TE OGH 1992/4/8 9ObA81/92

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Veröffentlicht am 08.04.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** T***** M*****, Angestellter, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei ***** Bau- und Gastgewerbe GmbH, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen S 72.438 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18.Dezember 1991, GZ 31 Ra 119/91-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17.Juli 1991, GZ 6 Cga 2043/91-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird zum Teil Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie insgesamt zu lauten haben:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 71.771,66 brutto samt 4 % Zinsen seit 13.März 1991 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei einen weiteren Betrag von S 666,34 brutto samt 4 % Zinsen seit 13.März 1991 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.784,80 (darin S 1.630,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit S 3.623,04 (darin S 603,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 4.348,80 (darin S 724,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten seit 1.März 1991 als Bauleiter beschäftigt. Nach seinem Dienstvertrag stand ihm ein Mindest-Brutto-Monatsgrundgehalt von S 29.045 (14mal jährlich) zuzüglich einer Mindestprämie von monatlich S 2.000 zu. Weiters war vereinbart, daß ihm im Fall einer Kündigung durch den Arbeitgeber oder einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine einmalige freiwillige Abfertigung in Höhe von 2 Monatsgehältern gebühre. Das Arbeitsverhältnis endete bereits am 12.März 1991 durch einvernehmliche Auflösung.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger einen Betrag von S 72.438 brutto sA, der sich aus 2 Grundbezügen und 2 Prämien, jeweils samt aliquoten Sonderzahlungen zusammensetzt, als Abfertigung.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Abfertigungsvereinbarung sei sittenwidrig, da schon für den Fall einer kurzen Beschäftigung eine Abfertigung vorgesehen gewesen sei. Der Kläger, von dem eine längere Beschäftigungsdauer erwartet worden sei, sei aber bereits nach 8 Tagen ausgetreten, weil er angeblich nicht für einen ausländischen Geschäftsführer habe arbeiten wollen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:

Der am 11.März 1991 von einer Auslandsreise zurückgekehrte Geschäftsführer der Beklagten erregte sich darüber, daß der Kläger keine Tagesberichte über seine Tätigkeit erstellt hatte. Es kam darüber zu einem Streit. Der Kläger verfaßte daraufhin noch am selben Tag ein Schreiben, in dem er die einvernehmliche Lösung des Arbeitsverhältnisses zum 12.März 1991 und die Verpflichtung des Arbeitgebers, binnen 5 Tagen die Endabrechnung durchzuführen und das Gehalt zu überweisen, festhielt. Er legte dieses Schriftstück dem Geschäftsführer der Beklagten vor, der es unterfertigte. Intern gab der Geschäftsführer dem Buchhalter die Weisung, er solle alles herrichten; wegen der kurzen Dauer der Beschäftigung verzichte der Kläger auf die Abfertigung.

Nach Erstellung der Endabrechnung verfaßte der Buchhalter am 12. März 1991 eine Mitteilung an den Kläger, wonach dieser hiemit bestätige, sämtliche Unterlagen ... ausgehändigt erhalten zu haben und daß er keine weiteren Ansprüche, egal welcher Art, stellen werde. Der Kläger unterschrieb diese Mitteilung mit dem Vorbehalt, daß die Lohnabrechnung später überprüft werde.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß dem Kläger die begehrte Abfertigung zustehe, da keine Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses als Anspruchsvoraussetzung vereinbart worden sei. Diese Vereinbarung sei nicht sittenwidrig, da es die Beklagte in der Hand gehabt habe, ob sie den Kläger kündige oder einer einvernehmlichen Auflösung zustimme. Der Kläger habe auf seinen Abfertigungsanspruch auch nicht verzichtet, da er die Mitteilung des Buchhalters vom 12.März 1991 nur unter dem Vorbehalt der Überprüfung der Abrechnung unterschrieben habe. Auch wenn die Höhe der Abfertigung nur mit zwei Monatsgehältern vereinbart worden sei, weise der Begriff "Abfertigung" auf die in der Judikatur vorgesehene Entgelthöhe hin.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß die Beklagte keine Umstände behauptet habe, die bei Prüfung der Frage, ob Sittenwidrigkeit vorliege, zu ihren Gunsten von Bedeutung sein könnten. Die Beklagte hätte die Kündigung des Klägers abwarten können, wodurch sich keine Verpflichtung zur Zahlung der bedungenen Abfertigung ergeben hätte. Es gebe auch keinen vernünftigen Grund anzunehmen, daß sich der Kläger eines ihm von der Beklagten vertraglich zugesicherten Rechtes ohne jeden Anlaß hätte begeben wollen. Sein schriftlicher Vorbehalt umfasse die gesamte Abrechnung. Besondere Feststellungen über die Höhe des Klagebegehrens seien entbehrlich, da die Beklagte die Höhe des vom Kläger behaupteten monatlichen Grundgehaltes als richtig zugegeben habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zum Teil berechtigt.

