtes ist daher zu bejahen. Durch die begehrte Feststellung des Eigentumsrechtes werden die Rechtsverhältnisse zwischen den Parteien insoweit jedenfalls klargestellt und künftige Streitigkeiten verhindert.

Somit ist hier im Sinne der Lehre und Rechtsprechung - auch der von der Revisionswerberin zitierten E MietSlg 38769 - und entgegen der Ansicht der Vorinstanzen die Zulässigkeit der Klageführung gegeben (Fasching aaO Rz 1096 ff; EvBl 1956/41 S.76; EvBl 1969/411 S. 633; SZ 42/181; 1 Ob 518/92 uva)

Im Hinblick auf ihre gegenteilige, nicht zu billigende Rechtsansicht haben die Vorinstanzen kein Beweisverfahren durchgeführt. Voraussetzung für eine erfolgreiche Klageführung der klagenden Partei wäre hier ua allerdings jedenfalls, daß das streitgegenständliche Geschäftsportal nicht unselbständiger Bestandteil des Hauses und damit im Sinne der nachstehenden Ausführungen Eigentum der beklagten Parteien ist. Die Bejahung der Eigenschaft des Geschäftsportals als unselbständiger Bestandteil würde zur Bestätigung der vorinstanzlichen Urteile führen; diese Frage kann aber derzeit noch nicht beantwortet werden, weil es an Feststellungen über die genaue Beschaffenheit des Portals fehlt.

Unselbständige Bestandteile, die nicht ohne Verletzung (Änderung) der Substanz abgesondert werden können, teilen sachenrechtlich notwendig das Schicksal der Hauptsache, während selbständige Bestandteile sonderrechtsfähig bleiben (vgl Spielbüchler in Rummel ABGB Rz 6, 7 zu § 294; Klang in seinem Komm II 14; Koziol-Welser9 I 12 f). Für die Unterscheidung zwischen selbständigen und unselbständigen Bestandteilen ist die wirtschaftliche Möglichkeit der Absonderung und Wiederherstellung einer selbständigen Sache entscheidend. Eine erd-, mauer-, niet- und nagelfeste Verbindung hat noch nicht die Schaffung eines unselbständigen Bestandteiles zur Folge (EvBl 1958/159 S 269; SZ 40/32; SZ 55/105; SZ 58/89 ua). Ist die Verbindung von Teilen mit der Hauptsache so eng, daß sie von dieser tatsächlich nicht oder nur durch eine unwirtschaftliche Vorgangsweise abgesondert werden können, dann liegt ein unselbständiger Bestandteil vor (SZ 55/105; SZ 57/166 ua). Entscheidend ist im Einzelfall die Verkehrsauffassung (SZ 58/89 ua).

Die Rechtsprechung qualifizierte als selbständigen Bestandteil ua einen Zentralheizungskessel, einen zerlegbaren Backofen, eine Wohnungstüre (siehe bei Spielbüchler aaO Rz 6; anders bei fix montierten Fenstern und Türen: 3 Ob 112/87), eine Aufzugsanlage (6 Ob 718/76), aber auch ein steinernes Fassadenrelief (GlUNF 7247) und ein Geschäftsportal (ZBl 1917 Nr.2) und zwar jeweils mit Billigung der Lehre (Klang aaO; Spielbüchler aaO Rz 6).

Im Hinblick auf diese Rechtslage erscheint es nun keinesfalls von vornherein ausgeschlossen, daß das streitgegenständliche, am Hause der beklagten Parteien angebrachte (frühere und nunmehrige) Geschäftsportal sonderrechtsfähig ist und demnach allenfalls nicht im Eigentum der Hauseigentümer steht. Vielmehr hängt seine nach den oben stehenden Kriterien vorzunehmende Beurteilung als selbständiger oder unselbständiger Bestandteil von seiner besonderen konkreten Beschaffenheit ab.

Das von der klagenden Partei behauptete Eigentumsrecht am Portal kann somit aber nicht aus rechtlichen Gründen schon von vornherein verneint werden.

Demgemäß waren in Stattgebung der Revision die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben. Dem Erstgericht war die Ergänzung des Verfahrens und die neuerliche Entscheidung aufzutragen, wobei zunächst auch noch das Feststellungsbegehren betreffend die Berechtigung der klagenden Partei zur Durchführung von Reparaturen, Erneuerungen udgl mit den Parteien zu erörtern sein wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E29360

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00550.92.0326.000

Dokumentnummer

JJT_19920326_OGH0002_0080OB00550_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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