Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erika Z*****, vertreten durch Dr. Christoph Raabe, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei REPUBLIK ÖSTERREICH, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 138.995,12 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18. November 1991, GZ 14 R 176/91-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 7. Mai 1991, GZ 28 Cg 20/90-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.658,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin nahm ihren damaligen Ehegatten vor dem Bezirksgericht Hietzing auf monatliche Unterhaltszahlungen von S 10.500 ab 1. Jänner 1987 in Anspruch; diese Klage wurde an das Bezirksgericht Donaustadt überwiesen. Bei der Verhandlungstagsatzung vom 25. Jänner 1989 schlossen die Streitteile vor diesem Gericht einen als „Teilvergleich“ benannten Vergleich, mit dem sich der (dort) Beklagte verpflichtete, der Klägerin vom 1. Februar 1989 an einen monatlichen Unterhalt von 29 % seines Nettoeinkommens jeweils im Vorhinein bei fünftägigem Respiro - den Unterhalt für Feber 1989 bis längstens 30. April 1989 - zu leisten sowie unaufgefordert die Gehaltsabrechnungen seines Dienstgebers jeweils für das vorangegangene Jahr zu übermitteln. Darauf schränkte die Klägerin ihr Begehren auf Kostenersatz ein. Nachdem die Parteien eine außergerichtliche Einigung über die Prozesskosten in Aussicht gestellt hatten, erstreckte das Prozessgericht die Verhandlungstagsatzung auf den 30. März 1989. Zu dieser Tagsatzung erschien nur der Klagevertreter, der dort die Einholung einer (ergänzenden) Lohnauskunft für den Zeitraum bis einschließlich Jänner 1989 beantragte und Kostennote legte; die Verhandlung wurde gemäß § 193 Abs 3 ZPO geschlossen.
Mit Urteil vom 14. August 1989 erkannte das Prozessgericht den Beklagten zum Ersatz der mit S 121.944,73 bestimmten Verfahrenskosten an die Klägerin schuldig. Gegen diese Entscheidung erhoben beide Teile Kostenrekurs; der (dort) Beklagte strebte die Herabsetzung der von ihm der Klägerin zu ersetzenden Kosten auf S 57.517,88 an. Mit Beschluss vom 27. November 1989 setzte das Landesgericht für ZRS Wien als Rekursgericht die Kostenersatzpflicht des (dort) Beklagten in Stattgebung dessen Rekurses auf S 57.517,88 herab. Ungeachtet der Bezeichnung des Vergleiches als Teilvergleich sei damit die Sache erledigt worden, nur die Kostenfrage sei offen geblieben. Die Parteien und das Erstgericht hätten die zwingende Bestimmung des § 47 Abs 1 ZPO übersehen, nach der die Kosten eines abgeschlossenen Vergleiches mangels anderweitiger Vereinbarung als gegenseitig aufgehoben anzusehen seien. Dasselbe gelte für die Kosten des durch den Vergleich beendeten Rechtsstreites, soweit deren Ersatz den Parteien nicht bereits rechtskräftig auferlegt worden sei. Eine Vereinbarung, dass die Kostenbestimmung durch das Gericht erfolgen solle - darauf laufe der „Teilvergleich“ angesichts der danach erklärten Einschränkung des Begehrens auf Kostenersatz im Ergebnis hinaus - sei nicht vorgesehen. Diese Auffassung lasse sich auch damit rechtfertigen, dass der Gesetzgeber Streitigkeiten wie die vorliegende von vornherein habe vermeiden wollen. Könnten sich die Parteien über die Verfahrenskosten nicht einigen, sei bei Abschluss eines Vergleiches jedenfalls die Bestimmung des § 47 Abs 1 ZPO anzuwenden, die zu gegenseitiger Kostenaufhebung führe. Dieses Ergebnis sei auch deshalb nicht unbillig, weil durch einen Vergleich eine endgültige Regelung herbeigeführt und nicht eine neuerliche Streitfrage aufgerollt werden solle. Hätten die Parteien ein solches Ergebnis gewünscht, wäre es ihnen im Wege von Außerstreitstellungen, Klagseinschränkungen udgl. offen gestanden. Der hier eingeschlagene Weg lasse jedoch keine andere Möglichkeit als die Anwendung des § 47 Abs 1 ZPO zu.
