TE OGH 1992/4/7 5Ob41/92

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Veröffentlicht am 07.04.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin S***** Bau- und Liegenschaftsverwertungs GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Karl Hofer, öffentlicher Notar in Wien, wegen Einverleibung des Eigentumsrechtes und anderer Grundbuchseintragungen ob der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** infolge Revisionsrekurses der STADT WIEN, Rathaus, 1082 Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Mayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 14.November 1991, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 30.Dezember 1991, AZ 46 R 2051/91, mit dem der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 17. Juli 1991, TZ 2504/91, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies die Anträge der Antragstellerin, ihr auf Grund des Kaufvertrages vom 19.September 1990, mehrerer Löschungserklärungen sowie anderer für die Bewilligung erforderlicher Urkunden ob der oben genannten Liegenschaft

1.) die Einverleibung des Eigentumsrechtes im Range der zu TZ 4673/90 angemerkten Rangordnung und

2.) die Einverleibung der Löschung verschiedener Pfandrechte (darunter des unter C-LNR 5 a zu Gunsten der *****sparkasse ***** einverleibten Pfandrechtes),

3.) die Löschung mehrerer Anmerkungen der Abtretung der Hauptmietzinse (darunter der unter A 2 - LNR 4 a eingetragenen Anmerkung) sowie

4.) die Löschung verschiedener Vorrangsanmerkungen zu bewilligen, ab.

Das Erstgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, diese Liegenschaft gehöre gemäß der Verordnung WrLGBl 1991/22 zum Assanierungsgebiet. Da der Grundbuchsantrag erst nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung gestellt worden sei, bedürfe es zur Übertragung des Eigentumsrechtes im Assanierungsgebiet durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden der Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde gemäß § 9 Abs. 2 des Stadterneuerungsgesetzes, BGBl 1974/287 idF BGBl 1988/406. Eine solche Genehmigung sei nicht vorgelegt worden. Da die begehrte Eigentumseinverleibung nicht habe bewilligt werden können, seien auch die anderen Begehren abzuweisen gewesen.

Die Löschung des unter C-LNR 5 a einverleibten Pfandrechtes sowie der unter A 2-LNR 4 a eingetragenen Anmerkung der Abtretung der Hauptmietzinse könne auch deswegen nicht bewilligt werden, weil die zur Begründung dieses Begehrens vorgelegte Löschungserklärung Beilage D von zwei Personen namens der Pfandgläubigerin beglaubigt unterfertigt sei, deren Zeichnungsberechtigung nicht nachgewiesen sei.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß, soweit durch ihn die Löschung der Eintragungen C-LNR 5 a und A 2-LNR 4 a abgelehnt worden war, und änderte ihn im übrigen in dem Antrag stattgebenden Sinn ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht begründete die allein noch Gegenstand des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof bildende abändernde Entscheidung im wesentlichen wie folgt:

§ 93 GBG beziehe sich nur auf den Buchstand, der - bezogen auf den Zeitpunkt des Einlangens des Grundbuchsgesuches - der begehrten Eintragung nicht entgegenstehen dürfe (NotZ 1963, 158), besage aber nicht, daß die Rechtswirksamkeit des zu verbüchernden Kaufvertrages nach diesem Zeitpunkt zu beurteilen sei. Ob der vorgelegte Kaufvertrag vom 19.September 1990 einer Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde bedurfte, richte sich daher allein nach § 9 Abs. 2 StadtErnG.

