TE OGH 1992/4/28 10ObS61/92

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Veröffentlicht am 28.04.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Göstl (Arbeitgeber) und Alfred Klair (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei H***** F*****, vertreten durch Dr.Josef Peissl, Rechtsanwalt in Köflach, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Zuerkennung von Leistungen gemäß § 173 ASVG infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30.Oktober 1991, GZ 8 Rs 44/91-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. Jänner 1991, GZ 32 Cgs 187/88-23, aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat die Kosten des Berufungs- und des Rekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war von 1976 bis 31.3.1990 bei der K*****gesellschaft mbH im Außendienst als Vertreter beschäftigt, wobei das Schwergewicht seiner Tätigkeit auf dem Vertrieb von Schischuhen lag. Im Rahmen seiner Tätigkeit hatte er wie auch andere Mitarbeiter des Unternehmens jährlich etwa für 20 bis 40 Tage Schischuhe zu testen. Eine gesonderte Entlohnung wurde hiefür nicht gewährt, doch übernahm das Dienstgeberunternehmen sämtliche damit verbundenen Kosten für Aufenthalt, Verpflegung und Liftfahrten. Solche Tests waren für die Woche vor dem 10.2.1986 angesetzt, konnten jedoch wegen des herrschenden Schlechtwetters nur in geringem Umfang durchgeführt werden. Für die folgende Woche hatte der Kläger seinen Gebührenurlaub geplant, den er als Schiurlaub im Hochköniggebiet verbrachte. Über Ersuchen des Verkaufsleiters sollte der Kläger in dieser Woche 3 bis 5 neue Schischuhmodelle testen. Die Tests werden so vorgenommen, daß zunächst mit einem vertrauten Schuh eine gewisse Strecke 2 bis 3mal abgefahren wird. In der Folge wird dann ein Testschuh angelegt und damit auf der gleichen Strecke gefahren, um Vergleichswerte zu ermitteln. Anschließend ist ein Testbericht auszufüllen, der sich auf alle möglichen Bereiche des Schuhs bezieht wie Halt, Druckstellen etc. Das Ausfüllen des Testberichts unmittelbar nach dem Abfahren, während die Schuhe noch an den Füssen sind, dauert für einen mit dieser Arbeit Vertrauten 5 Minuten. Bei den von der Firma veranstalteten Tests werden im allgemeinen 4 bis 5 Schuhe pro Tag getestet; der Kläger testete im Urlaub einen Schuh pro Tag. Für die im Urlaub durchgeführten Tests wurde der Kläger nicht honoriert. Die Durchführung der Tests lag grundsätzlich auch im eigenen Interesse des Klägers, weil er aufgrund der besseren Kenntnisse der Produkte bessere Verkaufsgespräche führen konnte. Der Schiurlaub des Klägers gestaltete sich im wesentlichen gleichartig, wie wenn er solche Tests nicht übernommen hätte. Der Kläger konsumierte die ganze Woche als Gebührenurlaub; eine Gutschrift für die Durchführung der Tests wurde nicht gewährt. Am 14.2.1986 stürzte der Kläger bei der Abfahrt mit einem Testschuh, nachdem er gegen einen Buckel gestoßen war. Daß der Testschuh in irgendeiner Form auf den Unfallhergang von Einfluß gewesen wäre, steht nicht fest.

Mit Bescheid vom 26.7.1988 lehnte die beklagte Partei die Gewährung von Leistungen gemäß § 173 ASVG aus Anlaß des Unfalles des Klägers vom 14.2.1986 ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Klage, die ein bestimmtes Begehren nicht enthält. Der Kläger vertritt den Standpunkt, daß es sich bei dem Umfall vom 14.2.1986 um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Im Rahmen seiner ihm obliegenden Verpflichtung und über besonderen Auftrag seines Dienstgebers habe er in seinem Urlaub neue Schischuhmodelle getestet und entsprechende Testberichte verfaßt. Der Unfall sei unter Versicherungsschutz gestanden, weil sich der Kläger bei einer Testfahrt mit einem neuen Schuhmodell verletzt habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Der Unfall stehe in keinem örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung; im Rahmen des Schiurlaubes sei die Verfolgung eigenwirtschaftlicher Interessen des Klägers so weit im Vordergrund gestanden, daß das betriebliche Interesse völlig zurückgetreten sei.

