TE OGH 1992/4/24 1Ob566/92

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Veröffentlicht am 24.04.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Angelo T*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Kindes, vertreten durch die Mutter Susanne T*****, diese vertreten durch Dr. Wilhelm Winkler und andere Rechtsanwälte in Bregenz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 9. Dezember 1991, GZ 1 a R 507/91-23, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 31. Oktober 1991, GZ P 290/90-19, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Vater Antonio T***** schuldig ist, für seinen Sohn Angelo T***** ab 1. September 1990 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.880 zu den von den Vorinstanzen angeführten Terminen bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren bleibt abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 31. August 1990, Sch 142/90, einvernehmlich rechtskräftig geschieden. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 29. Oktober 1990, ON 2, wurde - inhaltlich mit dem Scheidungsvergleich vom 31. August 1990 übereinstimmend - die Obsorge für das Kind der Mutter übertragen und der Vater verpflichtet, für das Kind ab 1. September 1990 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.000 zu bezahlen.

Am 13. März 1991 beantragte die Mutter, den Vater ab 1. September 1990 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 4.500,-- zu verhalten. Mit dem Betrag von S 2.000 monatlich, der dem Durchschnittsbedarf entspreche, könnten die Bedürfnisse des Kindes nicht befriedigt werden. Dadurch, daß die Mutter voll berufstätig sei, entstünden Betreuungskosten von monatlich S 2.000. Der Vater verdiene ca. sfr 3.000 monatlich, 13,5 mal jährlich. Die Unterhaltsvereinbarung der Eltern im Vergleich vom 31. August 1990 sei insoweit unbeachtlich, als aufgrund der Bedürfnisse des Kindes, die mit dem vereinbarten monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 2.000 nicht annähernd gedeckt werden könnten, das Kindeswohl beeinträchtigt und der dem Kind aufgrund des Einkommens des Unterhaltspflichtigen gebührende gesetzliche Unterhalt erheblich geschmälert werde. Da im Vergleich der Eltern vom 31. August 1990 nicht festgehalten sei, von welcher Unterhaltsbemessungsgrundlage bei der Festsetzung des Kindesunterhaltes ausgegangen werde, sei die Festsetzung des gesetzlichen Kindesunterhaltes entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen rückwirkend mit 1. September 1990 gerechtfertigt. Bei Abschluß des Vergleiches im Scheidungsverfahren habe die Mutter irrtümlich die Leistungsfähigkeit des Vaters nicht beachtet. Diese sei ihr im einzelnen nicht bekannt gewesen.

Der Vater wendete ein, die Verhältnisse hätten sich seit Vergleichsabschluß nicht geändert.

Das Erstgericht erhöhte den Unterhalt ab 13. März 1991 auf S 3.000, das Mehrbegehren wies es ab. Es stellte fest, der Vater sei als Sticker in der Schweiz beschäftigt. Im Jahre 1990 habe er monatlich ca. S 20.400, im Jahre 1991 S 21.330 verdient. Für die Fahrt zum Arbeitsplatz benötige er einen PKW, für den monatliche Leasingraten von S 1.500 auflaufen. Für eine Krankenversicherung bezahle er monatlich S 1.250. Er habe sonst keine Sorgepflichten. Unterhalt für die Vergangenheit könne nicht zugesprochen werden. Dem Antrag der Mutter komme ab Antragstellung aber teilweise Berechtigung zu. Ausgehend von einer Unterhaltsbemessungsgrundlage von S 21.330 errechnete sich bei einem Hundertsatz von 16 ein Unterhaltsbetrag von S 3.412. Bei der Neufestsetzung sei aber zu berücksichtigen, daß der Unterhaltspflichtige einen PKW zum Erreichen des Arbeitsplatzes benötige und ihm dadurch berufsbedingte Kosten entstünden. Das Gericht sei jedoch der Ansicht, daß der Unterhaltspflichtige mit dem ihm verbleibenden Betrag von ca. S 18.300 das Auslagen finden und sein Kind mit dem Unterhaltsbetrag von S 3.000 an seinen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechend teilnehmen könne.

Beide Teile erhoben Rekurs.