Diese Bestimmung spreche zwar von der Genehmigungsbedürftigkeit der "Übertragung des Eigentums", doch stelle schon die Überschrift des § 9 StadtErnG klar, daß es um die "Genehmigung von Rechtsgeschäften" gehe. Auch § 9 Abs. 3 StadtErnG, der sich mit nicht genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäften befaßt und dabei Schenkungen erwähnt, lasse darauf schließen, daß jeweils die obligatorischen Titelgeschäfte gemeint seien. Gleiches folge aus § 31 Abs. 3 StadtErnG, der die Genehmigungspflicht auf das Rechtsgeschäft, also das Erwerbungsgeschäft, beziehe. Schließlich könnte der Verkäufer einer Liegenschaft im Assanierungsgebiet seiner ihm durch § 29 StadtErnG auferlegten Anbotsverpflichtung gegenüber der Gemeinde gar nicht nachkommen, wenn die Genehmigungspflicht nicht auf ein Titelgeschäft bezogen wird, das erst nach Inkrafttreten der betreffenden Assanierungsverordnung abgeschlossen wurde.

Diese Interpretation entspreche auch insofern der Absicht des Gesetzgebers, als die Genehmigungspflicht "vor allem als erster Schritt zur Unterbindung von spekulativen Eigentumsübertragungen" gedacht ist (1109 BlgNR 13.GP). § 9 Abs. 2 StadtErnG richte sich daher nicht gegen spekulative Grundbuchseintragungen, sondern schon gegen spekulative obligatorische Titelgeschäfte. Das StadtErnG enthalte im übrigen keine besonderen Anordnungen über die Behandlung von Rechtsgeschäften, die im Zeitpunkt der Kundmachung des Gesetzes zwar bereits abgeschlossen, aber noch nicht verbüchert waren. Daher hätten die allgemeinen Regeln über die Rückwirkung von Gesetzen, insbesondere § 5 ABGB, zur Anwendung zu kommen. Dieser ordne ausdrücklich an, daß Handlungen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes gesetzt wurden, noch nach dem alten Gesetz beurteilt werden müssen (vgl NotZ 1955, 125).

Schließlich sei zu beachten, daß es gemäß § 22 GBG zur Einverleibung des Eigentumsrechtes des letzten Übernehmers einer Liegenschaft, die außerbücherlich auf mehrere Personen übertragen wurde, des Nachweises des rechtswirksamen außerbücherlichen Zwischenerwerbs der Rechtsvorgänger bedarf. Dieser Nachweis könnte, würde § 9 StadtErnG das sachenrechtliche Verfügungsgeschäft betreffen, nur dadurch erbracht werden, daß in Ansehung jedes einzelnen Zwischenerwerbs ein Anbotsverfahren im Sinne des § 29 Abs. 1 StadtErnG durchgeführt und ein rechtskräftiger Bescheid über die Genehmigung des Rechtsgeschäfts im Sinne des § 31 StadtErnG vorgelegt werden müßte.

Aus allen diesen Gründen sei davon auszugehen, daß sich die in § 9 Abs. 2 StadtErnG normierte Genehmigungspflicht auf das Titelgeschäft beziehe. Dieses sei vor dem Inkrafttreten der Assanierungsverordnung abgeschlossen worden, bedürfe also der Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde nicht. Außerdem habe die Antragstellerin die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes in der bis 9.September 1991 angemerkten Rangordnung begehrt. Gemäß § 56 Abs. 1 GBG komme somit der begehrten Eigentumseinverleibung ein Rang zu, der vor dem Inkrafttreten der Assanierungsverordnung liegt.

