Index
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §119 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde der B GmbH in W, vertreten durch Dr. Mario Noe-Nordberg, Rechtsanwalt in 3830 Waidhofen/Thaya, Hamernikgasse 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. November 2002, GZ. RV/451-15/17/2001, betreffend Haftung zur Einbehaltung und Abfuhr von Lohnsteuer, Vorschreibung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum vom 1. Jänner 1997 bis zum 31. Dezember 2000, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Gesellschaft hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. An der beschwerdeführenden Gesellschaft mbH (in der Folge: Beschwerdeführerin) sind die Ehegatten Ilse N. zu 68,75 % und Dkfm. Peter N. zu 6,25 % sowie die H. Bekleidungsservice GmbH zu 25 % beteiligt. An der H. Bekleidungsservice GmbH ist Dkfm. Peter N. zu 75 % und Ilse N. zu 25 % beteiligt. Der sohin zu 25 % an der Beschwerdeführerin beteiligte Dkfm. Peter N. ist deren handelsrechtlicher Geschäftsführer; weiters ist er Geschäftsführer der H. Bekleidungsservice GmbH und einer in Tschechien situierten Gesellschaft.
Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer den Dienstvertrag vom 1. Jänner 1975 abgeschlossen, der - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - lautet:
"DIENSTVERTRAG
...
2. Das Monatsgehalt beträgt ab 1.1.1975 S 14.000,-- brutto. Neben einer Weihnachtsremuneration und einem Urlaubszuschuss wird außerdem ein Bilanzgeld von je S 14.000,-- brutto vereinbart.
3. Es wird einvernehmlich festgestellt, dass das Gehalt einen Gesamtbezug darstellt, für Überstunden werden keine besonderen Entgelte ausbezahlt.
...
6. Es wird eine Dienstwohnung ab 1. Juni 1975 in W., Schloßgasse 31, kostenlos zur Verfügung gestellt, die bei Beendigung des Dienstverhältnisses zu räumen ist. Für sämtliche Betriebskosten kommt der Dienstnehmer auf.
7. Für die Berechnung aller sonstigen Ansprüche werden 5 Dienstjahre in der Verwendungsgruppe 6 angerechnet.
8. Vereinbart nach dem Kollektivvertrag für Angestellte der Industrie vom 30.1.1970 in der jeweils geltenden Fassung."
2. Strittig ist der Wert der Dienstwohnung als Sachbezug und die Berücksichtigung von Überstundenzuschlägen bei dem dem Gesellschafter-Geschäftsführer gewährten Gesamtbezug.
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
3.1. Dienstwohnung
3.1.1. Im Zuge einer Lohnsteuerprüfung stellte die Prüferin fest, dass der Wert der dem Gesellschafter-Geschäftsführer gewährten Dienstwohnung nicht als Sachbezug versteuert wird. Der Gesellschafter-Geschäftsführer habe sämtliche Betriebskosten der Dienstwohnung zu tragen und entrichte an die Beschwerdeführerin eine monatliche Miete von S 800,--.
Die Beschwerdeführerin habe dazu erklärt, die Miete richte sich nach der "AfA, weil dem Unternehmen kein weiterer Aufwand mehr entstehe".
Die Prüferin nahm die Bewertung der Wohnung gemäß § 15 Abs. 2 EStG 1988 in Verbindung mit § 2 der Verordnung BGBl. Nr. 642/1992 vor. Vom Sachwert von S 3.120,-- (104 m2 a S 30,-- (Baujahr 1971 bis 1980, Kategorie 2)) sei ein Abschlag von 20 % für Betriebskosten und durch die zu bezahlende Miete vorzunehmen, womit sich ein monatlicher steuerlicher Sachbezug von S 1.696,-- ergebe.
