TE OGH 1992/4/7 5Ob511/92

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Veröffentlicht am 07.04.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Wilhelm S*****, Kaufmann, ***** Graz, *****straße 33, vertreten durch Dr.Michael Nierhaus, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Karl M*****gesellschaft m.b.H., ***** L*****dorf 96, vertreten durch Dr.Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wegen restlich S 38.003 sA infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 17.Juli 1991, GZ 8 R 8/90-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 15.Juni 1990, GZ 9 Cg 347/88-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird in Ansehung des Provisionsanspruches des Klägers von S 38.003 sA sowie im Kostenpunkt aufgehoben; die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens sind als Kosten des weiteren Verfahrens zu behandeln.

Text

Begründung:

Der Kläger, der im fraglichen Zeitraum Geschäftsführer einer Planungs- und Baugesellschaft sowie Bauleiter zweier Bauunternehmungen war, stand vom 1.5.1983 bis zum 31.12.1986 in Geschäftsbeziehungen zur beklagten Partei. Er vermittelte Kunden, die Leistungen des von der beklagten Partei betriebenen Unternehmens für die Installation von Heizungs- und Sanitäranlagen in Anspruch nahmen.

Für zwei dieser Geschäftsfälle hat der Kläger von der beklagten Partei Provisionen erhalten, und zwar S 6.900,85 im Fall Walter A***** und S 11.165,70 im Fall Seraphine K*****. Der Kläger behauptet jedoch, der beklagten Partei insgesamt 45 (namentlich genannte) Kunden zugeführt zu haben. Aus deren Geschäftsabschlüssen stehe ihm eine Provision von 8 % der jeweiligen Rechnungssumme über Material und Arbeit zu.

Zur Durchsetzung seiner angeblichen Provisionsansprüche hat der Kläger am 1.9.1988 beim Erstgericht eine auf Art XLII EGZPO gestützte Stufenklage eingebracht: Die beklagte Partei sollte schuldig erkannt werden, über die ihr vom Kläger in der Zeit vom 1.5.1983 bis zum 31.12.1986 zugeführten Interessenten (die in allen 45 Fällen namentlich genannt wurden) Rechnung zu legen und dem Kläger den sich aufgrund der Rechnungslegung aus dem Verkaufserlös ergebenden Provisionsanspruch zu bezahlen.

Die beklagte Partei hat die kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens beantragt. Aus ihren Einwendungen gegen den Klagsanspruch ist hervorzuheben, daß es überhaupt nur mit drei vom Kläger zugeführten Kunden (Walter A*****, Seraphine K***** und Karl K*****) zu einem Geschäftsabschluß gekommen sei. Für zwei dieser Geschäftsabschlüsse (Walter A***** und Seraphine K*****) habe der Kläger die ihm zustehende Provision erhalten; im Geschäftsfall Karl K***** stehe ihm wegen der knappen Kalkulation keine Provision zu. Sollte sich dennoch eine offene Provisionsforderung des Klägers ergeben, werde Verjährung eingewendet und die prozessuale Aufrechnung mit Gegenforderungen geltend gemacht. Diese Gegenforderungen resultierten einerseits aus dem Entgelt für Kostenvoranschläge, die der Kläger in Auftrag gegeben habe (S 146.261,08), andererseits aus einem Forderungsausfall der beklagten Partei in der vom Kläger als Geschäftsführer herbeigeführten Insolvenz der eingangs erwähnten Planungs-, Bau- und Handelsgesellschaft.

Im Zuge des Verfahrens erklärte sich die beklagte Partei bereit, über die Geschäfte der vom Kläger zugeführten Kunden Rechnung zu legen, wobei sie allerdings darauf beharrte, es kämen überhaupt nur die Geschäftsfälle Walter A*****, Seraphine K***** und Karl K***** in Betracht. Nachdem über das Auftragsvolumen im Geschäftsfall Walter A***** (S 198.171,24 einschließlich Umsatzsteuer) Einvernehmen erzielt worden war (ON 16), gab sie schließlich noch die maßgeblichen Zahlen der Geschäftsfälle Seraphine K***** und Karl K***** bekannt und belegte sie durch Urkunden (ON 19 und 23; Beilagen 8 bis 12 und 14; Beilagen 5 und 7 und 13).

