TE OGH 1992/4/7 5Ob27/92

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.04.1992
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1.) Esther V*****, geboren am *****, und

2.) Gisella G*****, geboren am *****, beide vertreten durch Dr. Michael Auer und Dr. Ingrid Auer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Grundbuchshandlungen ob der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** infolge Revisionsrekurses der Stadt WIEN, Rathaus, 1082 Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Mayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 30. Oktober 1991, GZ 46 R 2038/91, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 14. Juni 1991, GZ TZ 2703/91, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Verordnung der Wiener Landesregierung vom 29. April 1991, LGBl. Nr. 25, wurden Teile des zweiten Wiener Gemeindebezirkes zum Assanierungsgebiet erklärt. Gemäß § 2 dieser Verordnung gehört auch das Grundstück ***** der EZ ***** Grundbuch 01657 Leopoldstadt zu diesem Assanierungsgebiet. Die Kundmachung dieser Verordnung erfolgte am 29. April 1991, sodaß die Verordnung gemäß § 5 Abs 1 des Gesetzes über das Gesetzblatt der Stadt Wien, LGBl. 1945/1, frühestens am 30. April 1991 in Kraft getreten ist.

Mit dem von der Verkäuferin am 18. Dezember 1990 und den Käuferinnen am 20. Dezember 1990 und 21. Dezember 1990 unterfertigten Kaufvertrag kauften die Antragstellerinnen von Gertrude K*****, verehelichte P***** die Liegenschaft EZ ***** Grundbuch 01657 Leopoldstadt mit dem Grundstück ***** Baufläche samt dem darauf errichteten Haus *****. Die Echtheit der Unterschrift der Verkäuferin auf der Vertragsurkunde, die bereits eine Aufsandungserklärung der Verkäuferin enthält (Punkt VIII.), wurde am 18. Dezember 1990, jene der beiden Käuferinnen am 20. Dezember 1990 bzw. 21. Dezember 1990 notariell bestätigt.

Am 17.5.1991 begehrten die Antragstellerinnen die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes je zur Hälfte ob der kaufgegenständlichen Liegenschaft im Rang des zu TZ 6608/90 angemerkten Rangordnungsbeschlusses vom 20. Dezember 1990, sowie die Anmerkung des der Verkäuferin infolge Verehelichung zukommenden Zunamens. Diesem Einverleibungsgesuch waren die Heiratsurkunde der Verkäuferin, der Kaufvertrag, die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern in Wien sowie der Rangordnungsbeschluß angeschlossen.

Das Erstgericht wies beide Anträge ab. Das Grundstück gehöre zu dem mit Verordnung der Wiener Landesregeierung vom 29.4.1991 erklärten Assanierungsgebiet. Da der Grundbuchsantrag erst nach Inkrafttreten dieser Verordnung gestellt worden sei, müßten die Bestimmungen des Stadterneuerungsgesetzes BGBl.187/1974 idF BGBl.406/1988 angewendet werden. Gemäß § 9 Abs 2 leg. cit. bedürfe die Übertragung des Eigentumsrechtes im Assanierungsgebiet durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden der Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde. Nach § 31 Abs. 3 des genannten Gesetzes dürften solche Verträge nur durchgeführt werden, wenn ein rechtskräftiger Bescheid oder eine Bescheinigung der zuständigen Behörde vorliege. eine Genehmigung seitens der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde sei nicht vorgelegt worden. Einen weiteren Abweisungsgrund erblickte das Erstgericht in dem Umstand, daß die Käuferinnen die Liegenschaft um den einverständlich vereinbarten Kaufpreis von 9,5 Mill. S kauften, die Anführung des Gesamtkaufpreises sowie der Liegenschaftsanteile im Kaufvertrag jedoch nicht genüge. Nach § 26 Abs. 2 GBG müßten vielmehr sowohl die Miteigentumsanteile als auch der Kaufpreis jedes Käufers angeführt sein. Mangels Legitimation habe auch die Anmerkung der Namensänderung nicht bewilligt werden können.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem von den Käuferinnen dagegen erhobenen Rekurs Folge und bewilligte im Eigentumsblatt der genannten Liegenschaft die begehrte Anmerkung der Namensänderung und im Rang der angemerkten Rangordnung die Einverleibung des Eigentumsrechtes je zur Hälfte für die beiden Antragstellerinnen, wobei es aussprach, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und der Rekurs zulässig sei.