3.1.2. Die Beschwerdeführerin machte in der Berufung gegen den - den Ausführungen der Prüferin folgenden - Haftungs- und Abgabenbescheid geltend, mit der Zahlung des Gesellschafter-Geschäftsführers für die Wohnung seien alle dafür anfallenden Kosten gedeckt und verbliebe auch noch eine Amortisation für den Vermieter. Es gehe nicht um die Bewertung des Sachbezuges, sondern lediglich darum, dass sich hier Leistung und Gegenleistung entsprechen. Einerseits sei die Wohnung nicht fertig gestellt gewesen, es fehlten teilweise noch Mittelmauern und Fußböden, andererseits sei durch tätige Mithilfe aller Familienmitglieder beim Bau des Gebäudes der Anschaffungswert desselben wesentlich niedriger als sonst üblich gewesen.
3.1.3. Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides dazu aus, die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung einer Wohnung durch den Arbeitgeber sei im Allgemeinen ein Vorteil aus dem Dienstverhältnis und damit steuerpflichtig. Die Bewertung des Vorteiles habe nach den Bestimmungen über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge zu erfolgen. Die Ermittlung des Wertes sei nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 15 EStG 1988 in Verbindung mit § 2 der Verordnung BGBl. Nr. 642/1992 vorgenommen worden. Den in der Berufung dargelegten Gründen, wonach kein Sachbezugswert anzusetzen sei, könne nicht gefolgt werden.
3.1.4. In der Beschwerde wird geltend gemacht, es sei von den in § 2 der zitierten Verordnung genannten Werten abzuweichen. Die Wohnung sei bei Übergabe/Mietbeginn am 1. Jänner 1974 (Beginn des Dienstverhältnisses) nicht fertig gestellt gewesen. Es seien nur die Hauptmauern und eine Mittelmauer aufgestellt gewesen, während die restlichen Raumteil-Mauern und die Fußböden sowie die Sanitäranlagen im Bad und WC erst noch zu machen gewesen seien. Dies sei vom Gesellschafter-Geschäftsführer selbst finanziert worden. Dieser Umstand müsse sehr wohl bei der Bewertung des Wohnraumes berücksichtigt werden. Weiters wird dazu vorgebracht, durch die tätige Mithilfe aller Familienmitglieder während der Hauptbauzeit in den Jahren 1969 bis 1971 habe der aktivierungspflichtige Anschaffungswert der 104 m2 großen Wohnung lediglich S 287.305,60 betragen. Diese beim Finanzamt aufliegenden Werte würden von den ortsüblichen Mittelpreisen ganz erheblich abweichen. Schließlich werde - wie bereits gegenüber der Prüferin -
weiterhin der Standpunkt vertreten, dass sich hier Leistung und Gegenleistung entsprechen und einem Fremdvergleich standhielten. Die Frage der Bewertung nach dem Sachbezugswert stelle sich nicht.
3.1.5. Gemäß § 25 Abs. 1 lit. a EStG 1988 sind Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit (Arbeitslohn) Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis.
Nach § 15 Abs. 1 EStG 1988 liegen Einnahmen vor, wenn dem Steuerpflichtigen Geld oder geldwerte Vorteile im Rahmen u.a. der Einkunftsart des § 2 Abs. 3 Z. 4 leg. cit. (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) zufließen. Im Abs. 2 jener Bestimmung wird als geldwerter Vorteil u.a. ausdrücklich auch die Überlassung einer Wohnung angeführt. Weiters wird hier normiert, dass geldwerte Vorteile mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes anzusetzen sind.
Der übliche Mittelpreis des Verbrauchsortes ist jener Betrag, den der Steuerpflichtige hätte aufwenden müssen, um sich die geldwerten Güter am Verbrauchsort im freien Verkehr zu beschaffen. Dieser Betrag ist jeweils in Bezug auf die betroffene Besteuerungsperiode zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 2003, 99/14/0240, m.w.N.).