Der Kläger erklärte daraufhin in der mündlichen Streitverhandlung am 5.4.1990, daß "nunmehr die Rechnungslegung ordnungsgemäß erfolgt und somit sein Rechnungslegungsbegehren spruchreif sei. Unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunktes, wonach ihm die 8 %ige Provision auch für Montage- und Materialleistungen gebühre, sei die Rechnungslegung auch der Höhe nach richtig" (ON 25). Eine Präzisierung des Leistungsbegehrens erfolgte nicht.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger den sich aus der Rechnungslegung zu den vermittelten Geschäftsabschlüssen Walter A*****, Karl K***** und Seraphine K***** ergebenden Provisionsbetrag von S 38.003 (inklusive Umsatzsteuer) zu bezahlen und wies das Mehrbegehren, "über die vom 1.5.1983 bis zum 31.12.1986 zugeführten Interessenten Johann S*****, Walter W***** und Franz P***** Rechnung zu legen und den sich aufgrund der Rechnungslegung als Verkaufserlös ergebenden Provisionsanspruch zu bezahlen", ab.

Zum stattgebenden Teil seiner Entscheidung stellte das Erstgericht fest, daß zwischen den Streitteilen eine Provisionsvereinbarung bestanden habe, wonach dem Kläger für die Vermittlung und Bekanntgabe von Häuselbauern, die sich für Installationsarbeiten interessieren, bei direkter Auftragsvermittlung eine Provision von 8 % des Gesamtauftrages einschließlich Umsatzsteuer - ohne Differenzierung zwischen Materialaufwand und Montagearbeiten - zustehen sollte. Eine derartige Vermittlungstätigkeit habe in den Geschäftsfällen Seraphine K*****, Karl K***** und Walter A***** stattgefunden, wobei die Bemessungsgrundlagen S 251.661,29 (Seraphine K*****), S 251.037,18 (Karl K*****) und S 198.171,24 (Walter A*****) betragen hätten. Unter Berücksichtigung der bereits bezahlten Provisionen ergebe sich der letztlich zugesprochene Betrag. Der beklagten Partei sei zumindest erkennbar gewesen, daß sie sich in den angeführten Fällen der Vermittlungstätigkeit des Klägers bedient habe, sodaß diesem selbst bei Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 354 HGB ein Provisionsanspruch zustehe.

Zur Abweisung des Mehrbegehrens führte das Erstgericht in den Urteilsgründen aus, daß der Kläger sein Rechnungslegungs- und Leistungsbegehren auf die Geschäftsfälle Walter A*****, Johann S*****, Walter W*****, Franz P*****, Seraphine K***** und Karl K***** eingeschränkt habe. In den Geschäftsfällen S*****, W***** und P***** habe jedoch der Kläger keinerlei Vermittlungstätigkeit entfaltet.

Das Urteil des Erstgerichts wurde lediglich von der beklagten Partei angefochten. Sie machte als Verfahrensmangel geltend, daß ein Teil des Klagebegehrens, nämlich der Rechnungslegungsanspruch hinsichtlich der sonst noch behaupteten Geschäftsfälle, unerledigt geblieben sei und sich das Erstgericht weder mit der Verjährungseinrede noch mit den aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderungen befaßt hätte; außerdem bestritt die beklagte Partei das Zustandekommen der festgestellten Provisionsvereinbarung.

Das Berufungsgericht gab diesem Rechtsmittel Folge und wies - unter namentlicher Anführung aller 45 vom Kläger behaupteten Geschäftsfälle sowie des zusätzlich noch vom Erstgericht behandelten Geschäftsfalles Franz P***** - das Klagebegehren zur Gänze ab. Es führte im wesentlichen aus:

Tatsächlich könne nicht von einer Einschränkung des Klagebegehrens auf die vom Erstgericht behandelten Geschäftsfälle ausgegangen werden, weil die rein objektiv auszulegenden Prozeßerklärungen des Klägers eine derartige Schlußfolgerung nicht zuließen. Er habe sein Rechnungslegungs- und Leistungsbegehren unmißverständlich auf 45 Geschäftsfälle gestützt; wenn er später - einer Gerichtsaufforderung folgend - nur mehr 6 Personen nannte, die er der beklagten Partei als Kunden zugeführt haben will (ON 10), sei dies nicht als Zurückziehung seines Rechtsschutzanspruchs auf Überprüfung der übrigen Geschäftsfälle zu verstehen. Zu Recht habe daher die beklagte Partei den Verfahrensmangel der unvollständigen Erledigung von Sachanträgen im Sinne des § 496 Abs 1 Z 1 ZPO geltend gemacht.