Die Klägerin begehrte die Verurteilung des beklagten Rechtsträgers zum Ersatz ihres mit S 138.995,12 bezifferten Schadens. Dieser sei die Differenz zwischen den von ihr verzeichneten und den ihr vom Rekursgericht im Vorprozess tatsächlich zuerkannten Kosten im Betrag von S 136.525,52 zuzüglich der ihr zum Ersatz auferlegten Rekurskosten von S 2.469,60. Die Rechtsauffassung der Rekursinstanz sei nicht nur gesetzwidrig, sondern auch unvertretbar; sie stehe im Widerspruch zu der in der MGA der Zivilprozessordnung als erster der zu § 47 ZPO angeführten Entscheidungen: EvBl. 1935/463. Die Ansicht, es sei nicht vorgesehen, dass in diesem Fall das Gericht die Kostenentscheidung zu treffen habe, sei unrichtig. Hätte sich das Rekursgericht „nur etwas“ mit der Literatur zu dieser Frage auseinandergesetzt, wäre es zweifelsohne zur gegenteiligen Auffassung gelangt. Mangels jüngeren Schrifttums werde hiezu lediglich auf Horten, Österreichische Zivilprozeßordnung [1908], 243, sowie auf Pollak, Zivilprozeßrecht (1932), 64, verwiesen. Das Rekursgericht im Vorprozess habe den Schaden somit nicht nur rechtswidrig, sondern auch grob fahrlässig herbeigeführt.
Die beklagte Partei wendete im Wesentlichen ein, die Entscheidung des Rekursgerichtes entspreche der Bestimmung des § 47 Abs 1 ZPO; von einer unvertretbaren Rechtsauffassung könne jedenfalls keine Rede sein.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Entscheidung des Rekursgerichtes im Vorprozess werde der Bestimmung des § 47 Abs 1 ZPO gerecht; von einer gesetzwidrigen oder gar unvertretbaren Rechtsansicht könne daher nicht gesprochen werden.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Lösung der Frage, was rechtens sei, wenn sich die Parteien zwar in der Hauptsache, nicht aber im Kostenpunkt einigen, könne dem Gesetz unmittelbar nicht entnommen werden. Die deshalb notwendige Gesetzesauslegung zeitige kein andere Möglichkeiten ausschließendes Ergebnis: Einerseits sei - so auch der Standpunkt des Rekursgerichtes im Vorprozess - denkbar, dass ein die Hauptsache insgesamt abschließender Vergleich auch die Kostenfrage endgültig bereinige, sodass das Verfahren bloß im Kostenpunkt nicht fortgesetzt werden dürfe; nach der anderen von der Klägerin verfochtenen Denkvariante stehe der Weiterführung des Verfahrens bloß wegen der Prozesskosten nach Vergleichsabschluss in der Hauptsache nichts im Wege. Das dafür ins Treffen geführte Argument, die Einschränkung des Klagebegehrens auf den Kostenersatz sei auch in anderen Fällen zulässig, berücksichtige nicht, dass dem Richter in solchen Fällen der gesamte bisherige Prozessstoff als Entscheidungssubstrat zur Verfügung stehe, wogegen der die Hauptsache erledigende Vergleich den öffentlichrechtlichen