Nach den dem Bescheid zu Grunde liegenden Feststellungen auf Grund des Berichtes der Lohnsteuerprüfung wurde dem Gesellschafter-Geschäftsführer mit 1. Juni 1975 eine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt. Soweit die Beschwerde von einer Übergabe/Mietbeginn am 1. Jänner 1974 und dem Zustand der Wohnung zu diesem Zeitpunkt ausgeht, ist darauf zufolge des Neuerungsverbotes nicht einzugehen. Abgesehen davon ist es nicht strittig, dass im Streitzeitraum dem Gesellschafter-Geschäftsführer eine fertig gestellte Wohnung überlassen wurde. Bei der Anwendung des § 15 EStG 1988 ist - wie oben dargestellt - nur ausschlaggebend, dass dem Arbeitnehmer geldwerte Vorteile durch die verbilligte Überlassung der Wohnung entstanden sind. Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung ist allein der objektive Wert des zugewendeten Vorteiles maßgeblich. Das Vorbringen betreffend die unentgeltlichen Arbeitsleistungen und Finanzierung zeigt nicht auf, dass der Vorteil aus der Überlassung des Wohnraumes, wie sich dieser in den Streitjahren dargestellt hat, objektiv einen niedrigeren Wert aufwiese als im angefochtenen Bescheid angenommen.
Dass die Berechnung des geldwerten Vorteiles aus der Überlassung der Dienstwohnung gemäß § 15 Abs. 2 EStG 1988 in Verbindung mit der genannten Verordnung unrichtig wäre, behauptet die Beschwerde nicht.
3.2. Überstundenentgelt
3.2.1. Die Prüferin führte in der Beilage zum Bericht der Lohnsteuerprüfung aus, laut der laufenden Lohnverrechnung für den Gesellschafter-Geschäftsführer seien u.a. ein monatliches Bruttogehalt sowie Überstunden mit Zuschlag von 50 % samt entsprechenden steuerfreien Zuschlägen sowie Überstunden mit Zuschlag von 100 % samt steuerfreien Zuschlägen verrechnet worden. Nach dem Dienstvertrag stelle das Gehalt einen Gesamtbezug dar, für Überstunden würden keine besonderen Entgelte bezahlt. Laut dem Kollektivvertrag für Angestellte der Bekleidungsindustrie gebührten dem Gesellschafter-Geschäftsführer z.B. ab 1. August 1998 14 Monatsbezüge a S 51.060,-- und ab 1. Oktober 1999 14 Monatsbezüge a S 52.100,--. Die Beschwerdeführerin sei hingegen ab 1. September 1998 von einem Monatsgehalt von S 34.500,-- und ab 1. Oktober 1999 von einem Monatsgehalt von S 36.000,-- ausgegangen. Aus diesen Größenordnungen der Bezüge ergebe sich eindeutig, dass Überstunden bzw. Überstundenzuschläge oder Überstundenpauschalbeträge überhaupt nicht bezahlt worden seien.
In den Streitjahren sei von einer durchschnittlichen Jahresarbeitszeit von 1840 Stunden (46 Wochen a 40 Stunden) auszugehen. Nach dem Lohnkonto habe der Gesellschafter-Geschäftsführer im Jahr 1997 1022 Überstunden, im Jahr 1998 1209,50 Überstunden, im Jahr 1999 1335,50 Überstunden und im Jahr 2000 1129,50 Überstunden verrichtet. Zur Berechnung der steuerfreien Zuschläge für Überstunden mit Zuschlag von 50 % habe die Beschwerdeführerin das Gehalt durch den Teiler 150 dividiert, sodann mit 5 multipliziert und davon 50 % berücksichtigt. Die steuerfreien Zuschläge der Überstunden mit Zuschlag von 100 % seien insofern berechnet worden, als das Gehalt durch den Teiler 150 dividiert und das Ergebnis mit der Anzahl der Überstunden multipliziert worden sei.
Die Beschwerdeführerin habe dazu zwei verschiedene "Überstunden-Kontrollrechnungen" vorgelegt. Nach der ersten Version seien sowohl das Jahresgehalt als auch die Jahresüberstunden gezwölftelt worden. Aus diesem Durchschnittsmonatslohn sei der Durchschnittsstundenlohn durch den Teiler 150 ermittelt worden. Mit diesen Durchschnittswerten seien die Überstundenzuschläge pro Monat neu berechnet und sodann auf einen Jahresbetrag hochgerechnet worden. Dabei seien 5 normale Überstunden voll, und zwar nicht nur der Zuschlag, steuerfrei gerechnet worden. Alle normalen Überstunden über 5 seien den qualifizierten Überstunden zugerechnet und zusammen mit diesen vorerst steuerfrei berechnet worden. Da der so ermittelte steuerfreie Betrag über dem Höchstbetrag von S 4.940,-- gelegen sei, sei nur dieser Freibetrag pro Monat angenommen worden.