Dennoch bedürfe es keiner Verhandlungsergänzung, weil der Kläger durch seine Erklärung in der mündlichen Streitverhandlung am 5.4.1990 (ON 25), die begehrte Rechnungslegung sei nunmehr (insbesondere durch den Schriftsatz der beklagten Partei vom 1.2.1990, ON 23) ordnungsgemäß erfolgt, den Wegfall seines Rechnungslegungsanspruchs zugestanden habe. Für das Berufungsgericht sei dadurch die Sache im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens spruchreif.

Um sich überhaupt mit dem Zahlungsbegehren des Klägers zu befassen, hätte es gemäß § 226 Abs 1 ZPO und § 7 EO einer Präzisierung des geltend gemachten Anspruchs bedurft. Bei Abweisung (oder Erledigung) des Rechnungslegungsbegehrens könne nämlich einem unbestimmten Zahlungsanspruch für sich allein nicht stattgegeben werden (E 101 zu Art XLII EGZPO, MGA14). Die dennoch ergangene Entscheidung des Erstgerichts habe gegen § 405 ZPO verstoßen, was die beklagte Partei (zwar nicht ausdrücklich als Verfahrensmangel, aber doch im Rahmen ihrer Rechtsausführungen) auch gerügt habe. Die beklagte Partei habe nämlich sowohl das Rechnungslegungs- als auch das Zahlungsbegehren zum Gegenstand ihrer Anfechtung gemacht.

Da somit neben dem Rechnungslegungsbegehren auch das Leistungsbegehren abzuweisen sei, erübrige es sich, auf die Verjährungseinrede der beklagten Partei und die aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderungen einzugehen. Fraglich könnte nur sein, ob es auch im Geschäftsfall Franz P***** bei der Abweisung des Klagebegehrens zu bleiben habe, weil dieser Kunde im ursprünglichen Klagebegehren nicht aufscheine, doch sei die diesbezügliche Überschreitung des Klagebegehrens durch das Erstgericht unbekämpft geblieben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt, die ordentliche Revision jedoch nicht zulässig sei.

Gegen dieses Berufungsurteil hat der Kläger außerordentliche Revision erhoben, die nunmehr - nach Wiedereinsetzung der versäumten Rechtsmittelfrist - als rechtzeitig zu behandeln ist (§ 150 Abs 1 ZPO). Der Revisionsantrag geht dahin, das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne einer Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern; "in eventu das Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen; in eventu das Urteil erster Instanz dahingehend abzuändern, daß dem Rechnungslegungsbegehren - allenfalls nach Feststellung, daß eine Geschäftsverbindung auch zu den übrigen in der Klage genannten Personen besteht - durch Erlassung eines Teilurteils stattgegeben und zuvor das Berufungsurteil aufgehoben wird".

Von der beklagten Partei liegt dazu bereits eine Revisionsbeantwortung vor, die sich nicht nur mit der Zulässigkeit der Revision, sondern auch mit den einzelnen Anfechtungsgründen befaßt. Dies ermöglicht dem Obersten Gerichtshof eine sofortige Entscheidung.