Gegen den abändernden Teil des rekursgerichtlichen Beschlusses richtet sich der Revisionsrekurs der Stadt Wien mit dem Antrag, diesbezüglich den erstgerichtlichen abweisenden Beschluß wiederherzustellen.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Da im Grundbuchsverfahren grundsätzlich nur dem Antragsteller und denjenigen Personen die Rechtsmittellegitimation zuerkannt wird, deren grundbücherliche Rechte durch die bekämpfte Eintragung belastet, abgetreten, beschränkt oder aufgehoben werden (ÖBA 1989/152; NotZ 1991, 321/222 u.v.a.), ist vorweg zu klären, ob auch der Revisionsrekurswerberin ein solches Rechtsschutzinteresse zuzubilligen ist. Eine Verletzung grundbücherlicher Rechte scheidet aus; § 9 AußStrG, der die Rechtsmittellegitimation an das Vorliegen einer Beschwer, also eines rechtlich geschützten Interesses, knüpft und mangels einer besonderen Regelung im GBG auch für den Rekurs im Grundbuchsverfahren gilt (SZ 42/17 u.v.a.), wird jedoch so verstanden, daß auch öffentliche Interessen die Rechtsmittellegitimation verschaffen können. Diese öffentlichen Interessen werden im Grundbuchsverfahren unter Berufung auf § 1 Abs. 3 ProkG in der Regel von der Finanzprokuratur wahrgenommen (SZ 11/96; SZ 21/50; RPflSlgG 319; SZ 49/58;

RPflSlgG 2.217 u.a.), und zwar insbesondere dann, wenn sie sich nicht einem bestimmten Rechtsträger zuordnen lassen. Der Schutz öffentlicher Interessen ist jedoch - auch im Grundbuchsverfahren - nicht allein der Finanzprokuratur vorbehalten (vgl E 67 ff zu § 122 GBG, MGA4). So wurde etwa den Gemeinden die Rechtsmittellegitimation zuerkannt, wenn eine Angelegenheit ihres selbständigen Wirkungskreises grundbücherliche Vorkehrungen erforderte (vgl SZ 27/30; RPflSlgG 1931).

Im gegenständlichen Fall sind von der Entscheidung, die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Antragstellerin zu bewilligen, obwohl die betreffende Liegenschaft im Assanierungsgebiet liegt und keine Genehmigung des Erwerbsgeschäftes im Sinne des § 9 Abs. 2 StadtErnG beigebracht wurde, öffentliche Interessen betroffen, die die Stadt Wien wahrzunehmen hat. Die in § 9 Abs. 2 StadtErnG festgelegte und gemäß § 31 Abs. 3 StadtErnG für die grundbücherliche Durchführung erforderliche Genehmigung von Rechtsgeschäften zur Übertragung des Eigentums an Liegenschaften in Assanierungsgebieten soll nämlich nicht zuletzt sicherstellen, daß die betreffende Gemeinde von ihrem Recht Gebrauch machen kann, die Liegenschaft selbst zu erwerben (§§ 8, 29 StadtErnG). Dieses besondere gesetzliche Vorkaufsrecht setzt einen Bedarf der Gemeinde für die von ihr wahrzunehmenden öffentlichen Zwecke voraus (§ 8 Abs. 1 StadtErnG), sodaß jede Umgehung der Genehmigungspflicht von Rechtsgeschäften unmittelbar in die öffentlichen Interessen der "vorkaufsberechtigten" Gemeinde eingreift. An ihrer Rekurslegitimation zur Abwehr von Grundbuchseintragungen, die unter Verletzung des § 31 Abs. 3 StadtErnG bewilligt wurden, ist daher nicht zu zweifeln.

In der Sache selbst ist den Argumenten der Rechtsmittelwerberin nicht zu folgen.