Die Bestimmung des § 93 GBG, wonach der Zeitpunkt des Einlangens des Grundbuchsgesuches für dessen Beurteilung entscheidend sei, stelle nur auf den Buchstand ab (NZ 1963, 158), bedeute jedoch nicht, daß auch die Rechtswirksamkeit des zu verbüchernden Kaufvertrages nach diesem Zeitpunkt zu beurteilen sei. Gemäß § 9 Abs. 2 StadtErnG bedürfe in Assanierungsgebieten ua die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück oder Teilen davon durch Rechtsgeschäft unter Lebenden der Genehmigung der Verwaltungsbehörde. Im vorliegenden Fall sei der dem Grundbuchsantrag zugrundeliegende Kaufvertrag über eine zum Assanierungsgebiet erklärte Liegenschaft vor dem Zeitpunkt der Kundmachung der wiederholt genannten Verordnung abgeschlossen, im Grundbuch aber noch nicht durchgeführt worden. Wenn auch § 9 Abs. 2 StadtErnG von der "Übertragung des Eigentums" spreche, dürfe nicht übersehen werden, daß bereits die Überschrift des § 9 StadtErnG auf "Genehmigung von Rechtsgeschäften" laute. Auch § 9 Abs. 3 StadtErnG zähle als nicht genehmigungspflichtig ua Schenkungen auf, somit obligatorische Titelgeschäfte und nicht die (sachenrechtliche) Übertragung des Eigentums. Auch aus § 31 Abs. 3 StadtErnG folge, daß die Genehmigungspflicht das Erwerbsgeschäft, hier also den Kaufvertrag betreffe. Auch könne der Verkäufer seiner ihm gemäß § 29 StadtErnG obliegenden Anbotsverpflichtung gegenüber der Gemeinde nur nachkommen, wenn die Genehmigungspflicht bereits das Titelgeschäft betreffe und demnach die Verordnung, wonach die Liegenschaft zum Assanierungsgebiet erklärt werde, zu diesem Zeitpunkt bereits in Kraft sei. Diese Interpretation entspreche auch insofern der Absicht des Gesetzgebers, als die Genehmigungspflicht "vor allem als erster Schritt zur Unterbindung von spekulativen Eigentumsübertragungen" dienen solle (1109 BlgNR 13.GP), wobei nach dem Sinn des Gesetzes nicht spekulative Grundbuchseintragungen, sondern schon spekulative obligatorische Titelgeschäfte der Genehmigung unterliegen sollten. Das StadtErnG enthalte im übrigen keine besonderen Anordnungen über die Behandlung von Rechtsgeschäften, die im Zeitpunkt der Kundmachung des Gesetzes zwar abgeschlossen, aber im Grundbuch noch nicht durchgeführt gewesen seien. Daher hätten die allgemeinen Bestimmungen, insbesondere § 5 ABGB zur Anwendung zu kommen, nach dessen zweitem Satz Handlungen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes gesetzt wurden, noch nach dem alten Gesetz beurteilt werden müßten (vgl. NZ 1955, 125). Betreffe aber der zeitliche Geltungsbereich der Assanierungsverordnungen hinsichtlich der Genehmigungspflicht der Gemeinde ausschließlich das Titelgeschäft, so sei der dem Grundbuchsantrag zugrundeliegende, vor dem Inkrafttreten der Assanierungsverordnungen abgeschlossene Kaufvertrag nicht genehmigungspflichtig. Weiters sei noch zu beachten, daß es gemäß § 22 GBG zur Einverleibung des Eigentumsrechtes der letzten Übernehmerin einer Liegenschaft, die außerbücherlich auf mehrere Personen übertragen wurde, des Nachweises des rechtswirksamen außerbücherlichen Zwischenerwerbes sämtlicher ihrer Vorgänger bedürfe. Dieser Nachweis könnte, würde § 9 StadtErnG das sachenrechtliche Verfügungsgeschäft betreffen, nur dadurch erbracht werden, daß in Ansehung jedes einzelnen Zwischenerwerbungsgeschäftes ein Anbotsverfahren durchgeführt (§ 29 Abs. 1 StadtErnG) und ein rechtskräftiger Bescheid über die Genehmigung des Rechtsgeschäftes im Sinne des § 31 StadtErnG vorgelegt werden müßte. Darüber hinaus hätten die Antragstellerinnen die Eintragung ausdrücklich in der bis 19.12.1991 angermerkten Rangordnung begehrt. Gemäß § 56 Abs. 1 GBG komme der Eintragung des Rechtes somit die angemerkte Rangordnung zu, welche im vorliegenden Fall ebenfalls vor dem Inkrafttreten der Assanierungsverordnungen liege.