Die Revision ist zulässig und im Sinne einer Aufhebung zur neuerlichen Überprüfung des noch verfahrensgegenständlichen Leistungsbegehrens (S 38.003 sA) auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, daß es im Revisionsverfahren nur mehr um den mit S 38.003 sA begrenzten Geldleistungsanspruch des Klägers geht. Seine Revision zielt nämlich auf die Wiederherstellung jenes Ersturteils, das unter der Annahme einer bereits erfolgten Rechnungslegung den Provisionsanspruch des Klägers mit genau diesem Betrag ermittelte. Der Kläger hatte dieses Urteil auch gar nicht angefochten. Wenn er sich jetzt in einem Eventualbegehren (auch) gegen die Abweisung seines Rechnungslegungsanspruchs wendet und dies damit begründet, ein Geldleistungsurteil hätte nur über die konkretisierbaren Provisionsforderungen ergehen dürfen, während hinsichtlich der "übrigen Personen" (gemeint sind die im Spruch des erstgerichtlichen Urteils nicht mehr erwähnten Kunden, die der Kläger der beklagten Partei zugeführt haben will) ein "Teilurteil über den Rechnungslegungsanspruch als solchen" noch ausstehe, verkennt er die Rechtslage. Sollte mit dieser in sich widersprüchlichen Argumentation der Rechnungslegungsanspruch (oder nur ein Teil davon) weiterverfolgt werden, ist daran zu erinnern, daß der Kläger in der mündlichen Streitverhandlung am 5.4.1990 die ordnungsgemäße Erfüllung seines Rechnungslegungsanspruchs zugestand. Selbst wenn darin keine Zurückziehung des Rechnungslegungsbegehrens zu erblicken wäre, wäre dessen Abweisung durch die Vorinstanzen zu bestätigen, weil der Anspruch erloschen ist. In Wahrheit dürfte es jedoch auch dem Kläger bei der diesbezüglichen Argumentation nicht mehr um die Geltendmachung des Rechnungslegungsbegehrens, sondern darum gehen, die seiner Meinung nach richtige Behandlung einer Stufenklage aufzuzeigen. Die diesbezüglichen Rechtsfragen (siehe dazu Fasching, Zivilprozeßrecht2, Rz 1046) sind jedoch nur mehr von theoretischem Intersse und können daher auf sich beruhen.

Die Beschränkung des Verfahrensgegenstandes auf den mit S 38.003 sA begrenzten Geldleistungsanspruch des Klägers wirft jedoch die Frage auf, ob die Revision im Hinblick auf § 502 Abs 2 ZPO überhaupt zulässig ist. Die beklagte Partei verneint dies in ihrer Revisionsbeantwortung, übersieht dabei jedoch, daß nicht der Beschwerdegegenstand, sondern der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat (der sogenannte Entscheidungsgegenstand), S 50.000 übersteigen muß. Tatsächlich hat sich das Berufungsgericht nicht nur mit dem Geldleistungsanspruch des Klägers, sondern auch mit seinem Rechnungslegungsbegehren befaßt. Zu Recht hatte nämlich die beklagte Partei gerügt, daß sich die erstgerichtliche Abweisung des Rechnungslegungsbegehrens nur auf einen Teilanspruch bezog. Damit entspricht die Bewertung des Entscheidungsgegenstandes durch das Berufungsgericht dem Gesetz (§ 500 Abs 2 Z 1 ZPO); der Oberste Gerichtshof hat davon auszugehen, daß dieser Wert S 50.000 übersteigt.

Die Unzulässigkeit der Revision könnte sich demnach nur aus § 502 Abs 1 ZPO ergeben, der die Anrufung des Obersten Gerichtshofes nur erlaubt, wenn eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu lösen ist. Darauf zielt der vom Kläger geltend gemachte Nichtigkeitsgrund, weil das Berufungsgericht durch die gänzliche Abweisung des Klagebegehrens gegen die Teilrechtskraft der erstgerichtlichen Entscheidung über die Geschäftsfälle S*****, W***** und P***** verstoßen habe; außerdem liege ein der zweiten Instanz anzulastender Verfahrensmangel vor, weil das Klagebegehren nicht hätte abgewiesen werden dürfen, ohne vorher den Kläger gemäß § 182 ZPO (vergeblich) zur Präzisierung seines Geldleistungsanspruchs aufzufordern.