Kostenersatzanspruch durch den Wechsel des Schuldgrundes in eine privatrechtliche Verpflichtung umwandle, sodass das vorher gewonnene Beweisergebnis der Kostenentscheidung nicht zugrunde gelegt werden könne. Ebensowenig könne angesichts der freien Disposition beim Vergleichsabschluss der Prozesserfolg an der Differenz zwischen eingeklagtem und zugesprochenem Betrag gemessen werden, weil dieser Erfolg vor allem auch Ergebnis des taktischen Geschicks der Verhandlungspartner und ihres Willens zum Nachgeben sei. Für die Kostenentscheidung fehle es daher an tauglichem Substrat. Eine Auslegung mit dem Ergebnis, dass das Verfahren bei einem die Hauptsache erledigenden Vergleich nur wegen der Kosten nicht fortgesetzt werden dürfe, gewinne so erheblich an Überzeugungskraft. Die Argumentation der Klägerin, auf den Grund der Einschränkung des Begehrens auf Kostenersatz könne es nicht ankommen, lasse diese Differenzierung völlig unbeachtet. Auch der Wortlaut des § 47 Abs 1 ZPO stehe dieser Auslegung keineswegs entgegen. Die abweichende Vereinbarung als Ausnahme vom Grundsatz der Kostenaufhebung könne zwanglos auf eine anderweitige Regelung der Kostenfrage im Vergleich selbst beschränkt werden; dagegen mute die Auffassung, die Parteien könnten demnach eine Regelung der Kostenfrage der gerichtlichen Entscheidung vorbehalten, geradezu „gewaltsam“ an. Nach dem bloßen Wortlaut könne eine solche Auslegung allerdings nicht schlechthin ausgeschlossen werden. Da die Entscheidung des Rekursgerichtes im Vorprozess mit den herrschenden Auslegungsregeln im Einklang stehe, sei schon die Rechtswidrigkeit des beanstandeten Organverhaltens zu verneinen. Aber selbst bei deren Unterstellung würde der beklagte Rechtsträger nur dann haften, wenn diese Meinung auf unvertretbarer Rechtsauffassung beruhte. Das träfe nur dann zu, wenn das Rekursgericht bei der Auslegung die Grenzen der denkbaren Interpretationsmöglichkeit überschritten oder sich über eine höchstgerichtliche Entscheidungshilfe hinweggesetzt hätte. Davon könne jedoch keine Rede sein. Dass das Rekursgericht diese Grenzen nicht überschritten habe, ergebe sich aus dem vorher Gesagten.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist zwar zulässig, weil das Gericht zweiter Instanz die Frage, ob die Parteien den Kostenersatz trotz Vergleichs in der Hauptsache der Entscheidung durch das Prozessgericht vorbehalten dürfen, abweichend von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zum Anbot des Beklagten, sich in einem vollstreckbaren Vergleich zur begehrten Unterlassung zu verpflichten, als Grund zur Annahme der Beseitigung der Wiederholungsgefahr gelöst hat; das Rechtsmittel ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.