Nach der zweiten von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Version sei der Grundlohn durch den Teiler 173 ermittelt worden. Nach dieser Version seien von den 5 normalen Überstunden pro Monat nur mehr die Zuschläge steuerfrei berücksichtigt worden. Die nicht ausgenutzten normalen Überstunden seien nicht mehr den qualifizierten Überstunden zugerechnet worden.
Es seien monatliche Überstundenaufzeichnungen vorgelegt worden. In den für jeden Tag vorgesehenen Tageskästchen seien teilweise bis zu vier Eintragungen (Beginn und Ende sowie Summe der Überstunden) enthalten gewesen. Weiters seien darauf die Überstunden, getrennt in Normalüberstunden bzw. qualifizierte Überstunden, wöchentlich und monatlich zusammengerechnet worden.
Im Zuge der Prüfung sei dann auch noch ein Vormerkkalender vorgelegt worden. In diesem sollten sämtliche Arbeiten verzeichnet worden sein. Tatsächlich habe dieser Kalender nur Zeitangaben wie die vorgelegten Überstundenaufzeichnungen enthalten. Für manche Tage enthalte der Kalender schlagwortartige Notizen, aus denen die Tätigkeiten und die betrieblichen Erfordernisse für die Überstunden nicht nachvollzogen werden konnten. Die Normalarbeitszeit von Montag bis Donnerstag habe um 18 Uhr geendet. Die Überstunden hätten häufig nicht an die Normalarbeitszeit angeschlossen. Auch in der Nacht sei die Arbeitszeit häufig um eine oder mehrere Stunden unterbrochen worden. Es seien auch extrem lange Arbeitszeiten mit nur geringfügiger dazwischen liegender Freizeit ersichtlich. So seien beispielsweise vom Donnerstag 26. Juni bis Freitag 27. Juni 1997 beginnend mit Donnerstag 08.00 Uhr und Ende mit Freitag 18.00 Uhr 13 Stunden Normalarbeitszeit, 6 Stunden Normalüberstunden und 11 Stunden qualifizierte Überstunden bei vier Frei- bzw. Ruhezeitstunden gelegen.
Bei einem Überstundenpauschale ohne Grundlohn könnten auch Normalüberstunden nicht berücksichtigt werden und bei qualifizierten Überstunden sei ein Herausschälen grundsätzlich nicht möglich. Es sei zu einer radikalen Kürzung des ohnehin schon viel zu niedrigen Normalbezuges zu Gunsten extrem hoher Überstunden gekommen. Insgesamt seien daher die steuerfreien Überstundenzuschläge gemäß § 68 Abs. 1 und Abs. 2 EStG 1988 nicht anzuerkennen.
3.2.2. Die Beschwerdeführerin beantragte in der Berufung die volle Anerkennung der geleisteten und auch ordnungsgemäß aufgezeichneten Überstunden. Unter Berücksichtigung der rein rechnerischen Unrichtigkeiten in der Ermittlung der Stundenteiler je Monat sei lediglich eine Reduzierung der Überstundenzuschläge für die Überstunden mit einem Zuschlag von 50 % und auch für die Überstunden mit einem Zuschlag von 100 % vorzunehmen. Im Übrigen sei es offensichtlich und allgemein bekannt, dass besonders in Kleinbetrieben der Geschäftsführer wesentlich mehr als Allgemein angenommen zu arbeiten habe. Die Beschwerdeführerin erstelle von der Modellentwicklung bis zur Serienreife alle Produkte im Haus. Sie führe Importe und Exporte (sowohl in Europa als auch in Fernost) durch. Neben diesen Tätigkeiten erstelle der Geschäftsführer alle Kalkulationen, erarbeite die Offertgrundlagen, erledige den gesamten Verkauf mit entsprechenden Kundenbesuchen und sei auch für den Aufbau der Homepage und auch als Systemadministrator zuständig. Daneben gehöre auch die Instandhaltung und Reparatur der modernen Nähmaschinen, Thermopressen, Durchlaufpressen etc. dazu. Diese Arbeiten müssten meist nur am Abend oder am Wochenende vorgenommen werden, damit am nächsten Werktag die normale Arbeit fortgesetzt werden könne. Daher seien die betrieblichen Erfordernisse gegeben und liege überhaupt keine willkürliche Verlagerung von Arbeitszeiten vor.