Der vom Revisionswerber geltend gemachte Nichtigkeitsgrund ist zwar mit dem Hinweis zu entkräften, daß das Berufungsgericht den unangefochten gebliebenen Teil des Ersturteils nur zur Verdeutlichung seiner Entscheidung in den Urteilsspruch aufgenommen hat; berechtigt sind jedoch die Ausführungen zur Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens:

Auch Verfahrensfehler der zweiten Instanz unterliegen gemäß § 502 Abs 1 ZPO der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof, wenn sie auf einer wesentlichen Verkennung verfahrensrechtlicher Grundsätze beruhen (vgl ÖBl 1987, 102; 8 Ob 665/88; 4 Ob 536/91). Ein solcher Grundsatz ist die in § 182 Abs 1 ZPO normierte Anleitungs- und Aufklärungspflicht des Gerichtes. Sie ist auch gegenüber anwaltlich vertretenen Parteien (SZ 41/58; ZVR 1987/93; ZVR 1989/76 ua; zuletzt ÖBA 1991, 671 sowie 1 Ob 554/91), ja sogar im Berufungserfahren wahrzunehmen (2 Ob 129/82).

Wurde in einem Verfahren über eine Stufenklage über ein (noch) unbestimmtes Leistungsbegehren entschieden, liegt ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des § 226 Abs 1 ZPO und damit ein Verfahrensmangel vor, der zur ersatzlosen Aufhebung des Ausspruchs über das Leistungsbegehren zu führen hat (E 101 zu Art XLII EGZPO, MGA14; 14 Ob 19/86; 9 Ob A 186/91).

Die Bestimmtheit des Klagebegehrens ist eine von Amts wegen zu beachtende prozessuale Klagsvoraussetzung; die Unbestimmtheit des Klagebegehrens zwingt also gemäß § 182 ZPO das Gericht, den Kläger zur Präzisierung seines Begehrens aufzufordern (vgl RZ 1979/91). Wenn das Berufungsgericht im Gegensatz zum Erstgericht das Klagebegehren als zuwenig bestimmt erachtet, muß es das Urteil des Erstgerichtes aufheben und dieses anweisen, dem Kläger die Verbesserung des Begehrens im Sinne der §§ 84 und 85 ZPO aufzutragen. Unterläßt dies das Berufungsgericht und weist es die Klage sofort mangels Bestimmtheit ab, ist sein Verfahren mangelhaft (6 Ob 120/58 uva; vgl zuletzt ÖBA 1991, 671).

Die Unterlassung einer Anfechtung des erstgerichtlichen Urteils hindert den Kläger auch keineswegs, die mangelnde Anleitung durch das Erstgericht als Revisionsgrund zu verwenden, weil eine in erster Instanz siegreich gebliebene, in zweiter Instanz jedoch unterlegene Partei berechtigt ist, in ihrer Revision erstinstanzliche Verfahrensmängel geltend zu machen, wenn diese für sie - wie im gegenständlichen Fall - erst infolge des von der zweiten Instanz eingenommenen abweichenden Rechtsstandpunktes bedeutsam wurden (ecolex 1991, 385).

Damit erweist sich die Revision des Klägers nicht nur als zulässig, sondern auch als berechtigt. Dem Kläger ist gemäß § 182 ZPO iVm §§ 84, 85 ZPO Gelegenheit zu geben, sein Geldleistungsbegehren zu präzisieren. Das diesbezügliche Vorbringen kann auch im Berufungsverfahren, ja sogar in Rechtsmittelschriften erstattet werden (vgl 1 Ob 619/91), weshalb sich eine Zurückverweisung der Rechtssache an die zweite Instanz als zweckmäßig erweist, wenngleich nicht zu übersehen ist, daß auch noch eine Verhandlung in erster Instanz notwendig sein könnte. Letzteres hängt damit zusammen, daß sich das Erstgericht nicht mit der Verjährungseinrede der beklagten Partei und an aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderungen befaßt hat und die dazu voraussichtlich notwendige Verfahrensergänzung den Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens sprengen würde (§ 496 Abs 3 ZPO); vorerst bleibt jedoch - für den Fall einer entsprechenden Präzisierung des Klagebegehrens - durch das Berufungsgericht zu klären, ob der Tatsachen- und Beweisrüge der beklagten Partei Berechtigung zukommt. Sie betrifft die Klagsforderung, ist also noch vor Erörterung der aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderungen zu erledigen. Inwieweit die Verjährungseinrede der beklagten Partei schon nach den derzeit vorliegenden Verfahrensergebnissen eine solche Entscheidung entbehrlich macht, hätte ebenfalls das Berufungsgericht zu beurteilen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E29283

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00511.92.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19920407_OGH0002_0050OB00511_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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