Wie schon die Vorinstanzen zutreffend ausführten, steht es den Parteien des Arbeitsvertrages frei, einen "freiwilligen" Abfertigungsanspruch ohne Bezugnahme auf die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder die im § 23 Abs. 1 AngG normierten Voraussetzungen zu vereinbaren. Die vorliegende und einen solchen Anspruch vorsehende Abfertigungsvereinbarung ist schon deshalb nicht sittenwidrig, weil die Abfertigung nur in den Fällen der Arbeitgeberkündigung und der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebührt. Da der Abfertigungsanfall erst mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses eintrat, auf den die Beklagte solchermaßen gestaltend einwirken konnte, kann somit nicht gesagt werden, daß ein grobes Mißverhältnis zwischen den beiderseitigen Interessen vorgelegen wäre (vgl SZ 56/72, SZ 54/33 ua). Ein Verzicht des Klägers auf die ihm gebührende Abfertigung

(vgl Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7 448 f), wurde in erster Instanz nicht eingewendet. Die bloße Vorlage einer Urkunde kann ein entsprechendes Vorbringen nicht ersetzen.

Die Beklagte verkennt nicht, daß sich die Höhe der freiwilligen Abfertigung nach dem Angestelltendienstvertrag vom 1.März 1991 bestimmt. Mit ihrem Einwand, es hätten aber nur zwei Monatsgrundgehälter a S 29.045 als Abfertigung zugesprochen werden dürfen, übersieht sie, daß dieser Vertrag davon ausgeht, daß das Gehalt des Klägers aus drei Teilen besteht, nämlich aus dem Grundgehalt, der Prämie und einem Sachbezug. Soweit sie sich daher zur Zahlung einer freiwilligen Abfertigung "in der Höhe von 2 Monatsgehältern" verpflichtete, umfaßt diese Verpflichtung alle angeführten Gehaltsbestandteile. Da das Brutto-Monatsgrundgehalt 14mal jährlich zur Auszahlung gelangen sollte, schließt das "Monatsgehalt" auch die aliquoten Sonderzahlungen ein (vgl im übrigen Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz aaO 452). Hinsichtlich der ebenfalls einen Gehaltsbestandteil bildenden Prämien ist aber weder dem Vorbringen des Klägers noch dem Angestelltendienstvertrag zu entnehmen, daß sie mehr als monatlich gezahlt werden sollten. Diesbezüglich können daher entgegen der Ansicht der Vorinstanzen keine aliquoten Sonderzahlungen berücksichtigt werden.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 43 Abs. 2 und 50 ZPO begründet. Die beklagte Partei hat dem Kläger die gesamten Kosten zu ersetzen, da dieser nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines Anspruches, dessen Geltendmachung keine besonderen Kosten verursacht hat, unterlegen ist.

Anmerkung

E29118

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00081.92.0408.000

Dokumentnummer

JJT_19920408_OGH0002_009OBA00081_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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