3.2.3. Die belangte Behörde führte dazu aus, dass dem Dienstvertrag die Höhe des monatlichen Bruttogehaltes zu entnehmen sei. Aus dem Dienstvertrag gehe hervor, dass das Gehalt einen Gesamtbezug darstelle und dass für Überstunden keine besonderen Entgelte ausbezahlt werden. Der Dienstvertrag enthalte aber keine Gesamtstundenleistung, nämlich Normalstunden und Anzahl der Überstunden. Das Herausschälen des Zuschlages für Überstunden aus dem Grundlohn sei daher nicht zulässig.
3.2.4. Die Beschwerdeführerin meint, das Herausschälen von Zuschlägen für Normalüberstunden und für qualifizierte Überstunden sei zulässig. Der Dienstvertrag sei in einigen Punkten übereinstimmend sowohl vom Dienstgeber als auch vom Dienstnehmer anders als seine wortwörtliche Auslegung dies vermuten ließe, interpretiert worden. Das Gehalt sei damals mit einem Betrag von S 14.000,-- vereinbart worden. Die Bezeichnung als Gesamtbezug sei von beiden Vertragspartnern stets so verstanden worden, dass dieser Gesamtbetrag die geleisteten Normalstunden (laut Kollektivvertrag der Angestellten der Industrie) und ebenso die durchschnittlich 20 bis 60 Überstunden pro Monat abdecke. Es sollte lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass durch die Leistung der notwendigen Überstunden nicht nochmals Überstunden zusätzlich zum Gesamtbezug hinzuzurechnen seien. Der Grundlohn für die geleisteten Überstunden und der dazugehörige Zuschlag sei in diesem Gesamtbezug bereits enthalten.
Durch die extrem schwierige Situation in der Bekleidungsindustrie sei es allerdings notwendig geworden, wesentlich mehr als bisher für das Unternehmen zu arbeiten. Im Jahre 1997 seien im Jahresdurchschnitt ca. 85 Überstunden, im Jahr 1998 ca. 100, im Jahr 1999 ca. 111 und im Jahr 2000 ca. 94 Überstunden pro Monat gearbeitet worden. Der Dienstvertrag verweise auf den Kollektivvertrag der Angestellten der Industrie. Dieser Hinweis sei stets so ausgelegt worden, dass 40 Normalstunden pro Woche zu leisten seien und zusätzlich die durchschnittlich 20 bis 60 anfallenden Überstunden. Der Kollektivvertrag bestimme den Teiler für die Berechnung der Überstundenzuschläge mit 150 und für die Berechnung der Normalarbeitsstunde mit 173. Damit könne klar und deutlich die Berechnung der Überstunden und der Überstundenzuschläge nachvollzogen und kontrolliert werden. Die geleisteten und auch ordnungsgemäß aufgezeichneten Überstunden seien daher voll zu berücksichtigen. Die Situation der Herausschälung von Überstunden sei seit 1974 stets so gehandhabt worden und habe sich im Übrigen nicht verändert. Voraussetzung für die Begünstigung sei eine laufend geführte Aufzeichnung, aus der das Ausmaß und die zeitliche Lagerung der geleisteten Überstunden hervorgehe. Nach den Lohnsteuerrichtlinien 2002 (Rz 1161) seien sogar für eine pauschalierte 5-Stunden-Begünstigung keine Aufzeichnungen erforderlich, wenn bisher Überstunden über diese Anzahl hinaus erbracht und gezahlt worden seien. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung von in Überstundenpauschalien enthaltenen Zuschlägen sei die Führung eines Nachweises oder Glaubhaftmachung anhand vorangegangener Lohnzahlungszeiträume. Weitere Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung von in Überstundenpauschalien enthaltenen Zuschlägen für qualifizierte Überstundenzuschläge sei das Ableisten solcher Arbeitszeiten, die in jedem einzelnen Fall konkret nachgewiesen werden. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben, weil sowohl die genaue Zahl und Lage der Überstunden feststehe und das betriebliche Erfordernis bereits in der Berufung dargestellt worden sei. Insbesondere im Maschinenbereich komme es immer wieder vor, dass Maschinen am Wochenende oder am Abend repariert werden müssten, damit diese am nächsten Tag wieder voll für den Einsatz verfügbar seien. Auch sei es leider immer wieder so, dass vor Messen regelmäßig die Nächte durchgearbeitet werden müssen, um noch alle Unterlagen zusammenstellen zu können. Die steuerliche Überprüfbarkeit sei daher voll gegeben.
3.2.5. Die steuerliche Behandlung der Überstundenzuschläge hängt davon ab, ob die Überstunden einerseits an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit (§ 68 Abs. 6 EStG 1988) oder andererseits außerhalb dieser Zeiten erbracht werden. Da § 68 Abs. 1 EStG 1988 neben den auf 5 Stunden eingeschränkten steuerbegünstigten "Normalüberstunden" (§ 68 Abs. 2 leg. cit.) eine eigene Steuerbegünstigung normiert, ist zwischen "Normalüberstunde" (Überstunde zu Tageszeiten an Werktagen) und sogenannten qualifizierten Überstunden (Überstunden an Sonn- und Feiertagen und in der Nachtzeit) zu unterscheiden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 1995, 92/13/0182). Wenn "normale Überstunden" vorliegen, besteht diese Begünstigung nur darin, dass gemäß § 68 Abs. 2 EStG 1988 die Zuschläge für die ersten 5 Überstunden pro Monat im Ausmaß von 50 % des Überstundengrundlohnes, höchstens aber (bis 31. Dezember 2001) S 590,-- (bzw. EUR 43,-- ab 1. Jänner 2002) monatlich, steuerfrei sind. Wenn Zuschläge für an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit erbrachte Überstunden vorliegen, sind die Zuschläge gemäß § 68 Abs. 1 leg. cit. im Rahmen des Freibetrages von monatlich (bis 31. Dezember 2001) S 4.940,-- (bzw. EUR 360,-- ab 1. Jänner 2002) steuerfrei.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt die Steuerbegünstigung für Überstundenzuschläge nur in Betracht, wenn die genaue Anzahl und zeitliche Lagerung aller im Einzelnen tatsächlich geleisteten Überstunden und die genaue Höhe der dafür über das sonstige Arbeitsentgelt hinaus mit den Entlohnungen für diese Überstunden bezahlten Zuschläge feststehen. Vom Erstgenannten dieser Erfordernisse kann nur abgesehen werden, wenn eine klare, nach der Sachlage wirtschaftlich fundierte Vereinbarung über eine Pauschalabgeltung der Überstundenleistungen in bestimmter Höhe getroffen ist.
In Zusammenhang mit Überstundenpauschalvergütungen hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass eine solche für den Bereich des Abgabenrechtes jedenfalls nur dann Anerkennung finden kann, wenn sie in wirtschaftlich fundierter Weise, aufbauend auf dem tatsächlichen Überstundenanfall, die durchschnittlich im Lohnzahlungszeitraum unter der Voraussetzung gleich bleibender Verhältnisse zu leistenden Überstunden abgilt, wobei sich die gleich bleibenden Verhältnisse überdies auch auf die zeitliche Lagerung von "Normalüberstunden" und "qualifizierten Überstunden" (Sonntags-, Feiertags- und Nachtüberstunden) erstrecken müssen. Unerlässliches Erfordernis eines relevanten Überstundenpauschalübereinkommens ist eine Vereinbarung über die Anzahl der in den Gesamtstundenleistungen enthaltenen und zu leistenden Überstunden, wozu auch die vertragliche Festlegung der Gesamtstundenleistung gehört, weil ohne eine solche vertragliche Festlegung der Gesamtstundenleistung die Prüfung nicht möglich ist, wann durch die Gewährung eines Zuschlages der Grundlohn eine Kürzung erfährt und damit eine abzulehnende Herausschälung eines Zuschlages aus dem Grundlohn erfolgt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Jänner 1998, 96/15/0250, m.w.N.).
In Anbetracht der dem § 68 Abs. 1 EStG 1988 zu Grunde liegenden Intention, nur jene Arbeitnehmer steuerlich zu begünstigen, die gezwungen sind, zu den im § 68 Abs. 1 leg. cit. angeführten Zeiten Leistungen zu erbringen, muss auch der zwingende betriebliche Grund, gerade an diesen Tagen und Zeiten die Tätigkeiten zu erbringen, nachgewiesen werden, hätten es doch sonst Arbeitgeber und Arbeitnehmer weitgehend in der Hand, eine begünstigte Besteuerung des Arbeitslohnes durch Verlagerung der Überstundentätigkeit in begünstigte Zeiten herbeizuführen. Wenn es in einem Verfahren um die Erwirkung abgabenrechtlicher Begünstigungen geht, tritt der Gedanke der strikten Amtswegigkeit insofern in den Hintergrund, als der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen hat, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2004, 2000/15/0054, m.w.N.).
Im Beschwerdefall erfolgte keine Einzelabgeltung nachgewiesener Überstunden, sondern eine Pauschalabgeltung auf der Grundlage des Dienstvertrages. Nach dem Dienstvertrag stellt das Gehalt einen Gesamtbezug dar, für Überstunden werden keine besonderen Entgelte ausbezahlt. Die Vereinbarung erlaubt die Herausrechnung der steuerbegünstigt zu behandelnden Zuschläge für Überstunden nicht, weil ihr das genaue Ausmaß der zu leistenden Überstunden und in weiterer Folge der Überstunden mit erhöhtem Zuschlag nicht entnommen werden kann. Aus diesem Umstand folgt aber auch, dass aus dieser Vereinbarung nicht errechnet werden kann, in welcher Höhe der Grundlohn festgelegt worden ist. Das Herausrechnen von Überstundenzuschlägen gemäß § 68 Abs. 1 und Abs. 2 EStG 1988 ist daher schon aus diesem Grunde nicht möglich.
Nach den Beschwerdevorbringen seien mit dem Gesamtbezug nicht nur das Monatsgehalt sondern auch die durchschnittlich 20 bis 60 im Monat anfallenden Überstunden abgegolten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im - auch von der belangten Behörde zitierten - Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, 93/14/0220, die Anwendbarkeit der begünstigten Bestimmungen für Überstundenentgelte auf der Basis einer Vereinbarung verneint, welche einen 14 mal im Jahr auszuzahlenden Gesamtmonatslohn vorsah, mit dem "ca. 100 Überstunden" abgegolten werden sollten, gleichgültig in welchem Ausmaß sie anfielen und ob es sich um Nacht-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit handelte. Der Gerichtshof hat im genannten Beschwerdefall befunden, dass die getroffene Vereinbarung ein Herausrechnen der steuerbegünstigt zu behandelnden Zuschläge nicht erlaube, weil ihm weder das genaue Ausmaß der Überstunden noch das Ausmaß von Überstunden mit erhöhtem Zuschlag entnommen werden könne, woraus folge, dass auch der vereinbarte Grundlohn aus dieser Vereinbarung nicht errechnet werden könne.
Auch unter diesen Gesichtspunkten kann der Beschwerde kein Erfolg zukommen. Weder im schriftlichen Dienstvertrag noch in den behaupteten mündlichen Absprachen erfolgte eine Festlegung der Normalüberstunden bzw. der qualifizierten Überstunden. Abgesehen von diesen Überlegungen ist durch das allgemein gehaltene Berufungsvorbringen der Nachweis eines betrieblichen Interesses an der Leistung von Überstunden in der Nachtzeit bzw. an Sonn- und Feiertagen nicht erbracht.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 26. Jänner 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2002150207.X00Im RIS seit
03.03.2006Zuletzt aktualisiert am
28.03.2011