Aber auch der zweite vom Erstgericht herangezogene Abweisungsgrund sei nicht gegeben. Zu den Erfordernissen eines Kaufvertrages gehöre zwar nach § 1054 ABGB, daß der Kaufpreis in barem Geld bestehen müsse und (unter anderem) nicht unbestimmt sein dürfe. Letzteres sei aber der Fall: Die Antragstellerinnen hätten die aus dem Spruch ersichtliche Liegenschaft um zusammen 9,500.000 S gekauft. Daraus folge - mangels anderer Vereinbarung in der für die Beurteilung des Grundbuchsgesuches alein maßgebenden Vertragsurkunde - eine gleichmäßige Verteilung des Gesamtkaufpreises. Jede andere Auslegung widerspräche der Vorschrift des § 914 ABGB über die Auslegung von Verträgen nach der Übung des redlichen Verkehrs. Dies entspreche dem Wortsinn, der in der Vertragsurkunde enthaltenen Kaufpreisvereinbarung, der eine damit übereinstimmende Parteienabsicht annehmen lasse. Ausgehend davon entfalle auf den von jeder Antragstellerin erworbenen Hälfteanteil der halbe Gesamtkaufpreis. Er sei also objektiv bestimmbar. Bestimmbarkeit genüge aber dem Bestimmtheitserfordernis des § 1054 ABGB (Aicher in Rummel2, Rz 10 zu § 1054, JBl. 1979, 94; 5 Ob 51/90).

Da nach dem Inhalt der vorgelegten Urkunden auch andere Hindernisse gegen die Eintragungsbegehren nicht bestünden, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Den Bewertungsausspruch stützte das Rekursgericht auf § 126 Abs. 1 GBG und § 13 Abs. 1 Z 1 AußStrG; den auf § 126 Abs. 2 GBG und § 13 Abs. 1 Z 3 AußStrG gestützten Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses begründete es mit dem Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der hier zu lösenden, über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Rechtsfrage.

Gegen diesen Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs des "Landes Wien - auch der Stadt Wien -" mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

Da der Einheitswert der kaufgegenständlichen Liegenschaft 386.000 S beträgt (vgl. Punkt XI des Kaufvertrages), bestehen keine Bedenken gegen den Ausspruch des Rekursgerichtes über den Wert des Entscheidungsgegenstandes.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Was die Rechtsmittellegitimation der Rechtsmittelwerberin anlangt, so ist in Ermangelung einer besonderen Regelung im GBG von den Bestimmungen des Verfahrens außer Streitsachen, insbesondere jener des § 9 AußStrG auszugehen (SZ 42/17 und 38; SZ 45/74 ua). Rekursberechtigt ist daher grundsätzlich derjenige, dessen Interessensphäre durch eine Verfügung des Grundbuchsgerichtes berührt wird (SZ 20/35; SZ 42/17 und 38). In diesem Sinne vermögen auch öffentliche Interessen die Rechtsmittellegitimation zu verschaffen (vgl. etwa die in MGA Grundbuchsrecht4 zu § 122 GBG unter E 67 ff angeführten Verwaltungsbereiche). Wenngleich die öffentlichen Interessen im Grundbuchsverfahren unter Berufung auf § 1 Abs. 3 ProkG in der Regel von der Finanzprokuratur wahrgenommen werden (SZ 11/96; SZ 21/50; SZ 49/58 ua), und zwar insbesondere dann, wenn sie sich nicht einem bestimmten Rechtsträger zuordnen lassen, so wurde doch - wie die genannten Entscheidungen zeigen - auch im Grundbuchsverfahren anderen Organen oder Behörden die Rechtsmittellegitimation zur Wahrung öffentlicher Interessen zuerkannt (vgl. SZ 27/30, Rechtsmittellegitimation der Gemeinde als Baubehörde).