Die Parteien des Vorprozesses schlossen bei der Verhandlungstagsatzung am 25. Jänner 1989 einen „Teilvergleich“, mit dem sich der (dort) Beklagte zu bestimmten monatlichen Unterhaltsleistungen an die Klägerin verpflichtete; diese schränkte ihr Begehren danach auf Kostenersatz ein, worauf das Prozessgericht die Tagsatzung auf einen gleichzeitig bekanntgegebenen Termin erstreckte. Während das Erstgericht der Klägerin die Kosten gemäß § 41 ZPO in der von ihm als berechtigt erkannten Höhe zusprach, war das von beiden Parteien angerufene Rekursgericht der Ansicht, da die Parteien im Vergleich keine Kostenregelung getroffen hätten, müsse es bei der für diesen Fall im § 47 Abs 1 ZPO angeordneten gegenseitigen Kostenaufhebung bleiben, sodass das Kostenersatzbegehren der Klägerin, soweit das erstinstanzliche Kostenurteil nicht in Teilrechtskraft erwachsen ist, abzuweisen sei. Im Amtshaftungsverfahren beanstandet die Klägerin nun diese Rechtsauffassung der zweiten Instanz im Vorprozess nicht bloß als unrichtig, sondern auch als unvertretbar. Es gilt demnach die - in der Literatur umstrittene - Frage zu lösen, ob die Parteien trotz vergleichsweiser Streitbeilegung in der Hauptsache den Kostenersatz der Entscheidung durch das Gericht vorbehalten können oder ob in solchen Fällen die Kosten gemäß § 47 Abs 1 ZPO jedenfalls als gegenseitig aufgehoben anzusehen sind:
Im älteren Schrifttum finden sich, soweit diese Frage überhaupt erörtert wurde, überwiegend Stellungnahmen, die die Auffassung des Rekursgerichtes im Vorprozess stützen: Ernst Demelius (Der neue Zivilprozeß [1902], 220) meint, das Gesetz wolle verhüten, dass die Kostenersatzpflicht nach Erledigung der Hauptsache zur selbständigen Bedeutung heranwachse. Nach Trutter (Das österreichische Zivilprozeßrecht in systematischer Darstellung [1897], 100 f) muss auch die Kostenfrage im Vergleich selbst gelöst werden, weil die Parteien gar nicht mehr berechtigt sind, die Tätigkeit des Gerichtes ferner in Anspruch zu nehmen. Gegen die Fortsetzung des Verfahrens zur Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung über den Kostenersatz wenden sich vor allem aber Sperl (Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege [1930], 736), und Petschek-Stagel (Der österreichische Zivilprozeß [1963], 293). Sperl führt aus, übergehe der Vergleich die Frage des Kostenersatzes, so könnten die Verfahrenskosten nicht mehr geltend gemacht werden. Das drücke § 47 Abs 1 ZPO durch die Worte aus, die Kosten seien, wenn die Parteien im Vergleich nichts anderes vereinbaren, als gegenseitig aufgehoben anzusehen. Deshalb sei es auch unstatthaft, dass sich die Parteien nur in der Hauptsache richtig ausgleichen, vom Gericht dagegen eine Entscheidung über die Frage der Prozesskosten verlangen. Der Vergleich beende den Prozess und schließe jeden ferneren Kostenersatzanspruch aus. Petschek-Stagel rügen die Übung der Praxis, dem Richter „die Adjustierung“ der von einer Partei zu zahlenden Prozesskosten zu überlassen, weil dieser hier die Funktion eines Schiedsrichters ausübe. Mangels Kostenfestsetzung gelte die Wirkung der Kostenseparation, abgesehen von den bereits rechtskräftig separierten Kosten. In jüngster Zeit bemerkt Stohanzl in der von ihm besorgten 14. Auflage der Zivilprozeßordnung in MGA in einer Anmerkung zu § 47 ZPO, eine Vereinbarung, dass die Kostenbestimmung durch das Gericht zu erfolgen habe, sei nicht vorgesehen. Besonders vehement spricht sich Knoll (RZ 1991, 214) gegen die Zulässigkeit einer Kostenentscheidung nach Vergleichsabschluss aufgrund einer Parteienvereinbarung aus, weil das Ergebnis der vergleichsweisen Streitbeilegung keine Grundlage für die Beurteilung des für das Kostenersatzrecht der §§ 41 ff ZPO bestimmenden Prozesserfolges bilden könne.