Das Rekursgericht gab nur dem Rekurs des Vaters teilweise Folge. Es setzte die von ihm zu erbringende Unterhaltsleistung ab 13. März 1991 mit S 2.300 fest. Den (ordentlichen) Revisionsrekurs erklärte es für nicht zulässig. Aufgrund der vom Vater im Rekursverfahren nachgewiesenen Einkommensteuervorschreibungen für das Jahr 1991 und unter Berücksichtigung des berufsbedingten Fahrtkostenaufwandes ergebe sich eine monatliche Unterhaltsbemessungsgrundlage von etwa S 18.000. Unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse des Vaters und der altersgemäßen Bedürfnisse des Kindes, die nach objektivem Maßstab zu beurteilen seien, erachte das Rekursgericht einen Unterhaltsbeitrag von S 2.300 für angemessen. Hievon ausgehend liege aber der von den Eltern bei der Scheidung vereinbarte Unterhaltsbeitrag für das Kind von S 2.000 durchaus in einem angemessenen Rahmen, sodaß bei Berücksichtigung des jeder Unterhaltsentscheidung inneliegenden Ermessensspielraumes nicht gesagt werden könne, daß dieser Unterhaltsbeitrag im Hinblick auf die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Vaters unangemessen gewesen wäre. Insoweit lägen daher die Voraussetzungen für eine rückwirkende Anhebung des Unterhaltsbeitrages ab 1. September 1990 auf S 2.300 nicht vor. Eine Anhebung des Unterhaltsbeitrages auf S 2.300 erscheine dem Rekursgericht jedoch bereits für die Zeit ab Antragstellung sachlich gerechtfertigt, da das Kind im Jänner 1991 das 4. Lebensjahr vollendet habe und mit Jahreswechsel 1990/91 auch gewisse Teuerungen in der Lebenshaltung wirksam geworden seien.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Kindes mit dem Antrag, den vom Vater zu leistenden Unterhalt ab 1. September 1990 auf S 3.000 monatlich zu erhöhen.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Revisionsrekurs ist, wie der Oberste Gerichtshof prüfte, rechtzeitig erhoben worden. Der Eingangsvermerk des Erstgerichtes (28. Jänner 1992) enthält zwar keine Angabe über den Tag der Postaufgabe (§ 108 Abs 3 Geo), wie aber durch Vorlage der Ablichtung des Postaufgabescheines durch den Rechtsmittelwerber bescheinigt ist, wurde der Revisionsrekurs am letzten Tag der Rechtsmittelfrist (27. Jänner 1992) zur Post gegeben.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist auch zulässig und teilweise berechtigt.

Ihm kann allerdings insoweit nicht gefolgt werden, wenn er einen vom Vater zu ersetzenden Sonderbedarf darin erblickt, daß der Mutter infolge ihrer Berufstätigkeit Betreuungskosten auflaufen. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 4 Ob 532/90 = JBl. 1991, 40 aussprach, hat der Elternteil, der seinen Unterhaltsbeitrag durch die Betreuungsleistung erbringt, die Kosten der Betreuung durch Dritte regelmäßig dann zu tragen, wenn die Übertragung der Betreuung in seinem Interesse gelegen ist. Hier entstehen diese Kosten dadurch, daß die Mutter der ihr obliegenden Betreuung infolge ihrer Berufstätigkeit nicht nachkommen kann. Berücksichtigungswürdige Gründe auf seiten des Kindes wurden weder behauptet noch festgestellt (vgl. Schlemmer-Schwimann, ABGB Rz 27 zu § 140). Diese Betreuungskosten sind daher vom Vater nicht zusätzlich abzugelten.

Zutreffend wird im Rechtsmittel aber ausgeführt, daß für die konkrete Berechnung des Unterhaltsanspruches im Interesse der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle die Berücksichtigung der Lebensverhältnisse der Eltern durch Bemessung des Unterhaltes nach Prozentsätzen der Unterhaltsbemessungsgrundlage erfolgen soll (RZ 1991/50; RZ 1991/26 ua; Schlemmer-Schwimann aaO Rz 8). In gleichgelagerten Fällen entspricht es der ständigen Judikatur der Rekursgerichte, 16 % (und nicht wie hier nur 13 %) der Bemessungsgrundlage als Unterhaltsbetrag, der den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen angemessen ist, zuzuerkennen (EFSlg. 62.354, 59.261 uva; Schlemmer/Schwimann aaO Rz 13). Bei der festgestellten Bemessungsgrundlage von monatlich S 18.000 ist der Vater daher zu verpflichten, einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.880 zu bezahlen.

Dieser Unterhaltsbetrag gebührt aber auch für die Vergangenheit. Es entspricht nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß gleichgültig, ob die Unterhaltsfestsetzung durch gerichtlichen Vergleich oder gerichtliche Entscheidung erfolgte, eine Änderung der Unterhaltshöhe auch für die Vergangenheit immer dann erfolgen kann, wenn - ganz allgemein - wegen Änderung der Verhältnisse die seinerzeitige Unterhaltsbemessung (bei Vergleichen wegen der ihr innewohnenden Umstandsklausel) nicht mehr bindend ist (EvBl. 1990/50; 8 Ob 1508/91, 9 Ob 1775/91, 3 Ob 1517/91). Zum Vorbringen der Mutter, ihr sei bei Abschluß des Gegenstand der gerichtlichen Unterhaltsfestsetzung bildenden Vergleiches vom 31. August 1990 die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihres geschiedenen Mannes im einzelnen nicht bekannt gewesen, erklärte der Vater nur, die Mutter sei anwaltlich vertreten gewesen und über die Unterhaltsfestsetzung belehrt worden. Daß die Eltern im Unterhaltsvergleich von einem bestimmten monatlichen Nettoeinkommen des Vaters ausgegangen wären, wurde weder behauptet noch festgestellt. Dem Kind ist daher auch für die Vergangenheit ein monatlicher Unterhaltsbetrag von S 2.880 zuzuerkennen.

Anmerkung

E29135

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0010OB00566.92.0424.000

Dokumentnummer

JJT_19920424_OGH0002_0010OB00566_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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