Im vorliegenden Fall sind von der Entscheidung über die Bewilligung der Einverleibung des Eigentumsrechtes der Antragstellerinnen ob einer zum Assanierungsgebiet gehörigen Liegenschaft ohne Vorliegen einer Genehmigung des Erwerbsgeschäftes im Sinne des § 9 Abs. 2 StadtErnG öffentliche Interessen betroffen, die die Stadtgemeinde Wien wahrzunehmen hat. Die in den §§ 9 Abs. 2 und 31 Abs. 3 StadtErnG erforderliche Genehmigung von Rechtsgeschäften zur Übertragung des Eigentums an Liegenschaften in Assanierungsgebieten soll auch die Gemeinde in die Lage versetzen, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, die Liegenschaft selbst zu erwerben (§§ 8, 29 StadtErnG). Dieses besondere gesetzliche Vorkaufsrecht setzt einen Bedarf der Gemeinde für die von ihr wahrzunehmenden öffentlichen Zwecke voraus (§ 8 Abs 1 StadtErnG), sodaß jede Umgehung der Genehmigungspflicht von Rechtsgeschäften unmittelbar in die öffentlichen Interessen der "vorkaufsberechtigten" Gemeinde eingreift. An der Rekurslegitimation der betroffenen Gemeinde zur Abwehr von entgegen der Bestimmung des § 31 Abs. 3 StadtErnG bewilligten Grundbuchseintragungen ist daher nicht zu zweifeln.

Im Revisionsrekurs wird im wesentlichen der Standpunkt vertreten, daß der Geltungsbereich der Genannten Assanierungsverordnung bzw. der damit für betroffene Grundstücke in Wirksamkeit getretenen Bestimmungen des StadtErnG keineswegs auf das obligatorische Titelgeschäft beschränkt sei, sondern (auch) die sachenrechtliche Eigentumsübertragung, also die grundbücherliche Durchführung des Titelgeschäftes, mit dem der Erwerbsvorgang erst abgeschlossen sei, erfasse. Die Frage des zeitlichen Geltungsbereiches sei auch nach Einführung von Ausländer-Grunderwerbsgesetzen aufgetreten und von Gerichten zweiter Instanz in diesem Sinn beantwortet worden. Für eine solche Auslegung spreche auch der Umstand, daß die mit dem StadtErnG eingeführte Preiskontrolle mit dem Zweck der Unterbindung spekulativer Eigentumsübertragungen nicht gewährleistet wäre, wenn sämtliche vor dem Inkrafttreten (Wirksamwerden) dieser Bestimmungen abgeschlossenen Kaufverträge keiner Genehmigung mehr bedürften. Die Richtigkeit dieser Ansicht ergebe sich auch daraus, daß verschiedene Landesgrundverkehrsgesetze Übergangsbestimmungen für die vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossenen Rechtsgeschäfte enthielten, eine solche Bestimmung aber im StadtErnG fehle; dies ließe den Schluß zu, daß der Gesetzgeber des StadtErnG eine den zitierten Übergangsbestimmungen gleiche oder ähnliche Regelung nicht habe treffen wollen, woraus sich weiters ergebe, daß Rechtsgeschäfte, die vor dem Eintritt der Wirksamkeit der Bestimmungen des StadtErnG für die Assanierungsgebiete abgeschlossen worden seien, nach den in Kraft getretenen Vorschriften und nicht nach den vorher geltenden Vorschriften zu behandeln seien. Um die Verbücherung eines vor dem 30.4.1991 abgeschlossenen Kaufvertrages zu ermöglichen, wäre daher eine nachträgliche Genehmigung dieses Vertrages gemäߧ 9 Abs. 2 StadtErnG einzuholen gewesen. Da dies nicht geschehen sei, erweise sich der angefochtene Beschluß als rechtsirrig. Dem ist folgendes zu entgegnen:

Richtig ist, daß gemäß § 431 ABGB zur Übertragung des Eigentums einer Liegenschaft das Erwerbungsgeschäft in die dazu bestimmten öffentlichen Bücher eingetragen werden muß. Daraus zu schließen, der Gesetzgeber habe die in § 9 Abs. 2 StadtErnG normierte Genehmigungspflicht für die "Übertragung des Eigentums" an Liegenschaften im Assanierungsgebiet auch auf die grundbücherliche Durchführung des Titelgeschäftes bezogen, erscheint jedoch bei systematischer und teleologischer Interpretation dieser Gesetzesbestimmung unhaltbar. Schon das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, daß eine nur am Wortlaut "Übertragung des Eigentums" orientierte Gesetzesauslegung zu zweifelhaften Ergebnissen führen muß, weil in § 9 StadtErnG ausdrücklich (sowohl in der Überschrift als auch in seinem Abs 2 selbst) auf die Genehmigung von Rechtsgeschäften Bezug genommen wurde und Abs 3 leg.cit. Schenkungen sowie Rechtsgeschäfte, die zwischen nahen Angehörigen abgeschlossen werden, also offensichtlich Verpflichtungsgeschäfte, von der Genehmigungspflicht ausnimmt. Gegen den Rechtsstandpunkt der Revisionsrekurswerberin, wonach sich die Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde auch auf die Verbücherung des Verpflichtungsgeschäftes erstrecken müsse, spricht jedoch vor allem, daß die Verbücherung nur mehr der gerichtliche Vollzug des Verfügungsgeschäftes ist. In diesen Akt kann eine Verwaltungsbehörde - sei es durch eine Genehmigung oder deren Versagung - gar nicht eingreifen. Folgerichtig verlangt § 31 Abs. 3 StadtErnG, wonach Verträge über Rechtsgeschäfte gemäß § 9 leg.cit. grundbücherlich nur durchgeführt werden dürfen, wenn (von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen) ein rechtskräftiger Bescheid über die Genehmigung des Rechtsgeschäftes vorliegt, eine genehmigende Erklärung der Verwaltungsbehörde, die der Verbücherung zeitlich vorangeht und dem Verbücherungsansuchen bereits angeschlossen ist.

Demnach kann sich die im § 9 Abs. 2 StadtErnG geforderte Genehmigung der Übereigung von Liegenschaften in Assanierungsgebieten nur auf die rechtsgeschäftliche Einigung der Vertragsparteien beziehen. Daß die "Übertragung des Eigentums" zu genehmigen ist, kann bei Würdigung des normativen Gehalts dieser besonderen Wertung nur bedeuten, daß der Gesetzgeber ein Rechtsgeschäft meint, das bereits in verbücherungsfähiger Form vorliegt. Es muß also - etwa bei einem Kaufvertrag - nicht nur die Willenseinigung der Vertragsparteien über die entgeltliche Veräußerung einer Liegenschaft dokumentiert sein, sondern auch eine beglaubigt unterfertigte Aufsandungserklärung des Verkäufers vorliegen, sodaß es nur mehr der in § 31 Abs. 3 StadtErnG erwähnten grundbücherlichen Durchführung des Rechtsgeschäftes bedarf, um dem Käufer Eigentum zu verschaffen.

Ein solches Verständnis des § 9 Abs. 2 StadtErnG wird durchaus den Intentionen des Gesetzgebers gerecht, Spekulationsgeschäfte mit Liegenschaften im Assanierungsgebiet zu verhindern, um angemessene Grundstückspreise sicherzustellen (1109 BlgNR 13.GP, 2 und 4). Würde man nur das Verpflichtungsgeschäft, also die Willenseinigung der Vertragsparteien über die Veräußerung der Liegenschaft, die auch mündlich zustandekommen könnte, der Genehmigungspflicht unterwerfen, wäre das Ziel einer wirksamen Kontrolle des Liegenschaftsverkehrs in Assanierungsgebieten wohl kaum zu erreichen, weshalb der Wortwahl "Übertragung des Eigentums" durchaus der Sinn einer möglichst umfassenden Genehmigungspflicht unterstellt werden kann; ratio und Systematik des Gesetzes erlauben es jedoch nicht, den genehmigungspflichtigen Vorgang bis hin zur grundbücherlichen Durchführung des Rechtsgeschäftes zu erstrecken.