Während Fürstl (Die neuen österreichischen Zivilprozeßgesetze [1897], 91), Ullmann (Zivilprozeßrecht [1900], 56), Schrutka von Rechtenstamm (Grundriß des Zivilprozeßrechtes2 [1917], 126), Wolff (Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechtes2, 15), Fasching (Komm II 346 und LB2 Rz 465), Holzhammer, (Österreichisches Zivilprozeßrecht2 [1976], 111 f, 227) und Rechberger-Simotta (Zivilprozeßrecht3 [1986], Rz 301) sowie auch jüngst M. Bydlinski (Kostenersatz im Zivilprozeß [1992], 134) zu diesem Problem nicht eigens Stellung nehmen, differenziert Wachtel (Erläuterungen zur Zivilprozeßordnung [1897], 52), indem er zwar die Vereinbarung, dass sich der Vergleich nicht auch auf die Prozesskosten beziehe, als wirkungslos ansieht, die Kostenfestsetzung durch den Richter dagegen als unbedenklich beurteilt, sofern sich im Vergleich die Abrede findet, dass ein Teil dem anderen die Verfahrenskosten zu ersetzen habe.
Horten (Österreichische Zivilprozeßordnung I [1908], 243) und Pollak (System der österreichischen Zivilprozeßordnung2 (1932), 64) vertreten dagegen die Auffassung, die Frage des Kostenersatzes dürfe auch beim Vergleich in der Hauptsache der Entscheidung durch das Gericht vorbehalten werden; ein solcher Vergleich komme einem Vergleich über einen Teil des Streitgegenstandes gleich. Von Canstein (Zivilprozeßrecht I [1905], 748), führt aus, könnten sich die Parteien über die Kosten nicht einigen, sei der Prozess über die Kosten fortzusetzen und durch Urteil zu entscheiden (FN 2). Auch Wahle geht wohl in seiner Glosse zu RSp 1932/185 davon aus, dass die Parteien die Kostenersatzfrage dem Gericht überlassen dürfen, führt er dort doch aus, dass der Kläger sein Begehren bei einem Vergleich über die Hauptsache sofort auf Kostenersatz einzuschränken habe.
Der Oberste Gerichtshof brachte in der Entscheidung GlUNF 178 eindeutig zum Ausdruck, dass die Parteien bei einem Vergleich in der Hauptsache die Kostenentscheidung durch das Gericht vorzubehalten berechtigt seien. Aus der Veröffentlichung der Entscheidung in GlUNF 4458 und 5404 lässt sich Verlässliches zu dieser Frage nicht ableiten. In der jüngeren Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof - was Knoll unbeachtet ließ - zu dieser Frage wiederholt in Wettbewerbsstreitigkeiten Stellung genommen: Jedenfalls seit SZ 51/87 vertritt der damit befasste Senat des Obersten Gerichtshofes in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, das - wenngleich vom Kläger abgelehnte - Angebot des Beklagten, sich in einem vollstreckbaren Vergleich zu der von jenem begehrten Unterlassung zu verpflichten, beseitige regelmäßig die Wiederholungsgefahr, auch wenn der Beklagte von einem solchen Vergleich die Kostenersatzfrage ausnehme, in diesem Umfang also das Verfahren fortsetzen und eine gerichtliche Entscheidung über die Kostenersatzpflicht herbeiführen wolle (vgl. hiezu insbesondere JBl. 1986, 463; SZ 57/104; 4 Ob 85/89). Der Kläger könne nämlich in solchen Fällen sein Begehren infolge der Klaglosstellung in der Hauptsache auf Kostenersatz einschränken, worauf im fortgesetzten Verfahren nur noch über die Frage der Kostenersatzpflicht abzusprechen und dabei die Berechtigung des Unterlassungsbegehrens nur mehr als Vorfrage zu beurteilen sei.
Auch der deutsche Bundesgerichtshof vertritt - bei gleicher Rechtslage (§ 98 dZPO stimmt mit der ihm nachgebildeten österreichischen Kostenersatznorm des § 47 Abs 1 ZPO inhaltlich völlig überein) - die Ansicht, seien sich die Parteien bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches über die Hauptsache oder bei Abschluss eines außergerichtlichen Vergleiches, aufgrund dessen sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären, darüber einig, dass die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreites von dem Vergleich ausgenommen seien und zur Entscheidung durch das Gericht gestellt bleiben sollen, so sei darin eine „andere Vereinbarung“ im Sinne des § 98 dZPO zu erblicken und über die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreites auf Antrag nach § 91 a dZPO zu entscheiden (JZ 1965, 257; vgl. auch LM Nr. 30). Dieser Auffassung wird im Schrifttum (Belz in MünchK ZPO § 98 Rz 6; Baumbach/Lauterbach/Alberts/Hartmann, ZPO50 § 98 Anm. 7; Thomas-Putzo, ZPO12 Anm. 1 zu § 98) zugestimmt. Zu ergänzen ist, dass das Gericht gemäß § 91 a Abs 1 erster Satz dZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden hat, wenn die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Eine ähnliche Bestimmung ist nun durch die EO-Novelle 1991 als zweiter Absatz § 50 ZPO angefügt worden, allerdings ihrem Wortlaut nach auf das weggefallene Rechtsschutzinteresse beschränkt.
Der erkennende Senat schließt sich der vom Obersten Gerichtshof in Wettbewerbssachen und vom deutschen Bundesgerichtshof bei gleicher Rechtslage vertretenen Ansicht an, dass die Parteien trotz Vergleiches in der Hauptsache die Frage des Kostenersatzes der Entscheidung durch das Gericht vorbehalten dürfen; in diesem Fall ist das Verfahren auf Kostenersatz einzuschränken und vom Gericht über dieses mittels (Kosten-)Urteils zu entscheiden. Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, dass der Wortlaut des § 47 Abs 1 ZPO beide Auslegungsvarianten deckt, obwohl diese völlig verschiedene Ergebnisse zeitigen: Denkbar wäre es also, dass der Gesetzgeber - so vor allem der Meinungsstand im älteren Schrifttum - den Parteien Kostentragungsvereinbarungen nur im Vergleich zubilligen wollte, sodass Kostenaufhebung eintreten müsste, ob nun die Parteien auf die Kostenregelung vergessen haben, ob sie sich darüber nicht einigen konnten oder ob sie dieser Frage keine Bedeutung beigemessen haben (vgl. Sperl aaO). Denkbar ist aber auch, dass der in die Kostenersatzregelung des § 47 Abs 1 ZPO eingeschobene Bedingungssatz: „... wenn nicht etwas anderes vereinbart wird ...“ (vgl. § 98 dZPO: „... wenn nicht die Parteien ein anderes vereinbart haben ...“) nicht zu eng verstanden werden darf: Der dort verankerte Grundsatz der gegenseitigen Kostenaufhebung soll immer dann nicht anzuwenden sein, wenn die Parteien irgendeine davon abweichende Regelung getroffen haben. Vertritt man diesen Standpunkt, muss es ihnen dann aber auch anheimgestellt bleiben, den Kostenersatz trotz Vergleichs in der Hauptsache der Entscheidung durch das Prozessgericht vorzubehalten. Für diese Denkvariante spricht insofern auch die wörtliche Auslegung der Ausnahmeregelung, als diese nicht etwa nur von der Kostenaufhebung abweichende Kostenersatzabreden, sondern schlechthin jede abweichende Vereinbarung (arg. „... etwas anderes vereinbart ...“) deckt.
Gemäß § 204 Abs 1 ZPO können die Streitteile einen gerichtlichen Vergleich auch über einzelne Streitpunkte schließen; in diesem Fall hat der Kläger sein Begehren entsprechend einzuschränken, im Urteil hat der Richter jedoch über den Ersatz der gesamten Verfahrenskosten der überwiegend obsiegenden Partei abzusprechen bzw. auch die auf die verglichenen Streitpunkte entfallenden Verfahrenskosten in seine Erwägungen über eine allfällige Kostenaufhebung mit einzubeziehen. Demgemäß muss es den Parteien aber auch überlassen bleiben, nur den Streit über die Hauptsache vergleichsweise beizulegen, sodass das Prozessgericht im fortgesetzten Verfahren nur mehr über den Kostenersatz zu befinden hat. Ebenso wie der Kläger sein Begehren bei teilweiser oder gänzlicher Klaglosstellung in der Hauptsache (etwa infolge Zahlung nach Eintritt der Fälligkeit der eingeklagten Forderung) auf den noch offenen Teil der Forderung oder auf Kostenersatz einzuschränken hat, um sich nicht den nachteiligen Folgen der Abweisung seines Begehrens im Umfang der Klaglosstellung und der damit verbundenen Kostenersatzpflicht auszusetzen, hat er auch vorzugehen, wenn die Streitteile zwar einen Vergleich über die Hauptsache oder einen Teil hievon geschlossen, den Kostenersatz aber der gerichtlichen Entscheidung vorbehalten haben. Dem Berufungsgericht ist zwar zuzugeben, dass das Ergebnis der vergleichsweisen Streitbeilegung kein verwertbares Substrat für die Kostenentscheidung liefert, aber so wie bei einer Klaglosstellung im fortgesetzten Kostenstreit die Berechtigung des weggefallenen Klagebegehrens in der Hauptsache als Vorfrage zu beurteilen ist, kann diese auch bei einem Vergleich in der Hauptsache nachgeprüft werden (JBl. 1986, 462 ua), gleichgültig, ob der Vergleich nun im Prozess oder außergerichtlich zustandegekommen ist. Es wäre - auch bei Bedachtnahme auf die vom Gericht zweiter Instanz ins Treffen geführten Argumente - nicht einzusehen, weshalb der Vergleich in der Hauptsache bei Vereinbarung der gerichtlichen Kostenentscheidung in dieser Hinsicht anders als die Klaglosstellung in der Hauptsache aus anderem Grunde behandelt werden sollte, kann es doch bei einer - namentlich zu Verfahrensbeginn erfolgten - Klaglosstellung gleichfalls jeden „tauglichen Substrats“ (vgl. Berufungsurteil, S 8) für eine Sachentscheidung ermangeln. Soll den Parteien die vergleichsweise Streitbeilegung nicht zuletzt auch deshalb erleichtert werden, um sie vor übermäßiger materieller Belastung zu bewahren (vgl. nur Fasching, LB2 Rz 1325), so darf ihnen auch der Vergleich in der Hauptsache nicht verwehrt werden, wenn sie nur im - häufig besonders belastenden - Kostenpunkt keine Einigung erzielen können; durch einen solchen Vergleich und die damit verbundene Einschränkung des Begehrens auf Kostenersatz wird jedenfalls das Prozessrisiko schon angesichts des nun wesentlich geringeren Streitwertes erheblich vermindert. Die Zulässigkeit eines Vergleiches bloß in der Hauptsache bei gleichzeitiger Vereinbarung, dass der Kostenersatz der gerichtlichen Entscheidung vorbehalten bleibt, ist demnach entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes zu bejahen.
Diese Lösung lässt auch keinen unverhältnismäßigen Verfahrensaufwand befürchten. Wenngleich das Prozessgericht auf keine § 91 a dZPO entsprechende Verfahrensbestimmung zurückgreifen kann, bietet sich - wie jüngst Graff in ecolex 1991, 761 vorschlug - eine angemessene Verfahrensvereinfachung im Wege analoger Anwendung des § 50 Abs 2 ZPO an. Diese durch Art. XXXI der Exekutionsordnungs-Novelle 1991 eingefügte Bestimmung ordnet an, dass der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nicht zu berücksichtigen ist; würde hiebei die Klärung von Tatsachen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, ist über den Kostenersatz nach freier Überzeugung im Sinne des § 273 ZPO zu entscheiden. Die Analogie ist schon deshalb gerechtfertigt, weil die ursprüngliche Berechtigung des Rechtsmittels bei Wegfall des Rechtsschutzinteresses ebenso nachgeprüft werden muss wie die ursprüngliche Berechtigung des Klagebegehrens bei Vergleich bloß in der Hauptsache. Wenngleich diese Bestimmung erst mit 1. März 1992 in Kraft getreten ist (Art. XXXV Abs 1 EO-Novelle 1991), zeigt sie doch die Tendenz des Gesetzgebers auf, den Verlust berechtigter Kostenersatzansprüche zu verhindern, ohne die Kostenlawine, die „die Parteien nicht mehr im Griff haben und diese sogar vom Vergleichsabschluss abhalten würde“ (Graff aaO 763), über Gebühr anschwellen zu lassen.
Bei Bedachtnahme auf diese Erwägungen zeigt es sich, dass die Kostenentscheidung des Rekursgerichtes im Vorprozess mit der Rechtslage bei Abwägung aller für oder gegen deren Standpunkt sprechenden Argumente nicht in Einklang steht. Damit ist aber für die Klägerin im Ergebnis nichts gewonnen:
Amtshaftung setzt rechtswidriges und schuldhaftes Organverhalten voraus. Nach Lehre und Rechtsprechung (SZ 52/56 ua; Schragel, AHG2 Rz 147; Welser in JBl. 1975, 238) ist deshalb im Amtshaftungsprozess nicht etwa wie im Rechtsmittelverfahren zu prüfen, ob die beanstandete Entscheidung richtig ist, sondern ob sie auf vertretbarer Gesetzesauslegung bzw. Rechtsanwendung beruht. Eine an sich unrichtige, jedoch vertretbare Rechtsauffassung löst selbst dann keinen Amtshaftungsanspruch aus, wenn sie mit der bisherigen Judikatur nicht in Einklang steht (oder von der höheren Instanz nicht gebilligt wurde); es geht hier darum, dem Rechtsanwender nicht allzu strenge Fesseln anzulegen und die Rechtsauslegung lebendig zu erhalten. Nur wenn die Entscheidung von einer völlig eindeutigen Gesetzeslage oder ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung abweicht, kann dem Organ Verschulden zur Last fallen, sofern seine Entscheidung nicht erkennen lässt, dass es auf sorgfältig begründeten Erwägungen beruht. Nach diesen Grundsätzen kann jedoch - entgegen dem Standpunkt der Klägerin - von einer unvertretbaren Rechtsauffassung des Rekursgerichtes im Vorprozess nicht gesprochen werden:
Dass § 47 Abs 1 ZPO keine in jeder Hinsicht eindeutige Gesetzesbestimmung ist, belegen nicht bloß die weiter oben dargestellten möglichen Auslegungsvarianten, sondern beweist auch die Meinungsvielfalt im Schrifttum zu dieser Frage, aber auch die keineswegs einheitliche Lehre und Rechtsprechung zum inhaltsgleichen § 98 dZPO (vgl. die Nachweise in JZ 1965, 257). Auch die Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu dieser Frage beschränkt sich auf ein enges Gebiet und ist zudem stets Vorfragenlösung. Die unterschiedlichen Stellungnahmen im Schrifttum dokumentieren die mit der Anwendung des § 47 Abs 1 ZPO verbundenen Auslegungsschwierigkeiten. Der von der Klägerin beanstandete Beschluss des Rekursgerichtes im Vorprozess konnte sich nicht bloß auf umfassende Literatur stützen, sondern ist auch in jeder Hinsicht sorgfältig begründet. Soweit dessen Rechtsauffassung daher von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, kann sie deshalb allein noch nicht als unvertretbar beurteilt werden.
Die Vorinstanzen haben deshalb das Ersatzbegehren mangels Organverschuldens im Ergebnis zu Recht abgewiesen, sodass der Revision kein Erfolg beschieden sein kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Textnummer
E29154European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0010OB00014.92.0424.000Im RIS seit
01.01.1995Zuletzt aktualisiert am
04.03.2013