Das Erstgericht wies ein Begehren des Klägers auf Gewährung einer Versehrtenrente in gesetzlicher Höhe sowie ein Eventualbegehren auf Feststellung, daß die vom Kläger erlittene Verletzung vom 14.2.1986 Folge eines Arbeitsunfalles sei, ab. Bei einer Tätigkeit, die zum Teil im betrieblichen und zum Teil im privaten Interesse entfaltet werde, bestehe nur dann Versicherungsschutz, wenn die betrieblichen Interessen gegenüber den privaten Interessen nicht erheblich in den Hintergrund träten. Ein solches Zurücktreten betrieblicher Interessen sei hier anzunehmen, der Kläger habe einen bereits fixierten Urlaub in gleicher Weise abgewickelt wie ohne Testauftrag. Der Unfall wäre auch bei Verwendung von eigenen und nicht bloß von Testschuhen eingetreten. Der Test habe keinen Einfluß auf den Geschehensablauf gehabt. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Tragen von Testschuhen und dem Unfall sei nicht erkennbar.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die betriebliche Tätigkeit sei bei der konkreten Abfahrt, bei der sich der Unfall ereignet habe, nicht so in den Hintergrund getreten, daß der Versicherungsschutz ausgeschlossen wäre. Die Testung sei von Einfluß auf eine bestimmte Abfahrtsstrecke und die Häufigkeit ihrer Frequentierung gewesen, habe doch eine gewisse Strecke, und zwar immer dieselbe, zwei- bis dreimal zunächst mit einem vertrauten Schuh und dann mit einem Testschuh befahren werden müssen, um Vergleichswerte zu ermitteln. Ohne Testung wäre damit eine häufigere Variierung und freiere Gestaltung der jeweiligen Abfahrtsstrecke möglich gewesen. Betriebliche Zwecke seien daher nicht mehr bis zur Bedeutungslosigkeit in den Hintergrund getreten, weshalb Unfallversicherungsschutz bestanden habe.

Ergänzungsbedürftig erweise sich das Verfahren, weil das Erstgericht eine Prüfung der für Art und Umfang der dem Kläger aus dem Arbeitsunfall nach dem Gesetz zustehenden Ansprüche maßgeblichen Umstände unterlassen habe.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der vom Berufungsgericht für zulässig erklärte Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Für Verrichtungen, die sowohl im privaten wie auch im betrieblichen Interesse liegen (sogenannte gemischte Tätigkeiten) besteht Versicherungsschutz, wenn die Verrichtung im Einzelfall dazu bestimmt war, auch betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen. Wenn für die unfallbringende Verrichtung im wesentlichen allein die privaten Interessen des Versicherten maßgebend sind, so ist der Unfall kein Arbeitsunfall; die ebenfalls vorhandenen betrieblichen Interessen sind hier nur Nebenzweck des Handelns und bildeten für den Unfall nur eine Gelegenheitsursache (SSV-NF 5/10 mwN; zuletzt 10 Ob S 43/92). Hier steht fest, daß sich der Unfall während des Urlaubes des Klägers ereignete, der grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen ist (Brackmann, Handbuch II 72.Nachtrag 485 d). Der Umstand, daß der Kläger diese Gelegenheit wahrnahm, um im Sinn des Ersuchens seines Dienstgebers (für einen dienstlichen Auftrag bestand für die Urlaubszeit keine gesetzliche Grundlage) auch Schischuhe zu testen, tritt daneben weit zurück. Daß der Kläger Schiabfahrten bestritt, ergab sich aus dem Zweck des von ihm konsumierten Wintersporturlaubs. Die Abfahrten dienten in erster Linie der im eigenwirtschaftlichen Interesse gelegenen sportlichen Betätigung. Daß er dabei einmal täglich auch den Schischuh wechselte, und über seine Eindrücke einen kurzen Testbericht anfertigte, bildete nur eine Nebenursache des sportlichen Schilaufs. Die Ausführungen des Berufungsgerichtes, daß der Kläger in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt gewesen sei, weil er im Zug der Testung gehalten gewesen sei, dieselbe Strecke mehrmals zu befahren, während ihm andernfalls eine freiere Wahl der Abfahrtsstrecke möglich gewesen wäre, gehen an der (auf der Aussage des Klägers beruhenden) Feststellung vorbei, daß sich der Schiurlaub des Klägers ungeachtet der Tests im wesentlichen genauso gestaltet, wie er ohne diese Tests abgelaufen wäre. Dies entspricht auch durchaus der Erfahrung, zumal im allgemeinen Schiläufer häufig von mehreren Abfahrtsstrecken, die ihnen in einem Wintersportort zur Verfügung stehen, zumeist die ihrem Können entsprechende Abfahrtsstrecke täglich mehrmals befahren; in vielen Wintersportorten steht auch eine Mehrzahl von Pisten in gleichem Schwierigkeitsgrad, die einen wiederholten Wechsel der Abfahrtsstrecken ermöglichen, gar nicht zur Verfügung. Daß aber der Umstand, daß der Kläger einen Testschuh trug, für den Unfall ursächlich gewesen wäre, ist nicht erwiesen.

Für den Kläger stand der sportliche Schilauf im Urlaub klar im Vordergrund. Der Umstand, daß er bei dieser Gelegenheit über Ersuchen seines Dienstgebers auch Schuhtests durchführte, tritt daneben weit in den Hintergrund und bildete nur eine unbedeutende Nebenursache für die Schiabfahrten. Der erforderliche örtliche, zeitliche und ursächliche Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ist daher nicht gegeben, sodaß die Voraussetzungen für die Annahme des Unfallversicherungsschutzes nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich Anhaltspunkte für solche Gründe aus dem Akt.

Anmerkung

E29419

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00061.92.0428.000

Dokumentnummer

JJT_19920428_OGH0002_010OBS00061_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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