Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klgenden Partei Marianne G*****, vertreten durch Dr. Heinz Knoflach, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei P***** Gletscherbahnen GesmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Günter Zeindl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 103.318,24 S samt Nebenforderung und Feststellung (Teilstreitwert 30.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 23. Januar 1992, AZ 2 R 325/91(ON 31), womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 23. September 1991, GZ 40 Cg 194/90-26, bestätigt wurde,in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht stattgegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 6.789 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 1.131 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Rechtliche Beurteilung
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei betreibt in einem im Mittel in 3000 m Seehöhe gelegenen Gletschergebiet verschiedene Bahnen und Schlepplifte und betreut die dadurch erschlossenen Abfahrtspisten.
Auf einem völlig ebenen Gletscherhang mit einem Gefälle von weniger als 20 % sah sich die Pistenhalterin bestimmt, die dort mehr als 150 m breite Piste in der Mitte künstlich zu teilen, um die Pistenbenützer von einer unterhalb gelegenen Gletscherbruchstelle fernzuhalten. Auf diese Pistentrennung weist eine quadratische Tafel mit einer Seitenlänge von 1,2 m hin. Diese Hinweistafel trägt auf einem Untergrund in gelber Signalfarbe einen auffälligen schwarzen gabelkreuzförmigen Doppelpfeil und über den beiden Pfeilspitzen jeweils in einem roten Kreis in weißen Ziffern die Nummer der Piste und darüber als Ziel beider Pisten den in schwarzer Schrift bezeichneten Namen der Talstation.
Diese Hinweistafel ist mittels Steher über einem kleinen künstlichen Schneehügel in Überkopfhöhe derart montiert, daß die Richtungspfeile bereits aus einer Entfernung von 100 m wahrnehmbar und die Pistennummernbezeichnungen aus einer Entfernung von 30 m einwandfrei lesbar sind.
Diese Hinweistafel bildet die Spitze eines sich hangabwärts verbreiternden Geländezwickels, der aus Sicherheitsgründen nicht befahren werden soll, aus diesem Grund nicht pistenmäßig gepflegt und zwecks Abgrenzung von den pistenmäßig betreuten Flächen beiderseits von der beklagten Partei durch Kunststoffseile eingefriedet wurde.
Als Begrenzungsseil verwendet die Beklagte 8 mm starke rote oder blaue Seile. Diese sind an 2 m hohen Holzstangen befestigt, die voneinander 10 bis 13 m entfernt stehen. Diese Stangen sind schwarz-gelb gestrichen; fallweise ersetzt die Beklagte im Bedarfsfall eine derart gestrichene Stange durch eine unbemalte naturfarbene. Die Begrenzungsseile hängen zwischen 70 und 100 cm über dem planen Gelände.
Die Beklagte hat davon abgesehen, die Abgrenzungsseile mit Fähnchen zu versehen, weil solche Markierungen ebenso wie Kugeln auf den Holzstangen gegenüber den in der Gletscherregion immer wieder auftretenden starken Stürmen den Luftwiderstand der Absperrung vergrößern und diese der Gefahr aussetzen würden, aus der Befestigung gerissen zu werden. Aus demselben Grund ist die Beklagte auch davon abgegangen, rot-weiße Bänder zur Absperrung zu verwenden, und bedient sich nun der 8 mm starken Kunststoffseile ohne Fähnchen. Auf jeder 6.Trägerstange ist eine Tafel mit einer Spaltenwarnung angebracht.
Pistenbegrenzungen der geschilderten Art sind oft auf einer Länge von mehreren Kilometern anzutreffen. Die von der Beklagten errichtete Begrenzung der betreuten Abfahrtsflächen gegenüber dem anschließenden Gelände entspricht den Auflagen des Sportamtes der zuständigen Landesregierung.
Die hangabwärts gesehen links des nicht zu befahrenden Geländezwickels gelegene Piste mit einer Breite von 70 m weist ein seitliches Gefälle (zum Zwickel) von etwa 20 % auf.
Das Abgrenzseil ist bei guter Sicht aus mindestens 30 m zu erkennen.
Die an diesem Tag im 50.Lebensjahr gestandene Klägerin gelangte am 9.Januar 1990 gegen 15 Uhr 30 bei heiterer Witterung und guten Sichtverhältnissen als Schiläuferin gemeinsam mit ihrem Mann bei erstmaliger Abfahrt in diesem Gelände in den Bereich der die Pistenteilung anzeigenden Tafel. Der Ehemann der Klägerin war vorausgefahren, hatte vor der Hinweistafel die rechts des beginnenden Zwickels gelegene Fläche gewählt und hatte kurz nach der Höhe der Hinweistafel angehalten, um auf seine nachfolgende Ehegattin zu warten. Diese fuhr mit einer unter 30 km/h gelegenen Geschwindigkeit aus einer von links in die noch ungeteilte Piste einmündenden Piste kommend und daher quer zur geteilten Piste zu der Stelle, an der ihr Ehemann auf sie wartete. Die von der Klägerin gewählte Spur querte in gedachter Verlängerung das Gelände knapp unterhalb der Hinweistafel im Bereich zwischen dieser und der ersten, 10 bis 13 m entfernt stehenden Holzstange. Die Klägerin übersah das Absperrseil, das am Unfallstag in der üblichen Höhe über dem Gelände hing und nicht in Kopfhöhe gespannt war, obwohl sie es spätestens aus einer Entfernung von 30 m hätte erkennen können. Die Klägerin unterließ jeden Richtungswechsl und fuhr gegen das Absperrseil.