Daß damit die Genehmigungspflicht von Rechtsgeschäften über Liegenschaften in Assanierungsgebieten weniger streng gehandhabt würde als die vergleichbare Eintragungsvoraussetzung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, trifft nicht zu. Die diesbezüglichen Judikatur- und Lehrmeinungen bewegen sich im wesentlichen zwischen den Positionen, der Genehmigungspflicht entweder "nur" oder "jedenfalls auch" das Verpflichtungsgeschäft zu unterwerfen; selbst die Vertreter einer Genehmigungspflicht des Verfügungsgeschäftes gehen jedoch nicht so weit, die grundbücherliche Durchführung des Rechtsgeschäftes in den genehmigungspflichtigen Vorgang einzubeziehen (NotZ 1955, 125; Faistenberger, Vorkaufsrecht, 54 ff; Steiner, Grundverkehrsbehördliche Genehmigung und Bedingungslehre, JBl 1974, 506 ff; Bydlinski, JBl. 1975, 652 ff; Rummel in Rummel I2, Rz 6 zu § 897 ABGB, Sandholzer, Grundverkehr und Ausländergrunderwerb im Bundesländervergleich, 73 ff). Dieser Vorgang ist spätestens mit dem Abschluß eines dinglichen Rechtsgeschäftes beendet, das alle inhaltlichen und formellen Voraussetzungen für eine Verbücherung erfüllt.

Im konkreten Fall ist die Genehmigungspflicht erst mit Inkrafttreten der Assanierungsverordnung, also frühestens am 30. April 1991 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt lag der Kaufvertrag über die zum Assanierungsgebiet gehörende Liegenschaft bereits in verbücherungsfähiger Form vor. Die Verbücherung hätte daher - wie schon das Rekursgericht zutreffend ausführte - nur dann von der Vorlage eines Genehmigungsbescheides der Bezirksverwaltungsbehörde abhängig gemacht werden dürfen, wenn die Genehmigungspflicht von Gesetzes wegen auch bereits abgeschlossene Rechtsgeschäfte erfassen sollte.

Die Rückwirkung von Gesetzen ist an sich nicht ausgeschlossen, gemäß § 5 ABGB jedoch grundsätzlich nicht anzunehmen (Bydlinski in Rummel I2, Rz 2 zu § 5 ABGB). Sie bedürfte in der Regel einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung (JBl. 1973, 374 ua), die - wie die Revisionsrekurswerberin selbst zugesteht - im gegenständlichen Fall fehlt. Die ihrer Meinung nach dennoch zu unterstellende Rückwirkung der Genehmigungspflicht für alle noch nicht verbücherten Rechtsgeschäfte über Liegenschaften im Assanierungsgebiet begründet die Revisionsrekurswerberin damit, daß zwingende, dem öffentlichen Recht angehörende Gesetzesbestimmungen die Rechtslage auch für die Vergangenheit verändern. Der zwingende Charakter einer Norm läßt jedoch für sich allein noch nicht den Schluß zu, daß sie der Gesetzgeber rückwirkend in Kraft setzen wollte. Er kann die Rückwirkung indizieren, doch bedarf es weiterer Anhaltspunkte im konkreten Inhalt und Zweck einer gesetzlichen Regelung, um die dem § 5 ABGB zu entnehmende gegenteilige Vermutung zu entkräften (vgl. JBl 1947, 243; EvBl 1977/67).

Hier gebietet der Gesetzeszweck, Spekulationsgeschäfte über Liegenschaften im Assanierungsgebiet zu unterbinden und den Erfolg der beabsichtigten Assanierungsmaßnahmen durch eine wirksame Kontrolle des Liegenschaftsverkehrs sicherzustellen, keine Rückwirkung. Er wird - wie bereits dargestellt - dadurch erreicht, daß man alle jene Rechtsgeschäfte der Genehmigungspflicht unterwirft, die bei Inkrafttreten der Assanierungsverordnung noch nicht bis zur Verbücherungsfähigkeit gediehen waren. Die Judikatur hat auch bisher bei vergleichbaren - ebenfalls zwingenden - gesetzlichen Anordnungen keine Rückwirkung angenommen (NotZ 1955, 125; RPflSlgG 467).

Da der vom Erstgericht ergänzend herangezogene Abweisungsgrund vom Rekursgericht bereits zutreffend widerlegt wurde und im Revisionsrekurs auch nicht mehr releviert wird, erweist sich der Revisionsrekurs als unberechtigt, weshalb ihm kein Erfolg beschieden sein konnte.

Anmerkung

E28771

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00027.92.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19920407_OGH0002_0050OB00027_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten