Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Dr.Ernst Maiditsch ua, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Walter A*****, vertreten durch Dr.Manfred Haslinglehner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 97.428,50 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 4.Juni 1991, GZ 1 R 26/91-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 16.November 1990, GZ 25 Cg 163/90-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit 5.094 S (darin 849 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Ehefrau des Beklagten schloß am 28.12.1979 als Pächterin einen Pachtvertrag über einen Kaffeehausbetrieb, den sie zum 31.3.1982 aufkündigte. Nach dem Inhalt des Pachtvertrages war die Pächterin verpflichtet, der Verpächterin neben dem Pachtschilling sämtliche auf den Pachtgegenstand entfallenden "öffentlichen Abgaben, Getränkesteuern und sonstigen Abgaben, wie Musikschutz etc", zu bezahlen und sie vollkommen schad- und klagslos zu halten. Der Beklagte erklärte in dem Vertrag, mit seiner Ehefrau solidarisch für alle im Vertrag enthaltenen Verbindlichkeiten und Verpflichtungen zu haften.
Der zuständige Magistrat erließ am 10.8.1983 gegen die Verpächterin gemäß § 170 der Kärntner Landesabgabenordnung 1983 LGBl 36 einen Haftungsbescheid, mit dem er die Verpächterin gemäß § 4 Abs 1 des Kärntner Getränkeabgabegesetzes 1978 LGBl 94 zur Entrichtung der Getränkeabgabe für die Monate April 1981 bis einschließlich März 1982 in der auf Grund einer Berufung schießlich mit 97.428,50 S festgesetzten Höhe heranzog.
Die Verpächterin klagte ihren damaligen Rechtsbeistand, der als Rechtsanwalt Versicherungsnehmer der klagenden Partei ist, auf Bezahlung des Betrages von 97.428,50 S sA. Dem Klagebegehren wurde rechtskräftig im wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, daß der Rechtsbeistand die Verpächterin nicht ausreichend über die nach § 4 Abs 2 des Kärntner Getränkeabgabegesetzes bestehende Möglichkeit belehrt habe, ihre Haftung durch eine fristgerechte Mitteilung über die Beendigung des Pachtverhältnisses auszuschließen; er habe damit gegen seine vertraglichen und beruflichen Pflichten verstoßen und sei seiner Mandantin zum Ersatz des hiedurch ausgelösten Schadens verpflichtet.
Die klagende Partei begehrt nun vom Beklagten die Bezahlung von 97.428,50 S sA. Sie habe der Verpächterin diesen Betrag auf Grund des mit deren Rechtsbeistand geschlossenen Versicherungsvertrages bezahlt. Der Beklagte hafte auf Grund des Pachtvertrages für die Abgaben, zu deren Entrichtung die Verpächterin herangezogen worden sei. Er sei nach dem Vertrag verpflichtet, sie klag- und schadlos zu halten. Der Regreßanspruch, den ihr (der klagenden Partei) Versicherungsnehmer gegen den Beklagten habe, sei ex lege auf sie übergegangen.
Der Beklagte wendete die Verjährung des eingeklagten Betrages ein, weil die Verjährungsfrist schon mit dem am 10.8.1983 erlassenen Haftungsbescheid zu laufen begonnen habe. Er habe der klagenden Partei überdies auch nicht Ersatz zu leisten, weil die Verpächterin nur wegen des Verschuldens des Versicherungsnehmers der klagenden Partei zur Haftung herangezogen worden sei. Ihn selbst hätte der zuständige Magistrat nicht gemäß § 4 Abs 1 des Kärntner Getränkeabgabegesetzes in Anspruch nehmen können, weil er sich nur der Verpächterin gegenüber zur Haftung verpflichtet habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dem Versicherungsnehmer der klagenden Partei und damit auch dieser stehe ein Regreßanspruch gegen den Beklagten nicht zu, weil nur das Verschulden des Versicherungsnehmers der klagenden Partei dafür ausschlaggebend gewesen sei, daß die Verpächterin zur Entrichtung der Getränkeabgaben herangezogen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Der Beklagte habe gegenüber der Verpächterin zwar die Solidarhaftung für die Verpflichtungen seiner Ehefrau übernommen. Da es sich dabei aber um einen einseitig verbindlichen Vertrag gehandelt habe, sei gemäß § 915 Satz 1 ABGB anzunehmen, daß er sich eher die geringerere als die schwerere Last auferlegen habe wollen. Auch wenn man einen zweiseitig verbindlichen Vertrag annehme, ginge gemäß § 915 Satz 2 ABGB eine undeutliche Äußerung zum Nachteil der Verpächterin. Es sei hier aber zumindest unklar, ob der Beklagte auch die Haftung für eine Schuld übernehmen habe wollen, die der Verpächterin erst infolge des Verschuldens ihres Rechtsbeistands entstanden sei. Überdies sei die vom Beklagten erklärte Übernahme fremder Verbindlichkeiten nach den Regeln des Bürgschaftsrechts zu beurteilen. Der Gläubiger müsse aber tunlichst alles vorkehren, um die Inanspruchnahme des Bürgen zu vermeiden. Insbesondere bei der Haftung für mögliche künftige Verbindlichkeiten müsse eine Befreiung von der Mithaftung angenommen werden, wenn der Gläubiger den Schaden verhüten oder abwenden hätte können und dies aus Nachlässigkeit unterlassen habe. Dieser Fall liege hier aber im Hinblick auf das Verschulden der Verpächterin bzw ihres Rechtsbeistands vor. Die Verpächterin habe daher gegen den Beklagten trotz seiner Haftungserklärung keinen Anspruch auf Ersatz der bezahlten Getränkeabgabe gehabt. Die klagende Partei könne als Legalsukzessionar keine günstigere Position erlangen.
Die von der klagenden Partei gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Wie schon das Berufungsgericht richtig erkannte, setzt ein Anspruch der klagenden Partei voraus, daß der Beklagte die Verpächterin die von dieser bezahlte Getränkeabgabe zu ersetzen gehabt hätte. In diesem Fall hätte der Versicherungsnehmer der klagenden Partei der Verpächterin mit dem Beklagten und der Pächterin solidarisch für den Ersatz der Getränkeabgabe gehaftet. Da es für den Regreß unter Gesamtschuldnern gleichgültig ist, ob die Gesamtschuld auf einem gemeinsamen Rechtsgrund beruht oder
nur sogenannte unechte Solidarität vorliegt (SZ 52/185 = EvBl
1980/199 = JBl 1981, 210; SZ 57/81; JBl 1987, 670; SZ 62/66 = ÖBl
1990, 278 ua), wäre dem Versicherungsnehmer der klagenden Partei gegen den Beklagten dann nach Maßgabe des § 896 Abs 1 ABGB ein Rückgriffsanspruch zugestanden. Dieser Anspruch wäre gemäß § 67 Abs 1 VersVG auf die klagende Partei übergegangen, zumal der in der angeführten Gesetzesstelle verwendete Ausdruck "Schadenersatzanspruch" ausdehnend zu verstehen ist und auch Rückgriffsansprüche umfaßt (SZ 52/91; VersRdSch 1988/98 ua).
Nach dem Inhalt des Pachtvertrages wäre die Ehefrau des Beklagten als Pächterin verpflichtet gewesen, die durch den Pachtbetrieb entstandene Schuld zur Bezahlung der Getränkeabgabe zu tragen; dem entspricht auch, daß sie nach § 3 Abs 1 des Kärntner Getränkeabgabegesetzes Abgabenschuldnerin war. Materiell handelte es sich daher um eine Schuld der Ehefrau des Beklagten.
Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß den Gläubiger auch gegenüber einem Solidarschuldner, der für eine materiell fremde Schuld haftet, Sorgfaltspflichten ähnlich wie gegenüber einem Bürgen treffen und daß eine schuldhafte Verletzung dieser Sorgfaltspflichten zum Verlust des Anspruchs des Gläubigers führen kann (vgl zum Bürgen Ohmeyer in ZBl 1927, 171 f und GZ 1927, 37 f; Gamerith in Rummel, ABGB II Rz 4 zu § 1356). Die Voraussetzung hiefür ist aber erfüllt:
Gemäß § 4 Abs 2 des Kärntner Getränkeabgabegesetzes tritt die im vorangehenden Abs 1 festgelegte Haftung des Verpächters für die Getränkeabgabe nicht ein, wenn der Verpächter die Beendigung des Pachtverhältnisses sechs Wochen nach dem Eintritt dieses Umstands der Gemeinde nachweislich mitteilt. Hätte die Verpächterin des von der Ehefrau des Beklagten gepachteten Betriebes die angeführte Mitteilung rechtzeitig erstattet, so hätte die Behörde sie nicht zur Bezahlung der von der Ehefrau des Beklagten geschuldeten Getränkeabgabe heranziehen können. In diesem Fall hätte aber auch keine Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz der Getränkeabgabe entstehen können, zumal ihn weder der Behörde noch seiner Ehefrau gegenüber eine materielle Verpflichtung traf.
Die Verpächterin hätte daher das Entstehen ihrer Haftung, woraus allein die Zahlungspflicht des Beklagten abgeleitet werden könnte, durch eine rechtzeitige Mitteilung an die Abgabenbehörde verhindern können; sie wäre hiezu im Rahmen der sie gegenüber dem Beklagten treffenden Sorgfaltspflicht auch verpflichtet gewesen. In dem gegen den Versicherungsnehmer der klagenden Partei geführten Verfahren, in dem die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 516/89 (= AnwBl 1990, 49 = RdW 1989, 221) erging, wurde festgestellt, daß das Unterbleiben der Mitteilung vom Versicherungsnehmer der klagenden Partei, der damals der Rechtsbeistand der Verpächterin war, verschuldet wurde. Da sich die Verpächterin das Verschulden ihres Vertreters zurechnen lassen muß, hat sie ihre Sorgfaltspflicht gegenüber dem Beklagten schuldhaft verletzt. Dies führte aber zum Verlust ihres Ersatzanspruchs gegen den Beklagten. Soweit der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 516/89 am Rande eine andere Meinung vertrat vermag sich der erkennende Senat dem nicht anzuschließen.
War aber der Beklagte nicht Gesamtschuldner, so steht dem Versicherungsnehmer der klagenden Partei und damit auch dieser gegen ihn kein Rückgriffsanspruch zu. Es ist auch kein anderer Rechtsgrund für eine Zahlungspflicht des Beklagten vorhanden. Der Rückforderung des von der klagenden Partei gezahlten Betrages nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts steht ebenfalls entgegen, daß der Beklagte zum Ersatz der Getränkeabgabe nicht verpflichtet war und die klagende Partei ihn daher nicht von einer Schuld befreite.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E29193European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0030OB00559.91.0429.000Dokumentnummer
JJT_19920429_OGH0002_0030OB00559_9100000_000