Dabei erlitt sie verschiedene Zahnverletzungen, als deren Folge sie nun eine Oberkieferteilprothese tragen muß. Ihre verletzungsbedingten Schmerzen entsprechen den Schmerzperioden von einem Tag starken, drei Tage mittelstarken und zehn Tage leichten Schmerzen.
Die Klägerin begehrte als befugte Pistenbenützerin von der Beklagten als Pistenhalterin Schadenersatz (Schmerzengeld in Höhe von 60.000 S, Verunstaltungsentschädigung in Höhe von 35.000 S sowie Zahnersatz- und sonstige Behandlungskosten im Betrag von 8.318,24 S). Überdies stellte sie ein Feststellungsbegehren. Sie erachtete die Beklagte dafür haftpflichtig, daß diese inmitten einer breiten Abfahrtspiste ohne einen aus dem Gelände erkennbaren Grund und daher für Ortsunkundige völlig überraschend eine Geländeabsperrung mittels eines schlecht wahrnehmbaren Seiles vorgenommen und damit künstlich ein unerwartetes Hindernis errichtet habe.
Die Beklagte bestritt jede Haftung dem Grunde nach, weil sie eine zur Sicherung der Pistenbenützer nötige Absperrung in einer nach den örtlichen Gegebenheiten allgemein üblichen und im besonderen von der zuständigen Behörde gebilligten Weise vorgenommen habe; die Klägerin habe sich die Folgen ihres Unfalles ausschließlich ihrer eigenen Unaufmerksamkeit zuzuschreiben.
Das Prozeßgericht erster Instanz wies sowohl das Leistungs- als auch das Feststellungsbegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigt dieses Urteil. Dazu sprach es aus, daß die (ordentliche) Revision zulässig sei.
Beide Vorinstanzen beurteilten die von der Beklagten errichtete Seitenabsperrung als eine sachgemäße Sicherungsmaßnahme und lasteten der Klägerin einen Aufmerksamkeitsfehler als Unfallursache an.
Die Klägerin ficht das bestätigende Berufungsurteil wegen einer als im Sinne des § 502 Z 1 ZPO qualifiziert angesehenen unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einem Abänderungsantrage im Sinne ihres Klagebegehrens und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.
Die Beklagte strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Für die beklagte Pistenhalterin bestand die sich aus ihrer Eröffnung des Geländes für den pistenmäßigen Schilauf unabweisliche Verpflichtung, Pistenbenützer vor der Befahrung gefährlicher Stellen zu warnen und wirksam abzuhalten. Eine den Geländegegebenheiten und Fahrgewohnheiten angepaßte Absperrung war hiezu geboten. Die von der Beklagten in ausreichender Entfernung von der Gefahrenstelle vorgenommene Pistentrennung erscheint zweckgerecht. Sie mag einem ortsunkundigen Pistenbenützer nach dem planen weitläufigen Gletschergelände unmotiviert und überraschend erscheinen, wurde aber von der Beklagten durch eine auffallende Hinweistafel ausreichend deutlich angekündigt. Dieses Hinweisschild mußte auch einem nur durchschnittlich aufmerksamen Pistenbenützer zum Bewußsein bringen, daß die mehr als 150 m breite, ohne Geländeunebenheiten mit ca 20 % abfallende und ebenso schräg geneigte Fläche nicht in voller Breite pistenmäßig betreut werde, sondern daß vielmehr zwischen den beiden angekündigten Pisten eine nicht befahrbare Fläche ausgespart bleibe. Wegen der relativen Ungewöhnlichkeit einer solchen Pistentrennung in dem als völlig offen erscheinenden Gelände war auch eine deutliche Pistenbegrenzung erforderlich. Dazu wählte die Beklagte eine Seilabsperrung, die nicht nur der gebotenen Begrenzungsfunktion gerecht wird, sondern gleichzeitig ihrerseits auch wieder zusätzliche Gefahren in sich birgt. Das hat die Beklagte auch erkannt und ursprünglich auffälligere Absperrungen verwendet, die sich aber wegen der besonderen Sturmanfälligkeit als wenig dauerhaft erwiesen. Die Beklagte beobachtete bei ihrer Seilabspannung alle im Hochgebirge gesammelten Erfahrungen. Wenn dabei ein gewisses Risiko für unaufmerksame Pistenbenützer in Kauf genommen werden mußte, erscheint dies zur Abwendung der Gefahren aus der Befahrung eines Geländes mit Gletscherbrüchen durchaus gerechtfertigt.
Sollte in Zukunft eine im gegebenen Gelände anwendbare Methode entwickelt werden, um die Absperrung auch für weniger aufmerksame Pistenbenützer dauerhaft auffälliger zu gestalten, wäre die Beklagte zu deren Anwendung verpflichtet. Solange aber solche praktisch erprobte Maßnahmen zur besseren Erkennbarkeit der Absperrung nicht bekannt sind, ist die von der Beklagten gewählte Pistenrandabsperrung nicht zu beanstanden.
Die Klägerin hat sich die Folgen des ihr unterlaufenen Aufmerksamkeitsfehlers selbst zuzuschreiben.
Ihrer Revision war aus dieser Erwägung ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E28787European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00529.92.0423.000Dokumentnummer
JJT_19920423_OGH0002_0060OB00529_9200000_000