Richtig ist, daß gemäß § 431 ABGB zur Übertragung des Eigentums einer Liegenschaft das Erwerbungsgeschäft in die dazu bestimmten öffentlichen Bücher eingetragen werden muß. Daraus zu schließen, der Gesetzgeber habe die in § 9 Abs. 2 StadtErnG normierte Genehmigungspflicht für die "Übertragung des Eigentums" an Liegenschaften im Assanierungsgebiet auch auf die grundbücherliche Durchführung des Titelgeschäftes bezogen, erscheint jedoch bei systematischer und teleologischer Interpretation dieser Gesetzesbestimmung unhaltbar. Schon das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, daß eine nur am Wortlaut "Übertragung des Eigentums" orientierte Gesetzesauslegung zu zweifelhaften Ergebnissen führen muß, weil § 9 StadtErnG ausdrücklich (sowohl in der Überschrift als auch in Abs. 2 selbst) auf die Genehmigung von Rechtsgeschäften Bezug nimmt und Abs. 3 leg.cit. Schenkungen sowie Rechtsgeschäfte, die zwischen nahen Angehörigen abgeschlossen werden, also offensichtlich Verpflichtungsgeschäfte, von der Genehmigungspflicht ausnimmt. Gegen den Rechtsstandpunkt der Revisionsrekurswerberin, wonach sich die Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde auch auf die Verbücherung des Verpflichtungsgeschäftes erstrecken müsse, spricht jedoch vor allem, daß die Verbücherung nur mehr der gerichtliche Vollzug des Verfügungsgeschäftes ist. In diesen Akt kann eine Verwaltungsbehörde - sei es durch eine Genehmigung oder deren Versagung - gar nicht eingreifen. Folgerichtig verlangt § 31 Abs. 3 StadtErnG, wonach Verträge über Rechtsgeschäfte gemäß § 9 leg.cit. grundbücherlich nur durchgeführt werden dürfen, wenn (von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen) ein rechtskräftiger Bescheid über die Genehmigung des Rechtsgeschäftes vorliegt, eine genehmigende Erklärung der Verwaltungsbehörde, die der Verbücherung zeitlich vorangeht und dem Verbücherungsansuchen bereits angeschlossen ist.

Demnach kann sich die im § 9 Abs. 2 StadtErnG geforderte Genehmigung der Übereignung von Liegenschaften in Assanierungsgebieten nur auf die rechtsgeschäftliche Einigung der Vertragsparteien beziehen. Daß die "Übertragung des Eigentums" zu genehmigen ist, kann bei Würdigung des normativen Gehalts dieser besonderen Wortwahl nur bedeuten, daß der Gesetzgeber ein Rechtsgeschäft meint, das bereits in verbücherungsfähiger Form vorliegt. Es muß also - etwa bei einem Kaufvertrag - nicht nur die Willenseinigung der Vertragsparteien über die entgeltliche Veräußerung einer Liegenschaft dokumentiert sein, sondern auch eine beglaubigt unterfertigte Aufsandungserklärung des Verkäufers vorliegen, sodaß es nur mehr der in § 31 Abs. 3 StadtErnG erwähnten grundbücherlichen Durchführung des Rechtsgeschäftes bedarf, um dem Käufer Eigentum zu verschaffen.

Ein solches Verständnis des § 9 Abs. 2 StadtErnG wird durchaus den Intentionen des Gesetzgebers gerecht, Spekulationsgeschäfte mit Liegenschaften im Assanierungsgebiet zu verhindern um angemessene Grundstückspreise sicherzustellen (1109 BlgNR 13. GP, 2 und 4). Würde man nur das Verpflichtungsgeschäft, also die Willenseinigung der Vertragsparteien über die Veräußerung der Liegenschaft, die auch mündlich zustandekommen könnte, der Genehmigungspflicht unterwerfen, wäre das Ziel einer wirksamen Kontrolle des Liegenschaftsverkehrs in Assanierungsgebieten wohl kaum zu erreichen, weshalb der Wortwahl "Übertragung des Eigentums" durchaus der Sinn einer möglichst umfassenden Genehmigungspflicht unterstellt werden kann; ratio und Systematik des Gesetzes erlauben es jedoch nicht, den genehmigungspflichtigen Vorgang bis hin zur grundbücherlichen Durchführung des Rechtsgeschäftes zu erstrecken.

Daß damit die Genehmigungspflicht von Rechtsgeschäften über Liegenschaften in Assanierungsgebieten weniger streng gehandhabt würde als die vergleichbare Eintragungsvoraussetzung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, trifft nicht zu. Die diesbezüglichen Judikatur- und Lehrmeinungen bewegen sich im wesentlichen zwischen den Positionen, der Genehmigungspflicht entweder "nur" oder "jedenfalls auch" das Verpflichtungsgeschäft zu unterwerfen; selbst die Vertreter einer Genehmigungspflicht des Verfügungsgeschäftes gehen jedoch nicht so weit, die grundbücherliche Durchführung des Rechtsgeschäfts in den genehmigungspflichtigen Vorgang einzubeziehen (NotZ 1955, 125; Faistenberger, Vorkaufsrecht, 54 ff; Steiner, Grundverkehrsbehördliche Genehmigung und Bedingungslehre, JBl 1974, 506 ff; Bydlinski, JBl 1975, 652 ff; Rummel in Rummel I2, Rz 6 zu § 897 ABGB; Sandholzer, Grundverkehr und Ausländergrunderwerb im Bundesländervergleich, 73 ff). Dieser Vorgang ist spätestens mit dem Abschluß eines dinglichen Rechtsgeschäftes beendet, das alle inhaltlichen und formellen Voraussetzungen für eine Verbücherung erfüllt.

Im konkreten Fall ist die Genehmigungspflicht erst mit Inkrafttreten der Assanierungsverordnung, also frühestens am 30. April 1991 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt lag der Kaufvertrag über die im Assanierungsgebiet liegende Liegenschaft bereits in verbücherungsfähiger Form vor. Die Verbücherung hätte daher - wie schon das Rekursgericht zutreffend ausführte - nur dann von der Vorlage eines Genehmigungsbescheides der Bezirksverwaltungsbehörde abhängig gemacht werden dürfen, wenn die Genehmigungspflicht von Gesetzes wegen auch bereits abgeschlossene Rechtsgeschäfte erfassen sollte.

Die Rückwirkung von Gesetzen ist an sich nicht ausgeschlossen, gemäß § 5 ABGB jedoch grundsätzlich nicht anzunehmen (Bydlinski in Rummel I2, Rz 2 zu § 5 ABGB). Sie bedürfte in der Regel einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung (JBl 1973, 374 ua), die - wie Revisionsrekurswerberin selbst zugesteht - im gegenständlichen Fall fehlt. Die ihrer Meinung nach dennoch zu unterstellende Rückwirkung der Genehmigungspflicht für alle noch nicht verbücherten Rechtsgeschäfte über Liegenschaften im Assanierungsgebiet begründet die Revisionsrekurswerberin damit, daß zwingende, dem öffentlichen Recht angehörende Gesetzesbestimmungen die Rechtslage auch für die Vergangenheit verändern. Der zwingende Charakter einer Norm läßt jedoch für sich allein noch nicht den Schluß zu, daß sie der Gesetzgeber rückwirkend in Kraft setzen wollte. Er kann die Rückwirkung indizieren, doch bedarf es weiterer Anhaltspunkte im konkreten Inhalt und Zweck einer gesetzlichen Regelung, um die dem § 5 ABGB zu entnehmende gegenteilige Vermutung zu entkräften (vgl JBl 1947, 243; EvBl 1977/67).

Hier gebietet der Gesetzeszweck, Spekulationsgeschäfte über Liegenschaften im Assanierungsgebiet zu unterbinden und den Erfolg der beabsichtigten Assanierungsmaßnahmen durch eine wirksame Kontrolle des Liegenschaftsverkehrs sicherzustellen, keine Rückwirkung. Er wird - wie bereits dargestellt - dadurch erreicht, daß man alle jene Rechtsgeschäfte der Genehmigungspflicht unterwirft, die bei Inkrafttreten der Assanierungsverordnung noch nicht bis zur Verbücherungsfähigkeit gediehen waren. Die Judikatur hat auch bisher bei vergleichbaren - ebenfalls zwingenden - gesetzlichen Anordnungen keine Rückwirkung angenommen (NotZ 1955, 125; RPflSlgG 467).

Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Anmerkung

E28598

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00041.92.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19920407_OGH0002_0050OB00041_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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